Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung wegen verspäteten Hinweises des Gerichts. KG. Zurechnung einer Leistung an andere Gesellschaft als Leistung an einflussreichen Kommanditisten

 

Leitsatz (amtlich)

a) Wird ein nach § 139 ZPO notwendiger Hinweis erst in der mündlichen Verhandlung erteilt und kann nach den konkreten Umständen eine sofortige Stellungnahme der Partei nicht erwartet werden, muss die mündliche Verhandlung wiedereröffnet werden, wenn die Partei in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz auf den Hinweis hin Erhebliches vorträgt.

b) Die Leistung einer Kommanditgesellschaft an eine andere Gesellschaft ist nur dann einem Kommanditisten als Einlagenrückgewähr zuzurechnen, wenn dieser an der anderen Gesellschaft beteiligt ist und auf ihre Geschäftsführung einen maßgeblichen Einfluss hat.

 

Normenkette

ZPO § 139; HGB § 172 Abs. 4 S. 1

 

Verfahrensgang

OLG Nürnberg (Urteil vom 27.02.2008; Aktenzeichen 12 U 1770/07)

LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 06.07.2007; Aktenzeichen 5 HKO 11085/06)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das am 27.2.2008 verkündete Urteil des 12. Zivilsenats des OLG Nürnberg aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: 255.032,39 EUR

 

Gründe

[1] Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist begründet und führt gem. § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Sache an das Berufungsgericht.

[2] Das Berufungsgericht hat, indem es die mündliche Verhandlung trotz des erst in dieser Verhandlung erteilten rechtlichen Hinweises geschlossen und den Vortrag des Klägers aus dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 8.2.2008 bei der Entscheidung nicht berücksichtigt hat, den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

[3] Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger mache ausschließlich den Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der - an die R. & R. GmbH möglicherweise ausgezahlte - Einlage geltend, nicht dagegen auch den Anspruch gem. §§ 128, 161 Abs. 2, 171 Abs. 2, 174 Abs. 4 Satz 1 HGB auf Erfüllung der Forderungen der Gesellschaftsgläubiger. Darauf musste das Berufungsgericht den Kläger gem. § 139 Abs. 1 ZPO hinweisen, da sein Vortrag in dem Klagebegründungsschriftsatz insoweit zumindest missverständlich war. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger nicht mitgeteilt hatte, welche Einzelforderungen er nach § 171 Abs. 2 HGB geltend machen wolle (s. dazu BGH, Urt. v. 9.10.2006 - II ZR 193/05, ZIP 2007, 79 Tz. 9 zu § 93 InsO). Denn auch auf diesen Gesichtspunkt musste das Berufungsgericht den Kläger hinweisen.

[4] Den Hinweis auf die beabsichtigte Auslegung des Klagevortrags hat das Berufungsgericht erst in der mündlichen Verhandlung erteilt. Das war nach § 139 Abs. 4 ZPO zu spät und hatte zur Folge, dass die mündliche Verhandlung nicht sogleich geschlossen werden durfte (BGH, Beschl. v. 18.9.2006 - II ZR 10/05, WM 2006, 2328). Jedenfalls musste das Berufungsgericht nach § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die mündliche Verhandlung wiedereröffnen, als der Kläger in seinem nicht nachgelassenen Schriftsatz vorgetragen hat, dass er die Haftung aus § 171 HGB geltend mache und welche Einzelforderungen er insoweit einklage.

[5] Der Fehler ist entscheidungserheblich, weil nicht auszuschließen ist, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des Vortrags des Klägers aus dem nicht nachgelassenen Schriftsatz zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Die fünfjährige Verjährungsfrist des § 159 HGB war bei Klageerhebung noch nicht abgelaufen (Insolvenzeröffnung: 1.1.2003, Klagezustellung: 12.1.2007).

[6] Feststellungen dazu, ob die geltend gemachten Einzelforderungen in kürzerer Frist verjährten (s. § 159 Abs. 1 a.E.), fehlen. Deshalb muss die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Das Berufungsgericht wird ggf. auch Feststellungen zu den übrigen Voraussetzungen einer persönlichen Haftung des Beklagten zu treffen haben. Dabei geht das Berufungsgericht - wie in seinem Hinweisbeschluss zum Ausdruck gekommen - zutreffend davon aus, dass die Zurechnung einer Leistung der Kommanditgesellschaft an eine andere Gesellschaft im Rahmen der Einlagenrückgewähr und des § 172 Abs. 4 HGB als Leistung an den Kommanditisten eine Mehrheitsbeteiligung des Gesellschafters an der anderen Gesellschaft nicht voraussetzt, dass sie bei geringerer Beteiligung aber nur dann gerechtfertigt ist, wenn der Gesellschafter auf die Geschäftsführung der anderen Gesellschaft maßgeblichen Einfluss hat.

 

Fundstellen

BB 2009, 1481

BB 2009, 1610

DStR 2009, 1654

WPg 2009, 892

NJW 2009, 2378

BGHR 2009, 1011

EBE/BGH 2009

FamRZ 2009, 1481

IBR 2009, 490

NZG 2009, 825

WM 2009, 1327

ZIP 2009, 1273

MDR 2009, 990

FF 2009, 383

Info M 2009, 450

NJW-Spezial 2009, 481

PA 2009, 159

StX 2009, 558

ZBB 2009, 316

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