Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Berechnung des Steuerabzugsbetrags bei Kleinunternehmern

 

Leitsatz (NV)

§ 19 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Satz 6 UStG 1980 läßt nach seiner klaren Aussage nicht zu, den Vorsteuerberichtigungsbetrag bei der Berechnung des Steuerabzugsbetrags außer Ansatz zu lassen. Auch eine Beschränkung des Abzugs kommt nach Wortlaut und Sinn von Satz 3 der Vorschrift nicht in Betracht.

Zweck des § 19 Abs. 3 UStG 1980 ist die Verminderung der Zahllast des Kleinunternehmers durch den Steuerabzugsbetrag. Einer solche Verminderung bedarf es dann nicht, wenn der Abzug von Vorsteuerberichtigungsbeträgen bereits zu einer Steuererstattung führt.

 

Normenkette

UStG 1980 §§ 9, 14 Abs. 2-3, §§ 15a, 19 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) errichteten im Rahmen einer Bauherrengemeinschaft eine Eigentumswohnung. Die ihnen 1981 in Rechnung gestellte Vorsteuer betrug 22496,73 DM. Sie vermieteten die Wohnung am 1. August 1981 an eine GmbH und verzichteten gemäß § 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze und gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG 1980 auf die Anwendung des Absatzes 1 dieser Vorschrift. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte das Zwischenmietverhältnis erst nach einer am 4. März 1982 vorgenommenen Vertragsänderung an.

Für das Streitjahr 1982 veranlagte das FA die Kläger wie folgt zur Umsatzsteuer:

Steuer

9558 DM umsatzsteuer-

pflichtige Vermietungs-

entgelte ab März 1982 1242,54 DM

./. Vorsteuerbeträge

gemäß § 15a UStG

(= 10/12 von 2249,67 DM) 1874,70 DM

./. 632,16 DM

./.Steuerabzugsbetrag

gemäß

§ 19 Abs. 3

UStG 1980 -

Umsatzsteuer ./. 632,16 DM

Einspruch und Klage, mit denen die Kläger begehrten, den Vorsteuerbetrag von 1874,70 DM nicht in die Berechnung des Steuerabzugsbetrags einzubeziehen, hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führt im wesentlichen aus, den Klägern stehe zwar dem Grunde nach ein Steuerabzugsbetrag zu. Die Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 Satz 1 und 2 UStG 1980 seien erfüllt. Der Steuerabzugsbetrag belaufe sich aber auf 0 DM. Nach § 19 Abs. 3 Satz 6 UStG 1980 seien die Vorschriften über die Berichtigung des Vorsteuerabzugs (§ 15a) zu berücksichtigen. Dies könne im Hinblick auf Satz 5 des § 19 Abs. 3 UStG 1980, wonach bei der Berechnung des Steuerabzugsbetrags die Steuer nach § 14 Abs. 2 und 3 UStG außer Ansatz bleibe, nur bedeuten, daß zumindest die gemäß § 15a UStG nachträglich zu gewährende Vorsteuer in die Berechnung des Steuerabzugsbetrags einzubeziehen sei. Diese Auffassung werde im Ergebnis fast einhellig in der Literatur und Rechtsprechung vertreten. Der abweichenden Meinung von Ammann (Umsatzsteuer-Rundschau - UStR - 1979, 139), wonach § 16 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980 den Schluß zulasse, daß Beträge nach § 15a UStG ihre Natur als Vorsteuer verlören, könne nicht gefolgt werden. Das ergebe sich daraus, daß bis zum Inkrafttreten des UStG 1980 § 15 Abs. 7 UStG und § 15a UStG nebeneinander gegolten hätten. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. Februar 1988 X R 67/82 (BFHE 152, 564, BStBl II 1988, 622) sei auch die Rückgängigmachung des Vorsteuerabzugs - allerdings in der Höhe beschränkt - in die Berechnung des Steuerabzugsbetrags einzubeziehen. Die Benachteiligung von Kleinunternehmern mit Vorsteuerabzug nach § 15a UStG gegenüber Kleinunternehmern, die für das gleiche Anlagegut den Umsatzsteuerabzug nach § 15 UStG geltend machen könnten, sei durch die unterschiedlichen Sachverhalte bedingt und verstoße nicht gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung des § 19 Abs. 3 UStG 1980. Sie tragen im wesentlichen vor, § 19 Abs. 3 Satz 6 UStG 1980 müsse dahingehend begriffen werden, daß einerseits eine höhere als im System der Vergünstigung vorgesehene Subvention auch dann nicht gewährt werden könne, wenn dies rein rechnerisch aufgrund der Besonderheiten des § 15a UStG zu erreichen wäre; andererseits solle aber die Gewährung der Vergünstigung auch dann nicht durch eine Vorsteuervergütung nach § 15a UStG gehindert werden, wenn dies dem Grundgedanken der Regelung des § 19 Abs. 3 UStG 1980 widerspreche. Der Zweck des § 19 Abs. 3 Satz 6 UStG 1980 könne keinesfalls darin gesehen werden, dem Kleinunternehmer, dem schon ursprünglich der Vorsteuerabzug versagt war, nach einer Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse auch noch die Vergünstigung des Steuerabzugsbetrags abzuschneiden. Die Kürzung bzw. Versagung des Steuerabzugsbetrags aufgrund der Einbeziehung der nachträglichen Vorsteuerabzugsbeträge beinhalte einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Es sei kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, einen Kleinunternehmer im Rahmen des § 19 Abs. 3 UStG 1980 schlechter zu stellen, weil er die nachträgliche Vorsteuervergütung nach § 15a UStG in Anspruch nehmen könne.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Der Senat läßt mangels tatsächlicher Feststellungen des FG offen, ob das von den Klägern vereinbarte Zwischenmietverhältnis umsatzsteuerrechtlich anzuerkennen war (vgl. zum Mißbrauchstatbestand bei Zwischenmietverhältnissen BFH-Urteil vom 12. Mai 1992 V R 12/88, BFHE 168, 468, BStBl II 1992, 931), und ob die Vertragsänderung im Streitjahr als Änderung der Verhältnisse i.S. des § 15a Abs. 1 UStG 1980 zu beurteilen war (vgl. dazu BFH-Urteil vom 3. Dezember 1982 V R 87/90, BFHE 170, 472, BStBl II 1993, 411). Selbst wenn man mit dem FA und dem FG davon ausgeht, daß die Kläger im Streitjahr einen Anspruch auf Vorsteuerberichtigung hatten und die Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 Satz 1 UStG 1980 erfüllten, kann ihr Begehren, einen höheren Erstattungsbetrag festzusetzen, keinen Erfolg haben.

Das FG hat zu Recht in die Berechnung des Steuerabzugsbetrags die nach § 15a Abs. 1 und 2 UStG 1980 abzuziehende Vorsteuer voll einbezogen. Nach § 19 Abs. 3 Satz 3 UStG 1980 berechnet sich der dem Kleinunternehmer zu gewährende Steuerabzugsbetrag nach einem Vomhundertsatz der Steuer, die sich für die Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UStG 1980 nach Abzug der Vorsteuerbeträge und der Kürzungsbeträge, mit Ausnahme der Kürzungsbeträge nach den §§ 1 bis 2 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) ergibt. § 19 Abs. 3 Satz 6 UStG 1980 bestimmt, daß die Vorschriften über die Berichtigung des Vorsteuerabzugs (§ 15a) zu berücksichtigen sind. Der Abzug von nach § 15a UStG zu gewährenden Vorsteuerbeträgen wird bereits von § 19 Abs. 3 Satz 3 UStG 1980 erfaßt. Insoweit kommt Satz 6 der Vorschrift - anders als für die Rückgängigmachung des Vorsteuerabzugs - lediglich klarstellende Bedeutung zu (vgl. BFH-Urteil in BFHE 152, 564, BStBl II 1988, 622).

Bei dem nach § 15a UStG zu gewährenden Berichtigungsbetrag handelt es sich um Vorsteuer i.S. des § 19 Abs. 3 UStG 1980, § 15a UStG ist eine Ergänzungsregelung für den Umfang des Vorsteuerabzugs. Zutreffend weist das FG in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Berichtigung des Vorsteuerabzugs vor Inkrafttreten des UStG 1980 sowohl in § 15 Abs. 7 UStG 1973 wie auch in § 15a UStG 1973 geregelt war.

§ 19 Absatz 3 Satz 3 i.V.m. Satz 6 UStG 1980 läßt nach seiner klaren Aussage nicht zu, den Vorsteuerberichtigungsbetrag in die Berechnung des Steuerabzugsbetrags nicht einzubeziehen. Auch eine Beschränkung des Abzugs - ähnlich der Kappung bei der Zurechnung rückgängig gemachter Vorsteuer (vgl. BFH-Urteile in BFHE 152, 564, BStBl II 1988, 622, und vom 28. Juni 1990 V R 113/87, BFHE 161, 204, BStBl II 1990, 933) - kommt nach Wortlaut und Sinn von Satz 3 der Vorschrift nicht in Betracht. Die von den Klägern begehrte Auslegung des § 19 Abs. 3 UStG 1980 ist mit dem Zweck der Vorschrift nicht vereinbar. Der Steuerabzugsbetrag sollte Nachteile ausgleichen, die sich aus dem Wegfall der bis zum Jahre 1979 für Kleinunternehmer geltenden Bruttoumsatzbesteuerung ergaben, und einen gleitenden Anstieg der Umsatzsteuerbelastung bewirken (BTDrucks 8/1779, S. 46). Bei der Bruttoumsatzbesteuerung gab es keinen Vorsteuerabzug, mithin auch keine Erstattung (vgl. § 19 Abs. 1 UStG 1973). Zweck des § 19 Abs. 3 UStG 1980 ist die Verminderung der Zahllast des Kleinunternehmers durch den Steuerabzugsbetrag. Einer solchen Verminderung bedarf es jedoch dann nicht, wenn - wie im Streitfall - der Abzug von Vorsteuerberichtigungsbeträgen bereits zu einer Steuererstattung führt.

Der Senat vermag schließlich keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz zu erkennen. Daß derjenige nach § 19 Abs. 3 UStG 1980 versteuernde Kleinunternehmer, der die Vorsteuerbeträge im Wege der Berichtigung nach § 15a UStG nachholt, im Ergebnis schlechter steht als derjenige, dem der Vorsteuerabzug nach § 15 UStG zu gewähren ist, beruht auf den unterschiedlichen Rechtsfolgen, die diese Vorschriften an die unterschiedlichen Sachverhalte knüpfen. Ob ein Unternehmer einen Gegenstand von vornherein zur Ausführung nicht vorsteuerabzugsschädlicher Umsätze verwendet oder ob er dies nach abzugschädlicher Verwendung erst in einem der Folgejahre tut, sind verschiedene Sachverhalte, die eine gesetzliche Ungleichbehandlung rechtfertigen (vgl. zum Gleichheitssatz Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Februar 1992 1 BvL 29/87, BVerfGE 85, 238, 245).

 

Fundstellen

Haufe-Index 419305

BFH/NV 1994, 742

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