Leitsatz (amtlich)

1. Eine Musiklehrerin, die den ihr von einer Pädagogischen Hochschule zugewiesenen Studenten auf Kosten der Hochschule Unterricht erteilt, ist nicht versicherungspflichtig nach RVO § 165, wenn sie nicht in die Organisation der Hochschule eingegliedert ist, Ort und Zeit des Unterrichts selbst bestimmen kann und auch bei der Erteilung des Unterrichts nicht den Weisungen der Hochschule unterliegt.

2. Bei einer selbständigen Musiklehrerin (RVO § 166 Abs 1 Nr 2) kommt Versicherungsfreiheit in entsprechender Anwendung des RVO § 168 Abs 2 jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn sie neben dem Beruf als selbständige Musiklehrerin keine weitere Beschäftigung ausübt und der Musikunterricht ihre allein bedeutsame Einnahmequelle darstellt. Die Geringfügigkeit ihrer Einkünfte allein bewirkt nicht Versicherungsfreiheit.

 

Normenkette

RVO § 165 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1945-03-17, § 165b Abs. 1 Nr. 6 Fassung: 1945-03-17, § 166 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1945-03-17, § 168 Abs. 2 Fassung: 1945-03-17; AVG § 1 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1945-03-17, Nr. 2 Fassung: 1945-03-17; RVO § 1226 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1945-03-17

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Celle vom 4. April 1956 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beigeladene zu 1) in dem gesamten hier streitigen Zeitraum als selbständige Musiklehrerin der Krankenversicherungspflicht unterlegen hat.

Die Beteiligten haben einander Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I.

Die beigeladene Musiklehrerin M W erteilte seit November 1945 Studenten der Pädagogischen Hochschule B, der Klägerin, wöchentlich drei bis vier Stunden Musikunterricht. Die Studenten, die Interesse an Musikunterricht hatten, wurden der Beigeladenen von der Hochschule zugewiesen und von ihr einzeln oder in Gruppen unterrichtet. Die Beigeladene vereinbarte mit den Studenten Ort und Zeit des Unterrichts, sie war in der Ausgestaltung des Unterrichts frei; der Unterricht wurde von der Klägerin weder überwacht noch war eine Abschlußprüfung der von der Beigeladenen unterrichteten Studenten vorgesehen. Während der Semesterferien fand kein Unterricht statt. Die Kosten des Unterrichts trug die Klägerin; sie zahlte an die Beigeladene in der Zeit

vom 1. April 1951 bis 31. März 1952 für drei Wochenstunden monatlich

40,- DM,

vom 1. April 1952 bis zum 30. September 1952 für vier Wochenstunden monatlich

53,33 DM,

vom 1. Oktober 1952 bis zum 31. März 1956 für vier Wochenstunden monatlich

66,67 DM.

Seit dem 1. April 1956 erhielt die Beigeladene für jede Unterrichtsstunde eine Vergütung von 5,- DM. Da der Unterricht an 25 Wochen im Jahr stattfindet, ergibt sich bei vier Wochenstunden eine Vergütung von jährlich 500,- DM, was einem Monatsdurchschnitt von 41,66 DM entspricht.

Auf Grund der Verordnung Nr. 117 der ehemaligen britischen Militärregierung über Arbeitslosenfürsorge vom 22. Dezember 1947 (AmtsBl. MilReg. f.d.brit. Zone S. 652) - MRVO Nr. 117 - erhielt die Beigeladene seit dem 24. Juli 1950 Arbeitslosenfürsorgeunterstützung (Alfu). Da sie außer dem Unterricht der ihr von der Klägerin zugewiesenen Studenten keine weitere Lehrtätigkeit ausübte, sah sie das Arbeitsamt als arbeitslos an und rechnete die von der Klägerin gewährte Vergütung gemäß § 7 des Anhangs zur MRVO Nr. 117 in Verbindung mit § 112 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) aF als geringfügigen Nebenverdienst auf die Alfu an. Um diese nicht zu verlieren, erklärte die Beigeladene W. am 18. August 1953 dem Arbeitsamt, sie erteile neben ihrer Tätigkeit für die Pädagogische Hochschule keinen anderen Unterricht, sie beabsichtige auch nicht, dies zu tun. In der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (4.4.1956) gab sie jedoch an, sie habe durchaus die Absicht, auch sonst Musikunterricht zu erteilen, sie habe sich jedoch bisher aus der Besorgnis, die Alfu zu verlieren, daran gehindert gesehen.

Die beklagte Krankenkasse hielt die Beigeladene für versicherungspflichtig nach § 165 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und forderte die Klägerin durch Bescheid vom 21. Oktober 1953 auf, für die Beigeladene Beiträge zur Krankenversicherung zu entrichten. Demgegenüber vertrat die Klägerin die Auffassung, die Beigeladene stehe als freiberufliche Musiklehrerin nicht in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Im Rahmen ihrer freiberuflichen Tätigkeit erteile sie auch Musikunterricht an Studenten der Hochschule. Da das Studium an dieser grundsätzlich gebührenfrei sei, werde auch das Honorar für die Musikstunden aus Mitteln der Hochschule gezahlt. Der Unterricht werde nicht in den Räumen der Hochschule, sondern bei der Beigeladenen abgehalten, deren Tätigkeit jederzeit widerrufen werden könne.

Der zunächst beim Versicherungsamt der Stadt B anhängige Beitragsstreit ging nach Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf das Sozialgericht Braunschweig über. Die Klägerin beantragte festzustellen, daß ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zwischen ihr und der Beigeladenen W. nicht bestehe. Das Sozialgericht wies die Klage durch Urteil vom 4. Juli 1955 ab. Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein. Das Landessozialgericht lud die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (BfArb) bei; der Beschluß über die Beiladung der BfArb wurde jedoch aufgehoben, nachdem der Präsident des Landesarbeitsamts Niedersachsen erklärt hatte, er sei am Ausgang des Rechtsstreits nicht interessiert. Das Landessozialgericht hob durch Urteil vom 4. April 1956 das Urteil des Sozialgerichts vom 4. Juli 1955 und den Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 1953 auf und stellte fest, daß die Beigeladene "für die Zeit vom 1. Oktober 1952 bis zum 31. März 1956 nach § 166 Nr. 2 RVO bei der Beklagten versicherungspflichtig" sei, für die übrige Zeit bestehe Versicherungsfreiheit: Die Beigeladene sei als selbständige Musiklehrerin anzusehen, weil ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis zu der klagenden Hochschule nicht vorliege. Es stehe der Klägerin jederzeit frei, die Abmachung mit der Beigeladenen W. zu widerrufen oder einzuschränken. Daß die Beigeladene bis zum 31. März 1956 feste Bezüge, und zwar auch während der Semesterferien erhalten habe, stehe der Annahme einer selbständigen Beschäftigung nicht entgegen; denn auch selbständige Musiklehrer pflegten mit ihren Schülern eine monatliche Vergütung und eine Zahlung des Honorars auch während der Schul- oder Semesterferien zu vereinbaren. Wenn die Vergütung nicht von den einzelnen Schülern gezahlt worden sei, so beruhe dies darauf, daß das gesamte Studium an der Pädagogischen Hochschule gebührenfrei sein. Deshalb sei die Beigeladene auf Kosten der Klägerin zum Musikunterricht herangezogen worden, und zwar in gleicher Weise wie bei Erteilung von Privatunterricht. Sie habe den Unterricht frei gestalten können, ohne an Weisungen der Klägerin gebunden zu sein und habe auch die Unterrichtsstunden mit den von ihr zu unterrichtenden Studenten frei vereinbaren können. Aus der Zuweisung der Studenten durch die Klägerin könne ebenfalls nicht auf eine persönliche Abhängigkeit geschlossen werden, denn auch bei Erteilung von Privatunterricht werde von den Eltern oder Erziehungsberechtigten vereinbart, daß der Musiklehrer bestimmte Schüler einzeln oder in Gruppen unterrichte. Wenn auch die Auftraggeber an der Erreichung eines bestimmten Unterrichtsziels interessiert seien, so spreche doch eine entsprechende Überwachung, an der es im vorliegenden Fall sogar gefehlt habe, nicht dafür, daß ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis habe begründet werden sollen. Eine Abschlußprüfung der Studenten habe nicht stattgefunden und sei nicht einmal vorgesehen gewesen. Die Beigeladene sei mit ihren Unterrichtsstunden nicht in den Lehrbetrieb der Hochschule eingefügt worden, sondern sei unabhängig von dem Lehrplan der Klägerin gewesen. Daraus, daß die Beigeladene seit dem 24. Juli 1950 Alfu bezogen habe, und daß das Arbeitsamt ihre Einnahmen aus dem Musikunterricht als geringfügigen Nebenverdienst berücksichtigt habe, könne angesichts der für eine selbständige Erwerbstätigkeit sprechenden Umstände nicht geschlossen werden, daß die Beigeladene zur Klägerin in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis getreten sei. Wenn das Arbeitsamt bei Bewilligung der Alfu dies angenommen haben sollte, so habe es die Rechtslage verkannt. Als selbständige Musiklehrerin, die in ihrem Betrieb keinen Angestellten beschäftigte, sei die Beigeladene grundsätzlich nach § 166 Nr. 2 RVO (idF der Ersten Vereinfachungsverordnung - 1. VereinfVO - vom 17.3.1945) versicherungspflichtig gewesen. Diese Versicherungspflicht sei jedoch nach § 168 Abs.2 RVO während der Zeit entfallen, in der die Beigeladene ihre Tätigkeit für die Klägerin nur nebenher und gegen geringfügiges Entgelt ausgeführt habe. Es habe sich während der gesamten hier streitigen Zeit um eine Nebentätigkeit im Sinne der genannten Vorschrift gehandelt, denn diese Tätigkeit habe, auch wenn sie für die Beigeladene mangels einer anderen Tätigkeit wesentlich gewesen sein möge, bei ihrer sonstigen Stellung als Musiklehrerin nur nebensächliche wirtschaftliche Bedeutung gehabt. Da die Vergütung in der Zeit vom 1. April 1951 bis zum 30. September 1952 und nach dem 31. März 1956 den Betrag von 65,- DM monatlich nicht erreicht habe, sei die Beigeladene in der genannten Zeit auch als selbständige Lehrerin versicherungsfrei, während sie in der Zeit vom 1. Oktober 1952 bis zum 31. März 1956 nach § 166 Nr. 2 RVO versicherungspflichtig gewesen sei, weil ihre Bezüge in dieser Zeit den Betrag von monatlich 65,- DM überschritten hätten.

Das Landessozialgericht hat die Revision zugelassen.

Die beklagte Krankenkasse beantragt mit der frist- und formgerecht eingelegten Revision, das angefochtene Urteil aufzuheben und festzustellen, daß die Beigeladene zu der Klägerin in einem der Krankenversicherungspflicht unterliegenden Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Zur Begründung der Revision trägt sie vor: Der Umstand, daß die Beigeladene W. ihr Gewerbe abgemeldet, sich arbeitslos gemeldet und alles getan habe, um die Voraussetzungen für den Weiterbezug der Alfu zu schaffen, stehe der Annahme einer selbständigen Tätigkeit entgegen. Die Weisungsgebundenheit der Beigeladenen ergebe sich besonders daraus, daß sie die zu unterrichtenden Studenten nicht habe auswählen können. Daß der Unterricht in der Wohnung der Beigeladenen stattgefunden habe, beruhe auf räumlichen und organisatorischen Umständen, sei jedoch für die Frage der persönlichen Abhängigkeit ohne Bedeutung. Es sei anzunehmen, daß die Beigeladene den Musikunterricht entsprechend dem von der Klägerin gesetzten Unterrichtsziel habe ausrichten müssen; daß sie in der Unterrichtsmethode eine gewisse Freizügigkeit besessen habe, ergebe sich aus der Natur der Sache, lasse aber nicht auf eine selbständige Tätigkeit schließen. Für die Arbeitnehmereigenschaft der Beigeladenen spreche auch, daß sie laufend von Jahr zu Jahr durch schriftliche Bestellung als Hilfskraft bzw. als Musiklehrerin für die Studierenden verpflichtet worden sei. Das Landessozialgericht habe die Tätigkeit der Beigeladenen für die Klägerin auch zu Unrecht als versicherungsfrei nach § 168 Abs. 2 RVO in der Fassung der 1. VereinfVO angesehen, denn beim Bezuge einer Alfu von 24,30 DM wöchentlich könne eine Tätigkeit, durch die eine Vergütung von 40,- DM monatlich und mehr erzielt werde, nicht als nebenher ausgeführt angesehen werden.

Die BfA. hat die zunächst von ihr eingelegte Revision wieder zurückgenommen. Sie führt zur Sache aus: Für die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung spreche das Beitragskonto der Angestelltenversicherung. Die Beigeladene W. verwende seit dem Jahre 1925 Pflichtbeitragsmarken der Angestelltenversicherung; Lohnabzugszeiten, wie sie seit dem 1. Juli 1942 für Beschäftigte vorgeschrieben sind, seien nicht bescheinigt. Nach der letzten Versicherungskarte, die am 9. August 1954 aufgerechnet worden sei, habe die Beigeladene auch für die Jahre 1950 bis Mai 1954 Beitragsmarken verwendet.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und wendet sich dagegen, daß die Beklagte, ohne Verfahrensrügen zu erheben, im Revisionsverfahren neue Tatsachen vorbringe.

II.

Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Auffassung des Berufungsgerichts wendet, zwischen der Beigeladenen W. und der klagenden Pädagogischen Hochschule habe kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestanden. Das Landessozialgericht hat mit Recht angenommen, daß die Beigeladene mangels eines solchen Beschäftigungsverhältnisses nicht versicherungspflichtig nach §§ 165 Abs. 1 Nr. 2, 165 Abs. 1 Nr. 6 RVO in der Fassung der 1. VereinfVO vom 17. März 1945 (RGBl I S. 41) gewesen ist.

Die Versicherungspflicht nach den genannten Vorschriften hängt von dem Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ab, wobei es entscheidend auf die persönliche Abhängigkeit ankommt. Wesentliches Merkmal eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ist die Verpflichtung des Arbeitnehmers, im Rahmen des Direktionsrechts den Weisungen des Arbeitgebers über die Ausführung der Arbeit zu folgen. Ein solches Weisungsrecht ergibt sich in der Regel aus der Eingliederung in den Betrieb und der damit gegebenen Bindung an einzelne Weisungen des Unternehmers (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 25.2.1958 und 31.7.1958 in SozR RVO § 165 Bl. Aa 3 Nr. 6 und Aa 6 Nr. 8 sowie vom 27.5.1959 in BSG 10 S. 41).

Ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis der Beigeladenen W. von der Pädagogischen Hochschule hat aber nach den vom Landessozialgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht vorgelegen. An diese Feststellungen ist der Senat gebunden; die Revision hat dagegen keine Rügen vorgebracht (§ 163 SGG).

Die Beigeladene, die seit Jahren den Beruf einer selbständigen Musiklehrerin ausübt, war nach den Feststellungen des Landessozialgerichts weder in den Betrieb der Hochschule eingegliedert noch deren einzelnen Weisungen über die Erteilung des Musikunterrichts unterworfen. Sie konnte diesen vielmehr völlig frei gestalten, ohne an einen Lehrplan gebunden zu sein, sie durfte auch Ort und Zeit des Unterrichts mit den von ihr zu unterrichtenden Studierenden frei vereinbaren. Daß ihr diese von der Hochschule zugewiesen wurden, ist für die Beurteilung der persönlichen Abhängigkeit der Beigeladenen W. nicht von entscheidender Bedeutung. Wenn auch die Klägerin daran interessiert war, daß die Beigeladene den von ihr unterrichteten Studenten bestimmte Kenntnisse in der Musiklehre und Fertigkeiten im Spielen eines Musikinstrumentes vermittelte, so hat sie sich doch - nach den Feststellungen des Landessozialgerichts - jeder Einflußnahme auf den Unterricht enthalten und diesen auch nicht, wie es bei abhängigen Lehrkräften der Fall zu sein pflegt, überwacht. Im übrigen haben auch Eltern und sonstige Erziehungsberechtigte ein Interesse an der erfolgreichen Ausbildung der Kinder, die sie selbständigen Musiklehrern anvertrauen, ohne daß daraus, selbst bei Äußerung bestimmter Wünsche über Art und Ziel der Ausbildung, auf ein persönliches abhängiges Beschäftigungsverhältnis geschlossen werden könnte.

Daß die Beigeladene die Vergütung für ihre Unterrichtstätigkeit nicht von den Studierenden, sondern von der Klägerin erhielt, spricht ebenfalls nicht für eine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen; denn die Selbständigkeit eines Lehrers oder Erziehers wird grundsätzlich nicht dadurch berührt, daß sich zur Zahlung des Honorars nicht der Schüler (oder sein gesetzlicher Vertreter), sondern ein Dritter verpflichtet hat. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß das Studium an der Pädagogischen Hochschule gebührenfrei ist und daß es der Klägerin freistand, den Musikunterricht durch eine beamtete oder angestellte Lehrkraft oder durch einen selbständigen Musiklehrer erteilen zu lassen. Wenn der Beigeladenen die für ihre Lehrtätigkeit vereinbarte Vergütung auch während der Semesterferien gezahlt wurde, so kann auch daraus, wie das Landessozialgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht auf ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis geschlossen werden. Die Beigeladene, die nach den Feststellungen des Landessozialgerichts allein Studenten der Hochschule Musikunterricht erteilte, war zwar von der Klägerin in hohem Maße wirtschaftlich abhängig, weil sie auf die von dieser gezahlten Vergütung zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts angewiesen war. Die wirtschaftliche Abhängigkeit ist aber, wenn die wesentlichen Merkmale persönlicher Abhängigkeit fehlen, für die Beurteilung der Versicherungspflicht nicht entscheidend.

Schließlich brauchte das Landessozialgericht auch der Erklärung der Beigeladenen gegenüber dem Arbeitsamt am 18. August 1953, sie wolle ihre Lehrtätigkeit auf die Unterrichtung der Studenten beschränken, keine entscheidende Bedeutung beizulegen. Bei der rechtlichen Würdigung dieser Erklärung ist zu berücksichtigen, daß die Beigeladene nach den Feststellungen des Landessozialgerichts außer der Unterrichtstätigkeit für die Klägerin, die sie nur in geringem Umfang in Anspruch nahm, keinen weiteren Musikunterricht erteilte und bei ihrer Arbeitslosmeldung im Jahre 1950 ihre Unterrichtstätigkeit für die Hochschule nicht verschwiegen hat. Wenn das Arbeitsamt die Weitergewährung der ihr nach § 3 des Anhangs zur MRVO Nr. 117 bewilligten Alfu von der Erklärung der Beigeladenen abhängig gemacht hat, sie werde keine freiberuflich Tätigkeit mehr aufnehmen, so hat diese Erklärung auf das Rechtsverhältnis der Beigeladenen zu der klagenden Hochschule keinen Einfluß. Sie konnte jedenfalls die von der Beigeladenen ausgeübte freiberufliche Tätigkeit nicht in eine abhängige Beschäftigung umwandeln. Zwar hat die Beigeladene durch ihre Meldung als Arbeitsuchende sich dem Arbeitsamt zur Verfügung gestellt und ihre Bereitwilligkeit zur Annahme abhängiger Arbeit bekundet. Die Meldung als Arbeitsuchende war aber nicht geeignet, eine bestehende vertragliche Verpflichtung zur Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit zum Erlöschen zu bringen.

Das Landessozialgericht hat daher zu Recht angenommen, daß die Beigeladene als selbständige Lehrerin, die in ihrem Betrieb keinen Angestellten beschäftigt, nach § 166 Nr. 2 RVO versicherungspflichtig gewesen ist. Seiner Auffassung, die Beigeladene sei in der Zeit versicherungsfrei gewesen, in der ihre Einkünfte aus der selbständigen Lehrtätigkeit den Betrag von 65,- DM im Monat nicht überstiegen, kann jedoch nicht beigetreten werden. Nach der für die Beurteilung der Versicherungsfreiheit hier allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 168 Abs. 2 RVO in der Fassung der 1. VereinfVO bleiben Dienstleistungen versicherungsfrei, wenn sie von Personen, die sonst berufsmäßig nicht "als Gefolgschaftsmitglieder" tätig sind, zwar laufend oder in regelmäßiger Wiederkehr, aber nur nebenher und gegen ein geringfügiges Entgelt ausgeführt werden. Es kann dahinstehen, ob diese Vorschrift, die nach ihrem Wortlaut allein die Versicherungsfreiheit vorübergehender Dienstleistungen regelt, auf selbständig Tätige, die nach § 166 RVO versicherungspflichtig sind, überhaupt angewendet werden kann. Hält man eine entsprechende Anwendung auf selbständige Tätigkeiten für vertretbar, so hinge die Versicherungsfreiheit weiter davon ab, daß es sich um eine Person handelt, die sonst nicht als Arbeitnehmer tätig ist. Auch dies ist bei der Beigeladenen zweifelhaft, weil sie sich beim Arbeitsamt als Arbeitsuchende gemeldet hatte. Die entsprechende Anwendung des § 168 Abs. 2 RVO scheitert aber auf jeden Fall daran, daß die von der Beigeladenen verrichtete selbständige Tätigkeit nicht als "nebenher" ausgeübt angesehen werden kann. Die Versicherungsfreiheit nach § 168 Abs. 2 RVO hängt nicht allein von der Geringfügigkeit des Entgelts ab, vielmehr muß es sich um eine Tätigkeit handeln, die "nur nebenher" ausgeübt wird. Daß dem Begriff "nebenher" in § 168 Abs. 2 RVO im Gegensatz zum Abs. 3 dieser Vorschrift eine besondere Bedeutung zukommt, ergibt sich aus dem Fehlen eines Vergleichsmaßstabes, wie er für die Fälle des § 168 Abs. 3 Satz 2 RVO durch Arbeitszeit und Entgelt der Hauptbeschäftigung gegeben ist (vgl. hierzu die zu § 168 Abs. 3 Satz 2 ergangene Entscheidung des erkennenden Senats in BSG 11 S. 130 (134)). Eine in regelmäßiger Wiederkehr verrichtete Tätigkeit einer Person, die sonst berufsmäßig nicht als Arbeitnehmer tätig ist, wird man im allgemeinen nicht schon wegen der kurzen Dauer der einzelnen Tätigkeiten als "nebenher" ausgeübt ansehen können. Hätte nämlich das Gesetz der auf die Tätigkeit verwendeten Zeit allein eine ausschlaggebende Bedeutung beilegen wollen, so hätte es nahegelegen, nicht den unbestimmten Begriff "nebenher" zu wählen, sondern - wie bei der Höhe des Entgelts - eine bestimmte zeitliche Grenze - etwa Höchstzahl der wöchentlichen Arbeitsstunden - zu setzen, wie es auch in den Absätzen 1 und 3 geschehen ist. Bei Prüfung der Frage, ob eine nebenher verrichtete Tätigkeit vorliegt, wird man vielmehr, um dem sozialen Schutzgedanken der Vorschrift Rechnung zu tragen, in den Fällen des § 168 Abs. 2 RVO die gesamte Lebenshaltung der sonst nicht als Arbeitnehmer tätigen Person berücksichtigen müssen. Nach Auffassung des Senats kommt daher Versicherungsfreiheit nach dieser Vorschrift nur dann in Betracht, wenn die "Dienstleistungen" die betreffende Person zeitlich nur in so geringem Umfange in Anspruch nehmen, daß sie daneben noch eine Haupttätigkeit ausüben könnte und wenn - jedenfalls bei nach § 166 RVO versicherungspflichtigen Selbständigen - außerdem das durch die Tätigkeit erzielte Einkommen unter Berücksichtigung der sonstigen Lebensverhältnisse für die betreffende Person nur von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist. An dieser letztgenannten Voraussetzung fehlt es jedoch im vorliegenden Fall, weil der Beigeladenen für ihren Lebensunterhalt - abgesehen von der Alfu - keine weitere Einnahmequelle zur Verfügung stand und sie daher auf die wenn auch nur geringen Einkünfte aus ihrer freiberuflichen Tätigkeit in entscheidendem Maße angewiesen war. Die freiberufliche Tätigkeit der Beigeladenen kann daher auch in der Zeit, in der ihre Einkünfte den Betrag von monatlich 65,- DM nicht erreicht haben, nicht nach § 168 Abs. 2 RVO als versicherungsfrei angesehen werden. Die damit für selbständig tätige Lehrer und Erzieher unter Umständen auch bei geringem Einkommen bestehende Beitragspflicht stellt - zumal in Anbetracht des damit gegebenen Versicherungsschutzes - keine unbillige Belastung dar, zumal ihnen nach § 475 b RVO zur Deckung des Arbeitgeberanteils der Beiträge ein Zuschlag zum Entgelt zusteht.

Der Versicherungspflicht nach § 166 RVO steht schließlich nicht entgegen, daß die Beigeladene während des Bezugs der Alfu nach § 13 des Anhangs zur MRVO Nr. 117 in Verbindung mit §§ 117 ff AVAVG aF für den Fall der Krankheit versichert gewesen ist; denn beide Versicherungen beruhen auf verschiedenen gesetzlichen Grundlagen und schließen einander nicht aus (vgl. hierzu Grunds. Entsch. des RVA Nr. 5197, AN 1938 S. 203 und § 111 Abs. 4 AVAVG idF der Bekanntmachung vom 3.4.1957 - BGBl I S. 321 -).

Die Revision der beklagten Krankenkasse ist daher mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Beigeladene zu 1) in dem gesamten hier streitigen Zeitraum als selbständige Musiklehrerin versicherungspflichtig in der Krankenversicherung war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI674130

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