Entscheidungsstichwort (Thema)

Kommanditistenhaftung für rechtskräftig festgestellte Gesellschaftsverbindlichkeiten zwischen Beitritt und Eintragung im Handelsregister. Gesellschaftskonkurs. Unterbrechung des Rechtsstreits. Verfolgung der Ansprüche durch Konkursverwalter. Rückfall nach Konkursende. Verfahrensrechtliche Folgen des Gesellschaftskonkurses während des Rechtsstaates über die Kommanditistenhaftung. Haftungsumfang. Kommanditistenhaftung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Rechtsstreit, in dem ein Gesellschaftsgläubiger die beschränkte Haftung eines Kommanditisten in Anspruch nimmt, wird in entsprechender Anwendung des AnfG § 13 unterbrochen, wenn über das Vermögen der Kommanditgesellschaft das Konkursverfahren eröffnet wird.

2. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen der in eine bereits bestehende Gesellschaft eingetretene Kommanditist vor seiner Eintragung im Handelsregister unbeschränkt haftet.

3. Für eine Schadensersatzschuld der Kommanditgesellschaft aus unerlaubter Handlung haftet auch der nicht eingetragene Kommanditist nur beschränkt.

 

Orientierungssatz

1. Zur Haftung des der lebenden Kommanditgesellschaft beigetretenen Kommanditisten für Verbindlichkeiten, die zwischen Beitritt und Eintragung im Handelsregister begründet worden sind.

2. Zur unbeschränkten Kommanditistenhaftung nach HGB § 176.

3. Zur Unterbrechung des Rechtsstreites zwischen Gläubiger und Kommanditist über die Kommanditistenhaftung durch Gesellschaftskonkurs.

 

Normenkette

HGB § 171 Abs. 1, § 176 Abs. 2, § 171 Abs. 2, § 172; AnfG § 13; Gesetz betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens § 13

 

Tenor

1. Die gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 12. Mai 1980 eingelegten Revisionen des Beklagten zu 2 und des Streithelfers zu 1 – diese, soweit sie den Beklagten zu 2 betrifft – werden in der Hauptsache zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die von diesen Rechtsmitteln betroffenen vorinstanzlichen Kosten sowie über die Kosten dieses Teils des Revisionsverfahrens bleibt vorbehalten.

2. Gegenüber den Beklagten zu 1 und 3 ist das Verfahren wegen des Konkurses über das Vermögen der W KG unterbrochen.

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagten als Gesellschafter der W KG, einer in Vermögensverfall geratenen Publikums-Kommanditgesellschaft, für Forderungen in Anspruch, die gegenüber der Gesellschaft bereits rechtskräftig festgestellt sind. Diesen Forderungen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger und Frau F sind zu 1/4 und 3/4 die Erben der Frau R. Diese war bis zu ihrem tödlichen Dienstunfall am 23. Mai 1975 als Pharmareferentin Angestellte der W KG. Nach § 5 des Dienstvertrages vom 20. August 1974 hatte ihr die Gesellschaft Unfallversicherungsschutz zu gewähren und eine entsprechende Versicherung abgeschlossen. Die Versicherungssumme von 100.000 DM ging am 18. September 1975 auf dem Postscheckkonto der Gesellschaft ein, wurde jedoch nicht an die Erben weitergeleitet. Da von der Gesellschaft nichts zu erlangen war, nimmt der Kläger, von Frau F wegen des auf sie entfallenden Anteils ermächtigt, mit der Klage die Beklagten in Anspruch. Diese waren der Gesellschaft als Kommanditisten beigetreten, und zwar der Beklagte zu 2) mit einer Haftsumme von 70.000 DM am 28./30. Dezember 1973, der Beklagte zu 1) mit einer Haftsumme von 50.000 DM am 17. Juni 1975 und der Beklagte zu 3) mit einer Haftsumme von 100.000 DM am 2. Juli 1975. Der Beitritt aller drei Beklagten ist am 12. Januar 1976 ins Handelsregister eingetragen worden.

Das Landgericht hat die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner zur Zahlung von 15.000 DM an den Kläger und von 22.500 DM an seine Miterbin sowie die Beklagten zu 2) und 3) zusätzlich als Gesamtschuldner zur Zahlung von 5.000 DM an den Kläger und von 7.500 DM an die Miterbin, jeweils nebst Zinsen, verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten und des Streithelfers zu 5) zurückgewiesen.

Während des Revisionsverfahrens ist über das Vermögen der W KG der Konkurs eröffnet worden. Mit der Revision verfolgen die Beklagten und der Streithelfer zu 1) den Klagabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt in erster Linie die Aussetzung des Rechtsstreits, hilfsweise die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Revision des Beklagten zu 2) ist unbegründet, denn er haftet für die bereits rechtskräftig festgestellte Gesellschaftsverbindlichkeit dem Kläger und der Miterbin unbeschränkt und daher ohne Rücksicht darauf, ob er seine „Einlage” im Sinne des § 171 Abs. 1 HGB bereits geleistet hat.

1. Diese Haftung ergibt sich ohne weiteres daraus, daß der Beklagte zu 2) der Gesellschaft Ende Dezember 1973 beigetreten, im Handelsregister als Kommanditist aber erst Anfang 1976 eingetragen worden ist. Da die Erblasserin den Dienstvertrag mit der W KG in der Zwischenzeit, nämlich im August 1974, abgeschlossen hat, handelt es sich bei Ansprüchen, die – wie die Klageansprüche – aus diesem Dienstvertrag gegen die Gesellschaft erwachsen sind, um „bis zur Eintragung begründete Verbindlichkeiten der Gesellschaft”, für die ein beigetretener, aber noch nicht eingetragener Kommanditist nach § 176 Abs. 2 HGB unbeschränkt haftet.

Auf die in der mündlichen Verhandlung aufgeworfene Frage, ob der Kommanditist, um unbeschränkt haften zu müssen, bei seinem Beitritt der Fortsetzung der Geschäfte durch die Gesellschaft zugestimmt haben müsse (vgl. u. a. RGZ 128, 172, 180 f; Schilling in Großkomm. HGB 3. Aufl. Anm. 21 zu § 176), kommt es nicht an. Denn wenn man eine solche Zustimmung für erforderlich halten würde, so würde diese hier nicht fehlen: der Beklagte zu 2) hat bei seinem Beitritt insoweit keinerlei Vorbehalt gemacht, sondern die gesellschaftsvertraglich geschuldeten Beiträge gezahlt und von Anfang an die Verlustzuweisungen in Anspruch genommen; die Zustimmung wäre daher aus seinem schlüssigen Verhalten abzuleiten. Davon abgesehen dürfte aus der Verweisung des § 176 Abs. 2 HGB auf Absatz 1 dieser Vorschrift, wonach bei der Gesellschaftsgründung vor Eintragung der Gesellschaft nur der dem Geschäftsbeginn zustimmende Kommanditist unbeschränkt haftet, gar nicht herzuleiten sein, daß auch die Haftung des später Beitretenden erst durch die Zustimmung zur Fortsetzung der Geschäfte begründet werde (ebenso K. Schmidt, ZHR 144 (1980), S. 192, 194 ff). Da von dem Einverständnis oder dem Widerspruch eines hinzutretenden Gesellschafters in aller Regel die Weiterführung der im Gang befindlichen Geschäfte einer lebenden Gesellschaft schlechterdings nicht abhängen kann, kann auch nicht angenommen werden, das Gesetz habe einer solchen – praktisch wirkungslosen – Erklärung eine rechtliche Bedeutung zumessen wollen. Außerdem entspricht es Sinn und Zweck des § 176 Abs. 2 HGB, daß unterschiedslos ohne Rücksicht auf interne Erklärungen haftet, wer mitverantwortlich in den Kreis der Gesellschafter eingetreten ist und auf wessen Rechnung das Gesellschaftsunternehmen fortan betrieben wird. Der beitretende Kommanditist kann der unbeschränkten Haftung leicht vorbeugen, indem er das Wirksamwerden seines Beitritts von der Eintragung im Handelsregister abhängig macht. Daß das hier auch nur sinngemäß so vereinbart worden sei, ist aber dem Sachverhalt nicht zu entnehmen.

2. Die Haftung des Beklagten zu 2) ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Erblasserin – wie mangels gegenteiligen Vorbringens zu unterstellen ist – bei ihrer Einstellung nicht gewußt hat, daß der Beklagte zu 2) der Gesellschaft angehörte. Im Schrifttum ist allerdings die Meinung vertreten worden, der Geschäftspartner einer Kommanditgesellschaft verdiene, wenn diese eingetragen sei und das Handelsregister daher über den Kreis der Gesellschafter und deren Haftung etwas aussage, den Schutz der unbeschränkten Haftung eines später hinzugetretenen, noch nicht eingetragenen Gesellschafters nicht, wenn er von diesem gar nichts wisse. Die bloße Möglichkeit, daß sich die Gesellschaft personell erweitert haben könne, trage die Vertrauenshaftung nicht; § 176 Abs. 2 HGB sei daher im Gegensatz zu Absatz 1 dahin auszulegen, daß der Gesellschaftsgläubiger, der einen später beigetretenen Kommanditisten unbeschränkt in Anspruch nehmen wolle, dartun und beweisen müsse, er habe bei Geschäftsabschluß dessen Gesellschaftszugehörigkeit gekannt (Priester, BB 1980, S. 911, 913). Dem kann nicht zugestimmt werden, auch wenn man die darin liegende Tendenz, die vielfach als zu hart empfundene Vorschrift des § 176 HGB in ihrem Anwendungsbereich möglichst einzuschränken, grundsätzlich billigt. § 176 Abs. 1, auf den Absatz 2 verweist, geht von dem Grundsatz der unbeschränkten Haftung des nicht eingetragenen Kommanditisten aus, knüpft die Haftungsbeschränkung an die als Ausnahmetatbestand formulierte Kenntnis des Geschäftspartners von der Kommanditisteneigenschaft und überträgt die Beweislast für diese Kenntnis unzweideutig dem betroffenen Kommanditisten. Die schon nach dem Gesetzeswortlaut bestehenden Zweifel, ob man sich bei Anwendung des Absatzes 2 über diese Regelung hinwegsetzen kann, werden noch dadurch verstärkt, daß zwar die weitgehenden Folgen des § 176 HGB nach heute ganz überwiegender Ansicht in erster Linie mit dem Gedanken des Vertrauensschutzes im Rechtsverkehr zu rechtfertigen sind, daß die Vorschrift aber daneben auch den Zweck verfolgt, die beschränkte Haftung von Gesellschaftern einer Handelsgesellschaft generell von einer entsprechenden Publizität abhängig zu machen; es hat auch seinen guten Sinn, die Inanspruchnahme nicht eingetragener Gesellschafter nicht noch dadurch zu erschweren, daß man Streitigkeiten darüber entfacht, ob der Gläubiger deren Gesellschaftszugehörigkeit gekannt oder nur für wahrscheinlich oder möglich gehalten hat und diese Erkenntnisse für seine Entschließung ursächlich geworden sind. Diese Gesetzeszwecke würde man unterlaufen, wenn man dem im Verborgenen bleibenden Kommanditisten eine (im Gesetz selbst nicht geregelte) Beweislastumkehr zubilligen würde.

3. Ebensowenig läßt sich die unbeschränkte Haftung des Beklagten zu 2) mit der Begründung verneinen, die W KG sei eine Publikums-Kommanditgesellschaft gewesen. Das kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil die Firma der Weiskopf KG keinen Hinweis auf eine GmbH & Co. oder eine Publikumsgesellschaft enthielt.

4. Der Beklagte zu 2) kann auch nicht mit Erfolg einwenden, daß die Erblasserin, hätte sie seine Beteiligung als solche gekannt, zwangsläufig mit der Beschränkung seiner Haftung gerechnet haben würde. Insofern hatten die Beklagten auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 10. August 1979 unter Beweisantritt behauptet und auf Seite 15 der Berufungsbegründung wiederholt, alle Pharmareferenten, zu denen auch die Erblasserin gehörte, seien in mehreren Schulungskursen darüber informiert worden, daß die Gesellschaft aus einem Komplementär und einer Vielzahl von Kommanditisten bestehe; bei einem Kurs in München, an dem die Erblasserin teilgenommen habe, habe der Anlageberater M in einem ausführlichen Vortrag die Firmenstruktur erläutert und ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es sich um eine Kommanditgesellschaft mit nur einer Privatperson als persönlich haftendem Gesellschafter und einer Vielzahl von Kommanditisten handele.

Dieser Vortrag ist, soweit er den Beklagten zu 2) entlasten soll, nicht schlüssig. Ihm mag zwar entnommen werden können, alle Pharmareferenten hätten im Laufe ihrer Tätigkeit erfahren, daß die W KG auch in Zukunft ausschließlich Kommanditisten aufnehmen werde. Er läßt aber nicht erkennen, daß die Erblasserin dies schon bei Abschluß des Dienstvertrages am 20. August 1974 gewußt haben könnte, zumal nicht behauptet ist – und auch sonst keine Umstände dafür ersichtlich sind –, die Erblasserin habe schon vor dem Abschluß des Dienstvertrages an Schulungen teilgenommen. Falls sie später Kenntnis von der beschränkten Haftung aller von H W aufgenommenen oder noch aufzunehmenden Gesellschafter erlangt haben sollte, wäre das unerheblich. Mit dem Abschluß des Dienstvertrages war die unbeschränkte Haftung des Beklagten für alle Verbindlichkeiten eingetreten, die sich aus diesem Vertrag ergeben konnten.

5. Der Beklagte zu 2) ist daher von den Vorinstanzen im Ergebnis zu Recht zur Zahlung der von ihm verlangten Beträge verurteilt worden. Insofern ist es auch nicht erheblich, daß der Kläger seine Ansprüche in erster Linie aus § 171 Abs. 1 HGB und nur mit einem Hilfsantrag aus § 176 Abs. 2 HGB hergeleitet hat. Einheitlicher Streitgegenstand ist der gegen die Kommanditgesellschaft erwachsene Anspruch aus dem Dienstverhältnis der Erblasserin. Die Haftungsbeschränkung, auf die es im vorliegenden Fall nicht einmal wegen der Höhe des Anspruches ankommt, hat erst in der Revisionsinstanz und auch nur insoweit Bedeutung gewonnen, als der Rechtsstreit wegen der Eröffnung des Gesellschaftskonkurses unterbrochen wäre, wenn sich der Beklagte zu 2), wie die beiden anderen Beklagten (vgl. dazu unten II 3), auf eine Haftungsbeschränkung berufen könnte. Das ist aber, wie die vorstehenden Darlegungen ergeben, nicht der Fall. Die Befugnis des Klägers, die unbeschränkte Haftung des Beklagten weiter in Anspruch zu nehmen, wird von der Konkurseröffnung nicht berührt. Da der Kommanditist nach § 176 HGB „gleich einem persönlich haftenden Gesellschafter” haftet und ein persönlich haftender Gesellschafter dem Gläubigerzugriff auch während des Gesellschaftskonkurses ausgesetzt bleibt, ist es beim unbeschränkt haftenden Kommanditisten ebenso (h. L. Schilling aaO § 176 Anm. 15; Schlegelberger/Geßler, HGB, 4. Aufl., § 176 Anm. 7; Düringer/Hachenburg/Flechtheim, HGB, § 176 Anm. 7).

II. Die Beklagten zu 1) und 3) haften dagegen für die Ansprüche des Klägers und seiner Miterbin nicht unbeschränkt.

1. Sie sind erst am 17. Juni und 2. Juli 1975 der W KG beigetreten. Die Verpflichtung der Gesellschaft, der Erblasserin Unfallversicherungsschutz zu gewähren und im Falle ihres Todes die Versicherungssumme an ihre Erben weiterzuleiten, war dagegen, wie schon erörtert, mit dem Abschluß des Dienstvertrages am 20. August 1974 begründet worden. Es ist ohne Belang, daß die Gesellschaft die Versicherungssumme erst am 18. September 1975 erhalten hat. Für die Haftung aus § 176 HGB kommt es darauf an, wann die rechtsgeschäftlichen Erklärungen, aus denen der jeweilige Anspruch hergeleitet wird, mit bindender Wirkung abgegeben worden sind (BGHZ 73, 217, 220). Für die vor seinem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten haftet der neu Eintretende nur beschränkt nach Maßgabe der §§ 171, 172, 173 HGB.

2. Wenn in dem Verbrauch der Versicherungssumme eine Untreue des persönlich haftenden Gesellschafters liegen sollte, wäre die aus dieser unerlaubten Handlung entstandene Verbindlichkeit der Gesellschaft zwar erst nach dem Beitritt der Beklagten begründet worden. Für einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung haftet der Kommanditist jedoch stets nur beschränkt. Das ergibt sich aus dem Hauptzweck des § 176 HGB, das Vertrauen zu schützen, das der Geschäftsverkehr typischerweise den hinter einer handelsrechtlichen Personengesellschaft stehenden Gesellschaftern entgegenbringt, auch wenn er sie nicht kennt. Ob dieser Zweck es fordert, den nicht eingetragenen Kommanditisten für die aus einem Arbeitsverhältnis sich ergebenden öffentlich-rechtlichen Ansprüche der Sozialversicherungsträger haften zu lassen (vgl. d. Urt. des BSG v. 27. 6. 75 u. 26. 5. 76 = MDR 1976, 259 und 962), ist hier nicht zu erörtern. Eine Haftung aus unerlaubter Handlung wird davon jedenfalls nicht mehr gedeckt (Priester, BB 1980, 911, 914 unter 6 m. w. N.). In § 176 HGB ist zwar allgemein ohne Unterschied von „Gesellschaftsverbindlichkeiten” die Rede, für die der Kommanditist haften soll. Das läßt aber keine weitergehenden Schlüsse zu. Da die Haftung nicht eintreten soll, wenn der Gesellschaftsgläubiger die Kommanditisteneigenschaft des Gesellschafters kennt, liegt es vielmehr auch vom weiteren Gesetzesinhalt her nahe anzunehmen, daß an eine Haftung für unerlaubte Handlungen von Gesellschaftsorganen nicht gedacht ist; denn es hätte keinen vernünftigen Sinn, die Haftungsbeschränkung des Kommanditisten davon abhängig zu machen, ob das von der unerlaubten Handlung betroffene Opfer vom Haftungsumfang der Gesellschafter etwas weiß.

3. Die Haftung der Beklagten zu 1) und 3) kann daher nur unter der Voraussetzung der §§ 171, 172 HGB in Betracht kommen. Seit der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der W KG können aber diese Rechte der Gesellschaftsgläubiger nach § 171 Abs. 2 HGB nur noch von dem Konkursverwalter ausgeübt werden. Das gilt selbstverständlich auch für Ansprüche, die zur Zeit der Konkurseröffnung rechtshängig sind. Es kommt daher auf die Frage an, wie diese anhängigen Rechtsstreitigkeiten weiterzuführen oder zu beenden sind.

a) Das Handelsgesetzbuch regelt insoweit nichts. Die Vorschrift des § 265 Abs. 2 ZPO, wonach die Abtretung des streitbefangenen Anspruchs auf den anhängigen Prozeß keinen Einfluß hat, ist nicht – auch nicht entsprechend – anwendbar. Denn der Konkursverwalter ist kein Rechtsnachfolger des klagenden Gesellschaftsgläubigers, wie es dort vorausgesetzt wird. Er hat nicht den auf dem Rechtsverhältnis des jeweiligen Gläubigers zur Kommanditgesellschaft beruhenden Anspruch weiterzuverfolgen, sondern den der Gesamtheit der Gesellschaftsgläubiger zustehenden Anspruch auf Zahlung der offenstehenden Haftsumme geltend zu machen. Außerdem ist es gerade der Sinn des § 171 Abs. 2 HGB, die Dispositionsbefugnis über die Haftsumme dem einzelnen Gläubiger in jeglicher Hinsicht zu entziehen und im Gesamtinteresse der Gesellschaftsgläubiger dem Konkursverwalter zu übertragen.

Andererseits wäre es unbefriedigend anzunehmen, daß der anhängige Prozeß wegen der Eröffnung des Gesellschaftskonkurses in der Hauptsache für erledigt erklärt werden müßte (so aber Schilling aaO § 171 Anm. 43, 44; Schlegelberger/Geßler aaO § 171 Anm. 32; Düringer/Hachenburg/Flechtheim aaO § 171 Anm. 20; Karsten Schmidt, Einlage und Haftung des Kommanditisten S. 126, Fn. 11). Von einer endgültigen Erledigung kann nicht ohne weiteres gesprochen werden. Der Gesellschaftsgläubiger verliert zunächst zwar das Recht, seinen Anspruch geltend zu machen. Es kann aber an ihn zurückfallen, wenn der Konkurs endet, ohne daß der Haftungsanspruch durchgesetzt worden ist. In diesem Falle liegt es im Interesse der früheren Prozeßparteien, den alten Rechtsstreit wieder aufzunehmen, um nicht genötigt zu sein, von Anfang an neu zu prozessieren. Außerdem ist es zwar richtig, daß der Konkursverwalter den Individualanspruch des Gesellschaftsgläubigers nicht weiterzuverfolgen hat; dennoch wird die Frage, ob der Kommanditist überhaupt haftet, meist auch im Mittelpunkt des vom Gesellschaftsgläubiger eingeleiteten Prozesses stehen. Deshalb würde es sinnvoll sein und einer beschleunigten Abwicklung des Konkursverfahrens dienen, wenn der Konkursverwalter in ihm geeignet erscheinenden Fällen in den laufenden und vielleicht schon weit fortgeschrittenen Prozeß eintreten und darin ohne weiteres den Anspruch auf die Haftsumme geltend machen könnte.

b) Eine Bestimmung, die diesen Interessen gerecht werden könnte, befindet sich in § 13 des „Gesetzes betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens”. Dort werden die verfahrensrechtlichen Folgen für den Fall geregelt, daß der Gläubiger einer Forderung einen Dritten als Empfänger einer anfechtbaren Leistung des Schuldners in Anspruch nimmt, und während des Prozesses über das Vermögen des Schuldners der Konkurs eröffnet wird. Dann steht auch hier die weitere Verfolgung der Anfechtungsansprüche nur noch dem Konkursverwalter zu. Das rechtshängige Verfahren wird unterbrochen. Der Konkursverwalter kann das Verfahren aufnehmen und den Anspruch nach Maßgabe der Konkursordnung umstellen und erweitern. Lehnt er die Aufnahme ab, so kann zwischen den Parteien über die bis dahin entstandenen Prozeßkosten entschieden werden.

In Übereinstimmung mit Jaeger/Weber, Konkursordnung 8. Aufl., §§ 209/210 Anm. 31 hält es der Senat im Interesse einer sachgerechten Schließung der bestehenden Gesetzeslücke für gerechtfertigt, diese und gegebenenfalls weitere Regelungen des § 13 AnfG auf die Fälle des § 171 Abs. 2 HGB entsprechend anzuwenden. Denn hier wie da ist ein Rechtsstreit gegen einen Dritten anhängig, der anstelle des eigentlichen Schuldners in Anspruch genommen werden kann. Dieser Rechtsstreit kann von dem jeweils klagenden Gläubiger im Falle des Schuldnerkonkurses nicht weitergeführt werden, weil das dem Gebot der gleichmäßigen Behandlung einer Gläubigermehrheit im Schuldnerkonkurs widerspräche. In beiden Fällen ist der Konkursverwalter kein Rechtsnachfolger des klagenden Gläubigers, aber gleichwohl materiell-rechtlich berechtigt, den bisherigen Beklagten – wenn auch in einer den geänderten Verhältnissen angepaßten Weise – in Anspruch zu nehmen. Und in beiden Fällen steht bei Konkurseröffnung die endgültige Erledigung des anfänglichen Prozesses noch nicht fest; es besteht vielmehr noch die Möglichkeit, daß der ursprüngliche Kläger wieder in die Lage versetzt wird, seine Forderung selbst geltend zu machen, wenn nämlich diese im Konkurs nicht eingezogen worden ist. Es handelt sich daher um besonders liegende, rechtlich jedoch einander in vieler Hinsicht ähnliche Fälle (für eine entsprechende Anwendung von § 13 AnfG im Aktienrecht vgl. Brodmann, Aktienrecht, 1928, § 217 Anm. 5; Fischer, Großkomm. AktG 1937 § 56 Anm. 14; Barz, Großkomm. AktG 1965 § 62 Anm. 13).

c) Die Tatsache, daß über das Vermögen der W KG der Konkurs eröffnet worden ist, ist auch im Revisionsverfahren zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 2. 12. 74 – II ZR 132/73 – LM BGB § 387 Nr. 53; Urt. v. 6. 5. 81 – VIII ZR 45/80 – WM 1981, 678 m. w. N.). Seit Konkurseröffnung ist daher das Revisionsverfahren unterbrochen. Da die Prozeßlage unter den Parteien umstritten ist, ist das durch Zwischenurteil auszusprechen.

 

Fundstellen

BGHZ 82, 209

BGHZ, 209

NJW 1982, 883

ZIP 1982, 177

DNotZ 1984, 582

JZ 1982, 297

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