Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Wird ein Wirtschaftsgut, das zum Betriebsvermögen des Gesellschafters einer OHG gehörte, nach der Auflösung der OHG von ihm veräußert, so ist die Veräußerung in aller Regel noch ein betrieblicher Vorgang, zumal, wenn die Zeitspanne zwischen der Auflösung der OHG und der Veräußerung nur gering ist.

EStG §§ 15, 16, 23.

 

Normenkette

EStG § 15 Nr. 2, § 16/1, § 16/2, § 23/1/1/a

 

Tatbestand

Der Bf. und Frau D. haben in der Form einer OHG ein Einzelhandelsgeschäft betrieben. Die Gesellschaft ist Ende 1953 aufgelöst worden.

Der Bf. hatte der Gesellschaft einen Lagerschuppen vermietet, den er aus eigenen Mitteln auf einem der Bundesbahn gehörenden Grundstück errichtet hatte. Das Grundstück hatte der Ehemann der Gesellschafterin gepachtet. Bei der Auflösung der Gesellschaft schloß der Bf. mit dem Ehemann der Gesellschafterin einen notariellen Vertrag, nach dem der Ehemann "seine Rechte an dem Lagerschuppen" an den Bf. abtrat und dieser hierdurch "Neuer Eigentümer des Schuppens" und "neuer Pächter des Grundstücks" werden sollte. Als Abfindung hatte der Bf. 4.000 DM zu zahlen. Er wurde vom Finanzamt zu einer Grunderwerbsteuer von 140 DM herangezogen. Am 21. Januar 1954 verkaufte er den Lagerschuppen für 17.500 DM.

Bei der Einkommensteuerveranlagung 1954 setzte das Finanzamt einen Spekulationsgewinn an. Hierbei ging es von der Auffassung aus, daß der Bf. den ihm von vornherein gehörenden und damit zum Betriebsvermögen der OHG zu rechnenden Lagerschuppen bei der Auflösung der OHG in sein Privatvermögen übernommen habe und daß diese Übernahme einer Anschaffung im Sinne von § 23 EStG gleichstehe. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht setzte die Einkommensteuer herab. Es nahm zwar mit dem Finanzamt einen Spekulationsgewinn an, berechnete ihn aber geringer. Daß als Anschaffungskosten nur der mit 7.200 DM ermittelte Buchwert des Schuppens und nicht der vom Bf. geltend gemachte Teilwert von 12.000 DM angesetzt werden könne, begründete das Finanzgericht damit, daß bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1953 ein Entnahmegewinn weder vom Bf. erklärt noch vom Finanzamt festgestellt worden sei.

Mit seiner Rb. rügt der Bf. unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Nach seiner Ansicht entbehrt die der herrschenden Meinung entsprechende Auffassung des Finanzgerichts, daß die Entnahme eine Anschaffung im Sinne des § 23 EStG sei, der Rechtsgrundlage. Selbst wenn man aber mit dem Finanzgericht eine Anschaffung annehme, könne als Anschaffungskosten nicht lediglich der Buchwert angesetzt werden. Maßgebend sei dann vielmehr der Teilwert, der nach dem von ihm vorgelegten Gutachten zur Zeit der Entnahme rd. 12.000 DM betragen habe. Unter Zugrundelegung dieses Entnahmegewinns komme eine Berichtigung der einheitlichen Gewinnfeststellung für 1953 nicht in Betracht, weil der Veräußerungsgewinn unter Berücksichtigung seines Kapitalkontos nur 5.808 DM betrage und daher unter der Freigrenze des § 16 EStG bleibe. Als Spekulationsgewinn bleibe dann für 1954 nur ein Betrag von (17.500 ./. 12.000 ./. 4.192 =) 1.308 DM übrig.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. muß, wenn auch aus anderen Gründen, zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.

Mit den Vorinstanzen ist davon auszugehen, daß der vom Bf. errichtete und an die OHG "verpachtete" Lagerschuppen von vornherein im Eigentum des Bf. stand und zu dessen Betriebsvermögen gehörte. Wenn der der Auseinandersetzung dienende Vertrag zwischen dem Bf. und dem Ehemann der Gesellschafterin den Bf. als "neuen" Eigentümer bezeichnete, so beruhte das offenbar auf einem Irrtum.

Die Streitfrage, ob die Entnahme eines Wirtschaftsguts aus einem Betrieb oder die bei der Auflösung eines Betriebs erfolgende Überführung in das Privatvermögen eine "Anschaffung" im Sinne des § 23 Abs. 1 EStG ist, kann hier dahingestellt bleiben. Denn hier war die Veräußerung des Schuppens ein noch in den "Gewerbebetrieb" des Bf. als Mitunternehmer der OHG (§ 15 Ziff. 2 EStG) fallendes Geschäft. Wie das Finanzgericht mit Recht hervorgehoben hat, sagen die von dem Bf. für die Gewinnfeststellung 1953 dem Finanzamt gegenüber abgegebenen Erklärungen nichts davon, daß der Schuppen aus dem Betrieb entnommen oder anläßlich der Auflösung in das Privatvermögen überführt worden sei. Er gehörte vielmehr nach wie vor zum Betriebsvermögen des Bf. Seine Veräußerung war also ein der Abwicklung der Mitunternehmerschaft des Bf. dienender betrieblicher Vorgang, dessen Erlös gemäß § 15 EStG im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erfassen war (vgl. auch das Urteil des Bundesfinanzhofs I 294/56 U vom 10. September 1957, BStBl 1957 III S. 414, Slg. Bd. 65 S. 468). Diese Beurteilung ist um so mehr angebracht, als die Zeitspanne zwischen der Auflösung der OHG und der Veräußerung des Schuppens nur gering war.

Das angefochtene Urteil war danach aufzuheben. Die nichtspruchreife Sache wird an das Finanzgericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424888

BStBl III 1964, 45

BFHE 1964, 110

BFHE 78, 110

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