Leitsatz (amtlich)

a) Es wird an dem in BGHZ 34, 310 aufgestellten Grundsatz festgehalten, daß bei Bausparkassenvertretern ein Ausgleich auch für Provisionsverluste aus Verträgen in Betracht kommen kann, die zwar nach Beendigung ihres Vertreterverhältnisses abgeschlossen werden, aber in engem wirtschaftlichen Zusammenhang mit von ihnen früher vermittelten Verträgen stehen.

Es kommen hierbei nicht nur Folgeverträge in Betracht, die „automatisch”, d.h. ohne Zutun des neuen Vertreters zustande gekommen sind, andererseits aber grundsätzlich nur solche Verträge, die demselben Bausparbedürfnis dienen. Das Gericht kann hierbei gegebenenfalls gemäß § 287 Abs. 2 ZPO eine Schätzung vornehmen.

b) Ausgleichsfähig können auch entgangene Superprovisionen sein, die der Bausparkassenvertreter nach seinem Vertrag für Bausparverträge bekommen sollte, welche die von ihm zur Mitarbeit im Bauspargeschäft gewonnenen Volksbanken und Raiffeisenkassen in seinem Bezirk vermittelt haben, aber nur, soweit sie Abschlußprovisionen sind und keine Vergütung für eine verwaltende Tätigkeit darstellen (vgl. dazu BGHZ 56, 290 und das zum Abdruck in BGHZ bestimmte Urteil vom 22. Juni 1972 – VII ZR 36/71 – sowie BGHZ 30, 98 und 55, 45).

 

Normenkette

HGB §§ 89 b, 92

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Urteil vom 22.02.1971)

LG Heilbronn

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Stuttgart vom 22. Februar 1971 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 7.000,– DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist. In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an den 4. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Im übrigen werden Revision und Anschlußrevision zurückgewiesen.

Von den Kosten der Revision hat der Kläger 4/9, die Beklagte 2/9 zu tragen. Die Entscheidung über die restlichen 3/9 wird dem Berufungsgericht übertragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger war seit 1956 selbständiger Bausparkassenvertreter (Bezirksleiter) der Beklagten in einigen Kreisen von Hessen. Zwischen den Parteien galt zuletzt der Vertrag vom 21. September 1960. Der Kläger kündigte das Vertragsverhältnis fristgerecht zum 31. März 1963, nachdem die Beklagte auf Grund eines in § 2 Abs. 2 des Vertrages enthaltenen Vorbehalts seinen Bezirk wesentlich (auf etwa 1/4) verkleinert hatte.

Der Kläger hat mit der Klage u.a. einen Ausgleichsanspruch geltend gemacht, zuletzt in Höhe von 20.000 DM nebst Zinsen und Mehrwertsteuer. Der Anspruch ist bis zu einem Betrag von 10.108 DM dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Im Betragsverfahren hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger einen Ausgleich von 20.000 DM nebst 5 % Zinsen zu zahlen. Das Oberlandesgericht hat, unter Abweisung des weitergehenden Anspruchs, den Ausgleich auf 5.000 DM nebst 6 3/4 % Zinsen festgesetzt.

Mit der – vom Oberlandesgericht zugelassenen – Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, jedoch mit Zinsen in der vom Oberlandesgericht zuerkannten Höhe und zuzüglich 11 % Mehrwertsteuer. Die Beklagte verfolgt mit ihrer Anschlußrevision den Antrag auf völlige Abweisung des Ausgleichsanspruchs weiter. Jede Partei beantragt, das Rechtsmittel der anderen zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß der Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b Abs. 1 Nr. 2 HGB nicht höher sein kann als die Provisionsverluste, die der Kläger infolge seines Ausscheidens bei der Beklagten erlitten hat, und daß dem Kläger, da er für von ihm vermittelte Abschlüsse eine sog. Einmal-Provision bezogen hat, keine Provisionen für die vor seinem Ausscheiden vermittelten Abschlüsse entgangen sind.

Das Berufungsgericht hat aber im Anschluß an die Rechtsprechung des erkennenden Senats (BGHZ 34, 310, 315 ff und 55, 45, 52 sowie das Urteil des Senats vom 10. Juli 1969 – VII ZR 111/67 – VersR 1969, 995) geprüft, ob dem Kläger Provisionen für solche Abschlüsse entgangen sind, die erst nach seinem Ausscheiden zustande gekommen sind, und zwar für Folgeverträge, die in engem wirtschaftlichem Zusammenhang mit vom Kläger vermittelten Erstverträgen stehen, insbesondere eine Verlängerung oder Summenerhöhung solcher Verträge zum Inhalt haben. Das Berufungsgericht konnte bei dieser Prüfung ohne Rechtsirrtum aus den Verhältnissen während der Tätigkeit des Klägers für die Beklagte auf die Entwicklung nach seinem Ausscheiden schließen (BGHZ 55, 45 (Leitsatz c), 53).

2. Der Kläger hat im ersten Rechtszug unter Vorlegung umfangreicher Aufstellungen vorgetragen, er habe aus solchen Folgeverträgen in den Jahren 1959 bis 1961 durchschnittlich Provisionen in Höhe von 4.740 DM jährlich bezogen.

a) Die Beklagte hat unter Berufung auf Stimmen im Schrifttum (vgl. insbesondere Küstner, Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters 3. Aufl. S. 176–189; derselbe BB 1966, 269; Höft VersR 1966, 104; 1967, 524) geltend gemacht, ausgleichsfähig könnten höchstens solche Folgeverträge sein, die „automatisch”, d.h. ohne Zutun des neuen Vertreters zustande gekommen seien. Dem ist das Berufungsgericht mit Recht nicht gefolgt. Die Anschlußrevision der Beklagten hat insoweit keinen Erfolg.

Der Senat hält an seiner zuerst in BGHZ 34, 310, 315 ff dargelegten Auffassung fest. Der enge wirtschaftliche Zusammenhang zwischen einem von dem Bausparkassenvertreter während seiner Vertragszeit vermittelten Vertrag und einem später zustandegekommenen Folgevertrag wird nicht dadurch ausgeräumt, daß der nachfolgende Vertreter sich um das Zustandekommen des neuen Vertrages bemüht und dafür Provision erhalten hat. Auch wenn das der Fall ist, kann die frühere Tätigkeit des ausgeschiedenen Vertreters mitursächlich für den neuen Vertrag sein. Der frühere Vertreter hätte deshalb bei Fortbestehen des Vertragsverhältnisses hierfür Provision erhalten, die ihm nun infolge seines Ausscheidens entgeht und daher einen Ausgleichsanspruch auszulösen geeignet ist. Das Berufungsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, daß, wenn man der Auffassung der Beklagten und des vorerwähnten Schrifttums folgen wollte, der von dem Senat in BGHZ 34, 310 aufgestellte Grundsatz kaum praktische Bedeutung hätte.

b) In den Aufstellungen des Klägers sind auch die Superprovisionen enthalten, welche der Kläger aus Abschlüssen erhalten hat, die nicht von ihm, sondern von den Volksbanken und Raiffeisenkassen in seinem Bezirk vermittelt worden sind.

Das Berufungsgericht (S. 13–15) hält diese Superprovisionen nicht für ausgleichsfähig, weil die Bediensteten der Banken und Kassen nicht Untervertreter des Klägers, sondern über ihre Zentralkassen und Verbände durch einen sogen. Pool-Vertrag unmittelbar mit der Beklagten verbunden gewesen seien, dieser die von ihnen vermittelten Bausparverträge eingereicht und ihre Vergütung unmittelbar von der Beklagten bezogen hätten. Damit stellten sich die dem Kläger gezahlten Superprovisionen ausschließlich als Entgelt für die Betreuung der Volksbanken und Raiffeisenkassen im weiteren Sinne dar. Sie enthielten kein Vermittlungsentgelt, weil die Tätigkeit des Klägers keine Beziehung zu den von den Banken und Kassen vermittelten einzelnen Abschlüssen gehabt habe.

Diese Auffassung des Berufungsgerichts greift die Revision des Klägers mit Erfolg an.

Der Senat hält zwar an der Auffassung fest, daß zu den Provisionen, für deren Verlust dem Vertreter ein Ausgleich zusteht, nur Abschlußprovisionen, nicht Verwaltungsprovisionen gehören (BGHZ 30, 98; 34, 310, 313; 55, 45, 49–51). Die Ausführungen des Berufungsgerichts sind aber nicht geeignet, einen Ausgleichsanspruch des Klägers aus dem Verlust von Superprovisionen auszuschließen.

aa) Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts war es die Aufgabe des Klägers, die Volksbanken und Raiffeisenkassen seines Bezirks für die Mitarbeit zugunsten der Beklagten zu gewinnen, sie laufend in Bausparangelegenheiten zu beraten und sie in jeder Hinsicht als Kontaktstellen der Beklagten zu betreuen. Der Fall liegt ähnlich wie der in BGHZ 56, 290 entschiedene. Dort hat der Senat ausgesprochen, daß auch ein Verkaufsleiter oder Generalvertreter einen Ausgleichsanspruch haben kann, wenn seine Tätigkeit für das Arbeiten der ihm unterstellten Vertreter unentbehrlich und daher mitursächlich für die von diesen vermittelten Abschlüsse ist, und daß hierzu ein persönliches Mitwirken des Verkaufsleiters oder Generalvertreters bei den einzelnen Abschlüssen nicht erforderlich ist.

Der Senat hat ferner in seinem zur Aufnahme in die Entscheidungssammlung BGHZ bestimmten Urteil vom 22. Juni 1972 – VII ZR 36/71 – ausgeführt: Der Begriff „vermitteln” im Sinne des § 84 HGB sei in wirtschaftlicher Betrachtungsweise auszulegen. Es sei zu berücksichtigen, daß im Zuge der neueren wirtschaftlichen Entwicklung die Vertriebsorganisationen von Großunternehmen häufig dreistufig seien, indem zwischen dem Unternehmer und den einzelnen Vertretern „Generalvertreter”, „Verkaufsleiter” oder „Bezirksleiter” eingeschaltet seien. Wenn ein Generalvertreter im eigenen Namen Untervertreter eingestellt habe, sei deren Tätigkeit ihm rechtlich zuzurechnen. Es sei kein einleuchtender Grund dafür ersichtlich, daß es bei sonst gleicher wirtschaftlicher Tätigkeit nur deswegen anders sein sollte, weil der Unternehmer aus organisatorischen oder sonstigen Gründen die Handelsvertreterverträge mit den einzelnen Untervertretern selbst abgeschlossen habe. Zur Anwendung der §§ 84 ff HGB sei somit nicht zu fordern, daß ein Verkaufs- oder Bezirksleiter, der einer Mehrzahl von Untervertretern organisatorisch übergeordnet sei, selbst bei der Vermittlung oder dem Abschluß von Geschäften mitwirke. Es genüge vielmehr, daß seine Zusammenarbeit mit den ihm zugeteilten Untervertretern bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise mittelbar diesem Zweck diene und daß er in seinem „wirtschaftlichen Erscheinungsbild” dem eines echten Generalvertreters mit eigenem Vertreterstab nahekomme.

bb) Hier war die Stellung des Klägers gegenüber den Volksbanken und Raiffeisenkassen der eines „Generalvertreters” oder „Bezirksleiters” gegenüber den ihm unterstellten Vertretern sehr ähnlich. Es ist in diesem Zusammenhang unerheblich, daß die Banken und Kassen ihm nicht organisatorisch untergeordnet waren. Das ist für die Frage, ob seine Tätigkeit unentbehrliche Voraussetzung für die von diesen vermittelten Abschlüsse war, ohne entscheidende Bedeutung. Der Umstand, daß die Beklagte dem Kläger für jeden von den Banken und Kassen vermittelten Abschluß eine Superprovision gezahlt hat, weist darauf hin, daß sie selbst seine Tätigkeit als für diese Abschlüsse bedeutsam angesehen hat.

cc) Das angefochtene Urteil kann daher, soweit es dem Kläger einen Ausgleich wegen entgangener Superprovisionen versagt hat, nicht aufrechterhalten werden. Die Sache ist aber insoweit noch nicht zur Endentscheidung durch das Revisionsgericht reif; sie muß vielmehr, soweit es sich um diese Frage handelt, zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Dieses wird abschließend zu prüfen haben, ob die Superprovisionen ganz als Abschlußprovisionen anzusehen sind oder etwa zum Teil auch als nicht erfolgs-, sondern tätigkeitsbedingte und daher nicht ausgleichsfähige Verwaltungsentgelte (vgl. dazu BGHZ 30, 98, 105; 55, 45, 50, 51).

c) Der Senat hat in BGHZ 34, 310, 318, 319 ausgesprochen, daß Zweitabschlüsse eines Bausparers, die nicht mehr demselben Bausparbedürfnis dienen, sondern z.B. einem weiteren Bauvorhaben desselben Sparers oder dem von ihm neugefaßten Plan, eine Hypothek auf seinem Grundstück abzulösen, für den Ausgleichsanspruch des inzwischen ausgeschiedenen Vertreters regelmäßig nicht zu berücksichtigen sind. Anders könne es liegen, wenn der Bausparer die Vertragssumme erhöhe, weil er inzwischen leistungsfähiger geworden sei, seine Ansprüche sich vermehrt hätten oder die Baupreise gestiegen seien. Dabei sei unerheblich, ob die Vertragserweiterung äußerlich in die Form eines Zusatzvertrages oder eines selbständigen neuen Vertrages gekleidet sei; entscheidend sei nicht die äußere Form, sondern der enge wirtschaftliche Zusammenhang mit dem ersten Vertrag.

aa) Der Senat hat in diesem Zusammenhang bereits zum Ausdruck gebracht, daß die Abgrenzung im Einzelfall schwierig sein kann. Es ist nicht zu verkennen, daß die Beweggründe und Absichten, die ein Bausparer bei Abschluß eines neuen Vertrages verfolgt, häufig weder der Bausparkasse noch ihrem Vertreter erkennbar sein werden (vgl. dazu den Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 12. November 1970 S. 6). Die dem Kläger auch insoweit obliegende Darlegungspflicht (BGHZ 55, 45) wird aber dadurch erleichtert, daß, wie ebenfalls bereits in BGHZ 34, 310, 319 gesagt worden ist, das gerade im Versicherungs- und Bauspargeschäft meist vorhandene statistische Material hierbei verwertet werden kann. Zudem kann das Gericht in diesen Fällen von der Schätzungsbefugnis nach § 287 Abs. 2 ZPO Gebrauch machen (a.a.O. S. 320). Es ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht den Anteil der ausgleichsfähigen Nachtragsverträge auf 50 % aller Zweitverträge, nicht mehr und nicht weniger, geschätzt hat. Weder die Revision noch die Anschlußrevision haben einleuchtende Gründe für eine andere Schätzung angeführt.

bb) Die Ausführungen der Revision geben auch sonst keinen Anlaß zur Änderung der Rechtsprechung des Senats. Wollte man alle Verträge desselben Bausparers als zugunsten des ausgeschiedenen Vertreters ausgleichsfähig ansehen, so würde man unzulässigerweise beim Bausparkassenvertreter ebenso wie beim Warenvertreter auf die geworbenen Kunden abstellen, statt, wie es § 89 b Abs. 5 in Verbindung mit § 92 HGB vorschreibt, auf die von den Vertretern vermittelten Verträge. Nur ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem von dem Bausparkassenvertreter vermittelten ersten Vertrag und einem nach seinem Ausscheiden zustande gekommenen weiteren Vertrag vermag dessen Berücksichtigung bei der Bemessung des Ausgleichs zu rechtfertigen. Ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang in diesem Sinne ist regelmäßig nur anzunehmen, wenn der Zweitvertrag demselben Bausparbedürfnis dient.

cc) Keinesfalls sind, wie die Revision meint, solche Verträge ausgleichsfähig, die nicht von demselben Bausparer, sondern von dessen Verwandten abgeschlossen worden sind. Wollte man dieser Auffassung des Klägers folgen, so wäre eine klare Abgrenzung praktisch kaum noch möglich. Erst recht lassen, entgegen der Annahme der Revision, Wortlaut und Sinn des § 89 b Abs. 5 keinen Anspruch des Bausparkassenvertreters auf Zahlung eines Ausgleichs für Verbesserung des good will seiner Bausparkasse zu. Soweit die Revision geltend macht, auch die Ergebnisse aus den Bausparerwettbewerben gehörten zu den ausgleichsberechtigten Abschlüssen, kann darauf in der Revisionsinstanz schon deshalb nicht eingegangen werden, weil die Revisionsbegründung hierzu keinen substantiierten Vortrag in den Tatsacheninstanzen nachweist.

d) Die Revision des Klägers beanstandet, daß das Berufungsgericht die steigende Konjunktur nach dem Ausscheiden des Klägers nicht genügend berücksichtigt habe. Auch damit hat sie keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat dieserhalb eine Erhöhung der von ihm eingesetzten Ausgangszahlen um 25 % für angemessen gehalten. Darin, daß es keinen höheren Prozentsatz zugrunde gelegt hat, ist kein Rechtsirrtum zu finden. Es handelt sich insoweit um eine der Nachprüfung durch das Revisionsgericht entzogene tatrichterliche Würdigung und Schätzung.

Dasselbe gilt hinsichtlich des Zeitraumes von vier Jahren, für den das Berufungsgericht nach dem Ausscheiden des Klägers ausgleichsfähige Provisionsverluste aus Nachtragsverträgen annimmt. Insoweit muß auch der Anschlußrevision der Beklagten, die eine erheblich kürzere Bemessung dieses Zeitraums erstrebt, der Erfolg versagt bleiben.

3. Nach dem Vorgesagten ist für die Feststellung der ausgleichsfähigen Provisionsverluste des Klägers von seinen eigenen Aufstellungen auszugehen, die für die Jahre 1959–1961 durchschnittliche jährliche Provisionen aus Zweitverträgen in Höhe von 4.740 DM anführen. Die Beklagte hat diese Aufstellungen im einzelnen nicht bestritten. Ihrer Auffassung, der das Berufungsgericht beigetreten ist, die Superprovisionen für die von den Volksbanken und Raiffeisenkassen vermittelten Abschlüsse seien nicht ausgleichsfähig, ist, wie oben unter 2 b) erörtert, nicht zu folgen.

Von den in den Aufstellungen des Klägers angeführten Verträgen sind aber nur 50 % für den Ausgleich zu berücksichtigen (vgl. oben zu 2 c)). Andererseits ist ein Zuschlag von 25 % zu gewähren und der sich so ergebende Jahresbetrag von rund 3.000 DM für 4 Jahre, also auf 12.000 DM zu bemessen (vgl. oben zu 2 d)). Diesen Betrag kann das Revisionsgericht dem Kläger aber noch nicht zusprechen, weil das Berufungsgericht, wie bereits unter 2 b) bemerkt, noch prüfen muß, ob die Superprovisionen in vollem Umfang oder nur zum Teil ausgleichsfähige Abschlußprovisionen darstellen.

4. Erst in der wenige Tage vor der Berufungsverhandlung eingereichten Berufungsbeantwortung vom 3. Februar 1971 und in der Berufungsverhandlung selbst hat der Kläger behauptet, die für den Ausgleich zu berücksichtigenden Provisionen aus Zweitverträgen seien um ein Mehrfaches höher als bisher von ihm angegeben; solche Verträge hätten in der Zeit nach seinem Ausscheiden 40–50 % aller von ihm vermittelten Abschlüsse ausgemacht.

a) Diesem Vortrag steht zwar nicht, wie das Berufungsgericht meint, eine Geständniswirkung der früheren Darstellung des Klägers entgegen. Ein Geständnis im Sinne der §§ 288290 ZPO liegt nur vor, soweit eine Partei die Richtigkeit einer vom Gegner behaupteten Tatsache einräumt. Hier fehlt es an einem diesbezüglichen Vertrag der Beklagten. Vielmehr hat der Kläger lediglich sein eigenes bisheriges Vorbringen geändert. Dem stehen die §§ 288290 ZPO nicht entgegen.

b) Mit Recht hat das Berufungsgericht aber das neue Vorbringen des Klägers gemäß § 529 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückgewiesen. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, es bestehe ein allgemeiner Erfahrungssatz, daß Folgeverträge und Summenerhöhungen im Durchschnitt etwa 40 % des gesamten Bauspargeschäfts ausmachten, darauf könne eine Partei sich jederzeit berufen. Von einem auch den Gerichten allgemein bekannten Erfahrungssatz dieses Inhalts kann keine Rede sein. Das Gericht hätte darüber Beweis erheben müssen. Dadurch hätte sich die Erledigung des seit Dezember 1964 anhängigen Rechtsstreits weiter hinausgezögert. Das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 529 Abs. 2 ZPO hat die Revision selbst nicht in Zweifel gezogen. Der neue Vortrag des Klägers steht daher einer Endentscheidung des Revisionsgerichts, soweit diese nach den vorstehenden Ausführungen möglich ist, nicht entgegen. Es braucht deshalb nicht auf den Vortrag der Revision eingegangen zu werden, das Berufungsgericht habe verkannt, daß § 5 des Vertrages, wonach der Kläger für Direktabschlüsse der Beklagten keine Provision erhalte, rechtlich nicht haltbar sei, weil die Beklagte den Kläger unter Ausnutzung ihrer wirtschaftlichen Machtstellung dazu gebracht habe, diese Klausel hinzunehmen.

5. Nach alledem ist der Rechtsstreit zum Teil entscheidungsreif.

  1. Das mit dem Revisionsantrag des Klägers weiterverfolgte Begehren auf Zahlung von 11 % Mehrwertsteuer, das das Berufungsgericht abgewiesen hat, kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Revision insoweit nicht begründet worden und daher unzulässig ist (§ 554 ZPO).
  2. Als unbegründet ist die Revision des Klägers zurückzuweisen, soweit sie Zahlung eines Ausgleichs von mehr als 12.000 DM erstrebt, weil der Kläger nach den Ausführungen unter 3 mehr als diesen Betrag keinesfalls beanspruchen kann.

    Die Anschlußrevision der Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 5.000 DM nebst Zinsen ist in vollem Umfang unbegründet, weil die Berechnung des dem Kläger zustehenden Ausgleichs sich möglicherweise zu dessen Gunsten, nicht aber zu Gunsten der Beklagten ändern kann, wie insbesondere die Ausführungen unter 2 b) ergeben.

  3. Im übrigen, nämlich im Kostenpunkt und soweit dem Kläger weniger als 12.000 DM zuerkannt sind, also die Klage in Höhe von 7.000 DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist, muß das angefochtene Urteil aufgehoben werden. Insoweit ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch macht.
  4. Das Berufungsgericht wird außer der Frage, inwieweit die Superprovisionen als Abschlußprovisionen ausgleichsfähig sind, erneut die Voraussetzungen des § 89 b Abs. 1 Nr. 1 und 3 HGB (Vorteile der Beklagten und Billigkeit) zu prüfen haben.

6. Die Entscheidung über die Kosten der Revision beruht auf den §§ 92, 97 ZPO.

 

Unterschriften

Vogt, Rietschel, Erbel, Finke, Meise

 

Fundstellen

BGHZ

BGHZ, 125

NJW 1972, 1664

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