Entscheidungsstichwort (Thema)

Wertfortschreibung bei Wegfall der Wohnungsbindung

 

Leitsatz (NV)

1. Das Ende der Eigenschaft "öffentlich gefördert" für öffentlich geförderte Wohnungen stellt eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dar, die unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Nr. 1 BewG zu einer Wertfortschreibung führt.

2. Erst nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt eintretende Änderungen des allgemeinen Wertniveaus aufgrund gewandelter allgemeiner politischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Verhältnisse, die sich nicht in das Markt- und Preisniveau des Hauptfeststellungszeitpunkts niederschlagen konnten, haben keinen Einfluß auf die Bewertung eines Wohngrundstücks zum Fortschreibungsstichtag.

Das erst nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 eingeführte Gesetz zur Regelung der Miethöhe (MHG), das für eine Mieterhöhung eine Kappungsgrenze vorsieht, konnte deshalb das allgemeine Markt- und Preisniveau von Wohnungen zum 1. Januar 1964 nicht beeinflussen.

 

Normenkette

BewG § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, §§ 27, 79 Abs. 5; WoBindG 1985 § 16 Abs. 5

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Eigentümer eines Einfamilienhauses. Auf den 1. Januar 1974 hatte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) den Einheitswert für das ursprünglich als Familienheim in der Form des Kaufeigenheims mit öffentlichen Mitteln geförderte Wohngrundstück auf ... DM festgestellt. Im Jahr 1978 zahlte der Kläger die als Landesbaudarlehen bewilligten öffentlichen Mittel vorzeitig freiwillig und vollständig zurück.

Mit Bescheid des FA vom 7. November 1986 wurde der Einheitswert des Wohngrundstücks im Wege der Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1986 auf ... DM festgestellt und der Grundsteuermeßbetrag auf ... DM festgesetzt.

Den dagegen gerichteten Einspruch wies das FA im wesentlichen mit der Begründung zurück, daß nach der vom Amt für Wohnungswesen am 4. Dezember 1986 erteilten Bescheinigung das streitige Familienheim des Klägers nach Rückzahlung der öffentlichen Mittel ab dem 17. Juli 1985 nicht mehr als öffentlich gefördert gelte. Unter Berücksichtigung der Wertgrenzen des Bewertungsgesetzes (BewG) sei deshalb der Einheitswert des Grundstücks des Klägers unter Zugrundelegung der nach den Wertverhältnissen zum 1. Januar 1964 üblichen Miete für frei finanzierten Wohnraum auf den 1. Januar 1986 fortzuschreiben gewesen.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Aufhebung des Wertfortschreibungs- und Grundsteuermeßbescheids vom 7. November 1986. § 16 Abs. 5 des Wohnungsbindungsgesetzes (WoBindG) i. d. F. des Gesetzes zur Vereinfachung wohnungsrechtlicher Vorschriften vom 11. Juli 1985 -- WoBindG 1985 -- (BGBl I 1985, 1277, BStBl I 1985, 498) habe nicht zur Folge, daß für sein Wohngrundstück die Eigenschaft der öffentlichen Förderung am 17. Juli 1985 geendet habe. Denn diese Rechtsfolge gelte nur für eigengenutzte, nicht für vermietete Wohnungen. Er habe aber sein Wohnhaus an seine Tochter vermietet.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Die Eigenschaft "öffentlich gefördert" sei für das Einfamilienhaus des Klägers ab dem 17. Juli 1985 nach § 16 Abs. 5 WoBindG 1985 durch die vorzeitige Rückzahlung der Landesbaudarlehen weggefallen, weil die Wohnung in dem Eigenheim des Klägers zum Bewohnen durch den Eigentümer oder dessen Angehörige bestimmt gewesen sei. Daran ändere nichts, daß der Kläger und seine Tochter einen Mietvertrag geschlossen hätten. Denn die Wohnung in dem Eigenheim des Klägers sei von der Tochter bestimmungsgemäß zum Bewohnen genutzt worden. Die Vermietung sei deshalb kein Hinderungsgrund, der dem Wegfall der Eigenschaft "öffentlich gefördert" entgehenstehe.

Zur Begründung der Revision führt der Kläger aus, daß entgegen der Auffassung des FG mit dem Wegfall der Eigenschaft der öffentlichen Förderung sich kein anderer Grundstückswert ergäbe. Denn die Miete für öffentlich geförderten Wohnraum (Kostenmiete) könne nach dem Wegfall der öffentlichen Förderung nicht an die Marktmiete angeglichen werden, sondern dürfe lediglich nach Ablauf der Mietpreisbindung unter Berücksichtigung der Kappungsgrenze des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe (MHG) um 30 v. H. erhöht werden. Deshalb habe er für das an seine Tochter vermietete Wohnhaus nicht die in dem angefochtenen Wertfortschreibungsbescheid unterstellte Jahresrohmiete verlangen können.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß die nach Wegfall der öffentlichen Förderung für das Wohngrundstück des Klägers erforderliche Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1986 ohne Berücksichtigung der sich aus dem MHG ergebenden Beschränkungen für Mietpreissteigerungen zu erfolgen hat.

1. Nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 BewG wird wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse beim Grundbesitz der Einheitswert bei Erreichen der näher bezeichneten Wertgrenzen neu festgestellt.

a) Zutreffend geht das FG zunächst davon aus, daß das Ende der Eigenschaft "öffentlich gefördert" für öffentlich geförderte Wohnungen eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse darstellt, die nach den Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Nr. 1 BewG zu einer Wertfortschreibung führt. Da bei der Bewertung eines Grundstücks im Ertragswertverfahren der Grundstückswert durch Anwendung eines Vervielfältigers auf die Jahresrohmiete (unter Berücksichtigung der §§ 81 und 82 BewG) ermittelt wird (vgl. § 78 Satz 2 BewG), gehören zu den wertbestimmenden tatsächlichen Verhältnissen auch die die zulässige Miete beeinflussenden rechtlichen Eigenschaften (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 18. Dezember 1985 II R 229/83, BFHE 146, 95, BStBl II 1986, 445).

b) aa) Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 WoBindG in der für den Zeitpunkt der Rückzahlung der Fördermittel maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 1974 -- WoBindG 1974 -- (BGBl I 1974, 137) gilt eine eigengenutzte Wohnung in einem Eigenheim oder Kaufeigenheim bei freiwilliger vorzeitiger und vollständiger Rückzahlung der öffentlichen Darlehen lediglich bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung als öffentlich gefördert. Eigenheim im Sinne des WoBindG (vgl. § 100 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes -- II. WoBauG --) ist ein im Eigentum einer natürlichen Person stehendes Grundstück mit einem Wohngebäude, das nicht mehr als zwei Wohnungen enthält, von denen eine Wohnung zum Bewohnen durch den Eigentümer oder seine Angehörigen bestimmt ist (§ 9 Abs. 1 II. WoBauG). Für den Wegfall der Wohnungsbindung i. S. § 16 Abs. 1 Satz 2 WoBindG 1974 ist daher die tatsächliche Nutzung durch den Eigentümer oder seine Angehörigen erforderlich.

Im Zeitpunkt der Rückzahlung der öffentlichen Mittel wurde die Wohnung des Klägers von seiner Tochter, die zu der Personengruppe der Angehörigen zählt (vgl. § 8 Abs. 2 II. WoBauG), genutzt.

Im Hinblick darauf, daß -- wovon die Vorentscheidung ausgeht -- die Wohnung gleichzeitig auch an die Tochter des Klägers vermietet war, kann der erkennende Senat offenlassen, ob die Wohnungsbindung bereits im Jahr 1978 mit der Rückzahlung der Förderungsmittel gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 WoBindG 1974 endete. Denn diese ist auf jeden Fall nach der später neugefaßten Regelung des § 16 Abs. 5 Satz 1 WoBindG 1985 am 16. Juli 1985 ausgelaufen.

bb) Nach § 16 Abs. 5 Satz 1 WoBindG 1985 gilt ein Eigenheim, für das die als Darlehen bewilligten öffentlichen Mittel ohne rechtliche Verpflichtung vorzeitig vollständig vor dem 17. Juli 1985 zurückgezahlt worden sind, längstens bis zum 16. Juli 1985 als öffentlich gefördert. Diese Vorschrift stellt ihrem Wortlaut nach nicht auf die tatsächliche Eigennutzung ab. Vielmehr ist nur maßgebend, ob die geförderte Wohnung im Zeitpunkt der Darlehensrückzahlung die Eigenschaft als Eigenheim besaß (vgl. Bellinger in Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Wohnungsbaurecht, Bd. 3, § 16 WoBindG Anm. 8.3 unter Nr. 6.).

Dies ist hier der Fall. Denn das Wohnhaus war, wie sich aus der Nutzung durch die Tochter des Klägers ergibt, zum Bewohnen durch den Eigentümer oder seine Angehörigen, zu denen die Tochter gehört (§ 8 Abs. 2 II. WoBauG), bestimmt (vgl. § 9 Abs. 1 II. WoBauG).

2. Das FA, das von dem Wegfall der Wohnungsbindung im Jahr 1985 ausgegangen ist, konnte die infolge der Änderung der Verhältnisse erforderliche Wertfortschreibung auch dann noch auf den 1. Januar 1986 vornehmen, wenn -- was der Senat offen läßt -- die Wohnungsbindung bereits im Jahr 1978 weggefallen wäre. Zwar ist Fortschreibungszeitpunkt bei einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse grundsätzlich der Beginn des Kalenderjahres, das auf die Änderung folgt (vgl. § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BewG).

Das FA kann jedoch eine Fortschreibung auch noch zu einem späteren Zeitpunkt vornehmen, wie sich aus § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 BewG i. V. m. § 21 Abs. 3 BewG ergibt.

3. a) Der Wegfall der Wohnungsbindung hat zur Folge, daß die mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnungen aus der Mietpreisbindung fallen und mietpreisrechtlich zu freifinanzierten Wohnungen werden (BFH in BFHE 146, 95, BStBl II 1986, 445). Ausgangspunkt für die Wertermittlung im Zuge einer dadurch erforderlichen Wertfortschreibung ist zur Sicherstellung einer gleichmäßigen Bewertung die übliche Miete im Hauptfeststellungszeitpunkt (§ 79 Abs. 5 i. V. m. § 27 BewG). Erst nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt eintretende Änderungen des allgemeinen Wertniveaus aufgrund gewandelter allgemeiner politischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Verhältnisse, die sich nicht in das Markt- und Preisniveau des Hauptfeststellungszeitpunkts niederschlagen konnten, haben keinen Einfluß auf die Bewertung des Wohngrundstücks zum Fortschreibungsstichtag (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juli 1989 II R 65/86, BFHE 158, 87, BStBl II 1990, 147).

b) Das MHG, das für eine Mieterhöhung eine Kappungsgrenze von 30 v. H. vorsieht, wurde erst nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 durch Art. 3 des Zweiten Gesetzes über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum vom 18. Dezember 1974 (BGBl I 1974, 3603) eingeführt. Die Beschränkungen des MHG konnten daher das allgemeine Markt- und Preisniveau von Wohnungen zum 1. Januar 1964 nicht beeinflussen. Sie müssen deshalb -- entgegen der Auffassung der Revision -- bei der hier streitigen Bewertung außer Betracht bleiben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 423538

BFH/NV 1996, 458

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