Entscheidungsstichwort (Thema)

Absonderungsrecht des Grundschuldgläubigers hinsichtlich der mithaftenden Miet- und Pachtzinsforderungen. Keine Benachteiligung der Gläubiger durch Verrechnung von eingehenden Mietzahlungen durch den Grundschuldgläubiger mit Forderungen gegen den Schuldner

 

Leitsatz (amtlich)

a) Der Grundschuldgläubiger erwirbt mit dem Grundpfandrecht ein Absonderungsrecht auch an den mithaftenden Miet- und Pachtzinsforderungen.

b) Verrechnet der Grundschuldgläubiger, dem der Schuldner die Mietzinsforderungen abgetreten hat, bis zur Insolvenzeröffnung eingehende Mietzahlungen mit einer Forderung gegen den Schuldner, so werden die Gläubiger hierdurch nicht benachteiligt, wenn der Grundschuldgläubiger das Absonderungsrecht zuvor unanfechtbar erworben hat.

 

Normenkette

InsO §§ 49, 110, 129 Abs. 1, § 140 Abs. 1; BGB § 1123 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Urteil vom 14.06.2005; Aktenzeichen 27 U 85/04)

LG Münster (Entscheidung vom 18.03.2004; Aktenzeichen 4 O 654/02)

 

Tenor

Die Revision des Klägers und die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des 27. Zivilsenats des OLG Hamm vom 14.6.2005 werden zurückgewiesen.

Von den in der Revisionsinstanz angefallenen Kosten tragen der Kläger 57 % und die Beklagte 43 %.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

[1] W. und die Rechtsvorgängerin der Beklagten (fortan nur: die Beklagte) schlossen im Jahr 1995 einen Kreditvertrag zur Finanzierung des Erwerbs eines Grundstücks in Leipzig. Zur Besicherung des Darlehens wurde eine Grundschuld in das Grundbuch eingetragen; ferner trat W. sämtliche künftigen Ansprüche aus der Vermietung des finanzierten Objekts an die Beklagte ab. Der Kreditnehmer verstarb am 13.2.2000. Aufgrund eines Antrags vom 3.7.2001 wurde am 2.11.2001 das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 9.4.2002 ordnete das Vollstreckungsgericht auf Antrag der Beklagten die Zwangsverwaltung des Grundstücks an.

[2] In der Zeit vom 1.5.2001 bis zum 8.4.2002 gingen auf einem bei der Beklagten eingerichteten Konto der Erben Mieteinnahmen ein; nach Abzug objektbezogener Nebenkosten verblieb ein Betrag von 70.570,29 EUR, den die Beklagte mit ihrer Darlehensforderung verrechnete.

[3] Die auf Rückzahlung dieses Betrags gerichtete Anfechtungsklage hat das LG abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte verurteilt, die Mieten für die Monate Dezember 2001 bis (anteilig) April 2002i.H.v. 30.242,59 EUR zurückzuzahlen; im Übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen richten sich im Umfang ihrer jeweiligen Beschwer die zugelassene Revision des Klägers und die Anschlussrevision der Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

A.

[4] Das Berufungsgericht, dessen Urteil u.a. in ZIP 2006, 433 veröffentlicht ist, hat gemeint, der Kläger könne die Rückgewähr der bis zur Insolvenzeröffnung eingegangenen und von der Beklagten verrechneten Mieten nicht verlangen. Es fehle an einer Gläubigerbenachteiligung. Zwar ergebe sich dies weder aus der Vorausabtretung der Mietzinsansprüche noch aus der "Hypothekenhaftung". Jedoch habe die Beklagte mit den Erben den Einzug der Mieten und die anschließende Verrechnung vereinbart; ohne diese Abrede hätte die Beklagte rechtzeitig die Anordnung der Zwangsverwaltung des Grundstücks erwirkt. Auf die seit Dezember 2001 eingegangenen, um die objektbezogenen Ausgaben bereinigten Mieten habe der Kläger einen Anspruch entweder aus dem Girovertrag oder aus ungerechtfertigter Bereicherung.

B.

[5] Das Berufungsurteil hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.

I.

[6] Revision des Klägers

[7] Der Kläger hat keinen Anspruch aus Insolvenzanfechtung gem. §§ 129 ff., 143 InsO auf Rückgewähr der Mieten für die Monate Mai bis November 2001.

[8] Die Anfechtung scheitert daran, dass die Insolvenzgläubiger infolge der Einziehung und Verrechnung der bis einschließlich November 2001 eingegangenen Mieten nicht benachteiligt worden sind. Jede erfolgreiche Anfechtung setzt voraus, dass ihr Gegenstand ohne die Rechtshandlung gerade zum haftenden Vermögen des Insolvenzschuldners - hier des Nachlasses - gehört, also dem Zugriff der Insolvenzgläubiger offen gestanden hätte (BGH, Urt. v. 14.6.1978 - VIII ZR 149/77, BGHZ 72, 39, 42 f.; BGH, Urt. v. 17.6.2004 - IX ZR 124/03, BGHReport 2004, 1456 = MDR 2004, 1317 = ZIP 2004, 1509, 1510). Ist ein Absonderungsrecht nicht anfechtbar entstanden, kann die anschließende Befriedigung durch Zahlung nicht angefochten werden, weil sie die Gläubiger nicht benachteiligt (BGH, Urt. v. 22.1.2004 - IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350, 353 = BGHReport 2004, 696 m. Anm. Ringstmeier = MDR 2004, 775 (LS); BGH, Urt. v. 11.7.1991 - IX ZR 230/90, MDR 1991, 962 = ZIP 1991, 1014, 1017; v. 21.3.2000 - IX ZR 138/99, MDR 2000, 783 = ZIP 2000, 898).

[9] 1. Die Beklagte ist Inhaberin einer Grundschuld an dem zum Nachlass gehörenden vermieteten Grundstück. Gemäß §§ 1123 Abs. 1, 1192 BGB erstreckt sich das Grundpfandrecht auf die Mietforderungen. Verfügungen des Schuldners über mithaftende Forderungen aus seinem Grundstück zugunsten von Grundpfandgläubigern benachteiligen die Insolvenzgläubiger grundsätzlich nicht. Denn eine solche Maßnahme bewirkt lediglich, dass die gesetzliche Haftung und Rangfolge aufrechterhalten wird. Daher bewirkt die mit Beginn des jeweiligen Monats wirksam werdende Vorausabtretung (§ 140 Abs. 1 InsO; vgl. BGH, Urt. v. 30.1.1997 - IX ZR 89/96, MDR 1997, 562 = ZIP 1997, 513, 514) für die Monate Mai bis November 2001 (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 InsO) keine Gläubigerbenachteiligung. Dann kann auch die Einziehung der Mietzinsen und die Verrechnung des um die Betriebskosten bereinigten Betrages mit der Darlehensforderung der Beklagten eine solche Benachteiligung nicht herbeiführen (vgl. KG KGBl. 1914, 11 f.; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 129 Rz. 158; Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl., § 29 Rz. 62; Uhlenbruck/Hirte, InsO 12. Aufl., § 129 Rz. 121; Bräuer ZInsO 2006, 742, 749 f.; s. auch RG GruchBeitr. 1907, 1107, 1110; JW 1918, 176 zum Nießbrauch; a.A. KG KGBl. 1914, 12; Hawelka ZfIR 2006, 258 f.). Anders verhält es sich nur, wenn und soweit die Einkünfte aus dem Grundstück die dinglich gesicherten Forderungen übersteigen (vgl. Kirchhof in MünchKomm/InsO, a.a.O.); dafür bestehen hier keine Anhaltspunkte.

[10] Die Auffassung des Berufungsgerichts, Voraussetzung für das Entstehen eines solchen Absonderungsrechts sei die Beschlagnahme des Grundstücks aufgrund des dinglichen Anspruchs, trifft nicht zu (so bereits RG LZ 1914, 1378, 1379).

[11] Die Grundschuldhaftung begründet ein gegenwärtiges Pfandrecht an den Mietzinsforderungen (Staudinger/Wolfsteiner, BGB Neubearb. 2002 § 1123 Rz. 11). Dies folgt aus § 1123 Abs. 1 BGB und § 49 InsO. Nach der letzteren Vorschrift sind Gläubiger, denen ein Recht auf Befriedigung aus Gegenständen "zusteht", die der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegen, nach Maßgabe des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung zur abgesonderten Befriedigung berechtigt. Damit übereinstimmend sieht § 1124 Abs. 1 Satz 2 BGB vor, dass die Haftung der Forderung unter den dort bezeichneten Voraussetzungen erlischt. Die Beschlagnahme, die das Absonderungsrecht eines persönlichen Gläubigers erst entstehen lässt (§ 80 Abs. 2 Satz 2 InsO), leitet beim dinglichen Gläubiger lediglich die Befriedigung aus dem belasteten Recht ein (BGH, Urt. v. 9.6.2005 - IX ZR 160/04, BGHZ 163, 201, 208 = BGHReport 2005, 1229 m. Anm. Gratias = MDR 2005, 1280); sein Absonderungsrecht entsteht jedoch zuvor nach Maßgabe der jeweiligen materiell-rechtlichen Bestimmungen (vgl. Bräuer a.a.O.). Der persönliche Gläubiger hat folglich keinen Anspruch auf vorrangige Befriedigung, wenn der dingliche Gläubiger vor einer Pfändung durch den persönlichen Gläubiger sich zum Schutz seines dinglichen Rechts eine im Erfolg der Zwangsverwaltung gleichkommende Sicherungszession hat geben lassen (vgl. RG a.a.O.).

[12] Der Senat hat damit übereinstimmend ein Absonderungsrecht des Grundpfandgläubigers an den mithaftenden Miet- und Pachtzinsforderungen bereits in seinem Beschluss vom 13.7.2006 (IX ZB 301/04, BGHReport 2006, 1319 m. Anm. Schuschke = WM 2006, 1685, 1686 f.) angenommen. Gegenteiliges ergibt sich nicht aus dem Senatsurteil vom 8.12.1988 (IX ZR 12/88, MDR 1989, 349 = NJW-RR 1989, 200). Der dort verwandte Begriff der "potentielle(n) Haftung" bezeichnete lediglich den Umstand, dass die von der Grundschuldhaftung umfassten Mietzinsforderungen vor der Beschlagnahme enthaftet worden waren.

[13] 2. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte im Jahre 1995 die Grundschuld am Nachlassgrundstück in anfechtbarer Weise erlangt hat, bestehen nicht.

II.

[14] Anschlussrevision der Beklagten

[15] Die zulässige, insb. statthafte (vgl. BGH, Beschl. v. 23.2.2005 - II ZR 147/03, BGHReport 2005, 935 = MDR 2005, 823 = NJW-RR 2005, 651; Hk/Kayser, ZPO § 554 Rz. 4, 5 m.w.N.) Anschlussrevision der Beklagten ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung auf Herausgabe der ab Dezember 2001 eingegangenen Mieten abzgl. der objektbezogenen Ausgaben.

[16] Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte mit Ablauf des Monats November 2001 gem. §§ 91 Abs. 1, 110 InsO weder aufgrund der Vorausabtretung noch aufgrund der Abrede mit den Erben Rechte an den Mietzinsforderungen erlangen konnte (so auch Hawelka a.a.O. S. 259). Zu keinem anderen Ergebnis führt die Behauptung der Beklagten, sie habe ihr Recht zur abgesonderten Befriedigung aus den Mieterträgen im Einverständnis mit dem Kläger ausgeübt:

[17] Der Senat hat in seinem Beschluss vom 13.7.2006 (a.a.O. S. 1686) ausgeführt, dass "nur die Zwangsverwaltung den Insolvenzbeschlag hypothekarisch mithaftender Mieten und Pachten zugunsten absonderungsberechtigter Grundpfandgläubiger überwindet." Damit ist jedoch nichts darüber gesagt, ob und unter welchen Voraussetzungen der Insolvenzverwalter mit Absonderungsberechtigten gesonderte Vereinbarungen schließen kann. In der Rechtsprechung wurde wiederholt eine Verwertungsvereinbarung der von der Beklagten behaupteten Art anerkannt (RG RGZ 35, 118, 120 ff.; OLG München, Urt. v. 9.7.1992 - 6 U 5584/91, WM 1993, 434, 435 f.). Hierauf bedarf es jedoch keines Eingehens. Denn das Berufungsgericht hat eine Vereinbarung der Parteien über die Durchführung einer abgesonderten Befriedigung der Beklagten aus den Mieterträgen rückwirkend ab Dezember 2001 ausgeschlossen. Seine Würdigung, das Schreiben des Klägers vom 25.2.2002 enthalte kein dahin gehendes Angebot, hält sich im Rahmen des dem Tatrichter zukommenden Bewertungsspielraums. Mit ihren Angriffen auf die Tatsachenwürdigung des Berufungsgerichts versucht die Revision lediglich, ihre eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen; damit kann sie im Revisionsverfahren keinen Erfolg haben.

 

Fundstellen

NWB 2007, 86

BGHR 2007, 227

DWW 2007, 84

NJW-RR 2007, 626

EWiR 2007, 83

WM 2007, 129

WuB 2007, 305

ZIP 2007, 35

ZfIR 2007, 465

DZWir 2007, 159

InVo 2007, 153

MDR 2007, 616

NZI 2007, 10

NZI 2007, 27

NZI 2007, 98

Rpfleger 2007, 219

WuM 2007, 373

ZInsO 2006, 1321

GuT 2007, 29

MietRB 2007, 67

NotBZ 2007, 17

ZBB 2007, 304

ZNotP 2007, 116

Kreditwesen 2007, 507

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