Entscheidungsstichwort (Thema)

Billigkeitserlaß. rechtliches Gehör

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die zwischen den Prinzipien der Rechtssicherheit und der materiellen Steuergerechtigkeit abwägende Auslegung des § 131 AO, wonach nur bei offensichtlich unrichtiger Steuerfestsetzung ein Erlaß geboten gewesen wäre, verstößt nicht gegen das Grundgesetz.

2. Setzen sich Urteilsgründe nicht ausdrücklich mit einer in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht überdies anders gelagerten Entscheidung eines anderen Finanzgerichts auseinander, kann daraus nicht gefolgert werden, entgegen Art. 103 Abs. 1 GG seien die rechtlichen Argumente nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen worden.

 

Normenkette

AO § 131; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BFH (Urteil vom 22.09.1976; Aktenzeichen I R 68/74; BFHE 120, 200)

FG Baden-Württemberg (Urteil vom 14.02.1974; Aktenzeichen I (I b) 74/72)

 

Gründe

1. Die zwischen den Prinzipien der Rechtssicherheit und der materiellen Steuergerechtigkeit abwägende Auslegung des § 131 AO in dem Urteil des Bundesfinanzhofs, wonach nur bei offensichtlich unrichtiger Steuerfestsetzung ein Erlaß geboten gewesen wäre, verstößt nicht gegen das Grundgesetz (vgl. BVerfGE 15, 313 [319 f.]).

2. Es ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, daß bei Abschnittsteuern die jährlichen Steueransprüche ein je verschiedenes rechtliches Schicksal haben können. Der Gesichtspunkt der „entschiedenen Sache” rechtfertigt es, rechtskräftige Entscheidungen unberührt zu lassen, aber auch die Wirkungen der Rechtskraft auf die entschiedenen Fälle zu beschränken. Das ist keine Verletzung des Gleichheitssatzes (BVerfGE 13, 39 [45]). Wenn dies nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt, sofern die Rechtslage durch die Gesetzgebung geändert wird (BVerfGE 15, 313 [320]), ist es erst recht nicht zu beanstanden, wenn die Wirkungen der Rechtskraft bei unveränderter Rechtslage oder bei einem Wandel der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die rechtskräftig entschiedenen Fälle bestehen bleiben.

3. Der Bundesfinanzhof war nicht verpflichtet,sich in den Urteilsgründen ausdrücklich mit einer in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht überdies anders gelagerten Entscheidung eines anderen Finanzgerichts, auf die sich die Beschwerdeführerin berufen hatte, auseinanderzusetzen. Wenn er dies unterließ, kann daraus nicht gefolgert werden, er hätte entgegen Art. 103 Abs. 1 GG die rechtlichen Argumente der Beschwerdeführerin nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen (vgl. BVerfGE 5, 22 [24]).

Diese Entscheidung ist unnnfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1641762

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