Beteiligte

Klägerin und Revisionsklägerin

Beklagter und Revisionsbeklagter

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Nichtgewährung von Erziehungsgeld (ErzG) nach Beginn des 7. Lebensmonats ihrer Tochter Anna-Lena.

Die Klägerin lebt mit ihrem Ehemann zusammen. Das seinerzeit für die Gewährung von ErzG zuständige Arbeitsamt (ArbA) Emden (Erziehungsgeldkasse) bewilligte für das am 17. Dezember 1987 geborene Kind ErzG bis zum Ende seines 6. Lebensmonats. Zugleich wurde der Klägerin mitgeteilt, nach Beginn des 7. Lebensmonats des Kindes werde das ErzG einkommensabhängig gewährt. Hierbei müsse neben dem Einkommen der Klägerin auch das ihres Ehegatten im vorletzten Jahr vor der Geburt des Kindes berücksichtigt werden. Die Klägerin wurde in einem weiteren Schreiben des ArbA vom Februar 1988 ohne Fristsetzung aufgefordert, den Einkommensteuerbescheid ihres Ehegatten für 1985 vorzulegen. In Ihrem Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid machte die Klägerin geltend, sie sei nicht verpflichtet, das Einkommen ihres Ehegatten im vorletzten Jahre vor der Geburt ihres Kindes anzugeben, weil sie mit ihm in diesem Zeitraum noch nicht verheiratet gewesen sei. Aus diesem Grund könne sein früheres Einkommen auch nicht auf den ErzG-Anspruch angerechnet werden. Im vorletzten Jahr vor der Geburt ihres Kindes sei ihr Ehegatte noch mit einer anderen Frau verheiratet gewesen. Der maßgebende Einkommensteuerbescheid beruhe auf der gemeinsamen Veranlagung der früheren Ehegatten und gebe die wirtschaftliche Basis der neugegründeten Ehe nicht wieder. Mit Wirkung vom 1. Januar 1989 ist dem beklagten Landkreis die Zuständigkeit für das ErzG übertragen worden.

Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 22. März 1988), Klage (Urteil des Sozialgerichts SG Aurich vom 29. März 1990) und die vom SG zugelassene Berufung (Urteil des Landessozialgerichts LSG Niedersachsen vom 4. Dezember 1990) blieben ohne Erfolg. Nach Auffassung des LSG hat der Beklagte die weitere Zahlung von ErzG zu Recht wegen fehlender Mitwirkung der Klägerin versagt. Nach § 60 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) sei sie und nach § 12 Abs. 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) i.V.m. § 60 Abs. 1 SGB I ihr Ehegatte verpflichtet, Nachweise zur Ermittlung des nach § 6 BErzGG maßgeblichen Einkommens vorzulegen. Der Ehemann der Klägerin sei auch in der Lage gewesen, die für ihn maßgebenden Angaben aus dem vorletzten Kalenderjahr ohne Beeinträchtigung datenschutzrechtlicher Belange seiner früheren Ehefrau nachzuweisen. Die Berücksichtigung des Einkommens des anderen Ehegatten sei auch dann sachgerecht, wenn dieser in dem für die Einkommensanrechnung maßgebenden Kalenderjahr mit dem Erziehungsgeldberechtigten noch nicht verheiratet gewesen sei. Die Regelungen des BErzGG seien insoweit auch nicht verfassungswidrig.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 6 BErzGG sowie von § 66 i.V.m. § 60 SGB I.

Sie beantragt,

1.

die Urteile des LSG Niedersachsen vom 4. Dezember 1990 und des SG Aurich vom 29. März 1990 aufzuheben und den Bescheid des Arbeitsamtes Emden vom 12. Februar 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 1988 zu ändern,

2.

den Beklagten zu verurteilen, ihr über den 6. Lebensmonat des Kindes Anna-Lena hinaus Erziehungsgeld zu gewähren,

3.

hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, ihr nach der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen und dabei als anrechenbares Jahreseinkommen ihres Ehegatten für das Jahr 1985 nach § 6 BErzGG den Betrag von 24.510,- DM zugrunde zu legen.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Senat konnte gemäß § 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach Lage der Akten entscheiden, da im Termin keiner der Beteiligten erschienen ist.

Die Revision der Klägerin ist begründet, soweit die Klägerin eine sachliche Bescheidung ihres Antrags auf Gewährung von ErzG ab Beginn des 7. Lebensmonats ihres Kindes anstrebt. Im übrigen ist die Revision unbegründet.

Der Beklagte muß sich den angefochtenen Bescheid des ArbA i.d.F. des Widerspruchsbescheides und das Verhalten des ArbA als dessen Funktionsnachfolger zurechnen lassen. Er hat unter Berücksichtigung dieser Umstände über den Anspruch der Klägerin auf ErzG ab Beginn des 7. Lebensmonats ihres Kindes (einkommensabhängige Phase) im angefochtenen Bescheid nicht entschieden. Der Bescheid i.d.F. des Widerspruchsbescheides trifft allein in bezug auf den ErzG-Anspruch während der ersten sechs Lebensmonate des Kindes eine Regelung. Der Beklagte hatte allerdings in mehreren Schreiben an die Klägerin deutlich gemacht, daß er die weitere Gewährung von ErzG vom Nachweis des Ehegatteneinkommens abhängig mache, wobei er von einer Mitwirkungspflicht ausging. Die Klägerin lehnte einen Nachweis ab. Im angefochtenen Widerspruchsbescheid heißt es, über den weiteren Anspruch auf ErzG ab dem 7. Lebensmonat des Kindes könne erst nach Vorlage der vollständigen Einkommensnachweise des Kalenderjahres 1985 entschieden werden. Der Beklagte hat damit über den Leistungsanspruch für die Zeit ab dem 7. Lebensmonat des Kindes keine Entscheidung getroffen. Er hat insbesondere den Leistungsanspruch entgegen der Auffassung des SG nicht abgelehnt und entgegen der Auffassung des LSG auch keine vorläufige Versagung der Leistung i.S. der §§ 60 ff. SGB I ausgesprochen. Gegen eine Auslegung als Versagung spricht schon, daß der Beklagte das für eine Versagung in den §§ 60, 66 Abs. 1 SGB I vorgesehene Verfahren nicht eingehalten und insbesondere bei der Bescheiderteilung nicht geprüft hat, ob die Klägerin bzw. deren Ehegatte zu einer bestimmten Mitwirkungshandlung unter Fristsetzung mit der Androhung der Versagung im bestimmten Umfang aufgefordert worden ist. Das formalisierte Verfahren des § 66 SGB I läßt es nicht zu, daß das Gericht später die in der Androhung konkretisierte Mitwirkungshandlung (hier die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1985, gerichtet an den Ehegatten der Klägerin und dessen frühere Ehefrau) durch eine andere Mitwirkungshandlung ersetzt (das LSG geht letztlich davon aus, der Ehemann der Klägerin habe seine Verpflichtung verletzt, einer auf sein Einkommen beschränkten Auskunft des Finanzamts zuzustimmen), oder sogar erstmalig diese Handlung konkretisiert. Auf die Meinung des LSG, der Ehemann der Klägerin habe jedenfalls der Einholung einer Auskunft beim Finanzamt zustimmen müssen, ist deshalb nicht näher einzugehen.

Eine Leistungsverweigerung wegen Verletzung von Mitwirkungspflichten nach §§ 60 ff. SGB I kommt hier auch deshalb nicht in Betracht, weil sie voraussetzt, daß der Antragsteller oder Empfänger einer Sozialleistung, also der Leistungsberechtigte selbst, Mitwirkungspflichten verletzt hat. Zu den Mitwirkungspflichten nach § 60 Abs. 1 SGB I gehören uU auch Auskünfte, die einen Dritten betreffen, soweit sie für die Gewährung der Leistung von Bedeutung sind. So hat das Bundessozialgericht (BSG) etwa den Empfänger von Arbeitslosenhilfe für verpflichtet gehalten, über die Einkommensverhältnisse seines nichtehelichen Lebenspartners Auskunft zu erteilen (BSG SozR 1200 § 66 Nr. 13). Hieraus erwächst jedoch keine Ermittlungspflicht des Antragstellers bzw. Leistungsempfängers. Die Auskunftspflicht erstreckt sich vielmehr nur auf die Tatsachen, die ihm selbst bekannt sind. Die Behörde kann von ihm dagegen nicht verlangen, Beweismittel - etwa Nachweise über Einkommensverhältnisse - von einem privaten Dritten zu beschaffen und ihr vorzulegen.

Im übrigen hätte der Beklagte auch bei entsprechender Konkretisierung der Mitwirkungspflicht die Leistungsversagung nicht darauf stützen dürfen, daß der Ehegatte der Klägerin der Auskunft des Finanzamts nicht zugestimmt habe. Das BSG hat allerdings zum Kindergeldrecht entschieden, daß die Ehegatten auch dann noch im Sinne der Mitwirkungspflicht beide leistungsberechtigt sind, wenn sie einen Ehegatten als allein berechtigt bezeichnet haben (vgl. BSG SozR 3-5870 § 20 Nr. 3). Das läßt sich auf das ErzG-Recht nicht übertragen. Hier ist allein der Ehegatte leistungsberechtigt, der die Erziehung des Kindes tatsächlich übernommen hat.

In der von der Klägerin erhobenen Anfechtungs- und Leistungsklage ist bei interessegemäßer Auslegung die weniger weitreichende Untätigkeitsklage (§ 88 Abs. 1 SGG) enthalten. Ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ist i.S. dieser Vorschrift auch dann "sachlich nicht beschieden", wenn sich die Behörde gegenüber einem Antragsteller weigert, über den gestellten Antrag zu entscheiden (Kopp, VwGO, 9. Aufl., § 75 Rdnr. 6; BSG, Urteil vom 16. Dezember 1976, 10 RVs 1/76, SGb 1978, 68, 69; insoweit in SozR 1500 § 78 Nr. 7 nicht abgedruckt; aM Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 88 Anm. 3, wonach in derartigen Fällen eine Sachentscheidung i.S. des § 88 SGG vorliegt, die den Rechtsschutz über Anfechtungs- und Verpflichtungsklage eröffnet). Zulässigkeitsvoraussetzung der Untätigkeitsklage ist, daß zwischen dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes und der Erhebung der Klage ein Zeitraum von sechs Monaten verstrichen ist (sog Wartefrist). Der Ablauf der Wartefrist ist danach Prozeßvoraussetzung und kann grundsätzlich nicht unterschritten werden (Peters/Sautter/Wolff a.a.O. § 88 Anm. 2; Meyer-Ladewig, SGG, 4. Aufl. § 88 Rdnr. 5). Die Einhaltung dieser Frist ist aber dann nicht erforderlich, wenn die Behörde eine Sachentscheidung eindeutig und unmißverständlich abgelehnt hat (so auch in bezug auf die Wartefrist bei § 88 Abs. 2 SGG: BSG a.a.O.). In diesem Fall fehlt für das Abwarten der Frist jeder sachliche Grund. Zweck der Wartefrist ist es, der Behörde eine angemessene Zeit für die Entscheidung einzuräumen. Dieser Zweck scheidet aus, wenn die Behörde es - wie hier - ausdrücklich ablehnt, eine Entscheidung in der Sache zu treffen.

Der Beklagte war daher zur Bescheidung des Antrags auf ErzG für die Zeit ab dem 7. Lebensmonat des Kindes zu verurteilen. Der Beklagte wird bei seiner Entscheidung zu beachten haben, daß unter den gegebenen Umständen ein Vorgehen nach den §§ 60, 66 SGB I voraussetzt, daß der Beklagte das Finanzamt unter Hinweis auf die Rechtslage ergebnislos um eine Auskunft zu den ausschließlich den Ehemann der Klägerin betreffenden Angaben im Steuerbescheid ersucht hat.

Das Ehegatteneinkommen des Jahres 1985 gehört nach § 5 Abs. 2 Satz 3 BErzGG zum rechtserheblichen und damit feststellungsbedürftigen Sachverhalt. Die Klägerin hat durch ihr Verhalten zum Ausdruck gebracht, daß der Anspruch nicht nach dem aktuellen Einkommen geprüft werden soll. Zu dem damit allein maßgebenden zurückliegenden Einkommen gehört das Ehegatteneinkommen auch, wenn die Ehe zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestand, auch wenn der Ehegatte damals noch anderweitig verheiratet war. Für die familienrechtlichen Verhältnisse kommt es nach § 5 BErzGG allein auf den Beginn des 7. Lebensmonats des Kindes an. Das Gesetz fordert nicht, daß diese Verhältnisse bereits in dem für die Ermittlung der Höhe des anzurechnenden Einkommens maßgebenden Zeitraum vorgelegen haben. Für den maßgebenden Familienstand ist § 6 Abs. 1 BErzGG ohne Bedeutung.

Die Revision wendet hiergegen ein, nach Sinn und Zweck des Gesetzes komme es auf die wirtschaftliche Situation der Wirtschaftsgemeinschaft (Ehe) zum Zeitpunkt der begehrten Gewährung des ErzG an. Dieser Zielsetzung entsprechend sei das Einkommen des Ehegatten jedenfalls dann nicht zu berücksichtigen, wenn es wegen der wirtschaftlichen Folgen der Ehescheidung für die neu eingegangene Ehe nicht zur Verfügung stehe. Die Auffassung der Revision berücksichtigt nicht ausreichend, daß es den Eheleuten grundsätzlich freisteht, ErzG nach Maßgabe des aktuellen Einkommens zu begehren. Machen sie von der Vergünstigung Gebrauch, das länger zurückliegende Einkommen zu wählen, so bleibt dieses auch dann maßgebend, wenn es in der damals vorgenommenen Form nicht mehr erzielt werden könnte.

Die gesetzliche Regelung ist nicht verfassungswidrig, obgleich nach ihr das Partnereinkommen unberücksichtigt bliebe, wenn die Klägerin mit dem Kindesvater nicht in ehelicher, sondern in eheähnlicher Gemeinschaft zusammenleben würde, was der Senat von Amts wegen auch ohne entsprechende Revisionsrüge zu prüfen hatte. Die gesetzliche Regelung verstößt insbesondere nicht gegen Art 3 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. Art 6 GG, wie der Senat im Urteil vom 10. März 1993 - 14b REg 2/92 - (zur Veröffentlichung vorgesehen) entschieden hat.

Der Beklagte ist zwar im Grundsatz berechtigt, die Vorlage des Einkommensteuerbescheides im Rahmen der Mitwirkungspflicht zu fordern und insoweit von der Einholung einer Auskunft des Finanzamts im Rahmen der Amtsermittlungspflicht abzusehen; das kann indes hier nicht gelten, weil die frühere Ehefrau des Ehemanns der Klägerin auch Adressatin des vorzulegenden Steuerbescheides ist und ihre Zustimmung zu dessen Vorlage verweigert.

Nach Ziff 6.13 Abs. 1 der Durchführungsanordnung (DA) der seinerzeit für die Durchführung des BErzGG zuständigen Bundesanstalt für Arbeit (Runderlaß 10/86) mußte der Berechtigte zum Nachweis des Einkommens grundsätzlich den verbindlichen Bescheid über die Steuerfestsetzung vorlegen, es sei denn, daß die Höhe seines Einkommens bereits aus den Unterlagen in der Kindergeldakte entnommen werden konnte. Gleiches galt für das Einkommen des Ehegatten, falls dieser zu Beginn des 7. Lebensmonats des Kindes von dem Erziehungsgeldberechtigten nicht dauernd getrennt lebte (DA 6.12 Abs. 2). Die der DA entsprechende Verwaltungspraxis war im Grundsatz rechtmäßig. Bei der Ausführung des hier betroffenen ersten Abschnitts des BErzGG ist nach § 10 Abs. 2 BErzGG das erste Kapitel des Sozialgesetzbuches - Zehntes Buch - (SGB X), also dessen §§ 1 bis 66, anzuwenden. Nach den §§ 20, 21 SGB X bedient sich die Behörde bei der ihr obliegenden Ermittlung des Sachverhalts der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich hält. Sie kann insbesondere Urkunden und Akten beiziehen (§ 21 Abs. 1 Nr. 3 SGB X). Der Einkommensteuerbescheid bildet für die Erziehungsgeldbehörde einen verläßlichen Nachweis aller zu berücksichtigenden Einkommensarten. In Betracht kommt zwar auch eine Bescheinigung des gemäß § 12 Abs. 2 BErzGG zur Auskunfterteilung verpflichteten Arbeitgebers, aus der sich das Bruttoeinkommen, die Steuerabzüge und die entrichteten Sozialversicherungsbeiträge ergeben; doch ist diese Form des Nachweises auf Einkünfte aus abhängiger Beschäftigung beschränkt.

Nach § 12 Abs. 1 BErzGG i.V.m. § 60 SGB I kann die Erziehungsgeldbehörde die Vorlage des Steuerbescheides grundsätzlich auch vom Ehegatten des Erziehungsgeldberechtigten verlangen. Dieser ist in gleicher Weise wie der Berechtigte selbst zur Mitwirkung verpflichtet. Hieraus folgt gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I auch die Pflicht, auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen. Dieser Verpflichtung kann die Erziehungsgeldbehörde durch Androhung eines Bußgeldbescheides (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 BErzGG) Nachdruck verleihen. Ob die Mitwirkungspflicht des Ehegatten der Klägerin durch Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung durchsetzbar ist, wie dies bei der Auskunftspflicht Dritter der Fall ist (BSG SozR 4100 § 144 Nr. 1) - wofür die Schutzbedürftigkeit des Leistungsberechtigten spricht -, oder ob wie beim Leistungsberechtigten selbst eine zwangsweise Durchsetzung der Mitwirkungspflicht nicht zulässig ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung.

Nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I bestehen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 SGB I nicht, soweit deren Erfüllung dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zugemutet werden kann. § 12 Abs. 1 verweist allerdings allein auf § 60 Abs. 1 SGB I, wobei die Regelung in Nr. 2 dieser Vorschrift wegen der Besonderheiten im Erziehungsgeldrecht auf den Ehegatten von vornherein nicht zur Anwendung kommen kann. In § 12 Abs. 1 BErzGG fehlt eine ausdrückliche Bezugnahme auf § 65 Abs. 1 SGB I anders als in den vergleichbaren Regelungen von Auskunftspflichten in § 99 SGB X, § 25 Abs. 4 des Wohngeldgesetzes (Fassung vom 20. Juni 1991). Dies schließt die Anwendung des § 65 SGB I jedoch nicht aus. Mit der Verweisung auf § 60 Abs. 1 SGB I in § 12 Abs. 1 BErzGG wollte der Gesetzgeber die nach dieser Vorschrift für den Antragsteller und Bezieher von Sozialleistungen bestehenden Mitwirkungspflichten auf dessen Ehegatten ausdehnen. Es ist kein Grund ersichtlich, daß damit auch eine Erweiterung des Inhalts der Mitwirkungspflichten beabsichtigt war. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die den Schutz des Antragstellers im Rahmen der Mitwirkungspflichten bezweckenden Regelungen in § 65 SGB I auch dem mitwirkungspflichtigen Ehegatten zugute kommen sollen.

Der Klägerin und deren Ehemann war die Vorlage des Einkommensteuerbescheides unzumutbar, da die frühere Ehefrau des Ehemanns der Klägerin der Vorlage nicht zugestimmt hat. Insoweit kommt es nicht entscheidend darauf an, ob das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der früheren Ehefrau einer Vorlage des Einkommensteuerbescheides durch die Klägerin oder deren Ehemann ohne Zustimmung der früheren Ehefrau entgegenstand. Es genügt, daß die zunehmende Bedeutung des Datenschutzes insoweit Zweifel aufkommen läßt, die von der Klägerin und deren Ehemann nicht ohne weiteres beseitigt werden konnten. Demgegenüber fällt es dem Beklagten leichter, die erforderlichen Auskünfte unmittelbar von der Finanzbehörde einzuholen. Die Finanzbehörden sind gemäß § 21 Abs. 4 SGB X zumindest dann, wenn die Erziehungsgeldbehörde auf andere Weise, insbesondere durch die Mitwirkung des Antragstellers bzw. Leistungsempfängers die für die Einkommensermittlung notwendigen Daten nicht erlangen kann, zur Auskunftserteilung verpflichtet, ohne daß es einer Zustimmung des Betroffenen bedarf. Die Amtshilfepflicht des Finanzamtes nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 SGB X umfaßt auch die Pflicht zu fachlicher Auswertung der vorhandenen Kenntnisse (Hauck/Haines, SGB X/1, 2, § 21 Rdnr. 7; Schneider-Danwitz in SozVers/SGB-GesKomm § 21 Anm. 58). Zum Nachweis der nur auf den Ehegatten der Klägerin entfallenden Einkünfte i.S. des § 6 BErzGG hat das Finanzamt unter Wahrung des zugunsten des früheren Ehegatten bestehenden Steuergeheimnisses (§ 30 Abgabenordnung AO ) ggf eine fiktive Ermittlung der allein auf ihn entfallenden Steuerlast vorzunehmen. Entsprechend den Vorgaben des § 6 BErzGG sind vom Finanzamt die allein auf den Ehegatten des Erziehungsgeldberechtigten entfallenden positiven Einkünfte i.S. des § 6 Abs. 1 Satz 1 BErzGG, die von diesem geltend gemachten Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 6 Abs. 2 Nr. 2 und die von dem Ehegatten geltend gemachten abziehbaren Beträge nach § 6 Abs. 2 Nrn. 2a und 4 BErzGG mitzuteilen und die Einkommen- und Kirchensteuer auf dieser Grundlage fiktiv zu ermitteln. Eine so durchgeführte Einkommensermittlung führt auch nicht zu einer prinzipiellen Benachteiligung von Ehegatten, bei denen ein Partner im vorletzten Kalenderjahr noch mit einer anderen Person verheiratet war. Eine vergleichbare fiktive Ermittlung der Steuerlast ist auch dann erforderlich, wenn die Ehegatten von § 6 Abs. 3 oder Abs. 4 BErzGG Gebrauch machen.

Der Auskunftspflicht steht die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Beachtung des Steuergeheimnisses nicht entgegen. § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO läßt die Offenbarung von steuerrechtlich relevanten Tatsachen zu, soweit sie, wie in § 21 Abs. 4 SGB X, durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist. Nach § 21 Abs. 4 SGB X haben die Finanzbehörden, soweit es im Verfahren nach dem SGB - hierzu zählt als Folge der in § 10 Abs. 2 BErzGG ausgesprochenen Verweisung auch das ErzG-Verfahren - erforderlich ist, Auskunft über die ihnen bekannten Einkommens- und Vermögensverhältnisse u.a. der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder zu erteilen. Das Finanzamt kann sich gegenüber einem Auskunftsersuchen des Beklagten auch nicht auf die Subsidiarität von § 21 Abs. 4 SGB X berufen. Dem steht entgegen, daß die Finanzbehörde vergleichsweise leichter als der Bürger übersehen kann, ob das Geheimhaltungsinteresse der früheren Ehefrau eine Bekanntgabe des Steuerbescheides ausschließt. Hinzu kommt, daß die Finanzbehörde anders als der Steuerpflichtige die Möglichkeit hat, bei der Auskunft diejenigen Zahlen auszusparen, die sich auf die frühere Ehefrau beziehen.

Soweit die Klägerin über den Bescheidungsanspruch hinausgehend Leistungsklage auf Zahlung von ErzG erhoben hat, und mit der Revision die Abweisung der Klage auch insoweit bekämpft, konnte die Revision keinen Erfolg haben. Die erhobene Leistungsklage ist unzulässig. Nach § 54 SGG ist neben der in dessen Abs. 4 geregelten kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage die im nachfolgenden Abs. 5 geregelte reine Leistungsklage nur zulässig, wenn über die begehrte Leistung ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Über den Anspruch auf ErzG ist indes durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Die bei dieser Fallgestaltung allein in Betracht kommende kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG setzt voraus, daß der Verwaltungsakt über den Leistungsanspruch in der Sache entscheidet. Hierzu reicht eine Versagung der Leistung aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht aus. Die Rechtsprechung hat es deshalb für die Zulässigkeit einer Leistungsklage nicht genügen lassen, daß die Behörde eine Leistung gemäß § 66 SGB I bis zur Nachholung der Mitwirkung versagt hat, da eine solche Entscheidung ohne abschließende Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen erfolgen darf (BSG SozR 1200 § 66 Nr. 13 m.w.N.). Wenn die Behörde nicht nur die Leistung versagt, sondern eine weitere Bearbeitung ablehnt - wie dies hier der Fall ist -, erfordert es der Rechtsschutz, nicht nur den Bescheid aufzuheben, sondern die Behörde zum Erlaß eines Bescheides über den Leistungsanspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten. Einen weitergehenden Rechtsschutz sieht das Gesetz wie in anderen Fällen der Untätigkeit einer Behörde nicht vor.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 517614

BSGE, 118

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