Entscheidungsstichwort (Thema)

Anschaffungskosten bei Verzicht auf Aufwendungsersatzanspruch

 

Leitsatz (NV)

Der Verzicht auf einen Aufwendungsersatzanspruch führt nur dann zu Anschaffungskosten, wenn ein solcher Anspruch dem Steuerpflichtigen tatsächlich zugestanden hat.

Bei Baumaßnahmen auf einem fremden Grundstück in der begründeten Erwartung, später Eigentümer des Grundstücks zu werden, entsteht ein Aufwendungsersatzanspruch erst dann, wenn feststeht, daß der bezweckte Erfolg (die Eigentumsübertragung) nicht eintritt bzw. in dem Zeitpunkt, in dem feststeht, daß die Bereicherung (mangels Eigentumsübertragung) ungerechtfertigt ist.

 

Normenkette

EStG § 7 Abs. 5, § 10e Abs. 1 S. 4; HGB § 255 Abs. 1 S. 1; BGB § 951 i.V.m. § 812

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute.

Durch notariellen Vertrag vom 14. Dezember 1993 übertrug der Vater der Klägerin dieser eine Teilfläche von 1 800 qm mit Gebäude aus seinem Grundbesitz in L. Auf diesem Grundstück befand sich ein ehemaliges Stallgebäude, das die Kläger bereits zuvor zu zwei Wohnungen um- und ausgebaut hatten. Gemäß II.2. des Vertrages wurden der Grund und Boden und die ursprüngliche Bausubstanz, nämlich der alte Stall, im Wege der vorweggenommenen Erbfolge schenkweise übertragen. Für die an dem Gebäude bereits vorgenommenen Um- und Ausbauarbeiten und Bauleistungen wurde gleichzeitig auf der Grundlage eines Wertgutachtens als Kaufpreis X DM vereinbart. Die Vertragsparteien vereinbarten die Verrechnung des Kaufpreises mit einem in gleicher Höhe bestehenden Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin, den diese gemäß §§812, 951 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gegen den Veräußerer habe.

Eine Wohnung des von der Klägerin erworbenen und errichteten Gebäudes wird von ihr und dem Kläger zu eigenen Wohnzweken genutzt; die andere Wohnung haben die Kläger vermietet.

In ihrer Einkommensteuererklärung legten die Kläger der Berechnung des Abzugsbetrages gemäß §10 e des Einkommensteuergesetzes (EStG) und der Absetzung für Abnutzung (AfA) nach §7 Abs. 5 EStG den notariell vereinbarten Kaufpreis in Höhe von X DM zugrunde. Im Einkommensteuerbescheid vom 13. September 1994 erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) als Bemessungsgrundlage nur die tatsächlich nachgewiesenen Herstellungskosten für den Aus- und Umbau in Höhe von Y DM an. Eigenleistungen der Kläger, die im Wertgutachten berücksichtigt waren, seien nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.

Zur Begründung des hiergegen eingelegten Einspruchs trugen die Kläger vor, die Bemessungsgrundlage sei nach den Grundsätzen des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 31. Dezember 1994 (BStBl I 1994, 887) ermittelt worden. Bei Erwerb gegen Verzicht auf den Aufwendungsersatzanspruch nach §§951, 812 BGB sei der gemeine Wert der Baumaßnahme im Zeitpunkt der Übertragung anzusetzen.

Nach erfolglosem Einspruch erhoben die Kläger Klage, die das Finanzgericht (FG) abwies (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1996, 859), da eine rechtsmißbräuchliche Gestaltung i. S. des §42 der Abgabenordnung (AO 1977) vorliege. Nach der von vornherein getroffenen Abrede sollte die Klägerin das Grundstück unentgeltlich erhalten und das Gebäude auf eigene Kosten aus- und umbauen.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung von §7 Abs. 5 und §10 e EStG sowie §42 AO 1977. Ein Aufwendungsersatzanspruch entstehe auch dann, wenn der Kläger auf eigene Kosten einen Wohnungsanbau errichtet habe und im übrigen unentgeltlich erwerbe. Die Verbindung des Übertragungsvertrages mit dem Kaufvertrag in einer Urkunde und die hierin getroffenen Vereinbarungen zwischen Vater und Tochter seien keine rechtsmißbräuchliche Gestaltung i. S. von §42 AO 1977.

Sie beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und -- unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1993 -- den Abzugsbetrag nach §10 e EStG und die AfA nach §7 Abs. 5 EStG, ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von X DM, zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen (§126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat im Ergebnis zu Recht den im Übertragungsvertrag vereinbarten Aufwendungsersatzanspruch nicht als Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag nach §10 e Abs. 1 EStG und für die AfA nach §7 Abs. 5 EStG berücksichtigt.

1. Gemäß §9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG sind Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die AfA für das angeschaffte Gebäude. Ein Steuerpflichtiger kann die Grundförderung nach §10 e Abs. 1 EStG in Anspruch nehmen, wenn er eine eigengenutzte Wohnung in einem im Inland belegenen eigenen Haus anschafft (§10 e Abs. 1 Satz 4 EStG). Bemessungsgrundlage sind in beiden Fällen die Anschaffungskosten des Gebäudes. Anschaffungskosten sind diejenigen Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen (vgl. §255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches -- HGB --).

2. Durch den im Übertragungsvertrag vom 14. Dezember 1993 ausgesprochenen Verzicht auf einen Aufwendungsersatzanspruch können der Klägerin jedoch schon deshalb keine Anschaffungskosten entstanden sein, weil ihr ein solcher Anspruch, auf den sie hätte verzichten können, nicht zugestanden hat.

Wer infolge der Vorschriften der §§946 bis 950 BGB einen Rechtsverlust erleidet, kann nach §951 Abs. 1 Satz 1 BGB von demjenigen, zu dessen Gunsten die Rechtsänderung eintritt, Vergütung in Geld nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Bei Baumaßnahmen auf einem fremden Grundstück ist der Eigentümer des Grundstücks nur dann ungerechtfertigt bereichert, wenn die Rechtsänderung ohne rechtlichen Grund eingetreten, der rechtliche Grund später entfallen oder der mit der Leistung (den Baumaßnahmen) bezweckte Erfolg weggefallen ist. Wer auf einem fremden Grundstück in der begründeten Erwartung, später Eigentümer des Grundstücks zu werden, Bauarbeiten vornimmt oder vornehmen läßt, hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) einen Bereicherungsanspruch, wenn diese Erwartung später enttäuscht wird (BGH- Urteil vom 12. Juli 1989 VIII ZR 286/88, BGHZ 108, 256, 261, m. w. N.). Der Aufwendungsersatzanspruch entsteht in diesen Fällen erst dann, wenn feststeht, daß der bezweckte Erfolg (die Eigentumsübertragung) nicht eintritt bzw. in dem Zeitpunkt, in dem feststeht, daß die Bereicherung (mangels Eigentumsübertragung) ungerechtfertigt ist (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 11. Dezember 1996 X R 262/93, BFHE 182, 149; vgl. auch Soergel- Mühl, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl., §951 Rz. 17; Hefermehl, in: Ermann, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, §951 Rdnr. 4; Bassenge, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 56. Aufl., §951 Rdnr. 16).

Nach den unangefochtenen Feststellungen des FG sollte die Klägerin das Grundstück unentgeltlich bekommen und das Gebäude auf eigene Kosten aus- und umbauen. Diese Feststellung wird durch den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen den Baumaßnahmen der Kläger und dem Übertragungsvertrag getragen. Sie ist möglich und damit für den erkennenden Senat bindend (vgl. §118 Abs. 2 FGO). Da der Vater der Klägerin dieser das Grundstück erwartungsgemäß übertragen hat, stand der Klägerin ein Aufwendungsersatzanspruch somit nicht zu. Die Tatsache, daß in dem Vertrag vom 14. Dezember 1993 ein Verzicht auf einen Aufwendungsersatzanspruch vereinbart worden ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Allein die vertragliche Vereinbarung eines Anspruches, ohne daß dieser tatsächlich besteht, führt nicht zu Anschaffungskosten.

Die Kläger können sich auch schon deshalb nicht auf Tz. 17, 42 des BMF-Schreibens vom 31. Dezember 1994 (BStBl I 1994, 887) berufen, weil der Klägerin ein Aufwendungsersatzanspruch nicht zugestanden hat. Ob im übrigen die Anspruchsvoraussetzungen des §10 e EStG vorliegen, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, da das FA den Abzugsbetrag nach §10 e EStG für die eigengenutzte Wohnung ausgehend von den tatsächlich nachgewiesenen Herstellungskosten gewährt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66763

BFH/NV 1998, 167

DStRE 1998, 126

HFR 1998, 276

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