Leitsatz (amtlich)

1. Erbfälle, die nach dem 31.Dezember 1973 bis zur Verkündung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts vom 17.April 1974 eingetreten sind, unterliegen dem neuen Recht. Dies verstößt auch insoweit nicht gegen das GG, als das neue Recht zu Steuerverschärfungen geführt hat.

2. Ist ein Erwerb nach dem 31.Dezember 1973 mit Vorerwerben aus der Zeit vor dem 1.Januar 1974 zusammenzurechnen, so ist die Steuer für den letzten Erwerb auch insoweit nach § 14 ErbStG 1974 festzusetzen, als dadurch für die Vorerwerbe eine stärkere Hebung des Steuersatzes eintritt, als dies nach bisherigem Recht der Fall gewesen wäre.

3. Wird ein Vorerwerb unter Lebenden aus der Zeit vor dem 1.Januar 1974, der wegen Mehrfacherwerbes desselben Vermögens gemäß § 21 ErbStG 1959 begünstigt war, mit einem späteren Erwerb aus der Zeit nach dem 31.Dezember 1973 zusammengerechnet, so ist eine weitere Ermäßigung der Steuer wegen Mehrfacherwerbes desselben Vermögens nicht mehr zu gewähren.

4. Die den Erben im Vermächtniswege zugunsten ihrer Mutter auferlegte Rentenverpflichtung fällt auch dann unter § 25 ErbStG 1974 a.F., wenn bei Ausschlagung des Vermächtnisses eine Zugewinnausgleichsforderung entstanden wäre, die höher gewesen wäre als der Wert des Vermächtnisses.

5. Wird ein Urteil mit der Revision nicht im vollen Ausmaß der Beschwer angefochten, so ist es bei begründeter Revision nur insoweit aufzuheben, als der Revisionsantrag reicht. Dies gilt auch bei Zurückverweisung der Sache an das FG.

 

Orientierungssatz

1. Die Zulassung der Revision aufgrund der Nichtzulassungsbeschwerde eines Beteiligten wirkt zugunsten aller Beteiligter (vgl. BFH-Urteil vom 30.1.1970 IV 2/65).

2. Zur Frage, ob ein Revisionsantrag des FA, der auf eine Erhöhung der Erbschaftsteuer (ohne Stundung) gerichtet ist, auch eine Erhöhung der Erbschaftsteuer unter Stundung wegen einer nichtabzugsfähigen Rentenverpflichtung (§ 25 ErbStG 1974) mitumfaßt.

 

Normenkette

ErbStG § 13; ErbStG 1974 § 1; ErbStG § 21; ErbStG 1974 §§ 14, 25, 27; FGO § 96 Abs. 1 S. 2; ZPO § 559; FGO § 121; ZPO § 564; BFHEntlG Art. 1 Nr. 5

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 26.02.1993; Aktenzeichen 2 BvR 1288/89)

BVerfG (Beschluss vom 26.02.1993; Aktenzeichen 2 BvR 1288/89)

 

Tatbestand

Der Kläger ist aufgrund Testamentes vom 23.Januar 1972 neben seinen beiden Geschwistern Miterbe zu einem Drittel nach seinem am 12.Februar 1974 verstorbenen Vater (Erblasser) geworden. Der Erblasser hat seine Ehefrau, mit der er im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt hatte, mit Vermächtnissen bedacht, u.a. mit einer Leibrente, auf die eine Rente angerechnet werden sollte, die von der A KG zu zahlen war. An dieser KG war der Erblasser beteiligt.

Gegenstand des anhängigen Verfahrens ist der geänderte vorläufige Steuerbescheid vom 14.Dezember 1979, dem folgende Berechnung zugrunde liegt:

Erbanteil 3 514 105 DM

Vorerwerbe (vor 1974) 4 593 000 DM

------------

8 107 105 DM

abzgl. Freibetrag 90 000 DM

------------

abgerundeter

steuerpflichtiger Erwerb 8 017 100 DM

Erbschaftsteuer 1 288 550 DM (= 16,073 v.H.)

abzgl. Erbschaftsteuer auf

Vorerwerbe 14 v.H. von

(4 593 000 DM ./. 30 000 DM) 638 820 DM

------------

verbleiben 649 730 DM

abzgl. ausländische

Erbschaftsteuer 584 DM

------------

festgesetzte Erbschaftsteuer 649 146 DM

davon zinslos gestundet 64 262 DM

wegen nichtabzugsfähiger

Rentenverpflichtung in Höhe von 365 252 DM

-------------

fällige Erbschaftsteuer 584 884 DM.

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In den Vorerwerben war Vermögen im Ausmaß von 3 227 083 DM enthalten, das der Erblasser vor Ablauf eines Jahres nach dem Erwerb von seiner verstorbenen Mutter dem Kläger geschenkt hatte.

Nach erfolglosem Einspruch hat der Kläger Klage erhoben und beantragt, die Erbschaftsteuer unter Anwendung des früheren Rechtes und unter Abzug der Rentenverpflichtung gegenüber seiner Mutter auf 425 865 DM festzusetzen.

Er hat vor allem geltend gemacht, daß in seinem Fall die Erbschaftsteuer noch nach dem früheren Recht entstanden sei. Es sei verfassungswidrig, nach Entstehung der Erbschaftsteuer nach altem Recht rückwirkend das neue Erbschaftsteuerrecht anzuwenden, das zu einer erheblich höheren Steuer führe. Für besonders bedenklich halte er es, daß sich hinsichtlich der Vorerwerbe nach altem Recht bei der Zusammenrechnung gemäß § 13 des früheren Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG 1959) eine Erhöhung des Steuersatzes um nur 1 v.H. ergeben hätte, während sich bei der Anwendung des Steuersatzes des neuen Rechtes eine Erhöhung von mehr als 2 v.H. ergebe. Im übrigen müsse durch verfassungskonforme Auslegung des § 27 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG 1974) sichergestellt werden, daß die Steuervergünstigung wegen des Vorerwerbes, soweit er aus dem Vermögen der Mutter des Erblassers stamme, gemäß § 21 ErbStG 1959 voll erhalten bleibe.

Das Finanzgericht (FG) hat die Erbschaftsteuer auf 548 708 DM herabgesetzt, wobei die bisherige Stundung eines Teilbetrags entfiel; im übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Es ist hierbei von der Anwendung des neuen Erbschaftsteuerrechtes ausgegangen. Das rückwirkende Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts vom 17.April 1974 (ErbStRG) sei mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar.

Auch aus § 27 ErbStG 1974 ergebe sich keine Verminderung der festgesetzten Erbschaftsteuer. Denn diese Vorschrift gelte bei mehrfachem Erwerb desselben Vermögens nur dann, wenn der letzte Erwerber dieses Vermögen von Todes wegen erwerbe. Dies gelte im Rahmen des § 14 ErbStG 1974 auch für einen Vorerwerb, der seinerzeit noch unter § 21 ErbStG 1959 gefallen sei. Die bei der Versteuerung der Vorerwerbe gewährte Vergünstigung des § 21 ErbStG 1959 sei durch die Berechnung des Finanzamtes (FA) nicht beeinträchtigt worden.

Begründet sei die Klage aber insoweit, als der Kläger den Abzug der an seine Mutter zu zahlenden Rente begehre. § 25 ErbStG 1974 sei ausnahmsweise nicht anwendbar. Denn der Wert der der Mutter ausgesetzten Vermächtnisse (einschließlich der Rente) übersteige nicht einen etwaigen Anspruch der Mutter auf den Zugewinnausgleich (bei einer Ausschlagung der Vermächtnisse). Insoweit liege ein Schuldvermächtnis vor, auf das § 25 ErbStG 1974 nicht anwendbar sei.

Die Erbschaftsteuer hat das FG danach wie folgt berechnet:

Erbanteil (ohne Abzug

der Rentenverpflichtungen) 3 514 105 DM

abzgl. eines Drittels des Barwertes

der Rentenverpflichtung

von 1 774 108 DM 591 370 DM

------------

verbleibender Betrag 2 922 735 DM

Vorerwerbe 4 593 000 DM

------------

zusammen 7 515 735 DM

abzgl. Freibetrag 90 000 DM

------------

abgerundeter steuerpflichtiger

Erwerb 7 425 700 DM

Erbschaftsteuer 16 v.H. 1 188 112 DM

abzgl. 14 v.H. aus

4 563 000 DM 638 820 DM

------------

verbleiben 549 292 DM

abzgl. ausländische Erbschaftsteuer 584 DM

------------

festzusetzende Erbschaftsteuer 548 708 DM.

==========

Auf die Beschwerde des Klägers hat der erkennende Senat die Revision durch Beschluß vom 2.September 1987 II B 103/87 (BFHE 150, 445, BStBl II 1987, 785) zugelassen.

Bereits vorher hatte das FA aufgrund des § 116 Abs.1 Nr.5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Revision eingelegt und geltend gemacht, daß das FG nicht begründet habe, warum es den den Kläger belastenden Anteil der Rente an seine Mutter anders berechnet habe, als sich dies aus der Erbschaftsteuererklärung und dem Steuerbescheid ergebe. Dort sei der den Kläger belastende Teil der Rentenverpflichtung nur mit 365 252 DM bewertet worden.

Das FA hat demgemäß beantragt, die Erbschaftsteuer auf 584 884 DM zu erhöhen. Einen während der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, die Klage abzuweisen, hat das FA vor Beendigung der mündlichen Verhandlung wieder fallen lassen.

Der Kläger hat mit seiner Revision beantragt, die Erbschaftsteuer auf 517 842 DM herabzusetzen. Damit hat er seine vorangegangene Anschlußrevision eingeschränkt, durch die er beantragt hatte, die Erbschaftsteuer auf 425 865 DM herabzusetzen.

Begründet hat der Kläger seine Revision damit, daß es verfassungswidrig sei, die bereits nach altem Recht entstandene Erbschaftsteuer nachträglich durch Gesetzesänderung zu erhöhen, ferner damit, daß die Privilegierung eines Teiles des Vorerwerbes durch § 21 ErbStG 1959 auch bei einer Zusammenrechnung gemäß § 14 ErbStG 1974 fortgeführt werden müsse.

 

Entscheidungsgründe

1. Beide Revisionen sind statthaft. Die Revision des FA ist in jedem Fall auf Grund der Zulassung der Revision durch den Senat zulässig geworden. Denn die Zulassung wirkt zugunsten aller Beteiligter (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30.Januar 1970 IV 2/65, BFHE 98, 326, BStBl II 1970, 383).

Die Revision des FA ist auch ausreichend begründet. Denn das FA macht geltend, daß das FG den Abzug der Rentenverpflichtung falsch berechnet habe. Hierzu verweist es auf den Widerspruch zwischen der Auffassung des FG und den Berechnungen, wie sie sich aus der Steuererklärung und aus dem Steuerbescheid des FA ergeben. Damit hat das FA gerügt, daß es für die Entscheidung des FG, ein Drittel des Kapitalwertes der Rente zum Abzug zuzulassen, keine durch das Revisionsgericht nachprüfbare Feststellungen gebe. Eine solche Rüge ist ausreichend, da sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mangels ausreichender Feststellungen führen kann (vgl. das Senatsurteil vom 5.März 1968 II R 36/67, BFHE 92, 416, BStBl II 1968, 610).

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt in dem angefochtenen Umfang zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die Revision des Klägers ist demgegenüber unbegründet.

2. Daß die Revision des Klägers unbegründet ist, ergibt sich aus folgendem:

a) Wie das FG richtig ausgeführt hat, unterliegt der Erbfall, der am 12.Februar 1974 eingetreten ist, dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz in der Fassung des Art.1 ErbStRG (ErbStG 1974). Dies ergibt sich aus § 37 Satz 1 ErbStG 1974. Hieran ändert auch der Umstand nichts, daß bei Eintritt des Erbfalls die Erbschaftsteuer zunächst noch nach dem ErbStG 1959 entstanden war. Denn das ErbStG 1974 ist rückwirkend (zum 1.Januar 1974) in Kraft getreten und erfaßt demzufolge auch die vom 1.Januar 1974 bis zu seiner Verkündung (20.April 1974) eingetretenen Erbfälle.

Gegen die den Kläger belastende Rechtsfolgeänderung, die zu einer erheblichen Erhöhung der Erbschaftsteuer führte, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Es liegt ein Fall einer den Bürger belastenden nachträglichen Änderung bereits eingetretener Rechtsfolgen vor (Rückbewirkung von Rechtsfolgen). Eine derartige nachträgliche Änderung der Rechtsfolgen bedarf wegen des zu beachtenden Rechtsstaatsprinzips besonderer Rechtfertigung (vgl. hierzu den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 14.Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 257 f.). Diese Rechtfertigung ist im vorliegenden Fall darin zu sehen, daß das ErbStG 1974 erst nach der dritten Lesung des Gesetzentwurfs durch den Bundestag (6.Dezember 1973) --wenn auch mit Rückwirkung-- am 1.Januar 1974 in Kraft trat. Mit dem Gesetzesbeschluß des Bundestages entfiel das bis zu diesem Zeitpunkt bestehende schutzwürdige Vertrauen der Betroffenen in den Fortbestand der ursprünglichen Rechtslage. Auch wenn der Bundesrat am 20.Dezember 1973 den Vermittlungsausschuß mit dem Ziel anrief, lediglich ein Vorschaltgesetz zu verabschieden, das sich für die Erbschaftsteuer im wesentlichen auf das Wirksamwerden der neuen Einheitswerte des Grundbesitzes und die Erhöhung der Freibeträge beschränkte (vgl. BRDrucks 759/73 --Beschluß--), durften die Betroffenen gleichwohl nicht mehr auf die Fortdauer der bisherigen Rechtslage vertrauen.

Es ist zuzugeben, daß es für die Betroffenen bis zur Beendigung des Vermittlungsverfahrens schwierig war, ihr Verhalten auf die neue Rechtslage einzustellen, die angesichts der Meinungsunterschiede zwischen Bundestag und Bundesrat noch offen war. Dies ändert aber nichts daran, daß sie gleichwohl in der Lage waren, die vom Bundestag beschlossenen Steuerverschärfungen in ihre Überlegungen einzubeziehen. Anlaß für vorsorgliche Überlegungen bestand bereits seit dem Einbringen des Entwurfes eines Zweiten Steuerreformgesetzes durch die Bundesregierung in der 6.Legislaturperiode (vgl. BTDrucks VI/3418 vom 4.Mai 1972). Denn seit dieser Zeit war bekannt, daß die Bundesregierung für höhere Erwerbe eine beachtliche Verschärfung des Steuertarifs anstrebte. Überdies war bekannt, daß der Bundesrat im ersten Durchgang eine Änderung der früheren Regelung des § 31 ErbStG 1959 (nunmehr § 25 ErbStG 1974) vorgeschlagen und die Bundesregierung sich diesem Vorschlag nicht verschlossen hatte. Jeder Betroffene mußte abwägen, ob er für seinen Todesfall Verschärfungen des Erbschaftsteuerrechts in Kauf nehmen oder ob er durch eine sog. vorweggenommene Erbfolge diesen Risiken ausweichen wollte.

Daß wegen der Meinungsunterschiede zwischen dem Bundestag und dem Bundesrat nach dem 20.Dezember 1973 Unsicherheiten verblieben, ändert nichts daran, daß jedenfalls das Vertrauen in das Fortbestehen des bisher geltenden Rechts über den 1.Januar 1974 hinaus fortgefallen war. Darüber hinaus war bereits seit Ergehen des Bewertungsänderungsgesetzes 1971 vom 27.Juli 1971 bekannt, daß die nach den Wertverhältnissen vom 1.Januar 1964 ermittelten Einheitswerte des Grundbesitzes ab dem 1.Januar 1974 der Besteuerung zugrunde gelegt werden sollten, wobei die Besteuerungsmaßstäbe durch besonderes Gesetz bestimmt werden sollten. Dem diente u.a. das ErbStG 1974.

Der erkennende Senat hält es nicht für vertretbar, verfassungsrechtlich danach zu unterscheiden, ob bei einem Gesetzesbeschluß des Bundestages mit der Zustimmung des Bundesrates sicher zu rechnen ist (wie z.B. in dem Fall BVerfGE 72, 200), oder ob es zu Meinungsunterschieden zwischen den beiden Gesetzgebungsorganen kommen wird. Hiervon geht auch das BVerfG aus, wie seinen Ausführungen auf S.262 der genannten Entscheidung zu entnehmen ist. Auf den Zeitpunkt des endgültigen Gesetzesbeschlusses des Bundestages als maßgebenden Zeitpunkt für den Wegfall des Vertrauensschutzes abzustellen, ist ein verfassungsrechtlicher Kompromiß zwischen den unterschiedlichen Interessen der Bürger und des Staates (vgl. BVerfGE 72, 200, 261).

Der Senat braucht unter diesen Umständen nicht mehr auf die Frage einzugehen, ob im übrigen auch zwingende Gründe des Gemeinwohls das möglichst frühzeitige Inkrafttreten des ErbStG 1974 erforderten. Er braucht insbesondere nicht zu erörtern, ob sein Vorlagebeschluß vom 18.Dezember 1972 II R 87-89/70 (BFHE 108, 393, BStBl II 1973, 329) Anlaß für eine rückwirkende Gesetzesänderung im Hinblick auf die baldige Anwendung der neuen Einheitswerte hätte sein dürfen.

b) Unbegründet sind auch die aus § 14 ErbStG 1974 hergeleiteten Einwendungen des Klägers.

§ 14 ErbStG 1974 ordnet an, daß mehrere innerhalb von 10 Jahren von derselben Person angefallene Vermögensvorteile für die Besteuerung des letzten Erwerbes zusammenzurechnen sind; dabei ist die für den Gesamterwerb berechnete Steuer um die Steuer zu kürzen, die sich nach dem Recht zur Zeit des letzten Erwerbes für die Vorerwerbe ergeben hätte. Tritt während des Zehnjahreszeitraums weder eine Rechtsänderung noch ein Steuerklassenwechsel ein, so bedeutet dies, daß die Einzelerwerbe insgesamt so besteuert werden, als habe nur ein Erwerb stattgefunden. Die durch die Zusammenrechnung eintretende Hebung des Steuersatzes gegenüber der Besteuerung der Einzelerwerbe wird jedoch nicht durch Änderung der einzelnen Steuerbescheide, sondern allein bei der Festsetzung der Steuer für den letzten Erwerb erfaßt. Die rechnerische Erhöhung der Steuer auf die Vorerwerbe ist somit lediglich Teil der Steuer auf den letzten Erwerb.

§ 14 ErbStG 1974 gilt auch dann, wenn die Vorerwerbe vor dem 1.Januar 1974 angefallen sind. Diese Vorschrift und die Schlußvorschrift des Gesetzes (§ 39) enthalten insoweit keinerlei Einschränkung. Überdies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 14 ErbStG 1974, daß sowohl die Steuer für die zusammengerechneten Erwerbe als auch die abzuziehende Steuer auf die Vorerwerbe nach dem Recht zur Zeit des letzten Erwerbs zu berechnen sind. Daraus läßt sich ohne weiteres ableiten, daß der jeweils geltende Zehnjahreszeitraum durch Rechtsänderungen nicht berührt werden soll. Unter diesen Umständen bedurfte es keiner besonderen Übergangsvorschrift.

Die Anwendung des § 14 ErbStG 1974 auf die Vorerwerbe aus der Zeit vor dem 1.Januar 1974 führt dazu, daß die Steuererhöhung durch die Zusammenrechnung der Einzelerwerbe sich allein nach dem neuen Recht richtet, wobei allerdings eine Korrektur der auf die Vorerwerbe nach altem Recht zu zahlende Erbschaftsteuer nicht stattfindet. Unterlagen z.B. die Vorerwerbe seinerzeit in Steuerklasse I einem Steuersatz von 15 v.H., während sie nach neuem Recht einem Steuersatz von 30 v.H. unterlegen hätten, so bleibt es bei dem Steuersatz von 15 v.H. für die Vorerwerbe. Lediglich im Rahmen der Zusammenrechnung gemäß § 14 ErbStG 1974 kann eine Hebung der Steuer auf die Vorerwerbe von gedachten 30 v.H. auf 35 v.H. (dem Höchstsatz in der Steuerklasse I) stattfinden. Daraus ergibt sich, daß den Betroffenen die ihnen gewährten Vorteile aus dem günstigeren Tarif für die seinerzeitigen Vorerwerbe nicht entzogen werden. Es erfolgt lediglich im Rahmen einer Zusammenrechnung nach neuem Recht eine Tarifanhebung nach Maßgabe des neuen Rechts.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht. Eine Rechtsfolgenänderung findet aufgrund des § 14 ErbStG 1974 nicht statt. Denn die früher festgesetzte Steuer bleibt unverändert. Die sog. Hebung des Steuersatzes findet allein im Rahmen der Festsetzung der Steuer für den letzten Erwerb statt. Von dieser festgesetzten Steuer wird die Steuer abgezogen, die für die Vorerwerbe zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre.

Ob die Einbeziehung der noch unter das alte Recht fallenden Vorerwerbe verfassungsrechtlich als tatbestandliche Rückanknüpfung zu beurteilen ist (vgl. hierzu BVerfGE 72, 200, 242), ist nach Auffassung des erkennenden Senats deshalb zweifelhaft, weil die Zusammenrechnungsvorschrift des § 14 ErbStG 1974 im Grundsatz mit der vorangegangenen Vorschrift des § 13 ErbStG 1959 identisch ist und somit bereits im Zeitpunkt der Vorerwerbe feststand, daß eine spätere Zusammenrechnung stattfinden wird, wenn weitere Erwerbe innerhalb des Zehnjahreszeitraumes folgen sollten. Diese Frage kann hier jedoch offenbleiben. Denn selbst bei Bejahung ist nicht ersichtlich, daß durch die Rückanknüpfung Grundrechte berührt werden könnten (BVerfGE 72, 200, 242).

Aus dem im Zeitpunkt der Vorerwerbe geltenden § 13 ErbStG 1959 war ersichtlich, daß bei weiteren Erwerben eine Zusammenrechnung erfolgen wird und daß bei zwischenzeitlichen Steuerverschärfungen das spätere Recht maßgebend sein wird. Etwaige Gründe für einen Vertrauensschutz sind unter diesen Umständen nicht erkennbar. Soweit der Senat bisher den § 14 Abs.1 ErbStG 1974 bei der Zusammenrechnung mit Vorerwerben aus der Zeit vor dem 1.Januar 1974 einschränkend ausgelegt hat, lagen besondere Fälle vor. Eine einschränkende Auslegung war z.B. erforderlich, um die Steuerpflichtigen bei der Zusammenrechnung mit Vorerwerben aus der Zeit vor dem 1.Januar 1974 in den Genuß der höheren Freibeträge zu bringen, wie sie durch das neue Recht eingeführt worden sind (vgl. das Senatsurteil vom 30.März 1977 II R 98/76, BFHE 122, 330, BStBl II 1977, 664, und den Senatsbeschluß vom 18.September 1985 II B 30/85, BFHE 144, 456, BStBl II 1985, 710). Darüber hinaus hat der Senat z.B. den Abzug der nach früherem Recht zu zahlenden höheren Steuer zugelassen, um zu verhindern, daß bei einem späteren Erwerb auf einen Vorerwerb eine Anhebung entfiel, in deren Höhe bereits nach früherem Recht eine Steuer entrichtet worden war (vgl. das Senatsurteil vom 18.Februar 1987 II R 154/83, BFHE 146, 69, BStBl II 1987, 717).

Mit den vorgenannten Fällen, insbesondere mit dem letzten Fall, ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar. Im vorliegenden Fall bleibt es bei der für die Vorerwerbe nach altem Recht festgesetzten gegenüber dem neuen Recht niedrigeren Steuer. Zusätzlich zu zahlen --als Steuer auf den letzten Erwerb-- ist lediglich die Hebung der Steuer für die Vorerwerbe nach neuem Recht. Dies entspricht dem dem Gesetz zu entnehmenden Willen des Gesetzgebers.

c) Auch die Einwendungen des Klägers wegen der Nichtgewährung einer Steuerermäßigung aus dem früheren § 21 ErbStG 1959 für die Vorerwerbe im Rahmen der Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG 1974 sind unbegründet. Der Gesetzgeber hat für das neue Recht in § 27 ErbStG 1974 eindeutig geregelt, daß die Vergünstigung bei mehrfachem Erwerb desselben Vermögens nur noch bei Erwerben von Todes wegen gilt. Über den § 14 ErbStG 1974 gilt dies auch im Rahmen der Zusammenrechnung mit Vorerwerben, die als solche noch unter § 21 ErbStG 1959 fielen. Denn § 14 ErbStG 1959 geht allein von dem Recht aus, das im Zeitpunkt des letzten Erwerbes gilt. Das bedeutet, daß der Gesetzgeber im Rahmen der Zusammenrechnung für Vorerwerbe unter Lebenden keine zusätzlichen Steuerermäßigungen mehr gewähren wollte. Demgegenüber blieben die bereits gewährten Steuerermäßigungen anläßlich der Besteuerung der Vorerwerbe erhalten, worauf bereits das FG hingewiesen hat.

Die vorstehende Auffassung steht nicht in Widerspruch zu dem Senatsurteil vom 20.Februar 1980 II R 90/77 (BFHE 130, 176, BStBl II 1980, 414). Denn dort ging es lediglich um die Frage des Ausmaßes der Vergünstigung des § 21 ErbStG 1959; im vorliegenden Fall war dagegen darüber zu entscheiden, ob eine Vergünstigung dem Grunde nach zur Anwendung kommt.

Die Auslegung der §§ 14 und 27 ErbStG 1974 durch den Senat verstößt nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze. Die Änderung des § 27 ErbStG 1974 gegenüber der vorangegangenen Vorschrift des § 21 ErbStG 1959 beinhaltet zwar eine tatbestandliche Rückanknüpfung zum Nachteil der Betroffenen. Eine Verfassungsverletzung ist darin aber nicht zu sehen. Durch den § 21 ErbStG 1959 war kein schutzwürdiges Vertrauen dahin entstanden, daß der Gesetzgeber diese Vorschrift innerhalb des jeweils geltenden Zehnjahreszeitraums unverändert lassen werde. Die Betroffenen durften zwar darauf vertrauen, daß die bereits gewährten Vergünstigungen nicht wieder entzogen werden, sie durften aber allenfalls hoffen, daß bei der späteren Einbeziehung eines begünstigten Vorerwerbes in eine Zusammenrechnung eine weitere Vergünstigung gemäß § 21 ErbStG 1959 gewährt werden würde.

3. Auf die begründete Revision des FA darf der Senat das angefochtene Urteil nur insoweit aufheben, als der Revisionsantrag des FA reicht. Dies ergibt sich aus § 155 FGO i.V.m. § 559 Abs.1 und § 564 Abs.1 der Zivilprozeßordnung --ZPO-- (vgl. auch § 121 i.V.m. § 96 Abs.1 Satz 2 FGO). Bei einer weitergehenden Aufhebung würde der Senat dem FA etwas zusprechen, was es nicht begehrt hat. Die Bindung an den Revisionsantrag gilt auch bei Zurückverweisung der Sache an das FG (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 46.Aufl., § 536 Anm.1).

a) Die vom FA geltend gemachten Revisionsgründe greifen durch. Denn die vom FG getroffenen Feststellungen bieten für den erkennenden Senat keine Grundlage für die Prüfung, ob das FG zu Recht den den Kläger treffenden Teil der Rentenbelastung mit einem höheren Betrag angesetzt hat, als dies den Angaben des Klägers in der Steuererklärung und den vom FA in seinem Steuerbescheid verwendeten Zahlen entsprach. Es spricht allerdings einiges dafür, daß das FG bei seiner Berechnung nicht berücksichtigt hat, ein Teil der Rente der Mutter des Klägers sei von der KG zu zahlen, an der der Erblasser nur beteiligt war.

b) Darüber hinaus ist die Revision, ohne daß dies vom FA gerügt worden ist, auch deshalb begründet, weil das FG die Rentenverpflichtung gegenüber der Mutter zu Unrecht als Schuld abgezogen hat.

Der Senat ist an dieser Prüfung nicht deshalb gehindert, weil sich bei der gebotenen Verneinung dieser Frage eine Erhöhung der Steuer unter Stundung eines Teils dieser Steuer ergeben würde, der Antrag des FA aber nur auf eine Erhöhung der Steuer ohne Stundung gerichtet ist. Er ist der Auffassung, daß damit dem FA nicht etwas zugesprochen wird, was es nicht beantragt hat. Eine Erhöhung der Steuer unter Stundung wird deshalb von dem gestellten Revisionsantrag mitumfaßt, soweit dieser reicht. Der gestundete Erhöhungsbetrag ist dabei mit seinem Ablösungswert anzusetzen. Dieser Wert entspricht dem Gegenwartswert des gestundeten Betrags.

c) Daß die anteilige Rentenverpflichtung gegenüber der Mutter des Klägers nicht abzugsfähig ist, ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut und dem Wortsinn des § 25 Abs.1 ErbStG 1974 in der früheren Fassung, und zwar auch dann, wenn die Vorschrift im Sinne der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 20.Dezember 1974 (BStBl I 1975, 42) ausgelegt wird (vgl. hierzu den Beschluß des BVerfG vom 15.Mai 1984 1 BvR 464/81 und andere, BVerfGE 67, 70, BStBl II 1984, 608, 612 rechte Spalte). Hiernach sollte die Vorschrift u.a. bei Renten angewendet werden, die unmittelbar in Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen standen. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt. Denn der Kläger ist als Miterbe unmittelbar durch die Vermächtnisanordnung zugunsten seiner Mutter belastet.

Nichts anderes ergibt sich, wenn berücksichtigt wird, daß auf die Rentenforderung der Mutter des Klägers kraft des Vermächtnisses die Witwenrente angerechnet wird, die sie von der A KG mit dem Tode des Erblassers erlangt hat. Auch insoweit handelt es sich um eine Rente, die unmittelbar mit dem Erbanfall in Zusammenhang steht. Insofern ist die Rentenforderung zwar nicht durch letztwillige Verfügung entstanden, sondern wohl durch eine Vereinbarung der Gesellschafter der A KG. Eine derartige Vereinbarung aber ist durch § 3 Abs.1 Nr.4 ErbStG 1974 dem Erwerb von Todes wegen gleichgestellt worden. Es kann deshalb nichts anderes gelten als in dem Fall, in dem die Rente auf ein Vermächtnis zurückgeführt werden kann.

Ohne Bedeutung ist es entgegen der Auffassung des FG, daß der Mutter des Klägers ein den Wert ihrer Vermächtnisse übersteigender Zugewinnausgleichsanspruch zugestanden hätte, wenn sie die Vermächtnisse ausgeschlagen hätte, und daß dieser Anspruch als Geldanspruch bei der Errechnung des der Erbschaftsteuer unterliegenden Erbanfalls hätte abgezogen werden können. Entscheidend ist nicht, welche Ansprüche der Mutter bei einer Ausschlagung der Vermächtnisse zugestanden hätten und wie diese behandelt worden wären, sondern allein, ob sie als Vermächtnisnehmerin eine Rente ausgesetzt bekommen hat, die gemäß § 25 ErbStG 1974 a.F. nach Wahl des Steuerpflichtigen zur Aussetzung der Besteuerung oder zum Nichtabzug der Rentenbelastung unter Stundung der entsprechenden Steuer führt. Der Senat hat allein den Sachverhalt zu überprüfen, wie er von den Erbbeteiligten gestaltet worden ist.

Nicht berücksichtigt werden kann, daß § 5 ErbStG 1974 bei der erbrechtlichen Lösung einen steuerfreien Betrag wegen des sonst bestehenden Zugewinnausgleichsanspruchs gewährt. Für die Anwendung des § 25 ErbStG 1974 a.F. kommt es hierauf nicht an, sondern allein darauf, ob im Zuge des Erbanfalls u.a. eine Rentenbelastung entsteht. Deshalb führt die Überlegung des FG nicht weiter, es liege insoweit ein Schuldvermächtnis vor, als die Vermächtnisse hinter dem sonst bestehenden Zugewinnausgleichsanspruch zurückblieben.

d) Die Sache ist nicht spruchreif, weil der Senat anhand der vom FG festgestellten Tatsachen nicht mit Sicherheit zu dem Schluß kommen konnte, daß die Erbschaftsteuer nach Stundung zuzüglich des Ablösungsbetrages der zu stundenden Steuer höher ist, als die vom FA beantragte Erhöhung der Erbschaftsteuer auf 584 884 DM.

Sie geht in dem Umfang, in dem das Urteil aufgehoben worden ist, an das FG zurück.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62893

BFH/NV 1989, 33

BStBl II 1989, 733

BFHE 156, 566

BFHE 1989, 566

BB 1989, 1479-1479 (L)

DStR 1989, 501 (K)

HFR 1989, 621 (LT)

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