Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des Aufwertungsausgleichsgesetzes

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Anwendung des Gleichheitssatzes im Bereich des Aufwertungsausgleichsgesetzes.

 

Leitsatz (redaktionell)

Weil die nicht begünstigten tierischen Veredelungsbetriebe wegen ihrer Bodenunabhängigkeit und ihrer Betriebsstruktur wirtschaftliche und rechtliche Vorteile gegenüber den bodenabhängigen landwirtschaftlichen Betrieben haben und sich an geänderte Marktbedingungen und Kostenverhältnisse eher anpassen können als jene, läßt sich eine verfassungswidrige Abgrenzung nicht feststellen.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; AufwAG Art. 1, 2 Nr. 1, Art. 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2, Art. 6; BewG 1965 § 51

 

Tatbestand

A.

Die Beschwerdeführerin, die sich in der Form einer Tierhaltungskooperation mit flächenunabhängiger, d. h. ohne eigene ausreichende Futterfläche betriebener tierischer Veredelungswirtschaft (Junggeflügelmast) befaßt, wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen das Gesetz über einen Ausgleich für Folgen der Aufwertung der Deutschen Mark auf dem Gebiet der Landwirtschaft (Aufwertungsausgleichsgesetz – Aufw-AG) vom 23. Dezember 1969 (BGBl. I S. 2381).

I.

Bei der im Herbst 1969 erfolgten Aufwertung der Deutschen Mark ging man davon aus, daß der deutschen Landwirtschaft durch die Aufwertung infolge der Bindung der deutschen Agrarpreise an die EWG-Recheneinheit sofort und unmittelbar wirkende Einkommensverluste erwachsen würden.

1. Ein Teil dieser Folgen sollte beschleunigt durch das Aufwertungsausgleichsgesetz ausgeglichen werden. Hiernach wird einerseits der Mehrwertsteuersatz für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführten Umsätze auf acht vom Hundert angehoben, andererseits darf die für solche Umsätze geschuldete Mehrwertsteuer um drei von Hundert gekürzt werden, so daß den begünstigten Unternehmern bei jedem Verkaufsvorgang ein Verlustausgleich von drei vom Hundert des Entgeltes zufließt (Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufwAG). Als land- und forstwirtschaftliche Betriebe gelten auch Gewerbebetriebe kraft Rechtsform, sofern im übrigen die Merkmale eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes vorliegen. Bei der Beschwerdeführerin, die ihren Geflügelmastbetrieb flächenunabhängig führt, fehlen diese Merkmale (§ 51 des Bewertungsgesetzes nebst den Anlagen 1 und 2 zu diesem Gesetz).

2. Derjenige Teil der Aufwertungsverluste, der durch die genannte Regelung nicht gedeckt ist, soll gemäß Art. 1 in Verbindung mit Art. 6 des Aufwertungsausgleichsgesetzes durch Bereitstellung von Mitteln im Bundeshaushalt ausgeglichen werden. Dazu erging am 5. Juni 1970 das Durchführungsgesetz zum Gesetz über einen Ausgleich für Folgen der Aufwertung der Deutschen Mark auf dem Gebiet der Landwirtschaft (BGBl. I S. 676). Bemessungsgrundlage für die Ausgleichsleistungen nach diesem Gesetz sind die landwirtschaftliche Nutzfläche und die Art der Bebauung; Tierveredelungsbetriebe werden nur insoweit berücksichtigt, als sie mehr als einen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche bewirtschaften.

II.

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin verletzen die genannten Bestimmungen des Aufwertungsausgleichsgesetzes Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG.

Der Gesetzgeber, der aus wirtschafts- und sozialpolitischen Gründen die Bildung von Kooperationsbetrieben angeregt habe, müsse diese Unternehmen vor den Folgen der Aufwertung ebenso schützen wie sonstige landwirtschaftliche Betriebe. Landwirtschaftliche und flächenunabhängige Tierhaltungsbetriebe würden, da sie Marktordnungswaren absetzten, von der Aufwertung in gleicher Weise betroffen. Die angeblichen Kosten- und Rationalisierungsvorteile der Kooperationsbetriebe, die aufwertungsbedingte Verbilligung der Futtermittel für die tierische Veredelungswirtschaft und die Eilbedürftigkeit des Aufwertungsausgleichsgesetzes reichten nicht aus, um eine Differenzierung zu rechtfertigen und die Handlungsfreiheit der Kooperationsbetriebe unter Veränderung der Wettbewerbslage einzuschränken. Obwohl während der Bundestagsberatungen über das Aufwertungsausgleichsgesetz angekündigt worden sei, daß die Benachteiligung der gewerblichen Tierveredeler später ausgeräumt werden solle, sei das auch im Durchführungsgesetz vom 5. Juni 1970 nicht geschehen.

 

Entscheidungsgründe

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.

Dem Gesetzgeber gebührt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit weitgehend Freiheit in der Abgrenzung des begünstigten Personenkreises; die Abgrenzung ist nicht zu beanstanden, wenn vernünftige Gründe dafür bestehen und der Gesetzgeber willkürliche Privilegierungen und Diskriminierungen vermeidet (BVerfGE 11, 50 [60]; 12, 151 [166]; 17, 210 [216]; 22, 100 [104]).

Der Gesetzgeber mußte bei seinen Bemühungen um einen Ausgleich der befürchteten Aufwertungsverluste auf die Verpflichtungen der Bundesrepublik gegenüber der Europäischen Gemeinschaft Rücksicht nehmen; ihm stand daher nur ein begrenztes Instrumentarium für diesen Ausgleich zur Verfügung. Daß er in dieser Lage den Ausgleich zunächst auf dem Wege über das Umsatzsteuerrecht vornahm, ist – wie auch die Beschwerdeführerin nicht verkennt – nicht zu beanstanden. Entgegen ihrer Auffassung handelte der Gesetzgeber aber auch nicht willkürlich, wenn er bei dieser ersten Teilregelung an die bestehende steuerrechtliche Unterscheidung zwischen flächenunabhängigen und anderen Tierveredelungsbetrieben anknüpfte. Er hat – wie die Beratungen über das Durchführungsgesetz vom 5. Juni 1970 erkennen lassen – im Bemühen um eine möglichst gerechte Gesamtregelung und nach Prüfung einer größeren Zahl möglicher Verteilungsschlüssel in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Praxis auch bei diesem späteren Gesetz an der Bodennutzung als Bemessungsgrundlage festgehalten und eine besondere Regelung für die tierische Veredelungsproduktion schon deshalb nicht für erforderlich angesehen, weil ein gewisser Ausgleich bereits über die aufwertungsbedingte Preisverbilligung der zugekauften Futtermittel erwartet wurde (vgl. BTDrucks. VI/602 S. 6 bis 10). Wird weiter berücksichtigt, daß die nicht begünstigten tierischen Veredelungsbetriebe wegen ihrer Bodenunabhängigkeit und ihrer Betriebsstruktur wirtschaftliche und rechtliche Vorteile gegenüber den bodenabhängigen landwirtschaftlichen Betrieben haben und sich an geänderte Marktbedingungen und Kostenverhältnisse eher anpassen können als jene, dann läßt sich eine verfassungswidrige Abgrenzung nicht feststellen.

Sonach verstößt die beanstandete Differenzierung entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht gegen den Gleichheitssatz. Eine Verletzung der Rechte der Beschwerdeführerin aus Art. 2 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich.

 

Fundstellen

BVerfGE, 337

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