Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Wiedereinsetzung bei verzögerter Faxübermittlung
Leitsatz (redaktionell)
1. Will ein Rechtsanwalt fristwahrende Schriftsätze mittels Telefaxgerät übermitteln, so hat er das zur Wahrung der Frist des § 93 Abs. 1 S. 1 BVerfGG Gebotene dann nicht getan, wenn er lediglich ein funktionstüchtiges Sendegerät nutzt und die Empfängernummer zutreffend eingibt; vielmehr hat er mit der Übermittlung so rechtzeitig zu beginnen, daß er unter gewöhnlichen Umständen mit ihrem Abschluß am Tage des Fristablaufs bis 24.00 Uhr rechnen kann. Dabei hat er die Belegung des gerichtseigenen Telefaxanschlusses durch andere eingehende Sendungen, eine kurz vor Fristablauf allgemein zu beobachtende Erscheinung, einzukalkulieren.
2. Im Streitfall keine Wiedereinsetzung, weil mit der Tefaxübermittlung erst 6 Minuten vor Fristende begonnen und nach Fristende beendet wurde.
Normenkette
BVerfGG § 93 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgelehnt.
Gründe
Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor, weil die Verfassungsbeschwerde wegen Versäumung der Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG unzulässig ist (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫; 96, 245 ≪248≫).
Der angegriffene Beschluß des Verwaltungsgerichts vom 27. Februar 1998 ist dem Beschwerdeführer nach eigenen Angaben am 4. März 1998 zugestellt worden. Die Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde lief danach am Montag, dem 6. April 1998, ab. Die am 7. April 1998 eingegangene Verfassungsbeschwerde ist deshalb verspätet. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist dem Beschwerdeführer nicht zu gewähren, weil er nicht glaubhaft gemacht hat, daß er ohne Verschulden verhindert war, die versäumte Frist einzuhalten (§ 93 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).
Zwar hat sein Bevollmächtigter einen zulässigen Weg der Einreichung fristgebundener Schriftsätze gewählt, indem er die Verfassungsbeschwerde mittels Telefax erhoben hat. Mit der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionstüchtigen Sendegeräts und der zutreffenden Eingabe der Empfängernummer allein hat er das zur Fristwahrung Gebotene allerdings nicht getan. Denn er hat mit der Übermittlung nicht so rechtzeitig begonnen, daß unter gewöhnlichen Umständen mit ihrem Abschluß am Tage des Fristablaufs bis 24.00 Uhr hätte gerechnet werden dürfen (vgl. BVerfG, Beschluß der 2. Kammer des Ersten Senats vom 1. August 1996, NJW 1996, S. 2857).
Ausweislich der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung hat er am 6. April 1998 erstmals um 23.54 Uhr versucht, die Verfassungsbeschwerde zu senden. Wie er zutreffend annimmt, scheiterte eine Übermittlung bis 24.00 Uhr, weil das Telefaxempfangsgerät des Bundesverfassungsgerichts in diesem Zeitraum durch eine andere eingehende Sendung belegt war. Eine solche Belegung ist kein einer technischen Störung gleichzuachtender Umstand, der dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden könnte, sondern ein gewöhnliches Ereignis, auf das sich ein Rechtssuchender einstellen muß. Gerade die Abend- und Nachtstunden werden wegen günstigerer Tarife oder wegen drohenden Fristablaufs genutzt, um Schriftstücke fristwahrend per Telefax zu übermitteln. Dies ist eine Erscheinung, die nicht nur beim Bundesverfassungsgericht, sondern bei Gerichten und Behörden allgemein zu beobachten ist und die bereits Gegenstand der Rechtsprechung war (vgl. z.B. BVerwG, Beschluß vom 13. November 1996, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 206; ferner: BGH, Beschluß vom 26. Juni 1996, NJW-RR 1996, S. 1275 f.). Ihr hätte daher – nicht anders als beispielsweise der allgemein bekannten Tatsache eines täglichen Auftretens von Verkehrsstauungen an einem bestimmten Ort bei Nutzung des PKW zur Wahrnehmung eines Gerichtstermins (vgl. zu einer solchen Fallgestaltung: BVerfG, Zweiter Senat, 3. Kammer, Beschluß vom 13. September 1993, Strafverteidiger 1994, S. 113) – durch einen zeitlichen “Sicherheitszuschlag” Rechnung getragen werden müssen.
Es kann dahingestellt bleiben, welcher Abstand von 24.00 Uhr für den erstmaligen Versuch der Übermittlung der Verfassungsbeschwerde einzuhalten war, um einen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu begründen. Denn der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers hat mit dem Sendebeginn gleichsam bis zur letzten Minute zugewartet. Ausweislich der Angaben auf dem nach Mitternacht eingegangenen Telefax nahm die Übertragung der elf Seiten umfassenden Verfassungsbeschwerde zumindest vier Minuten in Anspruch. Hiernach verblieb ihm allenfalls eine Zeitreserve von zwei Minuten. Diese Spanne ist derart knapp, daß ihm der Vorwurf mangelnder Sorgfalt, der dem Beschwerdeführer zuzurechnen ist (§ 93 Abs. 2 Satz 6 BVerfGG), nicht erspart werden kann.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Limbach, Kirchhof, Jentsch
Fundstellen
Haufe-Index 1276522 |
HFR 2000, 302 |