Leitsatz (amtlich)

Die Gewährung einer Aussteuer an eine minderjährige Tochter kann ausnahmsweise zwangsläufig i. S. von § 33 Abs. 1 EStG sein, wenn die Tochter eine begonnene Berufsausbildung nach ihrer Heirat und nach der Geburt eines Kindes auf Veranlassung ihrer Eltern abbricht.

 

Normenkette

EStG 1971 § 33 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) gewährte seiner Tochter im Streitjahr 1973 anläßlich ihrer Heirat eine Aussteuer in Höhe von 7 654,55 DM.

Seine im Jahre 1954 geborene Tochter hatte am 1. August 1971 eine kaufmännische Lehre begonnen. Der Lehrvertrag war auf drei Jahre abgeschlossen. Im März 1973 heiratete die Tochter, da sie ein Kind erwartete. Nach der Geburt des Kindes löste sie auf Veranlassung des Klägers das Lehrverhältnis mit Ablauf des Mutterschutzes am 18. September 1973. Der Kläger gab an, er habe entschieden, daß die Tochter die Berufsausbildung abbrechen und sich dem Kind widmen solle.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ die Aussteueraufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung zum Abzug zu. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte aus:

Der Kläger habe seiner Tochter eine kaufmännische Lehre ermöglicht und damit seine bürgerlich-rechtliche Pflicht erfüllt, die Tochter für einen Beruf ausbilden zu lassen. Da er die vorzeitige Beendigung des Lehrverhältnisses nicht verschuldet habe, sei er sittlich nicht verpflichtet, seiner Tochter eine Aussteuer zu gewähren. Seine Entscheidung, die Tochter solle mit der Geburt des Kindes ihr Lehrverhältnis aufgeben, sei keine Pflichtwidrigkeit, sondern Fürsorge für Tochter und Enkelkind.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Nach § 33 Abs. 1 EStG kann die Einkommensteuer ermäßigt werden, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen sind in diesem Sinne zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Töchter haben gegenüber ihren Eltern keinen Rechtsanspruch auf Gewährung einer Aussteuer. Daher können Aussteueraufwendungen nur dann als zwangsläufig i. S. von § 33 EStG angesehen werden, wenn die Eltern zu einer solchen Zuwendung ausnahmsweise, z. B. aus sittlichen Gründen, verpflichtet sind. Das kann z. B. der Fall sein, wenn die Eltern ihrer bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflicht (§ 1610 Abs. 2 BGB), zu der auch die Ausbildung für einen Beruf zu rechnen ist, nicht in ausreichendem Maße nachgekommen sind (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 16. August 1967 VI 170/65, BFHE 89, 447, BStBl III 1967, 700; vom 17. Mai 1974 VI R 21/72, BFHE 112, 387, BStBl II 1974, 519; vom 31. Januar 1975 VI R 70/72, BFHE 115, 213, BStBl II 1975, 440). Dies trifft für den Streitfall zu.

Der Beurteilung des FG, daß der Kläger seine bürgerlich-rechtliche Pflicht gegenüber der Tochter zur Gewährung einer Berufsausbildung erfüllt habe, vermag der Senat nicht zu folgen. Zwar hat der Kläger zunächst versucht, dieser Verpflichtung nachzukommen. Die Schwangerschaft der Tochter veranlaßte ihn jedoch, seine Entscheidung zu ändern. Damit trug er die Verantwortung dafür, daß seine nach damaligem Recht noch minderjährige Tochter ihre Berufsausbildung nicht beendete. Er war sich darüber im klaren, daß die Tochter mit den bis zur Auflösung des Lehrverhältnisses erworbenen Kenntnissen voraussichtlich nicht in der Lage sein würde, in dem angestrebten Beruf ihren Unterhalt zu verdienen. Daraus ergab sich für ihn die sittliche Verpflichtung, seine Tochter bei der Gründung des Hausstandes finanziell zu unterstützen.

In dem Urteil VI R 70/72 hat der Senat eine sittliche Verpflichtung der Eltern, ihrer Tochter eine Aussteuer zu gewähren, dann abgelehnt, wenn die Eltern ihrem Kind die Möglichkeit eröffnet haben, sich das für die Ausübung eines Berufs erforderliche Wissen anzueignen, und wenn dieses Ziel nur infolge ungenügender Leistung des Kindes nicht in dem von den Eltern gewollten Maß erreicht wird. Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt dem Streitfall jedoch nicht zugrunde. Hier wirkte der Kläger selbst darauf hin, daß seine minderjährige Tochter das Lehrverhältnis vorzeitig beendete, da ein zwangsläufiges Ereignis dem ordnungsgemäßen Abschluß der Berufsausbildung entgegenstand.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72823

BStBl II 1978, 543

BFHE 1979, 269

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