Entscheidungsstichwort (Thema)

§ 82 d EStDV verfassungsgemäß

 

Leitsatz (redaktionell)

§ 82 d EStDV i. d. F. der Änderung der EStDV vom 13. Januar 1972 (BGBl. I S. 45) über die Bewertungsfreiheit für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die der Forschung oder Entwicklung dienen, hält sich im Rahmen der Ermächtigung des § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. u EStG 1971.

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 3, Art. 80 Abs. 1; EStDV § 82d; EStG 1971 § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. u

 

Verfahrensgang

BFH (Urteil vom 22.10.1986; Aktenzeichen I R 180/82)

FG Köln (Urteil vom 19.05.1982; Aktenzeichen I 126/80 K)

 

Gründe

1. § 82 d EStDV in der Fassung der Änderung der EStDV vom 13. Januar 1972 (BGBl. I S. 45) hält sich im Rahmen der Ermächtigung des § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. u EStG 1971.

Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung müssen im Gesetz bestimmt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedeutet dies nicht, daß die Ermächtigung in ihrem Wortlaut so genau wie nur irgend möglich formuliert und gefaßt sein muß; sie hat von Verfassungs wegen nur hinreichend bestimmt zu sein. Dabei können zur Klärung von Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung im einzelnen – wie auch sonst bei der Auslegung einer Vorschrift – der Sinnzusammenhang der Norm mit anderen Bestimmungen und das Ziel der gesetzlichen Regelung sowie auch ihre Entstehungsgeschichte herangezogen werden (st. Rspr.; vgl. BVerfGE 68, 319 ≪332 f.≫ m.w.N.). Bei Maßnahmen, die den Steuerpflichtigen entlasten sollen, muß zwar auch ein gewisser Grad gesetzlicher Bestimmtheit verlangt werden; die Anforderungen an die Ermächtigung sind gleichwohl geringer als bei Eingriffsermächtigungen (vgl. BVerfGE 48, 210 ≪222≫).

Im vorliegenden Fall geht es allein um die Frage, ob die Bundesregierung ermächtigt war, die Gewährung der Sonderabschreibung davon abhängig zu machen, daß das Wirtschaftsgut, für das die Abschreibung in Anspruch genommen wird, zumindest einen gewissen Zeitraum im Betrieb des Investors verbleibt.

Im Steuerrecht ist der personale Bezug eine Selbstverständlichkeit. Der Gewerbetreibende ermittelt seinen Gewinn, der Arbeitnehmer seine Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Auch Sonderabschreibungen können sich nur bei einem konkreten Steuerpflichtigen auswirken, selbst wenn der Gesetzgeber mit der Regelung des § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. u EStG im Ergebnis die Investitionstätigkeit der deutschen Wirtschaft anregen wollte. Der in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs zitierte Auszug aus der Begründung des Gesetzentwurfs (BTDrucks. IV/2400, S. 46) geht entsprechend davon aus, daß der einzelne Unternehmer steuerlich entlastet werden sollte, wobei dann insgesamt die Summe der Unternehmen und damit die deutsche Wirtschaft die notwendigen Investitionserleichterungen erhielt. Dazu steht es nicht in Widerspruch, daß der Investor die steuerliche Vergünstigung nur beanspruchen kann, wenn er den Gegenstand seiner Investition in seinem eigenen Betrieb nutzt.

Vor der Verabschiedung der Ermächtigungsnorm wurden bereits Forschungs- und Entwicklungskosten durch übereinstimmende Ländererlasse (vgl. Erlaß des Landes Nordrhein-Westfalen vom 4. Dezember 1958 – BStBl. II S. 189 –) steuerlich begünstigt, wobei es im einzelnen um die Aktivierungspflicht von Aufwendungen zur Gewinnung von neuen wissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen ging. Daß nur ein Unternehmen betroffen sein konnte, in dessen Betrieb geforscht und entwickelt wurde, liegt auf der Hand. Es fehlte aber an einer steuerlichen Begünstigung der Anlagen, die der Forschung und Entwicklung dienten. Diese Lücke sollte durch das Steueränderungsgesetz 1964 geschlossen werden (vgl. BB 1964, S. 1336). Auch dieser Hintergrund der Entstehungsgeschichte des § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. u EStG spricht für die Ermächtigung des Verordnungsgebers, zu verlangen, daß die Wirtschaftsgüter mindestens drei Jahre im Betrieb des Investors verbleiben müssen.

2. Wenn die Beschwerdeführerin rügt, die angegriffenen Entscheidungen gehörten nicht zur verfassungsmäßigen Ordnung und verletzten sie in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG, weil sie sich in sachlich ungerechtfertigter Weise über eine aus rechtsstaatlichen Gründen schutzwürdige Vertrauensposition hinwegsetzten, kann ihrer Auffassung nicht gefolgt werden. Der Bundesfinanzhof hat – ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 63, 343 ≪353 ff.≫; 72, 200) – ohne Verfassungsverstoß in der Änderung des § 82 d EStDV keine für den Streitfall relevante rückwirkende Rechtsfolgeanordnung gesehen, weil es vorliegend um die Körperschaftsteuerveranlagung für 1975 geht. Die Ausführungen des Bundesfinanzhofs zur sogenannten tatbestandlichen Rückanknüpfung begegnen gleichfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Schließlich hat das oberste Gericht in Steuersachen zutreffend darauf hingewiesen, daß die Beschwerdeführerin bei Beginn ihrer Investitionen im Jahr 1971 durch entsprechende Ländererlasse darüber unterrichtet war, daß die Finanzverwaltung § 82 d EStDV 1969 bereits so auslegte, wie es später die EStDV 1971 vorsah.

3. Die Möglichkeit einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG scheidet gleichfalls aus. Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang vorträgt, der vom Gesetzgeber verfolgte Regelungszweck sei ausschließlich sach- und nicht personenbezogen, ist auf die Ausführungen unter 1. des Beschlusses zu verweisen.

Die Gruppe der Unternehmer, die Wirtschaftsgüter, die der Forschung und Entwicklung dienen, im eigenen Betrieb nutzen, wird nach § 82 d EStDV 1971 (1975) zwar anders behandelt als die, die diese vermietet oder verpachtet. Unter dem Gesichtspunkt der Stärkung der Wirtschaftskraft eines auf Forschung und Entwicklung gerichteten Unternehmens, die durch die Sonderabschreibung erreicht werden soll, macht es aber einen Unterschied, ob das Unternehmen die dafür bestimmten Wirtschaftsgüter selbst anschafft oder herstellt und sie selbst verwendet oder ob es sich nur auf Investitionen beschränkt, die Forschung und Entwicklung jedoch einem anderen Unternehmen überläßt. Die beiden Gruppen weisen durch die unterschiedliche Nutzung der Wirtschaftsgüter einen Unterschied von solcher Art und solchem Gewicht auf, daß die ungleiche steuerliche Behandlung gerechtfertigt ist.

4. Auf die Kritik der Beschwerdeführerin an den Ausführungen der Finanzverwaltung in der Einspruchsentscheidung und in dem Urteil des Finanzgerichts zur Frage der Betriebsaufspaltung ist schon deshalb nicht näher einzugehen, weil der Bundesfinanzhof als letztinstanzliches Gericht mit einer auf seiner Rechtsprechung beruhenden Argumentation zur sogenannten kapitalistischen Betriebsaufspaltung das Vorliegen einer solchen verneint hat. Inwieweit diese Rechtsansicht von Verfassungs wegen zu beanstanden sein könnte, ist nicht ersichtlich.

5. Schließlich sind die Rügen der Beschwerdeführerin, die Entscheidungen der Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit seien willkürlich (Art. 3 Abs. 1 GG), sie sei in ihrer Freiheit im wirtschaftlichen Verkehr (Art. 2 Abs. 1 GG) und in ihrem Grundrecht auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt, offensichtlich unbegründet.

Bei der Festsetzung der Gebühr sind alle dafür maßgeblichen Umstände berücksichtigt worden.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1556544

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