Rn 4

Liegen die formellen Voraussetzungen des § 174 Abs. 2 und 3 nicht vor, stellt sich die Frage, ob dem Verwalter insoweit ein Prüfungs- und auch ein Zurückweisungsrecht zusteht, wie dies z. T. unter der Geltung der KO für den mit der Tabellenführung betrauten Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vertreten wurde.[3] Dieses wird einerseits unter Hinweis auf den Unterschied der Stellung des Verwalters zur Stellung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle als Justizorgan verneint, der Verwalter habe als Widerspruchsbefugter eine Stellung inne, die der einer Partei gleichstehe.[4] Zur Vermeidung von Interessenkonflikten sei eine eher restriktive Interpretation seiner Befugnisse i. S. einer rein beurkundenden Tätigkeit angezeigt. Die angemeldeten Forderungen würden grundsätzlich nicht vom Verwalter, sondern vom Gericht (Rechtspfleger) im Rahmen der sog. Vorprüfung überprüft, im Rahmen derer die angemeldete Forderung zum Prüfungstermin zugelassen werde. Im Rahmen dieser Vorprüfung könne dann der Verwalter – wie jeder andere Beteiligte auch – der Zulassung widersprechen.[5] Andererseits wird unter Hervorhebung der im Rahmen der Reformbemühungen vorgenommenen Kompetenzerweiterungen des Verwalters (hier Übertragung des Anmeldeverfahrens) eine Prüfungskompetenz des Verwalters unter Bezugnahme auf die schon zur Rechtsstellung des Urkundsbeamten bei § 140 KO so vertretene Ansicht bejaht.[6] Sowohl unter rechtlichen wie vor allem auch unter praktischen Gesichtspunkten ist der zweiten Auffassung zu folgen: Im Prüfungsverfahren besteht die vorrangige Aufgabe des Verwalters darin, über die materielle Berechtigung einer angemeldeten Forderung zu entscheiden. In der Mehrzahl aller Fälle der Praxis entscheidet maßgeblich der Verwalter, ob eine Forderung als anerkannt in die Tabelle aufgenommen und damit letztlich tituliert wird (vgl. § 178 Abs. 3). In der Regel befassen sich weder das Insolvenzgericht noch die anderen Gläubiger mit den materiellen Inhalten der angemeldeten Forderungen. Es ist deshalb nur konsequent, ihm auch die Befugnis zuzugestehen, über die Formalien der Anmeldung zu entscheiden, zumal der Gläubiger im Falle der Weigerung des Verwalters, die Forderung in die Tabelle einzutragen, das Insolvenzgericht anrufen kann. Die Gegenansicht verkennt gerade die praktischen Abläufe. Es würden sich vor allem in größeren Verfahren mit einer Vielzahl von Gläubigern nicht unerhebliche Verzögerungen und Erschwernisse ergeben, wenn der Verwalter die Entscheidung des Insolvenzgerichts hinsichtlich der Einhaltung der Formalien der Anmeldung abwarten müsste. In Anbetracht der in Abs. 2 bestimmten zeitlichen Abfolge dürfte in der Mehrzahl der Fälle die Entscheidung des Insolvenzgerichts erst kurz vor dem Prüfungstermin möglich und zu erwarten sein, was einer Beschleunigung des Verfahrens zuwiderlaufen würde. Kann der Verwalter dagegen die Eintragung der angemeldeten Forderung sogleich wegen Nichteinhaltung der Formalien des § 174 Abs. 2 und 3 ablehnen, hat der betroffene Gläubiger die Möglichkeit, seine Angaben zu der Forderung umgehend zu ergänzen, und die Angelegenheit kann in der Mehrzahl der Fälle ohne Inanspruchnahme des Insolvenzgerichts bereinigt werden. Dem Verwalter steht damit im Ergebnis bereits dann ein Zurückweisungsrecht zu, wenn die Anmeldung nicht die Formalien des § 174 Abs. 2 und 3 erfüllt.[7]

 

Rn 5

Darüber hinaus hat der Verwalter ein Zurückweisungsrecht, wenn die Forderung nicht als Insolvenzforderung angemeldet wird, sondern ausdrücklich als Masseforderung oder als Aus- oder Absonderungsrecht bezeichnet wird. Die Tabelle dient zwar der Beurkundung von Erklärungen, aber nicht solcher jeder Art, sondern nur derjenigen, die zumindest dem formalen Begehren nach auf anteilige Befriedigung aus der Masse gerichtet sind. Alle anderen Anmeldungen würden die praktische Bestimmung und Brauchbarkeit der Tabelle beeinträchtigen, und es obliegt daher dem Verwalter als beurkundendem Organ, solche Eintragungen von ihr fernzuhalten; Gleiches gilt, wenn eine Anmeldung entgegen § 174 Abs. 3 ausdrücklich unter der Bezeichnung als nachrangige zur Anmeldung gebracht wird.[8]

[3] Vgl. zum alten Recht die Nachweise bei Kuhn/Uhlenbruck, § 140 Rn. 3.
[4] Nerlich/Römermann-Becker, § 175 Rn. 3; Eckardt, in: Kölner Schrift, S. 743 (753), Rn. 18.
[5] Vgl. zur Vorprüfung durch das Gericht auch § 176 Rn. 1 f.
[6] Merkle, RPfleger 2001, 157 (164); Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, § 175 Rn. 21; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 7 Rn. 32.
[7] Einschränkend: Uhlenbruck-Sinz, § 175 Rn. 12, der die Auffassung vertritt, dass eine Beanstandungspflicht des Insolvenzverwalters bei offensichtlichen Mängeln der Zurückweisung vorgeschaltet sei.
[8] Eckardt, in: Kölner Schrift, S. 743 (754), Rn. 21.

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