Leitsatz (amtlich)

Ein Wohngebäude, das im Eigentum mehrerer Personen steht, die nicht in einem in § 8 Abs. 2 des II. WoBauG beschriebenen Angehörigkeitsverhältnis zueinander stehen, ist kein Eigenheim im Sinne des § 2 Nr. 1 GrESBWG-Schleswig-Holstein 1962.

 

Normenkette

GrESBWG-Schleswig-Holstein 1962 § 2 Nr. 1, § 3 Abs. 2; II. WoBauG § 9

 

Tatbestand

Die fünf Kläger hatten zu Bruchteilen ein bebautes Grundstück (einschließlich einer Garage) erworben, und zwar die Klägerin zu 1. zu 3/10, der Kläger zu 2. zu 1/10, der Kläger zu 3. zu 1/10, die Klägerin zu 4. zu 1/10 und der Kläger zu 5. zu 4/10.

In dem Haus wohnen die Kläger zu 1. bis 3. und 5., der Ehemann der Klägerin zu 4. und der Vater des Klägers zu 5., und zwar ständig die Klägerin zu 1., der Kläger zu 5. und dessen Vater.

Das zweigeschossige Haus besteht nach seinem Ausbau aus sieben Zimmern sowie je einer Küche und je einem Bad im Unter- und Obergeschoß. Die Kläger haben die Benutzung in der Weise unter sich aufgeteilt, daß jedem von ihnen ein Zimmer zusteht, die beiden Küchen und Bäder, ein Eßzimmer sowie ein gemeinsamer Aufenthaltsraum gemeinsam benutzt werden.

Das FA zog die Kläger mit Steuerbescheiden vom 6. Oktober 1969 zur Grunderwerbsteuer heran, weil das Gebäude nicht als Eigenheim diene.

Die Einsprüche blieben ohne Erfolg.

Das FG hat die Steuerbescheide aufgehoben. Die Erwerbe seien steuerfrei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der gemeinschaftlich erhobenen Klage.

Bereits aus dem eigenen Vorbringen der Kläger ergibt sich, daß die Voraussetzungen der erstrebten Grunderwerbsteuervergünstigung nicht vorliegen.

Die Erwerbe der Kläger waren steuerbar (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) und nicht etwa gemäß § 2 Nr. 1 des Schleswig-Holsteinischen Gesetzes über die Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaues und bei Maßnahmen aus dem Bereich des Bundesbaugesetzes i. d. F. vom 28. Juni 1962 (GVBl 1962, 265, BStBl II 1962, 163) - GrESBWG-Schl.-H. 1962 - steuerfrei.

Von der Besteuerung ausgenommen ist nach der zuletzt genannten Vorschrift der Erwerb eines steuerbegünstigten Eigenheims ... durch natürliche Personen, die das Hausgrundstück zur eigenwohnlichen Nutzung oder zur Nutzung durch Angehörige übernehmen, wenn das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach Fertigstellung erworben wird. Die Begriffsbestimmung "Eigenheim" ist dem Zweiten Wohnungsbau- und Familienheimgesetz (II. WoBauG) in seiner jeweils geltenden Fassung zu entnehmen (§ 3 Abs. 2 GrESBWG-Schl.-H.). Ein Eigenheim ist ein im Eigentum einer natürlichen Person stehendes Grundstück mit einem Wohngebäude, das nicht mehr als zwei Wohnungen enthält, von denen eine Wohnung zum Bewohnen durch den Eigentümer oder seine Angehörigen bestimmt ist (§ 9 Abs. 1 des II. WoBauG).

Die Bestimmung des Begriffs "Eigenheim" durch § 9 Abs. 1 des II. WoBauG schließt mit den Worten "im Eigentum einer natürlichen Person" juristische Personen und grundsätzlich auch Personenmehrheiten als Eigentümer eines Eigenheims aus. Aus dem weiteren Merkmal, daß eine Wohnung zum Bewohnen durch den Eigentümer oder seine Angehörigen bestimmt sein muß, folgt die Gebundenheit des Begriffs "Eigenheim" an diesen Personenkreis. Das Gesetz enthält zwar seinem Wortlaut nach nicht die Aussage, das Eigenheim könne auch im Eigentum mehrerer natürlicher Personen stehen, wenn diese in einem Angehörigkeitsverhältnis zueinander stehen (z. B. Eheleute). Eine solche Auslegung, die hier nicht entscheidungserheblich und deshalb in diesem Fall auch nicht zu treffen ist, stünde zumindest nicht im Widerspruch zum Merkmal der Gebundenheit des Begriffs "Eigenheim".

Unvereinbar mit dem Charakter eines Wohngebäudes als Eigenheim aber ist jedenfalls, daß es im Eigentum mehrerer Personen steht, die nicht in dem in § 8 Abs. 2 des II. WoBauG beschriebenen Angehörigkeitsverhältnis zueinander stehen.

Der Senat hat diese Erkenntnis bereits in dem Beschluß vom 13. November 1974 II B 51/74 (BFHE 113, 548, BStBl II 1975, 94) in einem Fall ausgesprochen, in dem ein Miteigentumsanteil an einem Einfamilienhaus an eine familienfremde Person veräußert wurde ("Dient ein Einfamilienhaus den Wohnzwecken mehrerer Miteigentümer, die nicht Familienmitglieder sind ... so ist das Einfamilienhaus ... kein Eigenheim" im Sinne des § 2 Nr. 1 GrESBWG-Schl.-H. i. V. m. §§ 7 und 9 des II. WoBauG).

Es kommt infolgedessen nicht mehr darauf an, daß auch die - im Sinne der Gesetzgebung für den sozialen Wohnungsbau - für ein steuerbegünstigtes Eigenheim zulässige Wohnungsgröße überschritten ist (vgl. §§ 39, 82 des II. WoBauG).

Das von den Klägern erworbene Grundstück ist auch kein Familienheim.

Familienheim ist ein Eigenheim ..., das nach Größe und Grundriß ganz oder teilweise vom Bauherrn dazu bestimmt sein muß, entweder dem Eigentümer oder seiner Familie oder einem seiner Angehörigen und dessen Familie als Heim zu dienen (vgl. Fischer-Dieskau, Pergande, Schwender, Wohnungsbaurecht, Bd. 1 des II. WoBauG, § 7 Anm. 1).

Die Kläger können - abgesehen davon, daß ein Alleinstehender kein Familienheim, sondern nur ein Eigenheim haben kann (vgl. Fischer-Dieskau, Pergande, Schwender, Wohnungsbaurecht, Bd. 1 des II. WoBauG, § 7 Anm. 6) - das Wohnhaus auch schon deshalb nicht als Familienheim erworben haben, weil es - wie bereits dargelegt - kein Eigenheim ist.

Die Vorentscheidung war aufzuheben, weil in ihr verkannt wurde, daß durch die Veräußerung des Grundstücks das Wohngebäude seinen Charakter als Eigenheim verloren hat.

Auch das weitere Vorbringen der Kläger vermag nicht zu einer anderen Beurteilung des Sachverhalts zu führen.

Träfe zu, daß jeder Kläger (jede Klägerin) eine Wohnung erworben hat, käme eine Grunderwerbsteuerbegünstigung nicht in Betracht, weil das Haus dann fünf Wohnungen enthielte. Ein Eigenheim ist aber ein Grundstück mit einem Wohngebäude, das nicht mehr als zwei Wohnungen enthält.

Ginge man gedanklich von dem Modell aus, die Kläger hätten zusammen ein "Eigenheim" erworben und ließe man das Erfordernis der Gebundenheit an den Personenkreis der Angehörigen außer Betracht, so scheiterte die Grunderwerbsteuervergünstigung daran, daß der von dem einzelnen Kläger (der einzelnen Klägerin) erworbene Eigentumsanteil keine "Wohnung" im Sinne der Grunderwerbsteuerbegünstigungsvorschrift wäre.

Als steuerbegünstigt im Sinne dieses Gesetzes gelten Wohnungen, Wohnräume und Wohnheime, die nach dem Ersten oder Zweiten Wohnungsbaugesetz in der jeweils geltenden Fassung öffentlich gefördert und als steuerbegünstigt anzuerkennen sind (§ 3 Abs. 1 GrESBWG-Schl.-H.).

Der Begriff "Wohnung" ist im Zweiten Wohnungsbaugesetz selbst nicht näher bestimmt.

Durch die Rechtsprechung ist der Begriff in Übereinstimmung mit den im Normblatt DIN 283 des Deutschen Wohnungsausschusses (GMBl 1951, 79) niedergelegten Merkmalen dahin bestimmt worden, daß eine "Wohnung" die Summe der Räume ist, welche die Führung eines selbständigen Haushalts ermöglichen. Die Räume müssen, um eine Wohnung zu bilden, stets Kochgelegenheit, Wasserversorgung, Ausguß und Abort aufweisen. Die Summe dieser Räume muß geeignet sein, auf die Dauer der Wohnraumversorgung zu dienen.

Im öffentlich geförderten Wohnungsbau ist die besondere Toilette auch für Einliegerwohnungen ausnahmslos vorgeschrieben. Daraus hat das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 26. August 1971 VIII C 44/70, Bundesbaublatt 1974 S. 525) gefolgert, für den steuerbegünstigten Wohnungsbau könne infolgedessen nichts anderes gelten; eine Mehrheit von Räumen kann mit anderen Worten nur dann eine Einliegerwohnung bilden, wenn auch eine Toilette vorhanden ist. Dem stimmt der erkennende Senat zu. Das bedeutet: zum Begriff "Wohnung" im Sinne von § 3 Abs. 1 GrESBWG-Schl.-H. gehört, daß die Summe der Räume, die eine "Wohnung" bilden sollen, auch eine eigene Toilette besitzen muß. Der Raum innerhalb des hier erworbenen Hauses, der dem einzelnen Kläger (der einzelnen Klägerin) zur alleinigen Eigennutzung überlassen wurde und der jeweils von dem jeweiligen Kläger (der jeweiligen Klägerin) als zur Führung eines selbständigen Haushalts geeignet angesehen wird, erfüllt nicht die Merkmale einer "Wohnung" im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes. Denn dem einzelnen Kläger (der einzelnen Klägerin) steht - abgesehen davon, daß keine besondere Küche vorhanden ist - auch keine besondere Toilette zur Verfügung. Die beiden Küchen wie die beiden Toiletten sind zur Benutzung für alle Hausbewohner bestimmt. Damit aber erfüllt auch insoweit der Erwerb bei keinem der Kläger (keiner der Klägerinnen) das Merkmal, daß von ihm (ihr) ein Eigenheim erworben wurde.

Hinsichtlich der Hilfsanträge der Kläger zu 2. und 3. verweist der Senat auf das Urteil des BFH vom 12. August 1959 II 229/58 U (BFHE 69, 457, BStBl III 1959, 431).

 

Fundstellen

Haufe-Index 72597

BStBl II 1978, 39

BFHE 1978, 374

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