Rn 3

Die Insolvenzmasse im Sinne der Insolvenzordnung umfasst gemäß § 35 Abs. 1 das gesamte Vermögen des Schuldners einschließlich des von ihm verwalteten Gesamtguts bei ehelicher Gütergemeinschaft (§ 37) und sonstiger insolvenzspezifischer Rechte,[9] soweit die Vermögensbestandteile nicht unpfändbar (§ 36) oder vom Insolvenzverwalter freigegeben[10] worden sind. Vermögen im Sinne der Vorschrift sind alle vermögenswerten Gegenstände (Sachen und Rechte).[11]

Tatbestandlich setzt § 35 insoweit

  • einen dem Schuldner rechtlich zugewiesenen Vermögensgegenstand voraus,
  • der pfändbar ist,
  • dem Schuldner zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung gehörte oder bis zur Verfahrensbeendigung erlangt wird und
  • nicht durch den Verwalter freigegeben wurde.
 

Rn 4

Die rein begriffliche Zuordnung greift vielfach zu kurz.[12] Zusätzlich ist die teleologische Zuordnung häufig entscheidend, wenn die Frage der Massezugehörigkeit eines Gegenstandes zu beurteilen ist.[13] Zweck von § 35 ist die haftungsrechtliche Zuwei-sung bestimmter Gegenstände.[14] Danach gehört ein Gegenstand zur Insolvenzmasse, wenn er den Gläubigern zur Befriedigung zugewiesen ist.[15] Aufgrund dieser Wertung deckt sich die Insolvenzmasse nicht notwendigerweise mit der bloßen Rechtszuweisung an den Schuldner. Beispielsweise gehören bestimmte Rechte, wie Anfechtungsansprüche und bestimmte Kreditsicherungsrechte,[16] zur Insolvenzmasse, obwohl sie nicht zum Vermögen des Schuldners im begrifflichen Sinne gehören. Bestimmte Gegenstände gehören aus teleologischen Gesichtspunkten nicht zur Insolvenzmasse, obwohl der Schuldner formal Rechtsinhaber ist, wie Gegenstände mit treuhänderischer Bindung oder solche, die unpfändbar sind und unter § 36 fallen.

Jeder Gegenstand, der zur Insolvenzmasse gehört, unterliegt der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters i. S. v. § 80 und damit dem Insolvenzbeschlag. Der Insolvenzbeschlag geht also begrifflich nicht über die Frage der Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse hinaus und dient damit gegenständlich als Synonym für den Begriff der Massezugehörigkeit.[17] Inhaltlich allerdings betont der Begriff des Insolvenzbeschlags die Rechtsfolgen der Verfahrenseröffnung für Schuldner und Gläubiger: Primäre Rechtsfolge der Zugehörigkeit eines Gegenstandes zur Insolvenzmasse ist der Wechsel der Verhaltensberechtigung.[18] Die Massezugehörigkeit bewirkt keinen Wechsel des Rechtsträgers; sie führt lediglich dazu, dass der Schuldner als Rechtsträger seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die massezugehörigen Gegenstände an den Insolvenzverwalter verliert (§ 80 Abs. 1). Der Begriff des Insolvenzbeschlags betont diesen Wechsel der Verhaltensberechtigung. Die Massezugehörigkeit als Insolvenzbeschlag scheidet das Vermögen des Schuldners in einen Teil, über den er seine Verfügungsbefugnis behält (insolvenzfreies Vermögen), und in einen Teil, über den nur der Insolvenzverwalter verfügen darf.[19]

Diese Trennlinie und damit die gegenständliche Erstreckung der Insolvenzmasse ist während des Verfahrens nicht statisch, sondern kann durch Freigabe des Insolvenzverwalters oder Verzicht des Insolvenzschuldners in beide Richtungen verschoben werden.

 

Rn 5

Die Dynamik der Insolvenzmasse wird auch dadurch deutlich, dass in aller Regel begrifflich differenziert wird zwischen der sog. "Ist-Masse" und der sog. "Soll-Masse". Der tatsächliche Insolvenzbeschlag i. S. v. § 35 erstreckt sich lediglich auf die Gegenstände der "Soll-Masse".[20] "Ist-Masse" dagegen ist das gesamte gegenständliche Vermögen des Schuldners, das der Insolvenzverwalter bei Eröffnung des Verfahrens in Besitz nimmt nach § 148 Abs. 1.[21] Die Inbesitznahme bezieht sich nach dem Wortlaut des § 148 Abs. 1 zwar lediglich auf die Gegenstände der Insolvenzmasse, nach systematischer und teleologischer Auslegung ist der Begriff der Insolvenzmasse i. S. v. § 148 Abs. 1 jedoch weiter als die Insolvenzmasse nach § 35 Abs. 1 und erstreckt sich auf das gesamte Vermögen des Schuldners.[22] Der Sicherungs- und Prüfungsauftrag des Insolvenzverwalters führt dazu, dass er bei Eröffnung des Verfahrens zunächst auch die nicht massezugehörigen Gegenstände in Besitz zu nehmen und zu sichern hat. Erst nach Prüfung der Massezugehörigkeit hat er die nicht massezugehörigen Gegenstände an die jeweiligen Berechtigten herauszugeben.[23]

Teilungsmasse ist der Teil der Insolvenzmasse, der am Ende des Verfahrens zur Ausschüttung an die "einfachen" Insolvenzgläubiger nach § 38 zur Verfügung steht.[24]

 

Rn 6

Die InsO geht – genau wie KO und GesO – von dem Grundsatz der Gesamtinsolvenz aus, wonach das gesamte Vermögen des Insolvenzschuldners vom Insolvenzverfahren erfasst wird (§ 11 Abs. 1). Teilinsolvenzen betreffend einheitliche Vermögensmassen sind grundsätzlich nicht möglich. Werden – wie in der Praxis zu beobachten – Insolvenzanträge zusätzlich für selbstständige Niederlassungen eines Rechtsträgers gestellt, sind diese unzulässig, sofern nicht der Sitz der Gesellschaft im Ausland liegt, Art. 102 § 1 Abs. 3 EGInsO (sie...

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