Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Unter § 23 EStG kann auch die Veräußerung eines Grundstücks fallen, das zum Betriebsvermögen eines Land- und Forstwirts gehört.

Eine Veräußerung unter Zwang fällt nicht unter § 23 EStG, wenn sie wegen alsbaldiger Anschaffung eines Ersatzwirtschaftsguts nicht zu einer Gewinnverwirklichung führt.

 

Normenkette

EStG § 23

 

Tatbestand

Die Ehefrau des Bf., eines Landwirts, hat während der Verlobungszeit am 8. September 1953 ein landwirtschaftliches Gut zum Preise von 350.000 DM gekauft. Ein Teil des Gutes ist im Rahmen des Landbeschaffungsverfahrens für die Ansiedlung eines Werkes an die Stadt B. am 28. März 1955 für 99.483 DM wieder verkauft worden. Das Finanzamt behandelte die Veräußerung als ein Spekulationsgeschäft im Sinne der §§ 22 Ziff. 2, 23 EStG. Der Einspruch und die Berufung blieben erfolglos.

Mit seiner Rb. rügt der Bf. unrichtige Rechtsanwendung. Er macht geltend, es liege kein unter § 23 EStG fallendes Veräußerungsgeschäft vor. Die Veräußerung sei, weil die Enteignung gedroht hätte, nicht freiwillig erfolgt. Seine Ehefrau habe sich zwar zu einem Verkauf im Wege eines Vergleichs bereitgefunden; das rechtfertige aber nicht die Annahme eines freiwilligen Verkaufs. Ein Verkauf, zu dem sich der Steuerpflichtige nicht freiwillig entschlossen habe, sei begrifflich kein Spekulationsgeschäft. Würde man die zur Vermeidung einer Enteignung abgeschlossenen Veräußerungen unter § 23 EStG rechnen, so würde das Art. 14 des Grundgesetzes widersprechen. Wesentlich sei auch, daß das Gut aus Aussteuermitteln seiner Ehefrau erworben worden sei. Der Erwerb des Gutes sei, weil dafür Aussteuermittel aufgewandt worden seien, kein entgeltliches Anschaffungsgeschäft im Sinne des § 23 EStG gewesen. Mindestens handle es sich aber um ein nach §§ 14, 34 Abs. 1 und 2 EStG begünstigtes Veräußerungsgeschäft.

Der Bundesminister der Finanzen ist dem Rechtsbeschwerdeverfahren gemäß § 287 Ziff. 2 AO beigetreten. Er ist der Auffassung, Einkünfte im Sinne des § 22 Ziff. 2 in Verbindung mit § 23 EStG lägen auch vor, wenn das veräußerte Grundstück zum Betriebsvermögen eines Landwirts gehöre und das Grundstück veräußert worden sei, weil eine Enteignung gedroht habe. Es sei zwar eine Veräußerung unter Zwang ausnahmsweise dann kein Spekulationsgeschäft im Sinne des § 23 EStG, wenn wegen der alsbaldigen Anschaffung eines Ersatzwirtschaftsguts kein Gewinnverwirklichung eingetreten sei (Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 1/37 vom 20. Januar 1937, RStBl 1937 S. 794, und das Urteil des Bundesfinanzhofs VI 107/60 U vom 5. Mai 1961, BStBl 1961 III S. 385, Slg. Bd. 73 S. 326). Aber auch in diesen Ausnahmefällen dürfe das veräußerte Grundstück nicht etwa nur im Hinblick auf das Enteignungsverfahren erworben worden sein. Der Streitfall sei eine solche Ausnahme schon deswegen nicht, weil der Veräußerungserlös nicht zur Anschaffung eines Ersatzwirtschaftsgutes verwendet worden sei.

Der Bf. hält einen solchen Ausnahmefall doch für gegeben. Der Erlös von rund 90.000 DM sei, so macht er geltend, zunächst zur Abdeckung eines Verlustes des Wirtschaftsjahres 1954/1955 in Höhe von 43.000 DM verwendet worden. Es sei eine wirtschaftlich sinnvolle Maßnahme, wenn der Betrag, anstatt dafür ein Ersatzwirtschaftsgut anzuschaffen, zur Entschuldung des Gutes verwendet worden sei. Dem habe auch das Finanzamt Rechnung getragen, indem es den Erlös von 90.000 DM nur mit 50.000 DM zur Einkommensteuer herangezogen habe. Diese 50.000 DM seien mit 17.000 DM zur Begleichung der auf den Erlös entfallenden, vom Finanzamt nicht mehr gestundeten Einkommensteuer, mit 22.000 DM zum Ankauf von Vieh, mit 6.000 DM zum Erwerb eines Schleppers und mit 3.000 DM für den Ausbau eines Stalles verwendet worden. Demnach sei der gesamte Erlös wieder dem Betrieb zugute gekommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Das Finanzgericht und der Bundesminister der Finanzen nehmen an, daß die Tatsache, daß das veräußerte Grundstück zu einem landwirtschaftlichen Betrieb und damit zum Betriebsvermögen gehörte (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 299/53 U vom 30. September 1954, BStBl 1954 III S. 367, Slg. Bd. 59 S. 407), der Erfassung des Veräußerungserlös durch § 23 EStG nicht entgegenstehe. Dem ist zuzustimmen. Nach § 23 Abs. 3 EStG liegen Spekulationsgeschäfte nicht vor, wenn Wirtschaftsgüter veräußert werden, deren Wert bei Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Ziff. 1 bis 6 EStG anzusetzen ist. Der Ansatz ist aber durch § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG bei der Ermittlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für den "Wert des Grund und Bodens, der zum Anlagevermögen gehört", ausgeschlossen. Der Sinn dieser Vorschrift besteht darin, den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft unter Außerachtlassung von Schwankungen des Werts des land- und forstwirtschaftlich genutzten Grund und Bodens und ohne Rücksicht auf etwaige Gewinne und Verluste aus dessen Veräußerung zu ermitteln (vgl. die Begründung zu § 4 EStG 1934, RStBl 1935 S. 33, und Becker, "Die Grundlagen der Einkommensteuer", 1940 S. 447). Ein Land- und Forstwirt braucht also - ebensowenig wie Steuerpflichtige, zu deren Privatvermögen Grundstücke gehören - den aus der Veräußerung des Grund und Bodens sich ergebenden Gewinn normalerweise nicht zu versteuern. Er muß aber wie diese Steuerpflichtigen den Spekulationsgewinn im Sinne des § 23 EStG versteuern.

Dem Bundesminister der Finanzen ist auch darin zuzustimmen, daß es für die Erfassung eines Spekulationsgewinns im Sinne des § 23 EStG - wie übrigens auch für die Erfassung einer Veräußerung im Rahmen der anderen Einkunftsarten - unerheblich ist, ob die Veräußerung unter Zwang geschieht. Das Gesetz spricht zwar von "Spekulationsgeschäft". Hierbei handelt es sich aber um eine überkommene Bezeichnung. Die heutige Regelung fordert keine Spekulationsabsicht, sondern stellt nur darauf ab, ob die Anschaffung und die Veräußerung innerhalb bestimmter Fristen liegen. Ob eine Enteignung eine Veräußerung oder einer solchen gleichzusetzen ist, kann dahingestellt bleiben; denn hier liegt eine Veräußerung vor, wenngleich sie zur Abwendung einer Enteignung geschehen sein mag. Für eine Veräußerung ist es unerheblich, ob sie auf freiem Willensentschluß beruht. Diese dem Wortlaut der §§ 22 Ziff. 2, 23 EStG entsprechende Auslegung widerspricht auch nicht dem Zweck des Gesetzes oder führt zu einem unvernünftigen Ergebnis. Würde man die wegen einer drohenden Enteignung vorgenommene Veräußerung nicht unter §§ 22 Ziff. 2, 23 EStG fallen lassen, so müßte das auch in anderen Fällen einwandfreier Zwangslagen, z. B. im Falle einer Versetzung oder einer Versteigerung, geschehen. Das aber liefe auf den nach dem Gesetz nicht erforderlichen Nachweis einer Spekulationsabsicht hinaus.

Allerdings kann der Grundsatz, das auch eine Veräußerung unter Zwang unter § 23 EStG fällt, nicht ausnahmslos gelten. Unter Zwang erfolgte Veräußerungen führen auch im Rahmen der Gewinnermittlung nach §§ 4 und 5 EStG nicht zu einer Versteuerung, wenn wegen der Anschaffung eines Ersatzwirtschaftsguts keine Gewinnverwirklichung eingetreten ist (vgl. Abschn. 35 Abs. 2 und 3 EStR und die dort angeführte Rechtsprechung). Das muß sinngemäß auch für § 23 EStG gelten. Auch § 23 EStG greift, weil sonst ein sinn- und systemwidriges Ergebnis erzielt würde, dann nicht ein, wenn eine unter Zwang erfolgte Veräußerung wegen Anschaffung eines Ersatzwirtschaftsguts nicht zu einer Gewinnverwirklichung geführt hat. Zu der Frage, innerhalb welcher Frist die Ersatzbeschaffung gemacht werden muß, siehe Abschn. 35 Abs. 6 EStR 1960 und die dort angeführte Rechtsprechung. Ob dies auch für den von dem Bundesminister der Finanzen herausgestellten Sonderfall der Veräußerung eines in Erwartung der Enteignung angeschafften Grundstücks gilt, ist schon deshalb zu verneinen, weil eine in Rechnung gestellte Enteignung in der Regel nicht als "Zwang" zu werten ist. Für den Streitfall spielt diese Frage jedoch keine Rolle. Wenn auch das Verlobungsgut der Ehefrau des Bf. nicht etwa in Erwartung der Enteignung angeschafft worden ist, so sind hier doch die Voraussetzungen für die (ausnahmsweise) Nichtanwendung des § 23 EStG schon deswegen nicht erfüllt, weil der Erlös nicht zur Anschaffung eines Ersatzwirtschaftsguts verwendet worden ist. Ersatzwirtschaftsgut ist nur ein Wirtschaftsgut, das die Funktionen des ausgeschiedenen erfüllt. Das wäre hier ein anderer Grund und Boden. Die Anschaffungen und Schuldabdeckungen, zu denen der Bf. nach seiner Angabe den Erlös verwendet hat, waren keine Anschaffung eines "Ersatzwirtschaftsguts". Unerheblich ist, ob sie wirtschaftlich sinnvoll waren und dem Betrieb zugute gekommen sind.

Die Bf. verneinen zu Unrecht ein Anschaffungsgeschäft. Es ist zwar richtig, daß Anfälle auf Grund einer Erbschaft oder Schenkung keine "Anschaffung" im Sinne des § 23 EStG sind. Hieraus folgt aber nicht, daß eine Anschaffung unter Verwendung ererbter oder geschenkter Mittel ebenfalls keine "Anschaffung" wäre. Der Erwerb eines Grundstücks durch Erbschaft oder Schenkung und der Erwerb eines Grundstücks durch Kauf, sind verschiedene Sachverhalte, auch wenn das zum Kauf verwendete Geld aus einer Erbschaft oder Schenkung stammt. Etwas anderes gilt auch nicht, wenn das verwendete Geld aus einer Aussteuer stammt.

Das Finanzgericht führt zutreffend aus, daß die Anwendung des § 23 EStG auch nicht dadurch in Frage gestellt werde, daß die Bf. und die Stadt angenommen haben, es handle sich um eine unter § 14 EStG fallende und somit nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG tarifbegünstigte Veräußerung. Es liegt weder die Veräußerung des landwirtschaftlichen Betriebs im ganzen noch die Veräußerung eines Teilbetriebs vor, abgesehen davon, daß der reine Grund und Boden, wie ausgeführt, bei einem landwirtschaftlichen Betrieb nach § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG für die Gewinnermittlung "außer Ansatz" bleibt, seine Veräußerung also, wenn die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 EStG erfüllt sind, nur unter diese Vorschrift fällt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410504

BStBl III 1962, 387

BFHE 1963, 330

BFHE 75, 330

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