Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, welche Anforderungen an die Untersuchungspflicht des Käufers zu stellen sind. (hier: Vornahme einer Neocarminprobe beim Kauf von Textil-Fasern).

 

Normenkette

HGB § 377

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Urteil vom 10.06.1968)

LG Stuttgart

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 10. Juni 1968 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin betreibt eine Spinnerei und Färberei; die Beklagte zu 1), deren persönlich haftender Gesellschafter der Beklagte zu 2) ist, stellt u.a. Noppen her. Im März 1964 bezog die Klägerin von der Beklagten aus dem Los 9534 25 kg Diolen-Noppen zum Preise von 15,25 DM je kg. Sie verwandte diese Noppen bei der Herstellung eines von der Firma R. bestellten Diolen-Leinen-Noppen-Garnes; dabei betrug der Anteil der Noppen an diesem Garn etwa 5 %. Da die Firma R. bald darauf weiteres Garn in Auftrag gegeben hatte, bestellte die Klägerin am 30. April 1964 erneut fernschriftlich bei der Beklagten „165 kg Diolen-Noppen Type 9534 wie gehabt”. Die Beklagte bestätigte ebenfalls durch Fernschreiben umgehend – der Bestellung entsprechend – den Verkauf und sandte der Klägerin noch am gleichen Tag eine Verkaufsbestätigung über 165 kg aus dem Los 9534 zu. Die Verkaufsbestätigungen für beide Lieferungen enthielten auf der Vorderseite den aufgedruckten Vermerk, daß bei Reklamationen nur Zurverfügungstellung erfolgen, nicht aber Ersatzlieferung oder Schadenersatz beansprucht werden könne. Außerdem waren der zweiten Verkaufsbestätigung die Lieferungsbedingungen des Wollhandels beigefügt; nach deren, Ziffer 3 sind die in § 377 Abs. 1 HGB vorgeschriebenen Untersuchungen und Mängelanzeigen nur dann als unverzüglich anzusehen, wenn die Anzeige spätestens am dritten Werktag nach der Ablieferung durch eingeschriebenen Brief abgesandt wird.

Die Beklagte lieferte die Foppen am 19. Mai 1964 an die Klägerin aus. Diese untersuchte sie lediglich äußerlich, verarbeitete sie anschließend in derselben Zusammensetzung wie bei der ersten Lieferung zu dem von der Firma R. bestellten Garn und übersandte ihr dieses in mehreren Teillieferungen in der Zeit vom 8. Juni bis 21. August 1964. Ende August 1964 teilte die Firma R. der Klägerin zunächst fernmündlich und dann schriftlich mit, die Noppen der zweiten Lieferung ließen sich im Gegensatz zur ersten Lieferung nur teilweise einfärben; eine Analyse habe ergeben, daß das gelieferte Garn eine Fremdfaserbeimischung von Polyacrylfasern enthalte, Die Klägerin gab diese Beanstandung am 28. August 1964 telefonisch und am 4. September 1964 durch Einschreibebrief an die Beklagte weiter. Von der Firma R., die das beanstandete Garn Anfang September 1964 zur Verfügung gestellt hatte, nahm die Klägerin in der Folgezeit 2.850 kg zurück. Auf Grund einer von ihr veranlagten Untersuchung des Noppenmaterials aus der zweiten Lieferung bestätigte die Textilprüfungsanstalt Mönchengladbach-Rheydt, daß das Material nur zu 71,2 % aus Diolen (Polyesterfasern) und zu 28,8 % aus einem anderen Kunstfaserstoff – Polyacrylnitrilfasern – bestehe.

Mit der Behauptung, sie habe das der Firma R. gelieferte Garn, weil wegen der Fremdfaserbeimischung für eine gleichmäßige Färbung ungeeignet, zurücknehmen müssen, verlangt die Klägerin von den Beklagten Ersatz des ihr entstandenen Schadens – den von der Firma R. ursprünglich geschuldeten Kaufpreis zuzüglich Verpackungskosten – in Höhe von 49.797 DM nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übergabe des Garnes. Die Beklagten bestreiten, daß etwaige Färbschwierigkeiten bei dem von der Klägerin hergestellten Garn auf eine Fremdfaserbeimischung bei den gelieferten Noppen zurückzuführen seien. Jedenfalls aber seien etwaige Schadenersatzansprüche der Klägerin rechtswirksam abbedungen. Überdies habe die Klägerin es pflichtwidrig unterlassen, vor der Verarbeitung die Moppen durch eine Neocarminprobe auf ihre Reinheit zu untersuchen. Da die Klägerin somit nicht rechtzeitig nach Ablieferung untersucht und gerügt habe, gelte die gelieferte Ware als genehmigt.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt die Klägerin den Klageanspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht läßt offen, ob der von der Klägerin geltend gemachte Schaden auf einen von den Beklagten zu vertretenden Umstand zurückzuführen ist. Jedenfalls seien etwaige Schadenersatzansprüche der Klägerin durch die Klausel auf der Verkaufsbestätigung rechtswirksam abbedungen. Hilfsweise stützt das Berufungsgericht seine Entscheidung darauf, daß die Klägerin die Mängel nicht rechtzeitig gemäß § 377 HGB gerügt habe und die Lieferung damit als genehmigt anzusehen sei.

Die Angriffe der Revision gegen dieses Urteil erweisen sich im Ergebnis als unbegründet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte in der Lage war, durch eine formularmäßige Geschäftsbedingung die Gewährleistungsansprüche der Klägerin rechtswirksam auf ein Rückgaberecht zu beschränken, das mit der von beiden Parteien als selbstverständlich vorausgesetzten Weiterverarbeitung der Noppen für die Klägerin wertlos wurde. Es bedarf hier auch keiner Entscheidung, ob der formularmäßige Haftungsausschluß – worauf die Revision in erster Linie abstellt – diejenigen Schadenersatzansprüche nicht erfassen konnte, die die Klägerin gerade – wie hier – aus dem Fehlen der ihr vertragsgemäß zugesicherten Eigenschaften herleitete (BGHZ 50, 200, 207; vgl. auch das zur Aufnahme in die Amtliche Sammlung bestimmte Urteil des BGH vom 9. Juli 1970 – VII ZR 70/68 = WM 1970, 1108, 1110). Denn jedenfalls hat die Klägerin, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum feststellt, etwaige Schadenersatzansprüche dadurch verloren, daß sie die Fremdfaserbeimischung des Noppenmaterials nicht unverzüglich nach Ablieferung gerügt hat.

1. Zu Unrecht meint die Revision, eine Rügepflicht habe schon deswegen nicht bestanden, weil die Beklagte angesichts des hohen Anteils an Polyacrylfasen nicht etwa lediglich ein als mangelhaft anzusehendes Diolen-Noppenmaterial, sondern ein „aliud” im Sinne des § 378 HGB geliefert habe. Es kann hier auf sich beruhen, ob es sich bei der Fremdfaserbeimischung – wovon ersichtlich das Berufungsgericht mit seiner ausschließlichen Bezugnahme auf § 377 HGB als selbstverständlich ausgeht – lediglich um einen Sachmangel im Sinne des § 459 BGB gehandelt hat, oder ob die Beklagte – wie die Revision meint – eine andere als die bedungene Ware (§ 378 HGB) geliefert hat. Denn auch wenn man der letzteren Ansicht folgt, so wich doch jedenfalls die gelieferte Ware nicht offensichtlich von der Bestellung so erheblich ab, daß die Beklagte die Genehmigung der Klägerin als ausgeschlossen betrachten mußte und die Klägerin aus diesem Grunde von der Obliegenheit einer unverzüglichen Mängelrüge befreit war (§ 378 2. Halbe. HGB). Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung an das Vorliegen einer groben Artabweichung im Sinne dieser Vorschrift strenge Anforderungen gestellt. Nur wenn die Verschiedenheit zwischen bestellter und gelieferter Ware nach ihrer Beschaffenheit so erheblich ist, daß nach vernünftiger Beurteilung der Sachlage ein Kaufmann mit der Ware auch nur den Versuch einer Erfüllung nicht machen wurde, andererseits ein Behalten dieser Ware von dem Käufer als Vertragserfüllung schlechthin nicht erwartet werden kann, entfällt die Verpflichtung zur Erhebung einer Mängelrüge (vgl. Senatsurteile vom 24. Oktober 1960 – VIII ZR 191/59 = LM HGB § 378 Nr. 1 und vom 8. März 1967 – VIII ZR 4/65 = LM BGB § 276 (K) Nr. 3 = BGH Warn 1967, 125). Denn nur in derart eng begrenzten Ausnahmefällen, in denen auch später ein ernsthafter Streit über die Vertragsmäßigkeit der gelieferten Ware angesichts der Offensichtlichkeit der Abweichung nicht entstehen kann, fehlt es an einem sachlichen Bedürfnis für eine Mängelrüge, deren Erhebung gerade derartige später aufkommende Streitigkeiten nach Möglichkeit verhindern soll. Daß aber die vorgenannten Voraussetzungen hier vorlagen, läßt sich schon im Hinblick darauf, daß die Noppen jedenfalls zu einem ganz überwiegenden Anteil aus Diolen (Polyesterfasern) bestanden, nicht feststellen.

2. Auch der Umstand, daß die Klägerin, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum feststellt, die streitigen Noppen nach Probe gekauft hat, befreite sie nicht vor der Rügepflicht. Der Abschluß eines Kaufes nach Probe hat lediglich zur Folge, daß gemäß § 494 BGB die Eigenschaften der Probelieferung für die Hauptlieferung als zugesichert gelten. Das Fehlen zugesicherter Eigenschaften (§ 459 Abs. 2 BGB) unterliegt aber bei einem beiderseitigen Handelskauf wie jeder Mangel der Verpflichtung zur Erhebung der Mängelrüge, – gleichgültig, – ob die Eigenschaft ausdrücklich zugesichert ist oder, wie beim Kauf nach Probe, als zugesichert gilt (Würdinger in BGRK z.HGB Vorbem. vor § 373 Anm. 55 d).

3. Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, daß die von der Klägerin geltend gemachte Fremdfaserbeimischung nicht offen zutage lag und demgemäß bei einer nur äußerlichen Prüfung, wie sie die Klägerin vorgenommen hat, nicht erkennbar war. Fach Ansicht des Berufungsgerichts war es jedoch der Klägerin zuzumuten, die Reinheit der Noppen alsbald nach der Ablieferung und vor der Weiterverarbeitung durch eine sogenannte Neocarminprobe zu Überprüfen. Durch eine derartige Probe können, wie das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf das Gutachten des Forschungsinstituts Hohenstein (Prüfabteilung für Textilwaren) ohne Rechtsirrtum feststellt, die Faserstoffarten Polyester (Diolen) und Polyacrylnitril sowie eine etwaige Vermischung beider Faserstoffe unschwer dadurch festgestellt werden, daß das Fasermaterial in eine im Handel erhältliche Neocarminlösung eingelegt, diese kurz aufgekocht und die auftretende Färbung mit einer dem Lösungsmaterial beigefügten Farbskala verglichen wird. Eine derartige, nur ganz geringfügige Kosten verursachende Untersuchung war nach Ansicht des Berufungsgerichte der Klägerin hier um so mehr zuzumuten, als der Anteil der Noppen an dem Garn nur 5 % betrug und daher mit der Verarbeitung ein unverhältnismäßig hoher Mangelfolgeschaden drohte.

Gegen diese Erwägungen des Berufungsgerichts wendet sich die Revision ohne Erfolg. Das Berufungsgericht sieht in der Fremdfaserbeimischung einen sogenannten offenen Mangel im Sinne des § 377 Abs. 1, 2 HGB. Ein solcher liegt immer dann vor, wenn der Mangel entweder bei der Ablieferung offen zutage tritt oder aber bei einer sachgemäß durchgeführten Untersuchung, soweit diese nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunlich war, alsbald nach der Ablieferung hätte festgestellt werden können (vgl. Brüggemann in RGRK z. HGB § 377 Anm. 30; Schlegelberger, HGB § 377 Anm. 58 f). Welche Anforderungen an eine derartige Untersuchungspflicht zu stellen sind, insbesondere ob und unter welchen Voraussetzungen von einem Käufer die Durchführung einer chemischen Analyse verlangt werden kann, läßt sich nicht allgemein gültig festlegen. Es ist vielmehr darauf abzustellen, welche in den Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsganges fallenden Maßnahmen einem ordentlichen Kaufmann im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung auch der schutzwürdigen Interessen des Verkäufers zur Erhaltung seiner Gewährleistungsansprüche zugemutet werden können. Dabei sind nicht die persönlichen Verhältnisse des Käufers und seine Anschauungen maßgebend; vielmehr kommt es auf die objektive Sachlage und die allgemeine Verkehrsanschauung, wie sie sich hinsichtlich eines Betriebes vergleichbarer Art gebildet hat, an (vgl. Brüggemann a.a.O. § 377 Anm. 13; Schlegelberger a.a.O. § 377 Anm. 65). Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, daß die Vorschriften über die Mängelrüge (§§ 377 f HGB) in erster Linie den Belangen des Verkäufers dienen. Er soll, was zugleich dem allgemeinen Interesse an einer raschen Abwicklung der Rechtsgeschäfte im Handelsverkehr entspricht, nach Möglichkeit davor bewahrt werden, sich noch längere Zeit nach der Ablieferung etwaigen, dann nur schwer feststellbaren Gewährleistungsansprüchen ausgesetzt zu sehen. Dabei kann sein schutzwürdiges Interesse an einer alsbaldigen sorgfältigen Untersuchung durch den Käufer dann besonders groß sein, wenn er bei bestimmungsgemäßer Weiterverarbeitung der Kaufsache zu wertvollen Objekten mit hohen Mangelfolgeschäden rechnen muß und nur der Käufer das Ausmaß dieser drohenden Schäden übersehen kann. Dafür gibt gerade der vorliegende Fall ein eindringliches Beispiel. Andererseits hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 13. November 1956 (VIII ZR 16/56 = LM BGB § 459 Abs. 1 Nr. 3) darauf hingewiesen, daß im Rahmen einer sachgemäßen Interessenabwägung zwischen Käufer und Verkäufer die Anforderungen an die Untersuchungspflicht nicht überspannt werden dürfen, Kosten und Zeitaufwand für die Untersuchung, das Erfordernis eigener technischer Kenntnisse für ihre Durchführung und die Notwendigkeit, besondere technische Vorkehrungen für sie zu treffen oder die Untersuchung durch Dritte vornehmen zu lassen, können für die Beurteilung, ob eine Untersuchung in einem Betrieb wie dem des Käufers tunlich ist, bedeutsam sein.

Das Berufungsgericht hat diese für die Auslegung des § 377 Abs. 1 HGB maßgeblichen Grundsätze nicht verkannt. Es hat in sorgfältiger Abwägung der beiderseitigen Interessen insbesondere auf den hohen Mangelfolgeschaden abgestellt und dabei auch nicht unberücksichtigt gelassen, daß die streitigen Noppen – wie der Klägerin bekannt war – neu hergestellt werden mußten, die Klägerin also schon aus diesem Grunde nicht ohne weiteres darauf vertrauen konnte, daß die neue Lieferung hinsichtlich der Reinheit der Probelieferung entsprechen würde. Wenn bei dieser Sachlages das Berufungsgericht die Durchführung einer kaum Kosten verursachenden, nicht zeitraubenden und ganz einfach auch von Laien zu handhabenden Neocarminprobe für die Klägerin noch als zumutbar bezeichnet, so handelt es sich dabei um eine tatrichterliche Würdigung, deren Überprüfung dem Revisionsgericht verschlossen ist.

a) Zu Unrecht meint die Revision, das Berufungsgericht habe durch die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens der Behauptung der Klägerin nachgehen müssen, die Durchführung einer Neocarminprobe sei in derartigen Fällen – insbesondere bei einer Bestellung nach Probe – nicht üblich. § 377 Abs. 1 HGB stellt nicht darauf Abs. ob eine Untersuchung üblich, sondern ob sie im ordnungsgemäßen Geschäftsgang tunlich ist. Dabei wird allerdings das Bestehen eines etwaigen Handelsbrauchs zumeist einen Maßstab dafür abgeben, welche Untersuchungshandlungen dem Käufer im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs zumutbar – und damit tunlich – sind (RGZ 96, 175, 176; Brüggemann a.a.O. § 377 Anm. 13). Die Revision verkennt jedoch, daß das Berufungsgericht hier ausdrücklich auf die besondere Läge des zur Entscheidung stehenden Einzelfalles abgestellt hat und – wie dargelegt – auch abstellen durfte. Wenn es daher von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen bat, so ist das aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 1960 – VIII ZR 9/60 –, insoweit in LM BGB § 477 Nr. 4 und NJW 1961, 730 nicht abgedruckt; auch RG SeuffArch Bd. 44 Nr. 124). Daß im übrigen gerade auch der Klägerin die Anwendungsmöglichkeiten und die. Handhabung der Neocarminprobe sowie ihre Geeignetheit in Fällen der vorliegenden Art bekannt waren, ist unstreitig.

b) Aus den vorgenannten Erwägungen kann die Revision sich auch nicht auf Äußerungen in der Rechtsprechung zu der frage, in welchem Umfang im Rahmen des § 377 Abs. 1 HGB chemische Analysen durchzuführen Bind, berufen. Das von der Revision angeführte Senatsurteil vom 25. September 1968 (VIII ZR 108/66 – WM 1968, 1249) befaßt sich lediglich mit der hier nicht interessierenden Frage, ob und in welchem Umfang ein Zwischenhändler zur Vermeidung von Schadenersatzansprüchen verpflichtet ist, die an den Verbraucher weiterveräußerte Ware zuvor auf ihre Beschaffenheit zu untersuchen. Soweit der Senat im Urteil vom 17. Februar 1959 (VIII ZR 47/58 = LM EGB § 377 Nr. 6 = NJW 1959, 1081) einen Käufer von Perlonstrümpfen nicht für verpflichtet gehalten hat, durch Vornahme einer chemischen Untersuchung festzustellen, ob Perlon- oder Nylonstrümpfe geliefert waren, handelt es sich schon deswegen um einen anderen Sachverhalt, weil in dem damals entschiedenen Fall keine Anhaltspunkte für einen drohenden besonders hohen Mangelfolgeschaden ersichtlich waren, andererseits aber auch die tatrichterlichen Feststellungen Dichte dafür ergaben, daß die Unterschiede – wie hier – durch eine besonders einfache und kaum Kosten verursachende Probe festzustellen waren. Schließlich kann die Revision sich auch nicht auf den Schiedsspruch des Schiedsgerichts der Vereinigung des Wollhandels e.V. Bremen vom 12. April 1960 (BB 1960, 963) berufen, weil sich dieser Schiedsspruch nicht auf die Lieferung einer reinen Kunstfaser, sondern eines als „im Prinzip reine Wolle” bezeichneten Stoffes bezog und im übrigen das Schiedsgericht entscheidend darauf abgestellt hatte, daß eine stichprobenartige chemische Untersuchung ohnehin angesichts der ungleichen Zusammensetzung eines derartigen Stoffes kein geeignetes Mittel zur Feststellung etwaiger Mängel darstellte.

4. Allerdings könnte der Klägerin das Unterlassen einer Neocarminprobe nur dann zum Nachteil gereichen, wenn die sachgemäße Durchführung einer derartigen Untersuchung mit Sicherheit zur Feststellung einer etwaigen Fremdfaserbeimischung geführt hätte (vgl. Schlegelberger a.a.O. § 377 Anm. 58 f). Das aber hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum festgestellt. Mit ihrer Rüge, das Berufungsgericht habe nicht beachtet, daß das „Garn” nicht vor der Weiterverarbeitung, sondern erst nach Herstellung eines Gewebes habe gefärbt werden können, verkennt die Revision, daß das Berufungsgericht von der Klägerin keine Probefärbung, sondern lediglich eine Analyse verlangt hat, bei der die untersuchten Faserarten je nach ihrer chemischen Zusammensetzung eine unterschiedliche Färbung annehmen.

5. Lag somit nach den rechtlich nicht angreifbaren Feststellungen des Berufungsgerichts ein offener Mangel im Sinne des § 377 Abs. 1 HGB vor, so war die erst mehr als drei Monate nach der Ablieferung erhobene Mängelrüge verspätet. Damit gilt die Lieferung vom 19. Mai 1964 nach jeder Richtung als vertragsgemäß, so daß die Klägerin aus einem etwaigen Mangel der Ware keine Rechte mehr herleiten kann (vgl. Senatsurteil vom 3. Februar 1959 – VIII ZR 14/58 = LM HGB § 377 Nr. 5).

Die Revision muß daher – mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO – zurückgewiesen werden.

 

Unterschriften

Dr. Kaidinger, Dr. Gelhaar, Dr. Messner, Braxmaier, Dr. Hiddemann

 

Fundstellen

Nachschlagewerk BGH

MDR 1971, 128

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