Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Überwachung und Kontrolle der Geschäftsführung durch den Verwaltungsrat

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Gesellschafter, der die Stellung eines Aufsichtsratsmitglieds in einer Publikumsgesellschaft erlangt hat, kann sich nicht auf die Haftungsbeschränkung des § 708 BGB berufen. Er hat bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen vielmehr die im Verkehr erforderliche Sorgfalt zu beachten und haftet in entsprechender Anwendung der §§ 116, 93 AktG.

2. Zur Frage, in welcher Weise der Verwaltungsrat einer Publikumsgesellschaft, dem die Überwachung und Kontrolle der Geschäftsführung übertragen ist, danach seine Aufgaben zu erfüllen hat.

 

Orientierungssatz

1. Den von der Gesellschafterversammlung gewählten Verwaltungsrat, der die Interessen der Gesellschafter gegenüber der Geschäftsführung zu wahren und die Geschäftsführung zu überwachen hat, trifft in besonderem Maße die Verpflichtung, Beschlüsse zu verhindern, die nach seinen Kenntnissen zur Schädigung der Gesellschaft, insbesondere zu einer wesentlichen Verschlechterung der Ertragslage und Finanzlage, führen können.

2. Der Verwaltungsrat darf, soweit kein konkreter Anlaß für eine Sonderprüfung besteht, bei der Erfüllung der aus seiner Überwachungsaufgabe folgenden Verpflichtung, unberechtigte Entnahmen des geschäftsführenden Gesellschafters zu verhindern, sich am Jahresabschluß und dem in Aussicht stehenden Prüfungsbericht orientieren.

 

Normenkette

BGB §§ 708, 276; HGB §§ 161, 105

 

Verfahrensgang

LG Berlin

KG Berlin

 

Tenor

Die Revision des Beklagten und die Anschlußrevision der Klägerin gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 13. Mai 1975 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß dieses Urteil wie folgt klargestellt und geändert wird:

1. Von dem Gesamtbetrag von 190.000 DM nebst Zinsen hat der Beklagte zu 1 einen Teilbetrag von 47.500 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 13. Januar 1972 als Gesamtschuldner neben der Beklagten zu 2 zu zahlen (Urteilsformel zu I 1).

2. Der Beklagte zu 1 hat

  1. von den Kosten des ersten Rechtszuges zusätzlich 3/25 der weiteren Gerichtskosten und zusätzlich 1/25 der weiteren außergerichtlichen Kosten der Klägerin,
  2. von den Kosten des zweiten Rechtszuges zusätzlich 1/9 der Gerichtskosten und zusätzlich 1/9 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin

jeweils als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 2 zu tragen (Urteilsformel zu IV A 1 und 2 b sowie IV B 1 und 2 b).

Die Klägerin hat 4/7, der Beklagte zu 1 3/7 der Kosten der Revisionsinstanz zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft, die auf die Aufnahme einer Vielzahl von Kommanditisten gerichtet ist; bis Herbst 1969 waren ihr über 300 Kommanditisten mit Einlagen von etwa 14 Mio. DM beigetreten. Sie führte ursprünglich den Namen B. Wirtschaftstreuhand Kommanditgesellschaft. Der Beklagte zu 1 (im folgenden: Beklagter), von Beruf Rechtsanwalt, war Kommanditist und in der Zeit vom 13. Oktober 1967 bis 6. September 1969 – seit 24. Mai 1968 neben dem Rechtsvorgänger der Beklagten zu 2, die am Rechtsstreit nicht mehr beteiligt ist, und neben einem weiteren Kommanditisten – Mitglied des im Gesellschaftsvertrag (§ 7) vorgesehenen Verwaltungsrats. Nach dem Gesellschaftsvertrag hatte dieser die Interessen der Gesellschafter gegenüber der Geschäftsführung zu vertreten (§ 7 Abs. 2) und die Geschäftsführung zu überwachen (§ 7 Abs. 4).

Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, schuldhaft gegen seine Pflichten als Mitglied des Verwaltungsrats verstoßen zu haben. Sie nimmt ihn auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihr dadurch entstanden sein soll, daß der Verwaltungsrat

  1. übermäßige Entnahmen des – inzwischen ausgeschiedenen – einzigen persönlich haftenden und geschäftsführenden Gesellschafters, Günter B., nicht verhindert und
  2. die mit Verlusten verbundene Beteiligung an der B.-K.-B.-Kommanditgesellschaft (im folgenden: B.), die auf den Erwerb und die Fortführung der „MK-K.-G. W. M.” gerichtet war, zugelassen hat.

Mit der vorliegenden Klage macht sie einen Teilbetrag von 400.000 DM geltend, den sie wie folgt aufgeschlüsselt hat:

  1. Unberechtigte Entnahmen = 200.000 DM (50.000 DM im Jahre 1968, 150.000 DM im Jahre 1969),
  2. Beteiligung an der B. = 200.000 DM; hiervon soll wiederum ein Teilbetrag von 10.000 DM auf die Kosten entfallen, die durch die Beurkundung eines in diesem Zusammenhang geschlossenen notariellen Kaufvertrages entstanden sind.

Sie beantragt hierbei die gesamtschuldnerische Verurteilung mit der Beklagten zu 2.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat den Beklagten – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels – zur Zahlung von 190.000 DM nebst Zinsen verurteilt.

Der Beklagte hat Widerklage aufgrund folgenden Sachverhalts erhoben: Als Prozeßbevollmächtigter der B. erwirkte er am 28. Oktober 1969 einen Kostenfestsetzungsbeschluß gegen seine Mandantin in Höhe von 36.055,40 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 8. Oktober 1969. Durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts Berlin-Neukölln vom 9. Januar 1970 wurde die angebliche Forderung seiner Mandantin gegen deren Vertragspartner M. gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen. Da die Klägerin diesen Betrag ebenfalls in Anspruch nahm, zahlte M. auf ein Anderkonto des Notars Dr. F. in Berlin. Landgericht und Kammergericht haben die Klägerin verurteilt, in die Auszahlung dieses Betrages an den Beklagten einzuwilligen.

Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag weiter, die gegen ihn gerichtete Klage in vollem Umfange abzuweisen. Die Klägerin hat Anschlußrevision eingelegt, mit der sie beantragt, den Beklagten zur Zahlung weiterer 210.000 DM zu verurteilen und die Widerklage auf Einwilligung abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision und die Anschlußrevision sind nicht gerechtfertigt.

I.Zur Klage

1. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht zu Recht die Sachbefugnis der Klägerin bejaht. Nach dem Gesellschaftsvertrag handelte es sich bei dem Verwaltungsrat um ein (von der Gesellschafterversammlung gewähltes) Gesellschaftsorgan der Kommanditgesellschaft. Seine Mitglieder stehen in einem Rechtsverhältnis zur Gesellschaft selbst mit der Folge, daß jedes der Klägerin gegenüber verpflichtet ist, für die Erfüllung der übernommenen Aufgaben einzustehen (vgl. das einen im wesentlichen gleichgelagerten Fall betreffende SenUrt. v. 14. 4. 75 – II ZR 147/73, WM 1975, 767, insoweit in BGHZ 64, 238 nicht abgedruckt).

2. Das Berufungsgericht hat seiner weiteren Beurteilung zutreffend zugrunde gelegt, daß der Beklagte bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen als Mitglied des Verwaltungsrats nicht nur für die Sorgfalt einzustehen hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt (§ 708 BGB), sondern schon dann haftet, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht läßt (§ 276 BGB).

Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob dieser gegenüber § 708 BGB strengere Haftungsmaßstab schon deshalb eingreift, weil der Beklagte mit der Annahme der Wahl zum Verwaltungsratsmitglied und der Übernahme der damit verbundenen Verpflichtungen in ein besonderes – vom Gesellschaftsverhältnis unabhängiges – Rechtsverhältnis zur Klägerin getreten ist und er für seine Tätigkeit ein Entgelt beanspruchen kann (§ 12 des Gesellschaftsvertrages). Auch wenn angenommen wird, die Stellung des Verwaltungsrats beruhe auf der Gesellschaftereigenschaft und er erfülle damit Pflichten, die aus dem Gesellschaftsverhältnis entspringen, kann § 708 BGB nicht angewendet werden.

Dieser Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, daß Personen, die miteinander einen Gesellschaftsvertrag eingehen und damit ein persönliches Vertrauensverhältnis begründen, sich gegenseitig so nehmen wollen, wie sie allgemein sind. Jeder Teil darf deshalb nur erwarten, daß er in den gemeinschaftlichen Angelegenheiten die gleiche Sorgfalt übt wie in seinen eigenen (vgl. RGZ 143, 212, 215 unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte). An diesen Voraussetzungen fehlt es in Fällen der vorliegenden Art. Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin weist die Besonderheit auf, daß er von Anfang an auf die Mitgliedschaft einer unbestimmten Vielzahl rein kapitalistisch beteiligter Gesellschafter angelegt ist (im Herbst 1969 gehörten ihr schon über 300 Kommanditisten an) und daß der persönlich haftende Gesellschafter in Abweichung von den gesetzlichen – dispositiven – Vorschriften ohne Mitwirkung und Zustimmung der übrigen Gesellschafter weitere Kommanditisten aufnehmen darf (§ 5 Abs. 4). Die Kommanditisten, von den Mitgliedern des Verwaltungsrats abgesehen (vgl. § 5 Abs. 6), sind weder tatsächlich noch rechtlich in der Lage, die Beitrittsverhandlungen zu beeinflussen und damit über die personelle Zusammensetzung der Gesellschafterversammlung und den Kreis ihrer Partner mitzubestimmen. Zwischen den Kommanditisten untereinander und auch zwischen diesen und dem persönlich haftenden Gesellschafter entsteht kein persönliches Verhältnis, wie es bei einer „normalen” Kommanditgesellschaft regelmäßig der Fall ist. Auf der gleichen Linie liegt es auch, daß der einzelne Gesellschafter bei Wahrung einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Geschäftsjahres – erstmals zum 31. Dezember 1969 – durch einfache Kündigungserklärung sein Ausscheiden aus der Gesellschaft herbeiführen kann.

Mit dem Sinn und Zweck einer solchen, von keinem besonderen persönlichen Vertrauensverhältnis geprägten Massengesellschaft, wäre es unvereinbar anzunehmen, ein Gesellschafter, der die Aufgaben eines Verwaltungsratsmitglieds mit der daraus folgenden Überwachungspflicht übernommen hat, könne sich auf die Haftungsbeschränkung des § 708 BGB berufen. Damit würden die schützenswerten Interessen der Mitgesellschafter nicht gewahrt und das durch die Errichtung eines selbständigen Überwachungsorgans erweckte Vertrauen enttäuscht. Der gebotene Schutz der Anlagegesellschafter besteht nur dann, wenn die Überwachungstätigkeit, durch die insbesondere fehlerhafte Maßnahmen und Unredlichkeiten der Geschäftsführungsorgane festgestellt und verhindert werden sollen, unter Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt auszuüben ist und das einzelne Verwaltungsratsmitglied schon dann haftet, wenn es bei der Erfüllung seiner Pflichten diese Sorgfalt außer acht läßt.

3. Auf dieser Grundlage kommt das Berufungsgericht in eingehender Würdigung des Sachverhalts zu dem Ergebnis, der Beklagte habe die ihm als Verwaltungsratsmitglied obliegende Sorgfaltspflicht

  1. verletzt, als er mit den anderen Mitgliedern des Verwaltungsrats zugestimmt hat, daß die Klägerin Ansprüche auf Einzahlung von Kommanditanlagen über 2,5 Mio. DM zur Erfüllung des zwischen Willi M. und der B. geschlossenen Kaufvertrages auf Mommert übertrug,
  2. nicht verletzt, als er nichts gegen die unberechtigten Entnahmen des persönlich haftenden Gesellschafters unternommen hat.

a) Soweit die Beteiligung der Klägerin an der Berolina in Zusammenhang mit dem Erwerb der Kaffee-Großrösterei M. in Frage steht, ist nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien und der Feststellungen des Berufungsgerichts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Am 11. Dezember 1968 gründete Günter B., der damalige persönlich haftende Gesellschafter der Klägerin, mit seiner Ehefrau und dem Beklagten die B.-K.-B. KG. Diese Gesellschaft sollte die zum Verkauf stehende „MK-K.-G. W. M.” kaufen und fortführen. Das Geschäft sollte teils durch die Klägerin (durch eine Kommanditeinlage) und durch weitere – neu zu werbende – Kommanditisten, teils durch Darlehen finanziert werden. Bis April 1969 waren Gesellschafter mit Einlageverpflichtungen von rund 1,64 Mio. DM beigetreten; hiervon waren 1.127.000 DM eingezahlt worden.

Nachdem im Februar/März 1969 die von Berg mit verschiedenen Banken geführten Verhandlungen, für die B. einen Kredit zu erhalten, gescheitert waren, schloß er am 7. April 1969 im Namen der B. mit M. einen notariellen Kaufvertrag über den Erwerb des Unternehmens, zu dem vier Grundstücke gehörten, zum Preise von 10 Mio. DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Von dem Kaufpreis waren 3,5 Mio. DM bis zum 30. April 1969, der Rest von 6,5 Mio. DM bis zum 30. Juni 1969 zu zahlen. Für den Fall des Zahlungsverzugs sollte eine Vertragsstrafe von 1 Mio. DM verwirkt sein.

Am 26. April 1969 beriet der Verwaltungsrat unter Beteiligung des Beklagten über die von dem persönlich haftenden Gesellschafter vorgeschlagene Beteiligung an der B. Schreiben vom gleichen Tage teilte er diesem, B. mit, daß „außerordentlich starke Bedenken” bestünden, der Verwaltungsrat jedoch unter bestimmten Voraussetzungen bereit sei, die Zustimmung zu einer Kommanditbeteiligung in Erwägung zu ziehen. In seiner Sitzung vom 3. Mai 1969 stimmte der Verwaltungsrat einer Kommanditbeteiligung in Höhe von 2,5 Mio. DM für den Fall zu, daß bestimmte Bedingungen – die im wesentlichen auf eine sichere Finanzierung gerichtet waren – erfüllt seien.

M., der am 30. April 1969 1 Mio. DM als Anzahlung erhalten hatte, verlangte eine Sicherung hinsichtlich seiner weiteren Kaufpreisforderung und drohte, den Vertrag mit der B. zu lösen. Daraufhin ermächtigte der Verwaltungsrat B. auf seine erneute Vorstellung am 6. Mai 1969, an Mommert Ansprüche aus gezeichneten Kommanditanteilen der Klägerin in Höhe von 2,5 Mio. DM abzutreten. Dieser machte noch am gleichen Tage von der Ermächtigung Gebrauch (vgl. die Vereinbarung zwischen M. und der B. vom 6. Mai 1969 – Beistück 3 I). M. erhielt hierauf Zahlungen von mindestens 1.571.288,80 DM.

In einer Gesellschafterversammlung vom 15. Juni 1969, in der 201 Kommanditisten mit einem Kommanditkapital von 8.174.000 DM vertreten waren, erklärte der Beklagte für den Verwaltungsrat, dieser habe bei allen wesentlichen Entscheidungen der Geschäftsleitung mitgewirkt und billige diese. Am 16. Juni 1969 trat die Klägerin, vertreten durch B., der B. mit einer Kommanditeinlage von 2 Mio. DM bei; am 21. Juni 1969 erhöhte sie ihre Einlage um 500.000 DM durch Erwerb der – nur zu einem geringen Teil eingezahlten – Kommanditbeteiligung des Beklagten und der Ehefrau B.s.

Da die erhoffte Fremdfinanzierung des Kaufvertrags nicht zu erreichen war, konnte die B. den Restkaufpreis nicht aufbringen. Auf die Klage M.s wurden sie und Berg antragsgemäß zur Zahlung von 6.811.000 DM Restkaufpreis verurteilt. Am 1. Oktober 1969 setzte M. der B. gemäß § 326 BGB – erfolglos – eine Frist zur Erfüllung des Kaufvertrages bis zum 10. Oktober 1969. Die Klägerin ihrerseits erhob gegen M. Klage auf Zahlung der oben angegebenen 1.571.288,80 DM. Am 19. Mai 1971 schlossen M. einerseits sowie die Klägerin und die B. andererseits einen Vergleich, in dem M. unter anderem das Recht erhielt, 2,18 Mio. DM des gezahlten Kaufpreises einzubehalten, und die Verpflichtung übernahm, an die Klägerin 942.864,44 DM zu zahlen; die Übertragung der MK-K.-G. auf die B. wurde, soweit eingeleitet, rückgängig gemacht.

Das Berufungsgericht zieht aus alledem – in Verbindung mit dem Umstand, daß die angesprochenen Bankinstitute im Februar/März 1969, wie dem Beklagten bekannt war, die Gewährung der beantragten Kredite abgelehnt hatten – den Schluß, der Beklagte habe die ihm als Verwaltungsratsmitglied obliegende Sorgfaltspflicht schuldhaft verletzt. Da die Finanzierung des Kaufvertrages, mit M. nicht gesichert gewesen sei, habe die Antwort, die der Verwaltungsrat am 26. April 1969 auf den Beteiligungsvorschlag B.s gegeben habe, allein der Situation entsprochen. Der Klägerin sei ein Schaden jedenfalls in Höhe des gegen den Beklagten geltend gemachten Teilbetrages von 190.000 DM entstanden. Da sich B. dem gegenteiligen Votum des Verwaltungsrats nicht widersetzt hätte, habe der Beklagte diesen Schaden zu ersetzen.

Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben im Ergebnis keinen Erfolg.

aa) Die Revision verkennt die Ausführungen des Berufungsgerichts, wenn sie meint, es habe uneingeschränkt § 93 AktG angewandt und den Beklagten für jeden Schaden verantwortlich gemacht, der der Gesellschaft durch Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt „eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters” entstanden sei. Nach dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe und seinem Hinweis auf eine nur entsprechende Anwendung des § 93 AktG hat das Berufungsgericht ähnliche Grundsätze anwenden wollen, wie sie das Aktiengesetz in den §§ 116, 93 für die Sorgfaltspflicht der aktienrechtlichen Aufsichtsratsmitglieder aufgestellt hat. Dem aber ist zuzustimmen.

bb) Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beklagte die ihn hiernach treffende Sorgfaltspflicht verletzt hat, ist zwar davon auszugehen, daß die Verwaltungsratsmitglieder nicht verpflichtet sind, grundsätzlich alle Geschäftsführungsmaßnahmen zu überwachen und zu prüfen. Sie sind auch nicht gehalten oder auch nur berechtigt, jedes Geschäft zu verhindern, das mit einem Risiko verbunden ist; mit Risiken behaftete Geschäfte sind im kaufmännischen Leben nicht ungewöhnlich. Darum geht es hier jedoch nicht. Im vorliegenden Falle kommt vielmehr in Betracht, daß B. Forderungen der Klägerin in Höhe von 2,5 Mio. DM an eine Kommanditgesellschaft abgetreten und in dieser Höhe auch – wie von vornherein vorgesehen – eine Kommanditbeteiligung übernommen hat, obwohl diese Gesellschaft – die B. – bei den gegebenen Verhältnissen kaum Bestand haben konnte und jede finanzielle Beteiligung ein außergewöhnliches Wagnis darstellen mußte. Sie sollte ihre wirtschaftliche Grundlage erst durch den Erwerb eines Handelsgeschäfts noch finden. Es bestand jedoch keine hinreichende Aussicht, die insoweit eingeleiteten Schritte – insbesondere den Kaufvertrag zum Erwerb dieses Handelsgeschäfts – erfolgreich abschließen zu können; vor allem war die Gesamtfinanzierung nicht gesichert und noch völlig offen. Die vorhandenen und nach der Planung noch zu erwartenden Eigenmittel der B. konnten und sollten den Kaufpreis nur zu einem Bruchteil decken. Die Annahme, die danach erforderlichen Fremdmittel seien zu beschaffen, war in keiner Weise begründet. Die angegangenen Banken hatten eine Kreditgewährung abgelehnt. Verpflichtende Erklärungen oder auch nur konkrete, ernst zu nehmende Zusagen anderer Kreditgeber lagen nicht vor.

Unter diesen Umständen waren sowohl die anfängliche Abtretung der Einlagenforderungen als auch die Übernahme der Kommanditbeteiligung als ungewöhnlich leichtfertig anzusehen und begründeten für den von der Geschäftsführung angerufenen Verwaltungsrat die Verpflichtung, seine Zustimmung zu verweigern und darüber hinaus alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um die geschäftsführenden Gesellschafter von diesem Vorhaben abzubringen und eine derartige finanzielle Bindung an die B. zu verhindern. Ergänzend sei darauf hingewiesen, daß der Beklagte als Mitglied des Verwaltungsrates möglicherweise auch deshalb verpflichtet war, gegen das Vorhaben B.s einzuschreiten, weil dieses nach § 10 des Gesellschaftsvertrages als außergewöhnliche Handlung im Sinne des § 116 Abs. 2 HGB oder als „für den unversehrten Bestand der Gesellschaft bedeutende Rechtshandlung” der Beschlußfassung der Gesellschafterversammlung mit einer 3/4-Mehrheit der vertretenen Stimmen bedurfte.

Die Revision versucht, diesen Argumenten mit dem Hinweis – jedenfalls teilweise – die Grundlage zu entziehen, die ablehnende Haltung der auf die Finanzierung angesprochenen Bankinstitute sei auf das ungünstige Verhältnis von Eigenkapital zu Fremdkapital zurückzuführen gewesen. Im Kaufvertrag vom 7. April 1969 sei jedoch der ursprünglich vorgesehene Kaufpreis wesentlich herabgesetzt worden (von 13 Mio. auf 10 Mio. DM), so daß auch das Verhältnis von Eigenkapital zu Fremdkapital nicht mehr 35: 65, sondern 45: 55 betragen habe. Letzteres mag zutreffen. Angesichts der vorliegenden negativen Stellungnahmen der Banken durfte der Verwaltungsrat Jedoch nicht ohne weitere zuverlässige Vereinbarungen und Unterlagen darauf vertrauen, daß nunmehr Bankinstitute oder andere Interessenten zur Finanzierung bereit seien. Der Verwaltungsrat hat dies auch nicht getan, wie seine Äußerungen vom 26. April und 3. Mai 1969 zeigen, in denen er insbesondere Wert darauf legte, daß der Nachweis über die Gesamtfinanzierung erbracht wird. Mündliche – durch keinerlei Unterlagen untermauerte – Erklärungen B.s über bestehendes Interesse von „zwei namhaften Industriegruppen” durften den Verwaltungsrat schon deshalb nicht veranlassen, seine Bedenken zurückzustellen, weil für B. – wie insbesondere der Beklagte wußte – eine Interessenkollision bestand. Er hatte die B. – und sich selbst als persönlich haftenden Gesellschafter – durch den Abschluß des Kaufvertrags vom 7. April 1969 und die unter anderem übernommene Verpflichtung, am 30. April und 30. Juni 1969 den Kaufpreis zu zahlen (und die damit verbundenen Nebenverpflichtungen zu erfüllen – zusammen weit über 10 Mio. DM), in eine äußerst mißliche Lage gebracht, war insbesondere Ende April/Anfang Mai 1969 gezwungen, sofort mehrere Millionen DM flüssig zu machen. Die Mitglieder des Verwaltungsrats konnten deshalb nicht davon ausgehen, daß B. bei seinem Eintreten für dieses Objekt noch ausreichend die Interessen der Klägerin im Auge hatte.

Unter diesen Umständen ist es auch unerheblich, ob, wie der Beklagte meint, der Kauf der Großrösterei versprochen habe, ein lukratives Geschäft zu werden. Angesichts der bestehenden Finanzierungslücken stünden die möglichen Vorteile aus dem Geschäft in keinem Verhältnis zu der bestehenden Gefahr, daß das Geschäft mit Rücksicht auf das fehlende Eigen- und Fremdkapital scheitern und aus diesem Grunde zu umfangreichen Verlusten führen werde. Die B. hatte schon für den Fall des Zahlungsverzugs eine Vertragsstrafe von 1 Mio. DM zu zahlen; darüber hinaus hatte sie Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung und eine Gefährdung ihres geschäftlichen Rufes zu gewärtigen.

Das Berufungsgericht hat schließlich auch zu Recht angenommen, daß ein derart fragwürdiges Geschäft nicht mit der Überlegung gerechtfertigt werden kann, das Scheitern der B. werde auch die Klägerin – vor allem mit Rücksicht darauf, daß beide Gesellschafter den Kaufmann B. als persönlich haftenden Gesellschafter haben – in Mitleidenschaft ziehen.

cc) Die erforderliche Kausalität zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten des Beklagten als Mitglied des Verwaltungsrats und dem bei der Klägerin eingetretenen Schaden hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler mit der Begründung bejaht, B. hätte sich dem gegenteiligen Votum des Verwaltungsrats nicht widersetzt.

Die Revision macht insoweit in erster Linie geltend, durch die Abtretung der Ansprüche auf Zahlung der Kommanditeinlage sei der Klägerin noch kein Schaden entstanden; denn dadurch hätte sie gegen die B. einen Ersatzanspruch in Höhe von 2,5 Mio. DM erlangt. Daß sie diesen Anspruch nicht geltend machen könne, beruhe auf ihrem später – am 16. und 21. Juni 1969 – erklärten Beitritt zur B.. Sie übersieht hierbei, daß zwischen den Parteien bisher kein Streit darüber bestand, daß ein solcher Anspruch gegenüber der B. nicht hätte durchgesetzt werden können, und der Beitritt ebenfalls hätte verhindert werden müssen (vgl. die nachstehenden Ausführungen zu dd).

dd) Gegen die Auffassung der Revision, die Beteiligung an der B. mit einer Kommanditeinlage von 2,5 Mio. DM – und damit die Abtretung der Kommanditeinlagen – sei auf der Gesellschafter Versammlung am 15. Juni 1969 gedeckt worden, bestehen schon deshalb Bedenken, weil bei der Einberufung der Gesellschafterversammlung die Frist des § 8 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages (3 Wochen) nicht beachtet worden ist und als Tagungspunkt nur vorgesehen war eine „Situationsanalyse nach Erscheinen des ‚Capital-Artikel’ und die Beschlußfassung über daraufhin zu treffende Maßnahmen”. Sie muß jedenfalls aus folgenden Gründen erfolglos bleiben:

Soweit die Gesellschafterversammlung der Geschäftsleitung und dem Beirat das „Vertrauen” ausgesprochen hat, handelte es sich nur um eine allgemeine Vertrauenskundgebung, die dadurch veranlaßt war, daß die Zeitschrift „Capital” im Juni 1969 die Klägerin und ihren persönlich haftenden Gesellschafter und Geschäftsführer Berg negativ beurteilt hatte. Sie kann insbesondere nicht als Entlastungserklärung für konkrete pflichtwidrige Handlungen der Geschäftsführung oder des Verwaltungsrats angesehen werden. Aus diesem Grunde scheidet auch von vornherein die Annahme aus, daß damit ein Verzicht auf etwaige Ersatzansprüche ausgesprochen worden sei.

Soweit die Revision meint, dem Beirat könnten die Verluste aus dem finanziellen Engagement bei der B. – insbesondere aus der Übernahme der Kommanditbeteiligung nicht zugerechnet werden, weil die Gesellschafterversammlung am 15. Juni 1969 mit Mehrheit dieser Beteiligung zugestimmt habe, ist ihr zwar im Ausgangspunkt zuzustimmen, daß die Haftung ausgeschlossen sein kann, wenn die beanstandete Handlung auf einem bindenden Beschluß der Gesellschafterversammlung beruht oder die nach dem Gesellschaftsvertrag erforderliche Gesellschaftermehrheit – vorher oder nachträglich – zugestimmt hat. Sie übersieht jedoch, daß eine Pflichtverletzung des Verwaltungsrats gerade darin bestehen kann, daß er die von ihm zu fordernden Maßnahmen zur Verhinderung eines solchen Beschlusses unterlassen hat. Den von der Gesellschafterversammlung gewählten Verwaltungsrat, der – wie hier – die Interessen der Gesellschafter gegenüber der Geschäftsführung zu wahren und die Geschäftsführung zu überwachen hat, trifft in besonderem Maße die Verpflichtung, Beschlüsse zu verhindern, die nach seinen Kenntnissen zur Schädigung der Gesellschaft, insbesondere zu einer wesentlichen Verschlechterung der Ertrags- und Finanzlage, führen können.

Das Berufungsgericht hat insoweit zwar keine besonderen Feststellungen getroffen. Daß der Beklagte danach aber auch bei der Beschlußfassung in der Gesellschafterversammlung vom 15. Juni 1969 pflichtwidrig gehandelt hat, ergibt sich aus den übrigen Ausführungen; Mußte er schon Ende April/Anfang Mai 1969 eine finanzielle Bindung an die B. zu verhindern suchen, so bestand diese Pflicht Mitte Juni 1969 um so mehr. Denn hier ging es auch um die Bestätigung und Befestigung dieser Bindung in Form einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung. Außerdem waren, trotz der inzwischen verflossenen, Zeit, keine neuen, ins Gewicht fallenden Geldquellen erschlossen worden, die die Zahlung des am 30. Juni 1969 fällig werdenden Restkaufpreises gesichert hätten. Hatte der Beklagte aber pflichtgemäß darauf hinzuweisen, daß die Gesamtfinanzierung des „Kaffee-Projekts” nicht gesichert war, so ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, wonach Berg bei einem Widerspruch des Verwaltungsrats die hier in Frage stehenden Verpflichtungen der Klägerin gegenüber B. – M. nicht eingegangen wäre, auch anzunehmen, daß die Gesellschafter Versammlung insoweit nicht – wie der Beklagte für sich in Anspruch nimmt – die Beteiligung an der B. und dem Kaffeegeschäft gebilligt hätte.

ee) Mit der Argumentation, der Beklagte brauche den geltend gemachten Schaden nicht zu ersetzen, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen habe, daß die Klägerin oder die B. nicht berechtigt gewesen seien, von M. über den Vergleichsbetrag von 942.864,44 DM hinaus die Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises zu verlangen, kann die Revision im Ergebnis ebenfalls nicht durchdringen.

Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin den vollen Schaden geltend machen könnte, der durch den Abschluß des Vergleichs mit M. entstanden ist oder ob sie insoweit ihre Pflicht zur Schadensminderung verletzt hat. Der Beklagte muß sich jedenfalls entgegenhalten lassen, daß der Vergleich insofern gerechtfertigt ist, als M. 1 Mio. DM zugesprochen wurden. Daß der Klägerin unter diesen Umständen ein Schaden in Höhe des vom Berufungsgericht zuerkannten Betrages von 190.000 DM entstanden ist, wird vom Beklagten nicht bezweifelt.

Eine Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB zu Lasten der Klägerin wegen Mitverschuldens ihres geschäftsführenden Gesellschafters bei der Entstehung des Schadens scheidet aus, weil die Aufgabe des Beklagten als Mitglied des Verwaltungsrats darin bestand, die Geschäftsführung zu überwachen (§ 7 des Gesellschaftsvertrages) und er damit verpflichtet war, den geschäftsführenden Gesellschafter gerade von dem hier in Frage stehenden schädlichen Geschäft abzuhalten. Er kann sich deshalb nicht damit entlasten, daß dem Geschäftsführer ebenfalls ein Vorwurf zu machen sei, haftet vielmehr – gesamtschuldnerisch – neben dem geschäftsführenden Gesellschafter.

b) Hinsichtlich der „unberechtigten Entnahmen” Bergs verneint das Berufungsgericht eine Haftung des Beklagten. Es könne nicht festgestellt werden, daß er seine Verpflichtung zur Überwachung der Geschäftsführung insoweit schuldhaft verletzt habe und daß eine etwaige Pflichtverletzung für die Entnahmen B.s ursächlich gewesen sei.

Im einzelnen nimmt es an, der Verwaltungsrat sei verpflichtet gewesen, stichprobenartig die Buchführung der Klägerin auf Entnahmen B.s zu prüfen, und stellt fest, eine solche Prüfung sei nicht durchgeführt worden. Die Haftungsvoraussetzungen seien jedoch deshalb nicht gegeben, weil die Gesellschafterversammlung am 24. Mai 1968 den Beschluß gefaßt habe: „Bis zum Abschluß der beabsichtigten Kapitalerhöhungen steht dem Komplementär (B.) das Agio (6,5 % der Kapitalbeteiligungen) als Vergütung und zum Ausgleich seiner Gründerleistungen zu.” B. habe demgemäß bis Mitte 1969 insoweit 850.000 DM beanspruchen können. Er sei auch weder durch den Gesellschaftsvertrag oder einen Beschluß der Gesellschafterversammlung gehindert gewesen, diesen Betrag zu entnehmen. Ob er anläßlich der Gesellschafterversammlung vom 24. Mai 1968 zugesagt habe, das ihm zugesprochene Agio nicht zu entnehmen, könne dahingestellt bleiben, weil nicht dargetan sei, daß der Verwaltungsrat abredewidrige Entnahmen B.s hätte feststellen und verhindern können, wenn er die Buchführung stichprobenartig geprüft hätte. Die Buchführung habe sich seit Anfang 1969 in einem so schlechten Zustand befunden, daß der Verwaltungsrat nicht zu der Erkenntnis hätte gelangen können, B. habe unberechtigte und überhöhte Entnahmen vorgenommen.

Der Anschlußrevision ist zuzustimmen, daß diese Ausführungen der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten standhalten. Verfehlt ist vor allem die Auffassung des Berufungsgerichts, der Verwaltungsrat sei deshalb nicht zum Schadensersatz verpflichtet, weil er wegen der unvollständigen und mangelhaften Buchführung der Klägerin gar nicht in der Lage gewesen sei, unberechtigte Entnahmen B.s festzustellen.

Das angefochtene Urteil ist jedoch deshalb zu bestätigen, weil der Verwaltungsrat mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse in der hier entscheidenden Zeitspanne noch nicht zum Eingreifen verpflichtet war.

aa) Die Klägerin ist eine sogenannte Publikums- und Massenkommanditgesellschaft, die – wie dargelegt – von Anfang an darauf angelegt war, zur Kapitalansammlung eine unbestimmte Vielzahl von Kommanditisten aufzunehmen, die auch in der Öffentlichkeit geworben wurden. Die einzelnen Kommanditisten sind tatsächlich und rechtlich nicht in der Lage, den Kreis ihrer Partner mitzubestimmen und haben – nach Ablauf einer gewissen Einführungsphase – das Recht, durch einfache Kündigungserklärung aus der Gesellschaft auszuscheiden. Dementsprechend ist das Gesellschaftsverhältnis nicht von persönlichen Vertrauensbeziehungen geprägt. Es ist weiterhin dadurch gekennzeichnet, daß die Kommanditisten, die das Gesellschaftskapital im wesentlichen aufzubringen haben, praktisch weder Einfluß auf die Geschäftsführung ausüben können noch zu einer ausreichenden Kontrolle fähig sind.

Es ergibt sich damit eine Interessenlage, die der nicht unähnlich ist, die den Gesetzgeber veranlaßten, im Recht der Aktiengesellschaften die Vorschriften über den Aufsichtsrat aufzunehmen und eine Abschlußprüfung durch unabhängige Prüfer anzuordnen. Ebenso wie dort besteht auch bei Gesellschaften der hier vorliegenden Art das Bedürfnis, zum Schutze der Kommanditisten – aber auch im Interesse der Gesellschaft und ihrer Gläubiger – die Überwachung und Kontrolle der Geschäftsführung in ähnlicher Weise auszugestalten und an die Gesellschaftsorgane, die dem Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft entsprechen, ähnliche Anforderungen zu stellen. Allerdings wird hierbei keine sklavische Übernahme der aktienrechtlichen Vorschriften in Betracht kommen; der Umstand, daß es sich hier um eine Personenhandelsgesellschaft handelt, gebietet es, bei der Übernahme dieser Regeln und Grundsätze besondere Vorsicht obwalten zu lassen und in jedem Einzelfalle zu prüfen, ob dem nicht die konkrete Ausgestaltung des zu beurteilenden Gesellschaftsverhältnisses entgegensteht.

bb) Im vorliegenden Falle ist davon auszugehen, daß der Jahresabschluß der Klägerin – unter Einbeziehung der Buchführung – von einem unabhängigen Sachverständigen zu prüfen war. Wie der Jahresabschluß für das Geschäftsjahr 1967 und das Protokoll über die Gesellschafterversammlung vom 24. Mai 1968 (Anl. zum Schriftsatz v. 14. 3. 1974) zeigen, wurde dieser Jahresabschluß mit einem Prüfungsvermerk und dem Prüfungsbericht eines Sachverständigen versehen, der außerhalb der Klägerin stand. In der Gesellschafterversammlung vom 15. Juni 1969 war darüber hinaus „einstimmig” (bei zwei Stimmenthaltungen) festgelegt worden, daß der Jahresabschluß durch eine „anerkannte, unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unverzüglich geprüft und der Bericht hierüber schnellstens vorgelegt werden soll”. Wenn auch dieser Beschluß der Gesellschafterversammlung – aus den zu I 3 a dd dargelegten Gründen – nicht wirksam sein mag, so zeigt er jedenfalls, daß die Gesellschafter es als selbstverständlich ansahen, daß der Jahresabschluß durch unabhängige Sachverständige überprüft wird. Letztlich erscheint dies bei einer Gesellschaft der vorliegenden Art auch unabdingbar.

Hieraus folgt, daß sich der Verwaltungsrat, soweit kein konkreter Anlaß für eine Sonderprüfung bestand (vgl. hierzu die nachstehenden Ausführungen zu cc), bei der Erfüllung der aus seiner Überwachungsaufgabe folgenden Verpflichtung, unberechtigte Entnahmen des geschäftsführenden Gesellschafters zu verhindern, sich am Jahresabschluß und dem in Aussicht stehenden Prüfungsbericht orientieren durfte, d.h., daß er seiner Prüfung das Ergebnis der Prüfung durch die Abschlußprüfer zugrunde legen und dieses daher abwarten durfte. Die Verpflichtung, selbst in die Bücher und Schriften der Gesellschaft einzusehen und diese zu prüfen (und damit von seinem Recht nach § 7 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages Gebrauch zu machen), konnte erst im Zusammenhang mit der Prüfung des Jahresabschlusses und des Prüfungsberichts entstehen. Unabhängig davon hatte er allerdings dafür zu sorgen, daß die nötigen Prüfungen rechtzeitig durchgeführt und ihm die für die Ausübung der Überwachungs- und Kontrolltätigkeit erforderlichen Berichte und Unterlagen rechtzeitig zugeleitet wurden.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Jahresabschluß für das Geschäftsjahr 1968 bis zum 6. September 1969 – an diesem Tage wurde der Beklagte als Verwaltungsrat abgelöst – noch nicht erstellt war und der Beklagte demgemäß seine Kontroll- und Überwachungstätigkeit auf der Grundlage des Jahresabschlusses und der Prüfungsberichte nicht aufnehmen konnte. Es erhebt sich deshalb die Frage, ob es ihm zuzurechnen ist, daß der Jahresabschluß und der Prüfungsbericht für das Geschäftsjahr 1968 nicht rechtzeitig vorlagen, ob er mit Rücksicht auf diese Verzögerung gehalten war, unmittelbar von seinem Einsichts- und Prüfungsrecht Gebrauch zu machen und ob er bei pflichtgemäßem Handeln die unberechtigten Entnahmen B.s hätte verhindern können. Nach dem Vorbringen der Parteien und den Feststellungen des Berufungsgerichts bedürfen die beiden ersten Fragen keiner Entscheidung; denn Maßnahmen des Verwaltungsrats in dieser Richtung hätten erst zu einem Zeitpunkt Erfolg zeitigen können, in dem die Beträge, die Gegenstand der Klage sind, bereits entnommen waren:

Der Jahresabschluß für das Geschäftsjahr 1967 hatte keinerlei Anlaß zu Beanstandungen gegeben und war in der Gesellschafterversammlung vom 24. Mai 1968 – nachdem er vom Verwaltungsrat gebilligt und mit dem abschließenden Prüfungsvermerk des Steuerbevollmächtigten Diplom-Kaufmann Paul F. versehen worden war – einstimmig „festgestellt und genehmigt” worden. In dieser Gesellschafter Versammlung war außerdem § 12 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages einstimmig dahin abgeändert worden, daß „der geschäftsführende Gesellschafter binnen sechs Monaten (nicht wie bisher binnen drei Monaten) seit Jahresschluß eine Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung aufzustellen hat”. In der Gesellschafterversammlung vom 15. Juni 1969 war schließlich „einvernehmlich” beschlossen worden, daß der Verwaltungsrat den Gesellschaftern bis zum 31. Juli 1969 einen Geschäftsbericht der Geschäftsleitung über die weitere Entwicklung bis zur Berichterstattung und die zu erwartende Geschäftsentwicklung zuleiten soll, der „tunlichst auch das Ergebnis des Steuerprüfungsverfahrens darlegt und die von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu prüfende Bilanz 1968 vorlegt”.

Wenn auch nicht davon ausgegangen werden kann, daß die Beschlüsse dieser Gesellschafterversammlung wirksam sind, kann doch nicht an der Tatsache vorbeigegangen werden, daß die Gesellschafter, die diese Beschlüsse gefaßt haben, weit mehr als die einfache Mehrheit der Stimmen – die nach § 9 des Gesellschaftsvertrages für Gesellschafterbeschlüsse genügt – auf sich vereinigten und der Verwaltungsrat darauf vertrauen durfte, daß dementsprechend verfahren wird. Eine Verpflichtung des Verwaltungsrats, tätig zu werden, entstand somiteerst Ende Juli 1969. Aber auch zu diesem Zeitpunkt erwuchs noch nicht die Verpflichtung, unmittelbar die Buchführung und die Schriften der Gesellschaft einzusehen und zu prüfen oder einen besonderen Sachverständigen damit zu beauftragen. Es hätte vielmehr zunächst genügt, wenn er darauf gedrängt hätte, daß die zu fordernden Prüfungen vorgenommen und die entsprechenden Berichte erstellt werden. Maßnahmen, die ihn in die Lage versetzt hätten festzustellen, daß B. in der Vergangenheit unberechtigt Beträge entnommen hatte, und demgemäß weitere Entnahmen zu verhindern, konnten erst nach dem ergebnislosen Ablauf einer Nachfrist erwartet werden. Sie hätten damit keinesfalls vor dem 6. September 1969 Wirkung zeigen und damit nicht die Entnahmen ausschließen können, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind.

cc) Besondere Umstände, die ein Mehr – insbesondere eine Sonderprüfung – hätten erfordern können, hat die Klägerin nicht dargetan. Sie hat in dieser Hinsicht im wesentlichen ausgeführt, für den Verwaltungsrat und damit den Beklagten habe Anlaß zur Kontrolle bestanden wegen Bergs aufwendigem Lebensstils und mit Rücksicht darauf, daß B. im Jahre 1969 einen „Kennziffernspiegel” der Art, wie er mit Schreiben vom 6. Dezember 1968 den Mitgliedern des Verwaltungsrats übersandt worden sei (GA III/22 ff), nicht mehr erstellt habe.

Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob und inwieweit derartige Verhaltensweisen allgemein begründeten Anlaß zu Bedenken gegen einen geschäftsführenden Gesellschafter geben können. Im vorliegenden Falle kann dies jedenfalls aus folgenden Gründen nicht angenommen werden:

Aus dem aufwendigen Lebensstil brauchte der Verwaltungsrat deshalb nicht auf rechts- und treuwidrige Handlungsweisen zu schließen, weil er von gesicherten Vermögensverhältnissen B.s ausgehen konnte. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durfte er insbesondere annehmen, daß B. – was tatsächlich auch geschehen ist – die Einlage von 150.000 DM erbracht hatte und weiteres Kapitalvermögen, insbesondere den Anspruch auf das Agio in Höhe von rund 850.000 DM, der Klägerin zur Verfügung gestellt hatte. Der Umstand, daß er diese Beträge nicht entnehmen durfte, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.

Der „Kennziffernspiegel”, der am 6. Dezember 1968 dem Verwaltungsrat übersandt wurde und der eine Übersicht über die einzelnen Buchführungskonten der Klägerin für die Monate Juni bis Oktober 1968 gab, zeigte zwar auch die Entwicklung von B.s Privatkonto auf. Aus dem Umstand, daß entsprechende Angaben später nicht mehr gemacht und zur Verfügung gestellt wurden, ergab sich für den Verwaltungsrat jedoch noch nicht die Verpflichtung, die von der Klägerin für erforderlich gehaltenen, gegen die Entnahmen B.s gerichteten Maßnahmen zu ergreifen. Die Erstellung des Kennziffernspiegels war keine ständige Einrichtung der Klägerin. Ein solcher war dem Verwaltungsrat vielmehr erstmals am 6. Dezember 1968 übersandt worden. Da er überdies eine Zeitspanne von fünf Monaten umfaßte, mußte der Verwaltungsrat – wenn überhaupt – nicht vor August/September 1969 im Hinblick auf das Ausbleiben weiterer „Spiegel” mißtrauisch werden. Daß zu diesem Zeitpunkt aber etwaige Maßnahmen des – am 6. September 1969 abgelösten – Verwaltungsrats noch einen Erfolg hätten zeitigen können, wird von der Klägerin selbst nicht behauptet.

c) Hinsichtlich des eingeklagten Teilbetrags von 10.000 DM hat das Berufungsgericht ausgeführt, der insoweit geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Beurkundung des Kaufvertrages vom 7. April 1969 stehe der Klägerin nicht zu, weil die Beurkundungskosten nicht auf eine pflichtwidrige Handlung des Beklagten gegenüber der Klägerin zurückzuführen seien. Die Gründung der B. durch B. und der Abschluß eines Kaufvertrages im Namen dieser Gesellschaft habe nicht der Beurteilung und Überwachung des Verwaltungsrats der Klägerin unterlegen.

Die Anschlußrevision wendet sich gegen diesen Teil des Berufungsurteils nur mit der Begründung, mit dem Klageantrag seien nicht nur – wie das Berufungsgericht angenommen hat – Teilbeträge hinsichtlich der verschiedenen zum Schadensersatz verpflichtenden Sachverhalte eingeklagt worden. Der auf Zahlung von 400.000 DM gerichtete Klageantrag sei vielmehr, wie sich aus der Anlage zum Zahlungsbefehl vom 29. Dezember 1971, mit dem das Verfahren eingeleitet worden ist, ergebe, jeweils hilfsweise in voller Höhe auf jeden einzelnen der angeführten Klagegründe gestützt worden. Der Zahlungsantrag der Klage sei jedenfalls deshalb in voller Höhe begründet, weil der Beklagte nach der Entscheidung des Berufungsgerichts den aus dem Komplex M. entstandenen Schaden zu ersetzen habe.

Dieser Angriff greift schon deshalb nicht durch, weil sich die Anschlußrevision damit in Widerspruch zum Vorbringen der Klägerin in den Tatsacheninstanzen setzt. Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils, der von den Sitzungsprotokollen nicht entkräftet wird, hat sie den Klageantrag in Höhe von 400.000 DM, wie im vorstehenden Tatbestand wiedergegeben, in Teilbeträge von 190.000 DM, 10.000 DM und 200.000 DM aufgegliedert (vgl. BU 8, 20 sowie Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25. 4. 1975 u. 19. 3. 1974 – GA IV/46, II/190 – in Verbindung mit dem Schriftsatz der Klägerin v. 8. 11. 1973 – GA II/64; die gleiche Aufgliederung ergibt sich schon aus dem Urteil des Landgerichts v. 30. 3. 1973 – GA I/176 a ff – und der Sitzungsniederschrift v. 29. 9. 1972 – GA I/91 R). In der Revisionsinstanz können diese Anträge nicht mehr in der von der Anschlußrevision dargelegten Weise umgestellt werden. Insoweit würde es sich um eine in der Revision nicht mehr zulässige Klageerweiterung und um neue Hilfsanträge handeln.

d) Aus dem gleichen Grunde bleibt die Anschlußrevision erfolglos, soweit sie den Teil der Zahlungsklage, der mit der pflichtwidrigen Verhinderung unberechtigter Entnahmen B.s begründet worden ist (200.000 DM), hilfsweise ebenfalls auf den Komplex B/M stützt.

e) Dagegen muß das Berufungsurteil – soweit es sich auf die Klage bezieht – unter folgendem Gesichtspunkt klargestellt und geändert werden:

Die Klägerin hat mit ihrer Klage, auch soweit ihr stattgegeben worden ist, nur beantragt, die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner zu verurteilen. Da die Beklagte zu 2 wegen der Verluste aus der Beteiligung an der B. zur Leistung von Schadensersatz in Höhe von 47.500 DM verurteilt worden ist, durfte der Beklagte zu 1 insoweit nur als Gesamtschuldner – neben der Beklagten zu 2 – verurteilt werden. Das Berufungsgericht hat deshalb § 308 ZPO verletzt, soweit sein Urteil den gegenteiligen Eindruck erweckt. Dieser Verstoß ist im Revisionsverfahren – worauf die Revision in der mündlichen Verhandlung zutreffend hingewiesen hat – von Amts wegen zu beachten; denn § 308 ZPO regelt nicht das für den Erlaß des Urteils zu beachtende Verfahren, sondern enthält materielles Prozeßrecht, das den Inhalt der zu erlassenden Entscheidung betrifft (vgl. BGH, Urt. v. 25. 1. 61 – IV ZR 224/60, LM ZPO § 308 Nr. 7). Das angefochtene Urteil ist deshalb entsprechend klarzustellen und zu ändern.

II. Die Widerklage in Höhe von 36.055,40 DM nebst Zinsen hält das Berufungsgericht für begründet, weil dem Beklagten nach dem Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts Berlin vom 28. Oktober 1969 gegen die B. ein Anspruch auf Zahlung von Anwaltskosten in Höhe von 36.055,40 DM zugestanden habe, wegen dieses Anspruchs die Ansprüche der B. gegen M. auf Zahlung des Kaufpreises gepfändet und ihm überwiesen worden seien und M. die beanspruchten Gelder zur Tilgung des Kaufpreisrückzahlungsanspruchs der B. geleistet habe. Gegen diese Ausführungen sind rechtliche Bedenken nicht zu erheben. Die Anschlußrevision macht insoweit auch nur geltend, eine pfändbare Forderung der B. gegen M. habe gar nicht bestanden. Sie setzt sich damit Jedoch mit den Feststellungen des Berufungsgerichts in Widerspruch, übersieht insbesondere, daß der Kaufvertrag, von dem M. zurückgetreten ist, von der B. und nicht von der Klägerin geschlossen worden ist.

 

Unterschriften

Stimpel, Dr. Schulze, Fleck, Dr. Kellermann, Bundschuh

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 04.07.1977 durch Kaufmann, Justizobersekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

BGHZ

BGHZ, 207

NJW 1977, 2311

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