Entscheidungsstichwort (Thema)

Offenbare Unrichtigkeit eines Steuerbescheides wegen Verwechslung eines Grundstücks im Betriebsprüfungsbericht; keine Abschreibung bei Vorbehaltsnießbrauch an verschenktem Betriebsgebäude

 

Leitsatz (NV)

1. Behält sich der Eigentümer eines Betriebsgrundstücks bei einer Schenkung den Nießbrauch an einem Grundstück vor und nutzt er dieses wie bisher betrieblich, so kann er das Nießbrauchsrecht nicht mit dem Teilwert in sein Betriebsvermögen einlegen (Anschluß an BFH - Urteil vom 16. Dezember 1988 III R 113/85, BFHE 155, 380, BStBl II 1989, 763).

2. Eine offenbare Unrichtigkeit i. S. von § 129 AO 1977 liegt vor, wenn die Veranlagungsstelle lediglich eine Verwechslung von Grundstücken aus dem Betriebsprüfungsbericht übernimmt.

 

Normenkette

AO 1977 § 129; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 5

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist buchführender Landwirt. Er besaß in den Streitjahren 1976 und 1977 in A einen landwirtschaftlichen Betrieb mit eigenen und zugepachteten Ländereien. Außerdem gehörte ihm privates Grundvermögen.

Zu den Grundstücken des Klägers gehörten auch die Flurstücke 39/24 und 40/24 an der Z-Straße 1-10.

Durch notariell beurkundeten Schenkungsvertrag vom 4. März 1977 übertrug der Kläger von diesen an der Z-Straße 1-10 gelegenen Grundstücken ein katasteramtlich damals noch nicht vermessenes Trennstück seinem Sohn B. Der Sohn erhielt das Grundstück belastet mit einem Nießbrauch, der dem Kläger und dessen Ehefrau als Gesamtberechtigten zustehen sollte. Das Grundstück wurde vom Kläger aufgrund des vereinbarten Nießbrauchs weiterhin landwirtschaftlich genutzt.

Später erhielt der aus der Verschmelzung und erneuten anderweitigen Zerlegung der Flurstücke 39/24 und 40/24 an der Z-Straße 1-10 entstandene Teil, den der Kläger seinem Sohn B geschenkt hatte (Ackerland) und der eine Größe von . . . qm hatte, die neue Flurstücksnummer 88 und der dem Kläger verbliebene Teil der genannten Flurstücksnummern die neue Flurstücksnummer 87.

In der Zeit vom 5. August 1980 bis 17. Juli 1981 fand beim Kläger - wegen der Erkrankung des Prüfers mit Unterbrechungen - eine Außenprüfung statt. In seinem Betriebsprüfungsbericht vom 22. Juli 1981 erwähnte der Prüfer unter Tz. 6, Grundvermögen Nr. 3, die Grundstücksschenkung an den Sohn B wie folgt:

,,Flurstück 39/24 tlw. Z-Straße 1-10 = ... ha

Flurstück 40/24 - = ... ha

- 6/12 tlw. Straße 5-10 = ... ha

= ... ha"

,,Steuer-Nr.: ..., Z-Straße 110 (Flurstück 39/24 tlw.) unbebautes Grundstück

Einheitswert per 1. Januar 1974 = ... DM

Durch die Schenkung des Grundstücks an den Sohn B wurde zum 1. Januar 1978 eine Zurechnungsfortschreibung durchgeführt."

Die Bewertungsstelle des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -) hatte lt. Bewertungsakte zur Steuernummer . . . (Bd. I) mit Bescheid vom 29. Juli 1977 ein vom Kläger als . . .platz verpachtetes Grundstück von . . . qm mit der richtigen Bezeichnung Z-Straße 5-10, Flurstücksnummer 6/12, das Kläger und FA dem privaten Grundvermögen zurechneten, mit der - wie sich später ergab - falschen obigen Bezeichnung Z-Straße 1-10 Flurstücksnummer 39/24 als unbebautes Grundstück zum 1. Januar 1978 auf den Sohn B fortgeschrieben, weil es irrtümlich dieses Grundstück für das dem Sohn B geschenkte Grundstück hielt.

Da auch der Prüfer - der Bewertungsstelle folgend - die Verwechslung hinsichtlich des dem Sohn B geschenkten Grundstücks nicht bemerkte, sah er das - angeblich - geschenkte Grundstück mit der . . . anlage nicht als landwirtschaftliches Betriebsvermögen an und beachtete deshalb die Schenkung einkommensteuerrechtlich nicht. Andererseits erfaßte der Prüfer Ackerland unter der Bezeichnung als land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen und schlug für diese drei Flächen sowie für weiteres Ackerland die beantragte Festsetzung der Teilwerte nach § 55 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vor.

Aufgrund der Feststellungen des Prüfers erließ das FA am 18. Dezember 1981 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 1976 und hob mit Bescheid vom 19. November 1981 den Vorbehalt der Nachprüfung für den Einkommensteuerbescheid 1977 auf. Außerdem erließ das FA Feststellungsbescheide nach § 55 Abs. 5 EStG.

Die Steuerbescheide 1976 und 1977 wurden bestandskräftig.

Am 11. Januar 1982 erschien der Kläger bei der Bewertungsstelle des FA und stellte klar, daß er seinem Sohn B nicht den . . . qm großen . . .platz, Z-Straße 5-10

Flurstücksnummer 6/12, sondern das jetzige Flurstück Nr. 88 mit einer Größe von . . . qm geschenkt habe. Nachdem der Kläger auch gegen den Feststellungsbescheid nach § 55 Abs. 5 EStG vom 5. Februar 1982 Einspruch eingelegt hatte, bemerkte die Veranlagungsstelle die Verwechslung der Grundstücke. Daraufhin erließ das FA gemäß § 173 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte Einkommensteuerbescheide für 1976 und 1977 und erfaßte dabei einen Entnahmegewinn für das früher unstreitig zum Betriebsvermögen gehörende, dem Sohn B geschenkte Grundstück Flur Nr. 88 in Höhe . . . DM. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.

Mit der Klage wies der Kläger darauf hin, daß der Schenkungsvertrag dem Betriebsprüfer vorgelegen habe. Daher sei die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO 1977 zu beachten. Eine Entnahme des geschenkten Grundstücks liege auch deshalb nicht vor, weil er der wirtschaftliche Eigentümer dieses Grundstücks geblieben sei.

Das FA wies demgegenüber darauf hin, die Änderung der Bescheide sei wegen offensichtlicher Unrichtigkeit i. S. des § 129 AO 1977 zu Recht erfolgt.

Das Finanzgericht (FG) hat zu der Frage, ob die Verwechslung des dem Sohn B geschenkten Grundstücks auf einer offenbaren Unrichtigkeit i. S. des § 129 AO 1977 beruhe, Beweis durch Vernehmung der Steuerbevollmächtigten des Klägers und des Betriebsprüfers erhoben. Außerdem hat es ein Sachverständigengutachten über die strittige Höhe des Wertes des geschenkten Grundstückes eingeholt.

Die Klage hatte teilweise Erfolg (siehe im einzelnen Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1989, 14 f.).

Das FG führte aus, die angefochtenen Bescheide hätten zwar nicht nach § 173 AO 1977, wohl aber nach § 129 AO 1977 geändert werden können. Die Verwechslung hinsichtlich des dem Sohn B geschenkten Grundstücks stelle eine offenbare Unrichtigkeit i. S. des § 129 AO 1977 dar. Der unterlaufene Irrtum hätte vom Kläger aufgeklärt werden müssen. Die Schenkung des Grundstücks stelle auch eine Entnahme dar. Der Entnahmegewinn betrage jedoch nicht - wie das FA angenommen habe - . . . DM, sondern nach den Ermittlungen des Sachverständigen nur . . . DM. Außerdem hätte das FA das Nießbrauchsrecht aktivieren und auf die voraussichtliche Dauer des Nießbrauchs abschreiben müssen. Die jährliche Absetzung für Abnutzung (AfA) berechne sich auf . . . DM, im strittigen Wirtschaftsjahr 1976/77 für vier Monate auf . . . DM.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision macht das FA geltend, das angefochtene Urteil verletze § 7 Abs. 1 EStG, weil es eine AfA auf das Nießbrauchsrecht zugelassen habe.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung mit der Maßgabe aufzuheben, daß unter Nichtberücksichtigung der Abschreibung des Nießbrauchsrechts die Einkommensteuer für 1976 auf . . . DM und für 1977 auf . . . DM festgesetzt wird.

Der Kläger hat keinen bestimmten Antrag gestellt. Die ursprünglich von ihm eingelegte unselbständige Anschlußrevision hat er wegen Fristversäumnis zurückgenommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit das FG auf das Nießbrauchsrecht des Klägers eine AfA von . . . DM angesetzt hat.

1. Entgegen der Auffassung des FG war das vorbehaltene Nießbrauchsrecht vom Kläger nicht zu aktivieren und deshalb auch keine gewinnmindernde Abschreibung zu berücksichtigen. Diese Streitfrage ist durch das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. Dezember 1988 III R 113/85 (BFHE 155, 380, BStBl II 1989, 763) ausdrücklich im Sinne des FA entschieden worden. Entgegen der früheren Auffassung des VIII. Senats des BFH (vgl. Urteil vom 2. August 1983 VIII R 170/78, BFHE 139, 76, BStBl II 1983, 735) kann der Eigentümer eines Betriebsgrundstücks, wenn er dieses verschenkt und es aufgrund eines daran vorbehaltenen Nießbrauchs nach wie vor betrieblich nutzt, das Nießbrauchsrecht als solches nicht mit dem Teilwert einlegen und daher auch keine AfA geltend machen. So liegt der Fall auch in der Streitsache.

Der erkennende Senat, der die Abschreibung eines solchen bei einer Grundstücksschenkung vorbehaltenen Nießbrauchsrechtes schon in seiner Entscheidung vom 28. Februar 1974 IV R 60/69 (BFHE 112, 257, BStBl II 1974, 481) abgelehnt hat, tritt der Auffassung des III. Senats bei, die sich auf den Beschluß des Großen Senats vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86 (BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348) berufen kann.

2. Der Einwand des Klägers gegen das Revisionsbegehren des FA, es habe keine offenbare Unrichtigkeit i. S. des § 129 AO 1977 vorgelegen, kann nur noch im Rahmen des auf die Abschreibung des Nießbrauchsrechtes begrenzten Revisionsantrages des FA (Streitwert . . . DM) berücksichtigt werden. Er greift jedoch nicht durch.

Nach § 129 AO 1977 kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlaß eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Die offenbare Unrichtigkeit kann sowohl in der internen Aktenverfügung als auch in der bekanntgegebenen Ausfertigung des Verwaltungsakts enthalten sein. Offenbare Unrichtigkeiten sind z. B. Übertragungsfehler und Verwechslungen beim Ablesen des Steuersatzes oder bei der Eintragung im Eingabewertbogen (vgl. BFH-Urteile vom 25. Oktober 1978 II R 70/78, BFHE 126, 268, BStBl II 1979, 196, und vom 1. April 1977 VI R 153/76, BFHE 123, 1, BStBl II 1977, 853). Fehler bei der Auslegung oder Nichtanwendung einer Rechtsnorm, unrichtige Tatsachenwürdigung und unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts schließen die Anwendung der Vorschrift aus.

Die Entscheidung, welcher Fehler beim Erlaß eines Steuerbescheids im Einzelfall dem FA unterlaufen ist, hängt dann weitgehend von einer genauen Ermittlung des Sachverhalts, d. h. von tatsächlichen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) ab, wenn die Unrichtigkeit aus dem Bescheid selbst nicht erkennbar ist. Besonders im Streitfall, bei dem das FA hinsichtlich der Feststellung des dem Sohn B geschenkten Grundstücks eine Verwechslung des Betriebsprüfers übernommen und dadurch ein falsches Grundstück als das geschenkte angesehen hat, kommt es entscheidend auf die Ermittlung der tatsächlichen Vorgänge an, die zu der Verwechslung geführt haben.

Durch die eingehenden Ermittlungen des FG ist einerseits geklärt, daß dem Prüfer die Verwechslung der Grundstücke deshalb unterlaufen ist, weil er sich auf die Bewertungsstelle verlassen hat, die ihrerseits wegen der Grundstücksschenkung an den Sohn B aufgrund einer bloßen Verwechslung der Grundstücksbezeichnungen für das falsche Grundstück eine Zurechnungsfortschreibung an den Sohn B durchgeführt hatte, und dem Prüfer trotz Vorlage des Schenkungsvertrages diese Verwechslung der Bewertungsstelle wegen der ähnlichen Bezeichnungen der Grundstücke nicht aufgefallen ist. Andererseits steht durch die Beweisaufnahme des FG fest, daß allein der Kläger selbst die Verwechslung des Prüfers bemerkt hat, und zwar schon während der Betriebsprüfung, ohne daß er den Prüfer darauf hingewiesen hat (so die Steuerbevollmächtigte). Das FG konnte daraus den Schluß ziehen, daß die Verwechslung der Grundstücke durch den Prüfer ,,ohne jede rechtliche Überlegung" auf einem bloßen Versehen beruhte, das vom FA bei der Steuerfestsetzung übernommen wurde.

Das FG führte dazu zutreffend aus, daß § 129 AO 1977 auch anzuwenden ist, wenn die Veranlagungsstelle eine offenbare Unrichtigkeit aus dem Betriebsprüfungsbericht lediglich übernimmt, und damit die offen zutage getretene Grundstücksverwechslung der Bewertungsstelle und des Betriebsprüfers fortgesetzt wird. Denn zu den offenbaren Unrichtigkeiten i. S. des § 129 AO 1977 gehören auch solche, die sich im Vorfeld der Steuerfestsetzung ergeben haben. Die Unrichtigkeit muß für den Steuerpflichtigen nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein (vgl. dazu BFH-Urteile vom 2. April 1987 IV R 255/84, BFHE 149, 490, BStBl II 1987, 762, und vom 8. April 1987 II R 236/84, BFHE 149, 413, BStBl II 1988, 164).

3. Die Sache ist spruchreif. Das FA und der Kläger haben gegen die Höhe des vom FG zugrunde gelegten Entnahmewerts des geschenkten Grundstückes keine Einwendungen erhoben. Die Einkommensteuer ist danach antragsgemäß für 1976 auf . . . DM und für 1977 auf . . . DM festzusetzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416798

BFH/NV 1991, 457

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