Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Eine geschiedene Ehefrau ist ihrem früheren Ehemann gegenüber nur dann im Sinne des § 22 Ziff. 1 EStG unterhaltsberechtigt, wenn der Unterhaltsanspruch sich unmittelbar aus dem Scheidungsurteil ergibt.

Einmalige Zuwendungen des geschiedenen Ehemannes an seine frühere Ehefrau zur Beseitigung von Schäden, die vor der Ehescheidung eingetreten sind, gehören auch dann nicht zu den wiederkehrenden Bezügen im Sinne des § 22 Ziff. 1 EStG, wenn der geschiedene Ehemann an seine frühere Ehefrau vertraglich festgelegte laufende Unterhaltszahlungen leistet.

 

Normenkette

EStG § 22 Ziff. 1

 

Tatbestand

Die Ehe der Beschwerdeführerin (Bfin.) wurde am 13. Februar 1951 auf die von ihr erhobene Klage geschieden, und zwar gemäß § 48 des Ehegesetzes ohne Entscheidung über das Verschulden. Wenige Tage vor der Scheidung, am 8. Februar 1951, hatte die Bfin. mit ihrem Ehemann einen notariellen Vertrag geschlossen, durch den sich dieser verpflichtete, ihr ab 1. Februar 1951 monatlich 500 DM Unterhaltsrente zu zahlen, außerdem 2.000 DM zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit und 1.000 DM zur Instandsetzung bzw. zur Ersatzbeschaffung von Möbeln. Das Finanzamt hat die der Bfin. im Jahre 1951 auf Grund des Vertrags zugeflossenen 8.618 DM nach Abzug eines Werbungskostenpauschbetrags von 312 DM zur Einkommensteuer herangezogen. Einspruch und Berufung hiergegen hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht führt aus: Die Bfin. erhalte von ihrem geschiedenen Ehemann eine Rente im Sinne des § 22 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die in dieser Vorschrift vorgesehene Steuerfreiheit für Rentenzahlungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen komme nicht zur Anwendung; denn die Bfin. habe keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegen ihren geschiedenen Ehemann. Da die Bfin. die Ehescheidungsklage erhoben habe, komme ein Unterhaltsanspruch gemäß § 61 Abs. 2 des Ehegesetzes für sie nicht in Betracht. Daß die Bfin. nach ihren Angaben in der Lage gewesen wäre, die Ehescheidung nach § 42 des Ehegesetzes zu begehren und durch den damit verbundenen Schuldausspruch ihres Ehemannes einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch zu erreichen, sei bedeutungslos; denn es komme für die steuerliche Beurteilung nicht darauf an, was möglicherweise zu erreichen gewesen wäre, sondern nur darauf, wie die Rechtslage nach dem vorliegenden Scheidungsurteil sei.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird unrichtige Anwendung des § 22 Ziff. 1 EStG gerügt. Die Bfin. habe nur aus gesellschaftlichen Rücksichten von der Geltendmachung eines Ehescheidungsgrundes abgesehen, der zur Feststellung der Alleinschuld des Ehemannes und damit zu einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch für sie geführt hätte. Ihr Ehemann habe deshalb seine Unterhaltspflicht gegenüber der Bfin. in den vor Verkündung des Ehescheidungsurteils getroffenen Vereinbarungen anerkannt und sich zu laufenden Unterhaltszahlungen verpflichtet. Bei der steuerlichen Beurteilung sei es unter diesen Umständen nicht angängig, von dem ohne Schuldausspruch ergangenen Scheidungsurteil auszugehen, das der wahren Rechtslage nicht entspreche. Es müsse vielmehr angenommen werden, daß die Unterhaltszahlungen auf Grund eines der Bfin. gesetzlich zustehenden Unterhaltsanspruchs gezahlt worden seien. Da der unterhaltspflichtige frühere Ehemann unbeschränkt steuerpflichtig sei, unterlägen seine Zuwendungen bei der Bfin. nicht der Steuerpflicht. Die Zahlungen von 2.000 DM zur Wiederherstellung der Gesundheit der Bfin. und von 1.000 DM zur Instandsetzung und Ergänzung ihrer Möbel seien übrigens keine sonstigen Bezüge im Sinne des § 22 EStG; denn es handele sich bei diesen Zuwendungen um einmalige Zahlungen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist zum Teil begründet.

Die laufenden Zahlungen von monatlich 500 DM, welche die Bfin. von ihrem geschiedenen Ehemann auf Grund des Vertrags vom 8. Februar 1951 erhalten hat, sind wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 22 Ziff. 1 EStG, wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben. Die Einwendung der Bfin., diese Unterhaltszahlungen unterlägen bei ihr nicht der Einkommensteuer, weil ihr geschiedener Ehemann unbeschränkt steuerpflichtig sei und die Zuwendungen in Erfüllung der ihm obliegenden gesetzlichen Unterhaltspflicht gemacht habe, sind nicht begründet. Für die Entscheidung, ob die Bfin. gegenüber ihrem früheren Ehemann gesetzlich unterhaltsberechtigt ist, kann nur von dem Inhalt des Ehescheidungsurteils ausgegangen werden. Dieses bildet die Grundlage für etwaige Rechtsbeziehungen der geschiedenen Eheleute. Das gilt nicht nur für das bürgerliche Recht, sondern auch für die steuerliche Beurteilung der Zuwendungen, die ein Ehegatte dem anderen nach der Ehescheidung macht. Die Behörden der Finanzverwaltung und die Finanzgerichte wären übrigens kaum in der Lage, von sich aus in eine Prüfung der wahren Vorgänge einzutreten, die zur Ehescheidung geführt haben. Solche Ermittlungen liegen außerhalb des Aufgabenkreises der Finanzbehörden und der Finanzgerichte. Ehescheidungsgründe, die von den Eheleuten im Ehescheidungsprozeß nicht vorgebracht wurden, und die deshalb in dem Scheidungsurteil nicht berücksichtigt werden konnten, müssen deshalb bei Besteuerung der geschiedenen Eheleute ebenfalls unbeachtet bleiben.

Enthält das Ehescheidungsurteil keinen Schuldausspruch, so hat nach bürgerlichem Recht der Ehegatte, der die Scheidung verlangt hat, dem anderen gemäß § 61 Abs. 2 des Ehegesetzes Unterhalt zu gewähren, wenn und soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten der Billigkeit entspricht. Im vorliegenden Fall hat die Bfin. die Klage auf Scheidung erhoben. Da diese ohne Schuldfeststellung ausgesprochen wurde, könnte danach allenfalls der frühere Ehemann der Bfin., nicht aber sie selbst, einen Unterhaltsanspruch aus § 61 Abs. 2 des Ehegesetzes herleiten. Damit entfällt die Möglichkeit der Anwendung der von der Bfin. angeführten Befreiungsvorschrift des § 22 Ziff. 1 EStG. Die Vorinstanzen haben daher zutreffend die Steuerpflicht der ihr auf Grund des Vertrages vom 8. Februar 1951 zugeflossenen laufenden Unterhaltszahlungen bejaht.

Die Rb. ist dagegen begründet, soweit die Bfin. sich gegen die Besteuerung der Zahlungen von 2.000 DM und 1.000 DM wendet. Es handelt sich bei diesen Einnahmen um einmalige Zuwendungen, die die Bfin. zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit und zur Ausbesserung usw. ihrer Möbel erhalten hat. Diese Beträge können nicht als Teil der laufenden Unterhaltszahlungen ihres früheren Ehemannes angesehen werden. Sie wurden nach dem Vertrag vom 8. Februar 1951 ausdrücklich neben diesen gezahlt. Beide Beträge wurden der Bfin. im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung von ihrem früheren Ehemann zugewendet. Es handelt sich also um Leistungen des Ehemannes, die ihren Rechtsgrund in der Zeit vor der Ehescheidung haben. Sie können daher nicht als Teil der laufenden Unterhaltszahlungen nach der Ehescheidung angesehen werden, zumal der Vertrag keine Abrede enthält, daß die Bfin. in Zukunft gleichartige Zuwendungen von ihrem früheren Ehemann beanspruchen kann. Für die steuerliche Beurteilung ist deshalb davon auszugehen, daß es sich hierbei um einmalige Zahlungen handelt. Unter diesen Umständen kommt hinsichtlich dieser Einnahmen eine Steuerpflicht nach § 22 Ziff. 1 EStG nicht in Betracht. Diese Beträge stellen auch nicht auf Grund einer anderen Vorschrift des EStG steuerpflichtige Einkünfte dar. Das von den Vorinstanzen festgestellte steuerpflichtige Einkommen der Bfin. vermindert sich daher um diese Beträge von 7.438 DM auf 4.438 DM und die Einkommensteuer für 1951 demgemäß von 1.625 DM auf 665 DM.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408781

BStBl III 1957, 263

BFHE 1958, 80

BFHE 65, 80

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