Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vorschrift des § 65 Abs. 3 EStDV 1960 ist rechtsgültig, soweit sie anordnet, daß Steuerpflichtige den Nachweis der Minderung der Erwerbsfähigkeit in bestimmter Form zu erbringen haben.

Haben Steuerpflichtige Schwierigkeiten bei den zuständigen Behörden, die für steuerliche Zwecke erforderlichen Unterlagen über die Erwerbsminderung zu beschaffen, so haben die Steuerbehörden sie in geeigneter Form zu unterstützen.

Die Steuerbehörden sind an die Feststellungen der Gesundheits- oder Versorgungsbehörden hinsichtlich des Grades sowie des Beginns oder der Beendigung der Minderung der Erwerbsfähigkeit gebunden.

Das gleiche gilt für die Feststellung, ob eine Minderung der Erwerbsfähigkeit überwiegend auf Alterserscheinungen beruht.

Körperbehinderte im Sinne von § 65 EStDV sind neben den durch äußere Einflüsse, wie Kriegs- oder Unfallverletzungen, Betroffenen auch solche Personen, die durch innere Leiden erwerbsbehindert oder unheilbar krank und im Endstadium pflegebedürftig sind, sofern die Erkrankung nicht überwiegend aus Alterserscheinungen beruht.

Mit den Pauschbeträgen des § 65 Abs. 1 EStDV werden nur die laufenden und typischen Kosten abgegolten, die mit der Erwerbsminderung bedingten Krankheit zusammenhängen.

Außerordentliche Krankheitskosten, die durch einen akuten Anlaß verursacht werden, müssen neben dem Pauschbetrag nach § 33 EStG gesondert berücksichtigt werden.

 

Normenkette

EStG §§ 33, 33a/6; EStDV § 65

 

Tatbestand

Die im Jahre 1913 geborene Steuerpflichtige (Stpfl.) mußte sich im April 1962 einer Unterleibsoperation unterziehen. Die erheblichen Arzt-, Arznei-, Operations- und Krankenhauskosten wurden von der Krankenkasse etwa zur Hälfte erstattet. Den Restbetrag erkannte das Finanzamt (FA) bei der vorläufigen Veranlagung der Stpfl. für 1962 nach Abzug der zumutbaren Eigenbelastung als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG an. Den Antrag der Stpfl., daneben wegen Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit um 100 v. H., die bei einer amtsärztlichen Untersuchung am 19. August 1963 festgestellt worden war, den Pauschbetrag nach § 65 EStDV 1960 zuzubilligen, lehnte das FA ab.

Das FG wies die Berufung der Stpfl. gegen den vorläufigen Einkommensteuerbescheid als unbegründet zurück und erklärte außerdem den Einkommensteuerbescheid 1962 für endgültig, weil die bei der Veranlagung unterstellte Ungewißheit über die Möglichkeit des formgerechten Nachweises der Erwerbsbeschränkung nicht bestehe. Der von der Stpfl. zur Begründung ihrer Sprungberufung vorgelegte Schwererwerbsbeschränktenausweis vom 2. April 1964, in dem der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit gleichfalls mit 100 v. H eingetragen sei, sei kein ausreichender Nachweis für die Minderung der Erwerbsfähigkeit im Streitjahr; denn ein Ausweis, der erst 1 1/4 Jahre nach dem Ablauf des Streitjahres 1962 ausgestellt worden sei, genüge nicht zum formgerechten Nachweis der Erwerbsbeschränkung. Er reiche ebensowenig aus wie die amtsärztliche Bescheinigung, die auf einer Untersuchung beruhe, die erst Ende August 1963 stattgefunden habe. Es sei zwar glaubhaft, daß die Stpfl. schon im Streitjahr 1962 erheblich in ihrer Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt gewesen sei. Diese Glaubhaftmachung sei aber kein Nachweis, wie ihn § 65 Abs. 3 EStDV verlange. Aus den beigebrachten Unterlagen ergebe sich nicht, wie hoch der Grad der Erwerbsminderung im Streitjahr 1962 gewesen sei.

Die Stpfl. rügt in ihrer Rb., die nach dem Inkrafttreten der Finanzgerichtsordnung als Revision zu behandeln ist, Verfahrensmängel und unrichtige Rechtsanwendung. Sie führt vor allem aus, das FG hätte beim Gesundheitsamt Rückfrage halten müssen, zu welcher Zeit die völlige Erwerbsunfähigkeit eingetreten sei. Mindestens hätte es sie aber auffordern müssen, die Bescheinigung oder den Ausweis entsprechend ergänzen zu lassen.

Der Bundesminister der Finanzen, der auf Ersuchen des Senats dem Verfahren beigetreten ist, hat zu den vom Senat gestellten Fragen im wesentliche wie folgt Stellung genommen:

Ob zu den Körperbehinderten im Sinne von § 65 EStDV auch Personen zählen, die unheilbar an inneren Krankheiten erkrankt und im Endstadium der Krankheit hilflos und pflegebedürftig sind, aus dem systematischen Zusammenhang der §§ 33, 33 a EStG und § 65 EStDV zu beantworten. Bei Personen, die durch innere Krankheiten, etwa Diabetes oder Tuberkulose schwerkörperbehindert seien, könne der Pauschbetrag ohne Einschränkung gewährt werden. Für unheilbar Erkrankte und im Endstadium pflegebedürftige Personen gelte grundsätzlich das gleiche.

Nach § 65 Abs. 1 EStDV dürfe die Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht überwiegend auf Alterserscheinungen beruhen. Ob ein solcher Fall vorliege, sei danach zu bestimmen, welchen Einfluß im Einzelfall der Alterungsprozeß (Senium) auf den Krankheitsverlauf nehme. Daß das Alter eine Krankheit verschlimmere, genüge nicht, um eine überwiegende Verursachung durch das Altern anzunehmen. Die Verschlimmerung müsse vielmehr typisch für das Alter sein. Steuerrechtlich kämen nur Alterserscheinungen in Betracht, die wesentlich oder bestimmend für die Entstehung oder die Verschlimmerung des Leidens und damit auch für die Körperbehinderung seien. Das sei der Fall, wenn ohne das Alter der Behinderungszustand überhaupt nicht oder zumindest nicht in gleicher Schwere und Schnelligkeit eingetreten wäre. Das ergebe sich aus Nr. 3 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Versorgungswesen, die gemäß § 65 Abs. 3 Ziff. 1 Satz 3 EStDV auch steuerlich maßgebend seien.

Leiden, die durch den Alterszustand nur kurze Zeit früher zum Ausbruch kämen als bei vergleichbaren jüngeren Personen, beruhten im Sinne des § 65 Abs. 1 EStDV nicht überwiegend auf Alterserscheinungen. Dieselben Grundsätze gälten auch für Körperbehinderungen nach Unfällen. Hier komme es ebenfalls darauf an, ob die Körperbehinderungsfolge überwiegend durch Alterserscheinungen verursacht sei. Bejahendenfalls sei der Pauschbetrag zu versagen.

Die Finanzverwaltung beanspruche hinsichtlich der Frage, ob und wann ab eine Erwerbsbeschränkung überwiegend auf Alterserscheinungen beruhe, kein eigenes Nachprüfungsrecht gegenüber der Feststellung der Amtsärzte.

Die Pauschbeträge des § 65 EStDV berücksichtigten die durch die Körperbehinderung veranlaßten laufenden (typischen) Mehraufwendungen. Wenn bei der Schwere der Körperbehinderung die Haltung eines Pkw z. B. zur Erledigung persönlicher Angelegenheiten erforderlich sei, so seien auch die entstehenden Kraftfahrzeugkosten abgegolten.

überstiegen die aufgewendeten Kosten den Pauschbetrag, so könnten sämtliche Kosten nur nach § 33 EStG - unter Berücksichtigung der zumutbaren Eigenbelastung - berücksichtigt werden. § 65 EStDV beruhe auf dem Gedanken, daß jedem Körperbehinderten Aufwendungen durch seine Körperbehinderung erwüchsen, nicht aber, daß ihm typische laufende Aufwendungen unbestimmter Mindesthöhe entständen. Auch Krankenhaus- und Operationskosten würden daher grundsätzlich durch den Pauschbetrag nach § 65 EStDV abgegolten.

Die Steuerpflichtigen müßten also grundsätzlich wählen, ob sie den Pauschbetrag geltend machen oder dem FA ihre gesamten Aufwendungen nachweisen wollten. Es sei aber nicht ausgeschlossen, im Einzelfall den Pauschbetrag als Anhalt für die Schätzung der laufenden Aufwendungen zu benutzen, wenn dem Steuerpflichtigen sowohl Sonderkosten als auch laufender Mehraufwand entstanden seien.

Es entspreche dem Wesen des Pauschbetrages, daß im Einzelfall die tatsächlichen Aufwendungen nicht nachgewiesen zu werden brauchten. Der Pauschbetrag werde selbst dann abgezogen, wenn dem Steuerpflichtigen erweislich Aufwendungen in Höhe des Pauschbetrages nicht entstanden seien. Die Einführung der Pauschbeträge diene der Verwaltungsvereinfachung (vgl. Urteil des BFH VI 196/63 U vom 29. Oktober 1966, BFH 78, 92, BStBl III 1964, 34. Die Vereinfachung werde in diesem Fall - ebenso wie bei den Werbungskosten- und Sonderausgabenpauschbeträgen - als wichtiger angesehen als das sonst möglicherweise mit größerem Verwaltungsaufwand zu erzielende Mehraufkommen.

Nach § 65 Abs. 3 Ziff. 1 EStDV müsse das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit in bestimmter Form nachgewiesen werden. Diese Regelung beruhe auf Erwägungen der Zweckmäßigkeit. Für welche Zeitraum eine amtsärztliche Bescheinigung gelte, sei in § 65 EStDV nicht geregelt. Fehlen Angaben über den zeitlichen Beginn der Körperbehinderung, so sei in der Regel anzunehmen, daß die Minderung der Erwerbsfähigkeit von der Ausstellung der Bescheinigung ab bestehe.

Da die Einkommensteuer für zurückliegende Zeiträume veranlagt werde, müsse ein Steuerpflichtiger auch nachweisen können, daß die Körperbehinderung bereits in der Vergangenheit bestanden habe. Wenn Schwerbeschädigtenausweise eine solche Eintragung nicht enthielten, könne der Steuerpflichtige zu diesem Punkt eine amtsärztliche Bescheinigung beibringen.

Der Amtsarzt könne eine ärztliche Bescheinigung nur ausstellen, wenn es medizinisch möglich sei, die gestellten Fragen zu beantworten. Bestehe aber diese Möglichkeit, so sei der Amtsarzt auch verpflichtet, eine entsprechende Bescheinigung zu erteilen, wenn das FA die Bescheinigung verlange.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Es ist dem FG grundsätzlich darin beizutreten, daß Steuerpflichtige den Nachweis einer Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit durch die in § 65 Abs. 3 EStDV vorgesehenen Nachweis zu erbringen haben. § 33 a Abs. 6 EStG, der die Rechtsgrundlage für die Durchführungsbestimmung des § 65 EStDV ist, schreibt zwar eine besondere Form des Nachweises nicht vor. Die Bundesregierung konnte aber auf Grund der ihr in § 51 Abs. 1 EStG erteilten Ermächtigung zur Durchführung des § 33 a Abs. 6 EStG die von ihr bestimmte Form des Nachweises anordnen, weil sie damit dem Vereinfachungsgedanken, auf dem § 33 a Abs. 6 EStG beruht, entsprach.

Legt ein Steuerpflichtiger den Finanzbehörden Nachweise vor, die den Voraussetzungen des § 65 Abs. 3 EStDV nicht oder nicht vollständig entsprechen, so dürfen die Finanzbehörden den Antrag auf Gewährung des Pauschbetrags nicht ohne weiteres ablehnen, Sie müssen vielmehr auf Grund ihrer amtlichen Ermittlungspflicht den Steuerpflichtigen dann zur Beibringung seines ergänzten Ausweises oder einer ergänzten amtsärztlichen Bescheinigung auffordern. Stößt der Steuerpflichtige bei der zuständigen Gesundheitsbehörde dabei auf Schwierigkeiten, so müssen sie den Steuerpflichtigen auch in geeigneter Form unterstützen.

Die Stpfl. rügt im Streitfall mit Recht, daß das FG gegen diese Grundsätze verstoßen hat. Die Stpfl. konnte dem Aufforderungsschreiben des FG vom 29. Juni 1964, den Schwerbeschädigtenausweis vorzulegen, nicht entnehmen, daß dieser Ausweis zusammen mit den übrigen Aktenunterlagen dem FG für die Anerkennung des Ausmaßes der Erwerbsminderung und für die Zubilligung des begehrten Pauschbetrages nicht genügen werde.

Die Entscheidung des FG beruht daher auf einer unzutreffenden Auslegung des § 65 Abs. 3 EStDV. Das FG nimmt nämlich allgemein an, daß amtsärztliche Bescheinigungen für zurückliegende Zeiträume nicht ausgestellt werden könnten. Für diese einengende Auslegung geben Wortlaut und Sinn des § 65 Abs. 3 EStDV keinen Anhalt. Der Senat tritt der Auffassung des Bundesministers der Finanzen bei, daß keine rechtlichen Bedenken bestehen, da ein Amtsarzt auch für zurückliegende Zeiträume den Grad der Erwerbsbeschränkung bescheinigt. Die Feststellung des Grades der Erwerbsbeschränkung ist eine medizinische Frage, die der Amtsarzt als Sachverständiger zu beurteilen hat. Wie der Bundesminister der Finanzen zutreffend ausführt, kann der Amtsarzt, wenn eine medizinisch eindeutige Aussage nicht möglich ist, bei der Ausstellung derartiger Bescheinigungen für steuerliche Zwecke auch von der Wahrscheinlichkeit ausgehen.

Die Finanzbehörden sind an die Bescheinigungen der Amtsärzte gebunden. Sie haben kein eigenes Nachprüfungsrecht. Die Amtsärzte müssen in eigener Verantwortung den Inhalt von Bescheinigungen vertreten, die sie zur Vorlage bei den Finanzbehörden erteilen. Lehnt ein Amtsarzt eine von einem Steuerpflichtigen gewünschte Bescheinigung ab, so haben umgekehrt aber auch die Finanzbehörden keine Möglichkeit, in anderer Weise die Feststellung zu treffen, ob und in welchem Grad der Steuerpflichtige erwerbsbeschränkt ist. Das FG durfte also nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß die Stpfl. einen für 1962 ergänzten Ausweis nicht mehr beibringen könne.

Die Vorentscheidung war aus diesen Gründen aufzuheben und die nichtspruchreife Sache an das FG zurückzuverweisen, das bei der erneuten Entscheidung von den folgenden Rechtsgrundsätzen auszugehen hat:

Das FG hat die Stpfl. zu veranlassen, eine äußerung des Amtsarztes beizubringen, zu welchem Zeitpunkt ihre Erwerbsbeschränkung eingetreten ist.

Der Pauschbetrag kann nur gewährt werden, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht "überwiegend" auf Alterserscheinungen" beruht (§ 65 Abs. 1 Satz 2 EStDV). Der Senat stimmt der Auslegung zu, die der Bundesminister der Finanzen dieser Vorschrift gibt. Es kommt darauf an, welchen Einfluß der Alterungsprozeß auf den Krankheitsverlauf und damit auf die Minderung der Erwerbsfähigkeit hat. Für die Beurteilung dieser Frage sind die für das Versorgungswesen geltenden Bestimmungen maßgebend. Auch die Frage nach der Bedeutung von Alterserscheinungen ist eine medizinische Frage, bei deren Beurteilung die Finanzbehörden an das Gutachten des Amtsarztes gebunden sind.

Bescheinigt der Amtsarzt, daß die Krankheit, die zur Minderung der Erwerbsfähigkeit führt, nicht überwiegend auf Alterserscheinungen beruhe, so sind die Finanzbehörden daran gebunden. Umgekehrt kann aber auch der Steuerpflichtige, wenn der Amtsarzt eine für ihn ungünstige Feststellung trifft, die Steuerbehörden nicht etwa zwingen, eigene Ermittlungen anzustellen, um zu prüfen, ob die Auffassung des Amtsarztes richtig ist. Der Steuerpflichtige kann nur im Verfahren vor den Gesundheitsbehörden eine überprüfung der Auffassung des Amtsarztes zu erreichen versuchen.

Hat der Amtsarzt in seiner Bescheinigung keine Feststellung zur Frage der Alterserscheinungen getroffen und haben die Finanzbehörden deshalb Bedenken gegen die vorgelegte Bescheinigung, so müssen sie eine Ergänzung in diesem Punkt veranlassen.

Zu der Frage, welche Personen zu den Körperbehinderten im Sinne des § 65 EStDV gehören, tritt der Senat dem Bundesminister der Finanzen darin bei, daß nicht nur durch äußere Einflüsse, wie Kriegsverletzung oder Unfall, sondern auch durch innere Krankheiten erwerbsbeschränkte Personen unter § 65 EStDV fallen, einschließlich der Personen, die unheilbar erkrankt und im Endstadium pflegebedürftig sind. Mit Recht betont der Bundesminister der Finanzen, daß auch diesen Personen erfahrungsgemäß durch ihre Krankheit Aufwendungen entstehen und daß es dem Vereinfachungszweck des § 33 a Abs. 6 EStG (§ 65 EStDV) entspricht, die laufenden und typischen Ausgaben für die Krankheit durch einen Pauschbetrag zu berücksichtigen.

Körperbehinderte erhalten auf Auftrag wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die ihnen unmittelbar infolge ihrer Körperbehinderung erwachsen, einen Pauschbetrag, wenn sie nicht höhere Aufwendungen nachweisen oder glaubhaft machen (§ 65 Abs. 1 Satz 1 EStDV). Grundsätzlich müssen sich die Steuerpflichtigen, die anstelle des Nachweises der steuerlichen berücksichtigungsfähigen Aufwendungen einen Pauschbetrag in Anspruch nehmen können, für eine dieser beiden Möglichkeiten entscheiden. Der Senat hält an der Auffassung fest, da es regelmäßig nicht angängig ist, für einen Teil der Aufwendungen den Einzelnachweis zu führen und für einen anderen Teil die Anwendung des Pauschbetrags zu verlangen.

Dieser Grundsatz ist aber bei der steuerlichen Berücksichtigung der durch eine Körperbeschädigung verursachten Aufwendungen nicht starr anzuwenden. Das ergibt sich aus den Besonderheiten dieser Aufwendungen. Soweit es sich um die laufenden Mehraufwendungen eines Körperbeschädigten handelt, sind die in der Regel nur schwer nachzuweisen. Unbillige Härten können daher nur durch die Anwendung der gesetzlich vorgesehenen Pauschbeträge vermieden werden. Andererseits wäre es aber auch nicht gerechtfertigt, für Krankheitskosten, die nicht mit der Körperbeschädigung, für die ein Pauschbetrag in Betracht kommt, unmittelbar zusammenhängen, bei der Inanspruchnahme der ohnehin nicht sehr hohen Pauschbeträge, durch die Steuerpflichtigen den Einzelnachweis der aus einem anderen Krankheitsgrund erwachsenen Aufwendungen nicht zuzulassen.

Da nur die unmittelbar durch die Körperbehinderung erwachsenen Aufwendungen durch den Pauschbetrag abgegolten werden, müssen Krankheitskosten, die nicht mit dieser Körperbehinderung zusammenhängen, neben dem Pauschbetrag nach § 33 EStG berücksichtigt werden. So sind z. B. bei einem Kriegsbeschädigten, der zu 50 v. H. erwerbsbeschränkt ist, Krankheitskosten, die ihm infolge eines Autounfalls oder einer Zahnbehandlung entstehen, neben dem Pauschbetrag nach § 33 EStG zu berücksichtigen.

Welche Kosten durch den Pauschbetrag abgegolten sind oder neben ihm nach § 33 EStG als Krankheitskosten behandelt werden können, ist zuweilen allerdings schwer abzugrenzen. Mit Recht weist aber der Bundesminister der Finanzen darauf hin, daß mit dem Pauschbetrag nur laufende und typische Kosten, die mit der krankheitsbedingten Erwerbsminderung zusammenhängen, durch den Pauschbetrag abgegolten werden.

Führt man diese Erwägung folgerichtig durch, so bedeutet das, daß auch Ausgaben, die durch einen akuten Anlaß verursacht werden, sich ebenfalls der Typisierung entziehen und nach den Verhältnissen des einzelnen Falles ermittelt und steuerlich berücksichtigt werden müssen. Solche außerordentlichen Kosten sind in der Regel die Kosten einer Operation (Kosten für Arzt, Krankenhausaufenthalt einschließlich der im Krankenhaus verwendeten Medikamente und Heilbehandlungen), auch wenn die Operation mit dem Leiden, das die Erwerbsbeschränkung herbeigeführt hat, zusammenhängt oder wenn sie die Erwerbsbeschränkung erst verursacht hat. Solche Kosten sind darum von den Gesamtkosten auszusondern und nach § 33 EStG zu behandeln. Der Senat hat aus dieser überlegung bereits in den Urteilen VI 297/65 U vom 17. Dezember 1965 (BFH 84, 574, BStBl III 1966, 208) und VI 66/65 vom 28. Januar 1966 (BFH 85, 224, BStBl, III 1966, 291) bei Gehbehinderten, die zur Fortbewegung auf einen Pkw angewiesen sind, die Pkw-Kosten neben dem Pauschbetrag berücksichtigt; er hat nur die anderen, durch die Körperbehinderung typisch entstehenden Kosten mit dem Pauschbetrag angesetzt, vor allem weil den Pauschbetrag auch andere Erwerbsbeschränkte erhalten, die keinen Pkw benützen müssen.

Zu beachten ist schließlich, daß die Pauschbeträge des § 65 EStDV Jahresbeträge sind, wie die Bundesregierung im Abschnitt 194 Abs. 10 der Einkommensteuer-Richtlinien 1960 zutreffend ausführt. Sie dürfen also, wenn die Erwerbsbeschränkung im Laufe des Jahres eingetreten ist oder geendet hat, nicht nur für die Monate gewährt werden, während deren die Erwerbsbeschränkung bestanden hat. Die Rechtslage ist also bei den Pauschbeträgen des § 33 a Abs. 6 EStG (§ 65 EStDV) anders als bei denen nach § 33 a Abs. 1-3 EStG, die nach der gesetzlichen Regelung des § 33 a Abs. 4 auf Monatsbeträge umzurechnen sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424253

BStBl III 1967, 457

BFHE 1967, 407

BFHE 88, 407

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