Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Wird ein Grundstück gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG wirtschaftlich erworben und ist dieser Erwerb von der Steuer befreit, so ist trotz dieser Steuerfreiheit der nachfolgende rechtliche Erwerb des Grundstücks (ß 1 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG) in vollem Umfang zur Steuer heranzuziehen. Eine solche Besteuerung wird durch § 1 Abs. 5 Satz 3 GrEStG nicht ausgeschlossen. Dem Urteil des Reichsfinanzhofs II 26/42 vom 22. Mai 1944 (Slg. Bd. 54 S. 103) wird beigetreten.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1; GrEStSWG ND 1966 § 1 Nr. 5; GrEStG § 1 Abs. 5

 

Tatbestand

Streitig ist, ob und inwieweit in den Fällen des § 1 Abs. 5 Satz 1 GrEStG die Steuer nachzuerheben ist. Vorausgegangener Erwerbsvorgang war ein Rechtsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG. Nachfolgender Erwerbsvorgang war ein Rechtsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG. Der vorausgegangene Erwerbsvorgang war von der Besteuerung ausgenommen, der nachfolgende Erwerbsvorgang dagegen nicht.

Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Bg. zu 2. war Eigentümer eines in Hamburg belegenen, völlig kriegszerstörten Grundstücks. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 22. Mai 1954 verpachtete er dieses Grundstück für die Dauer von zehn Jahren an den Bg. zu 1., räumte ihm das Recht ein, nach Ablauf der Pachtzeit das Grundstück käuflich zu erwerben, erklärte sich einverstanden, daß auf den dann zu entrichtenden Kaufpreis die Hälfte der bis dahin gezahlten Pachtzinsen in Anrechnung zu bringen sei, machte dem Bg. zu 1. ein entsprechendes Verkaufsangebot, an das er bis zum 31. Mai 1964 gebunden sein sollte, und räumte dasselbe Recht unter bestimmten Voraussetzungen einem Rechtsnachfolger des Pächters ein. In besonderer Urkunde bewilligte er zugunsten des Bg. zu 1. die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des ihm eingeräumten Ankaufsrechts.

Das Finanzamt erblickte in diesem Rechtsvorgang einen Vorgang im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG und zog demgemäß beide Bg. durch Steuerbescheide vom 13. Januar 1955 zur Grunderwerbsteuer heran. Auf den Einspruch des Bf. wurde der Steuerbescheid aufgehoben und den Bg. unter dem 8. Juni 1955 ein förmlicher Freistellungsbescheid erteilt. In diesem Bescheid wurde ausgesprochen, daß der Erwerb auf Grund des § 2 der Verwaltungsanordnung des Hamburger Senats vom 3. Januar / 7. August 1951 (Amtlicher Anzeiger 1951 Nr. 15/167) von der Steuer freigestellt werde.

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 7. Juli 1958 nahm der Bg. zu 1. das Verkaufsangebot vom 22. Mai 1954 ausdrücklich an. Demgemäß wurde das Grundstück zu den Bedingungen verkauft, die im Verkaufsangebot des Bg. zu 2. vom 22. Mai 1954 vorgesehen waren.

Das Finanzamt erblickte in dem Kaufvertrag vom 22. Mai 1954 / 7. Juli 1958 einen Rechtsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG und zog beide Bg. durch Steuerbescheide vom 4. September 1958 als Gesamtschuldner zur Steuer heran. Dabei war es der Auffassung, daß auf den Erwerbsvorgang vom 22. Mai 1954 / 7. Juli 1958 Steuerbefreiungen nicht anwendbar seien. Die Befreiungen nach dem Hamburger Gesetz über Grunderwerbsteuerbefreiungen beim Aufbau der Freien und Hansestadt Hamburg vom 28. Juni 1955 (Hamburgisches GVBl 1955 S. 259, BStBl 1955 II S. 121) seien nicht gegeben, weil das Grundstück bereits bebaut sei, so daß die nach diesem Gesetz erforderlichen Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nicht erfüllt seien. Auch die Tatsache, daß auf den Rechtsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG die Befreiung des § 2 der Verwaltungsanordnung vom 3. Januar / 7. August 1951 anwendbar gewesen sei, könne nicht zur Befreiung von der Grunderwerbsteuer führen, weil diese Anordnung mit dem 1. April 1955 außer Kraft getreten und somit auf den Kaufvertrag vom 22. Mai 1954 / 7. Juli 1958 nicht mehr anwendbar sei.

Der Einspruch war erfolglos. Auf die Berufung wurde die Einspruchsentscheidung aufgehoben und die Steuer auf 156,95 DM festgesetzt. Dabei ging das Finanzgericht davon aus, daß die Besteuerungsgrundlage für den Erwerbsvorgang aus 1954 14.313,60 DM, die Besteuerungsgrundlage für den Erwerbsvorgang aus 1958 dagegen 16.556 DM betrug. Die Steuer wurde demgemäß unter Zugrundelegung des Mehrbetrages von 2.242,40 DM festgesetzt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückweisung der von den Bg. gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts eingelegten Berufung.

Unstreitig ist, daß der Erwerbsvorgang aus 1954 von der Steuer befreit war. Unstreitig ist außerdem, daß aber auf den Erwerbsvorgang aus 1958 eine Steuerbefreiung nicht anwendbar ist. Streitig ist, ob der Umstand, daß der Erwerbsvorgang aus 1954 unter eine Steuerbefreiung fiel, auch bei dem Erwerbsvorgang aus 1958 zu berücksichtigen ist.

Maßgebend für die Beurteilung des Rechtsstreits ist die Vorschrift des § 1 Abs. 5 GrEStG 1940. Diese Vorschrift lautet, soweit es im Streitfall darauf ankommt:

"(5) Ein im Absatz 1 bezeichneter Rechtsvorgang unterliegt der Steuer auch dann, wenn ihm einer der in den Absätzen 2 und 3 bezeichneten Rechtsvorgänge vorausgegangen ist (= Satz 1). ...

Die Steuer wird jedoch nur insoweit erhoben, als beim späteren Rechtsvorgang eine Gegenleistung vereinbart wird, deren Wert den Betrag übersteigt, von dem beim vorausgegangenen Rechtsvorgang die Steuer berechnet worden ist (= Satz 3)."

Die Regelung in § 1 Abs. 5 GrEStG 1940 geht zurück auf die Rechtsprechung zu § 3 GrEStG 1919/1927 (= § 1 Abs. 3 GrEStG 1940) und zu § 6 desselben Gesetzes (= § 1 Abs. 2 GrEStG 1940).

Zu § 6 GrEStG 1919/1927 wird bei Ott, Handbuch des gesamten Grunderwerbsteuerrechts, 4. Auflage, 1936, ausgeführt (S. 194 Anmerkung 8):

"Wie in den Fällen des § 3 tritt keine erneute Steuerpflicht ein, wenn nach Veranlagung aus § 6 das Grundstück auf den wirtschaftlichen Eigentümer zu grundbuchmäßigem Eigentum übertragen wird; die Steuerpflicht des Ersatztatbestandes soll nicht zu einer Doppelbesteuerung führen, wenn der Haupttatbestand nachfolgt (U. 30. 1. 25 II A 889/24 RFH. 15, 223 ....), und zwar auch dann, wenn inzwischen dem Berechtigten nicht mehr die volle wirtschaftliche Macht zustand (U. 11. 3. 30 II A 530/29 StW. 30 Nr. 1269). ...

War beim übergang des rechtlichen Eigentums die Steuer aus § 6 noch nicht festgesetzt, so ist die Steuer nur noch aus §§ 1, 4 zu fordern; für die Steuer aus § 6 ist kein Raum mehr (U. 21. 10. 27 II A 274/27 StW. 27 Nr. 618 ...; U. 5. 8. 30 II A 315/30 StW. 30 Nr. 1270 ...; vorher schon U. 1. 12. 25 II A 602/25 RFH. 18, 7 ..., in dem es noch heißt, daß die Steuer aus §§ 1, 4 erhoben werden "kann"). Die Steuerstelle darf also auch dann nicht auf die Steuer aus § 6 zurückgreifen, wenn der rechtliche Eigentumsübergang steuerfrei bleiben muß, z. B. in der Zwangsversteigerung in Anwendung des § 14 (U. 5. 8. 30 II A 315/30, s. oben). Ebenso kann sich der Pflichtige nicht etwa auf eine Verjährung der Steuer aus § 6 berufen, da das dem auch im Steuerrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben widersprechen würde. ..."

ähnlich äußert sich Ott zu § 3 GrEStG 1919/1927 (a. a. O. S. 158 Anmerkung 17).

Diese Rechtslage wurde bei Schaffung des GrEStG 1940 als unbefriedigend angesehen, weil die Besteuerung der aufeinanderfolgenden Tatbestände weitgehend von Zufälligkeiten abhängig war. Auf die Ausführungen im zweitletzten Absatz der Begründung zu § 1 GrEStG (RStBl 1940 S. 387, 392) wird Bezug genommen. Deshalb wurde eine vom GrEStG 1919/1927 völlig abweichende Regelung getroffen. Wörtlich heißt es im letzten Absatz der Begründung zu § 1 Abs. 5 GrEStG 1940 (RStBl 1940 S. 387, 393):

"Das neue Gesetz sieht eine andere Regelung solcher aufeinanderfolgender Tatbestände vor. Im neuen Gesetz ist Besteuerungsgrundlage grundsätzlich der Wert der Gegenleistung (ß 10 Absatz 1). Es kommt also darauf an, den ganzen Wert der Gegenleistung der Besteuerung zuzuführen. Bei der Aufeinanderfolge von Haupttatbeständen und Ersatztatbeständen wird dieses Ziel dadurch erreicht, daß die Gegenleistung bei dem nachfolgenden Tatbestand insoweit zur Steuer herangezogen wird, als ein entsprechender Wert nicht schon bei dem vorangegangenen Tatbestand mit der Steuer belegt worden ist. Dies ist der Inhalt des § 1 Absatz 5."

Ergänzend bringt die Begründung unter anderem folgendes Beispiel:

"Räumt D. die Verfügungsmacht über sein Grundstück dem E. gegen Zahlung von 70.000 RM ein und überträgt er ihm später das Eigentum an dem Grundstück, wobei E. ausnahmsweise noch eine weitere Zahlung im angenommenen Betrag von 30.000 RM zu leisten hat, so ist für den ersten Rechtsvorgang eine Steuer von dem Betrag von 70.000 RM und für den zweiten Rechtsvorgang eine Steuer von der Gesamtgegenleistung (100.000 RM) abzüglich der 70.000 RM zu erheben (Satz 1 in Verbindung mit Satz 3)."

Beabsichtigt war demnach, die aufeinanderfolgenden Tatbestände gesondert zur Steuer heranzuziehen. Jedoch sollte die Steuer nur einmal von der gesetzlich höchstzulässigen Besteuerungsgrundlage erhoben werden. Darüber, daß beide Tatbestände gesondert zu besteuern sind, siehe auch das Urteil des Senats II 60/56 U vom 24. Oktober 1956 (BStBl 1956 III S. 364, Slg. Bd. 63 S. 433). Solange für den vorausgegangenen und für den nachfolgenden Tatbestand die gleichen Steuersätze gelten, mögen keine Bedenken bestehen, der Einfachheit halber die Steuerbeträge zu vergleichen. Weichen aber die Steuersätze voneinander ab, so ist erforderlich, dem Gesetzeswortlaut gemäß von den Besteuerungsgrundlagen auszugehen und die Besteuerung im Ergebnis einmal nach der höchstzulässigen Besteuerungsgrundlage durchzuführen. Daß die Besteuerungsgrundlage als Vergleichsmaßstab anzusetzen ist, war z. B. auch aus Anlaß der Währungsumstellung von grundlegender Bedeutung. Damals waren sowohl der Vorgang aus der Zeit vor dem 21. Juni 1948 als auch der nachfolgende Vorgang aus der Zeit nach dem 20. Juni 1948 gesondert zu besteuern. Siehe dazu das Berechnungsbeispiel bei Boruttau-Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 6. Auflage, 1960, § 11 Tz. 394.

Andererseits ist nicht lediglich erforderlich, die Besteuerungsgrundlage zu vergleichen. Wie vielmehr die Worte "die Steuer berechnet worden ist" ergeben, ist außerdem notwendig, daß für den vorausgegangenen Vorgang eine Steuer berechnet wurde oder berechnet werden mußte (vgl. auch das vorerwähnte Urteil des Senats II 60/56 U vom 24. Oktober 1956).

In den Fällen, in denen der vorausgegangene Erwerbsvorgang von der Steuer befreit ist, findet eine Steuerberechnung nicht statt. Die Befreiung tritt unmittelbar kraft Gesetzes ein, ohne daß es einer besonderen rechtsbegründend wirkenden Freistellungsverfügung der Finanzverwaltungsbehörden bedarf. Konnte aber eine Steuerberechnung überhaupt nicht stattfinden, so ist auch die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 5 Satz 3 GrEStG ausgeschlossen. Es gilt vielmehr ausschließlich § 1 Abs. 5 Satz 1 GrEStG. Danach ist der nachfolgende Erwerbsvorgang wie jeder andere Erwerbsvorgang zu besteuern.

Für die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung spricht die Fassung des § 1 Abs. 5 Satz 1 GrEStG. Wäre beabsichtigt gewesen, in Fällen, in denen der vorausgegangene Erwerbsvorgang steuerbefreit war, entsprechend der Regelung im § 1 Abs. 5 Satz 3 GrEStG auch den nachfolgenden Erwerbsvorgang nicht zu besteuern, so hätte nicht schlechthin bestimmt werden können, daß sowohl der vorausgegangene als auch der nachfolgende Erwerbsvorgang der Steuer unterliegt; vielmehr wäre eine Einschränkung dahin erforderlich gewesen, daß die Steuerbefreiung des vorausgegangenen Erwerbsvorgangs die Besteuerung des nachfolgenden Erwerbsvorgangs ausschließt.

Die hier vertretene Auffassung hat allerdings zur Folge, worauf das Finanzgericht hinweist, daß durch eine Besteuerung des nachfolgenden Erwerbsvorgangs der Erfolg wieder wettgemacht wird, der durch die Befreiung des vorausgegangenen Erwerbsvorgangs eingetreten war. Ob ein solches Ergebnis aber stets unbillig ist, kann dahingestellt bleiben. Zum Beispiel haben die Ländergesetze über die Grunderwerbsteuerbegünstigung beim Wohnungsbau den Zweck, die Neuschaffung von Wohnungen zu begünstigen. Dagegen entfällt dieser Zweck, wenn der Wohnraum bereits geschaffen ist und erst im Anschluß hieran Eigentum an dem Grund und Boden auf den wirtschaftlich Berechtigten übertragen wird. Im übrigen ist nicht einzusehen, warum die Besteuerung unterbleiben soll, wenn der vorausgegangene Erwerbsvorgang steuerbefreit ist, der nachfolgende Erwerbsvorgang aber nicht, daß die Steuererhebung dagegen gerechtfertigt ist, wenn der vorausgegangene Erwerbsvorgang nicht steuerbefreit war, der nachfolgende Vorgang aber von der Steuer befreit ist. Der Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung erfordert vielmehr, daß beide Fälle im Ergebnis gleichmäßig behandelt werden. Es kann auch nicht anerkannt werden, wie das Finanzgericht meint, daß bei Schaffung des GrEStG 1940 nicht an Fälle der vorliegenden Art gedacht wurde, weil sonst der nachfolgende Vorgang ganz allgemein von der Steuer befreit worden wäre. Bei Neuschaffung des § 1 Abs. 5 GrEStG 1940 waren Rechtsprechung und Schrifttum zu §§ 3 und 6 GrEStG 1919/1940 zweifelsfrei bekannt, zumal schon die Begründung ergibt, daß die Rechtsprechung sehr sorgfältig berücksichtigt wurde. Es kann kein Zweifel obwalten daß dabei auch an Tatbestände der vorliegenden Art gedacht wurde.

Das Wort "berechnet" im § 1 Abs. 5 Satz 3 GrEStG wurde offensichtlich bewußt gewählt, um einwandfrei auszudrücken, daß die Steuer einmal zu erheben und daß nur insoweit, als für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang eine Steuer berechnet wurde, beim nachfolgenden Erwerbsvorgang ein Abzug gestattet sein sollte. Dieser Ausdruck "berechnet" wäre fehl am Platz, wenn beabsichtigt worden wäre, auch in Fällen der vorliegenden Art eine Besteuerung des nachfolgenden Erwerbsvorgangs nicht eintreten zu lassen.

Im gleichen Sinne hat sich bereits der Reichsfinanzhof in einem Urteil II 26/42 vom 22. Mai 1944 (Slg. Bd. 54 S. 103) unter eingehender Begründung ausgesprochen. Das Urteil betraf die Aufeinanderfolge von Tatbeständen im Sinne der §§ 1 Abs. 1 und 1 Abs. 3 GrEStG. Der Reichsfinanzhof entschied, daß trotz der Steuerfreiheit der Anteilsvereinigung der nachfolgende rechtliche Eigentumsübergang des Grundstücks auf den Erwerber nach § 1 Abs. 5 GrEStG im Gegensatz zum GrEStG 1919/1927 in vollem Umfange grunderwerbsteuerpflichtig sei. Der Reichsfinanzhof führte unter anderem aus, daß nach der Gesetzesbegründung zu § 1 GrEStG 1940 (RStBl 1940 S. 387, 393) - siehe oben - die Gegenleistung bei dem nachfolgenden Tatbestand insoweit zur Steuer herangezogen werden solle, als ein entsprechender Wert nicht schon bei dem vorausgegangenen Tatbestand mit der Steuer "belegt" worden sei. Es stehe aber im Streitfall fest, daß für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang der Anteilsvereinigung überhaupt keine Steuer berechnet wurde, weil dieser Rechtsvorgang steuerbefreit war und deshalb mit einer Steuer nicht belegt werden konnte. Es sei hiernach der Eigentumserwerb uneingeschränkt zur Steuer heranzuziehen. Dies entspreche dem aus § 1 Abs. 5 GrEStG 1940 ersichtlichen Willen des Gesetzgebers, für die beiden aufeinanderfolgenden Rechtsvorgänge nur eine Steuer, aber nach der gesetzlich höchstzulässigen Besteuerungsgrundlage zu erheben.

Der Auffassung des Bg. zu 1., daß dieses Urteil auf den Streitfall nicht anwendbar sei, kann nicht zugestimmt werden. Es handelt sich nicht, wie der Bg. zu 1. meint, um einen einheitlichen Erwerbsakt. Der Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2 GrEStG kam bereits am 22. Mai 1954 zustande, während der Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG erst am 7. Juli 1958 eine Steuer auslöste, nämlich an dem Tag, an dem der Bg. zu 1. das Verkaufsangebot vom 22. Mai 1954 annahm. Es mag zutreffen, daß zwischen dem Rechtsvorgang aus 1954 und dem aus 1958 ein wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Andererseits ist der Erwerbsvorgang aus 1958 nicht steuerbefreit, wenn ein späterer Erwerb des Grundstücks nach § 1 Abs. 1 im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 2 GrEStG noch nicht geplant war. Das gleiche muß aber dann gelten, wenn im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 2 lediglich ein Verkaufsangebot vorliegt, zumal auch der Zweck, der dazu geführt hat, den Vorgang nach § 1 Abs. 2 von der Steuer auszunehmen, im Zeitpunkt des Vorgangs nach § 1 Abs. 1 GrEStG nicht mehr gegeben ist.

Nach alledem war die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Berufung der Bg. gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts war als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410213

BStBl III 1961, 519

BFHE 1962, 695

BFHE 73, 695

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