Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters gegenüber Finanzamt wegen möglicher Anfechtungsansprüche. Kein Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters gegenüber Finanzamt

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Insolvenzverwalter kann einen Anspruch auf Auskunftserteilung nicht aus dem Rechtsverhältnis herleiten, das zwischen der Insolvenzschuldnerin und dem Finanzamt besteht. Die Abgabenordnung regelt einen Auskunftsanspruch nicht. Der Bundesfinanzhof hat zwar unter bestimmten Voraussetzungen einen Auskunftsanspruch aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG und dem Prozessgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG angenommen (BFHE 215, 32). Ob diese Voraussetzungen im Streitfall vorlagen, konnte offen bleiben, denn der Insolvenzverwalter verlangte die Auskunft nicht, um steuerliche Rechte der Insolvenzschuldnerin zu wahren, sondern um zugunsten der Gesamtheit der Gläubiger Zahlungen der Schuldnerin im Wege der Anfechtung zur Insolvenzmasse zu ziehen.

2. Das beklagte Land ist auch nicht nach Treu und Glauben zur Auskunft verpflichtet.

 

Normenkette

BGB § 242; InsO §§ 143, 80 Abs. 1; AO; GG Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4

 

Verfahrensgang

OLG Naumburg (Urteil vom 01.02.2006; Aktenzeichen 5 U 1902/04)

LG Dessau (Entscheidung vom 21.10.2005; Aktenzeichen 6 O 1902/04)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 1. Februar 2006 insoweit aufgehoben, als das beklagte Land verurteilt worden ist, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Zahlungen auf Vollstreckungsdruck die Schuldnerin an das beklagte Land in dem Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis zum 18. Dezember 2002 wann, in welcher Höhe und ob per Barzahlung, per Überweisung oder per Scheck erbracht hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens, das beklagte Land die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde und den übrigen Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 2 %, das beklagte Land 98 %.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Kläger ist Verwalter in dem am 19. Dezember 2002 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der T. GmbH (künftig: Schuldnerin). Das Finanzamt K. erhielt von der Schuldnerin zwischen dem 31. Januar 2001 und dem 2. November 2001 Zahlungen auf Steuerrückstände in Höhe von insgesamt 55.973,05 EUR. Im Frühjahr 2002 zahlte die Schuldnerin weitere 6.725,63 EUR. Der Kläger focht die Zahlungen an, erhielt aber lediglich den Betrag von 6.725,63 EUR erstattet. Er hat deshalb das Land S. auf Rückzahlung der übrigen Beträge und Auskunft verklagt, welche Zahlungen die Schuldnerin auf Vollstreckungsdruck im Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis zum 18. Dezember 2002 an das beklagte Land erbracht hat, und zwar wann, in welcher Höhe und ob per Barzahlung, per Überweisung oder per Scheck. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Schuldnerin habe im fraglichen Zeitraum über die bereits erwähnten 6.725,63 EUR hinaus weitere anfechtbare Zahlungen erbracht. Die genauen Zeitpunkte und Beträge könne er aber nicht nennen, weil Geschäftsunterlagen aus dem Jahr 2002 nicht vorhanden und Geschäftsführer wie Gesellschafter zu näheren Angaben nicht in der Lage seien. Die Klage hat in erster Instanz keinen, in zweiter Instanz vollen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Senat nur insoweit zugelassenen Revision wendet sich das beklagte Land gegen die Verurteilung zur Auskunft.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 2

Die Revision hat Erfolg.

I.

Rz. 3

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Nachdem zwischen den Parteien ein Rückgewährschuldverhältnis bestehe, sei auch der Auskunftsanspruch des Klägers aus § 143 InsO i.V.m. § 242 BGB gegeben. Der Kläger habe dargelegt, dass in der Zeit vom 1. Januar 2002 bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens weitere Zahlungen erfolgt seien, über deren Höhe und Art und Weise er aber wegen nicht auffindbarer Geschäftsunterlagen aus dem Jahr 2002 keine Kenntnis habe. Die Schuldnerin sei wegen der fehlenden Unterlagen und des Zeitablaufs zur Auskunft nicht in der Lage. Der Kläger sei daher in entschuldbarer Weise im Ungewissen über den Umfang des Anspruchs.

II.

Rz. 4

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Rz. 5

1. Die Insolvenzordnung sieht einen Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters gegen Gläubiger, die im Wege der Insolvenzanfechtung in Anspruch genommen werden sollen, nicht vor (BGH, Beschl. v. 7. Februar 2008 – IX ZB 137/07, ZIP 2008, 565 Rn. 9).

Rz. 6

2. Das beklagte Land ist auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zur Auskunft verpflichtet.

Rz. 7

Eine Verpflichtung, Leistungen so zu bewirken, wie Treu und Glauben es erfordern, gibt es nur im Rahmen bereits bestehender Rechtsbeziehungen. Der Bundesgerichtshof hat einen Auskunftsanspruch des Konkurs- bzw. Insolvenzverwalters gegen Gläubiger des Insolvenzschuldners wegen möglicher Anfechtungsansprüche deshalb in ständiger Rechtsprechung davon abhängig gemacht, dass ein Anfechtungsanspruch dem Grunde nach feststeht und es nur noch um die nähere Bestimmung von Art und Umfang des Anspruchs geht. Solange ein Rückgewährschuldverhältnis nicht feststeht, hat sich der Verwalter wegen aller benötigten Auskünfte an den Schuldner zu halten (BGHZ 74, 379, 381 f; BGH, Urt. v. 18. Januar 1978 – VIII ZR 262/76, NJW 1978, 1002; v. 15. Januar 1987 – IX ZR 4/86, NJW 1987, 1812, 1813; v. 21. Januar 1999 – IX ZR 429/97, NJW 1999, 1033, 1034; so auch schon RGZ 150, 42, 46). Dies entspricht der im Schrifttum ganz herrschenden Auffassung (MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl. § 143 Rn. 14; Jaeger/Henckel, InsO § 143 Rn. 165; HK-InsO/Kreft, 5. Aufl. § 129 Rn. 93; FK-InsO/Dauernheim, 5. Aufl. § 143 Rn. 43; Uhlenbruck/Hirte, InsO 12. Aufl. § 143 Rn. 45; Jacoby in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 143 Rn. 73; HmbKomm-InsO/Rogge, 3. Aufl. § 143 Rn. 88; Graf-Schlicker/Huber, InsO § 143 Rn. 4; Zeuner, Die Anfechtung in der Insolvenz 2. Aufl. Rn. 355; Gundlach/Frenzel/Schmidt DStR 2002, 1910 f). Im vorliegenden Fall ist diese Voraussetzung nicht gegeben. Für den Zeitraum, auf den sich das Auskunftsbegehren des Klägers bezieht, sind, abgesehen von der bereits erstatteten Zahlung in Höhe von 6.725,63 EUR, anfechtbare Rechtshandlungen nicht festgestellt. Solche werden vom Kläger nur vermutet. Gegenüber Personen, die lediglich im Verdacht stehen, sie könnten etwas vom Insolvenzschuldner in anfechtbarer Weise erworben haben, besteht jedoch kein Anspruch auf Auskunft (BGH, Urt. v. 21. Januar 1999 aaO Seite 1034). Dies gilt auch dann, wenn sich der Verdacht – wie hier – auf die Feststellung anderer anfechtbarer Vermögensverfügungen gründet. Denn jede selbständige anfechtbare Rechtshandlung begründet einen besonderen Rückgewähranspruch (BGH, Urt. v. 15. Januar 1987 aaO).

Rz. 8

3. Das am 1. November 2008 in Kraft getretene Informationszugangsgesetz Sachsen-Anhalt vom 19. Juni 2008 (GVBl. LSA 2008, 242) gibt auch Dritten unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht auf Zugang zu amtlichen Informationen. Auf dieses Gesetz kann das Auskunftsbegehren des Klägers aber schon deshalb nicht gestützt werden, weil das nach § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 3 IZG LSA vorgeschriebene Verwaltungsverfahren nicht durchgeführt worden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 19. Dezember 1995 – III ZR 190/94, NVwZ-RR 1997, 204, 205; Urt. v. 16. November 2001 – III ZR 1/00, NJW 2001, 1067, 1068).

Rz. 9

4. Der Kläger kann einen Anspruch auf Auskunftserteilung auch nicht aus dem Rechtsverhältnis herleiten, das zwischen der Insolvenzschuldnerin und dem Finanzamt besteht. Die Abgabenordnung regelt einen Auskunftsanspruch nicht. Der Bundesfinanzhof hat zwar unter bestimmten Voraussetzungen einen Auskunftsanspruch aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG und dem Prozessgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG angenommen (BFHE 215, 32). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, kann jedoch offen bleiben. Denn der Kläger verlangt die Auskunft nicht, um steuerliche Rechte der Insolvenzschuldnerin zu wahren (§ 80 Abs. 1 InsO), sondern um zugunsten der Gesamtheit der Gläubiger Zahlungen der Schuldnerin im Wege der Anfechtung zur Insolvenzmasse zu ziehen. Hierfür ist allein das Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem beklagten Land maßgeblich (vgl. FG Düsseldorf ZIP 2009, 732).

 

Unterschriften

Ganter, Raebel, Kayser, Pape, Grupp

 

Fundstellen

Haufe-Index 2223033

BFH/NV 2009, 2125

NWB 2009, 3088

EWiR 2010, 27

NZG 2009, 1220

StuB 2009, 933

WuB 2010, 111

ZIP 2009, 1823

NZI 2009, 722

ZInsO 2009, 1810

NJW-Spezial 2009, 709

NWB direkt 2009, 1022

ZVI 2009, 452

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