Entscheidungsstichwort (Thema)

Zweigniederlassung eines Güterfernverkehrsunternehmens als Teilbetrieb

 

Leitsatz (NV)

Bei einem Güterfernverkehrsunternehmen wird der örtliche Wirkungsbereich wesentlich von dem Standort des Unternehmens bestimmt. Daher ist eine Niederlassung, wenn sie ausreichend mit Personal und Fahrzeugen ausgestattet ist und sie einen ausreichend abgegrenzten Kundenkreis hat, als Teilbetrieb anzuerkennen. Die zur Teilbetriebseigenschaft einer Einzelhandelsfiliale aufgestellten Grundsätze sind nicht anzuwenden.

 

Normenkette

EStG § 16 Abs. 1 Nr. 1; GüKG § 6 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt ein Speditions- und Güterfernverkehrsunternehmen mit Hauptsitz in A.

Bis zum Streitjahr 1986 unterhielt die Klägerin Zweigniederlassungen in B und D. Für diese Zweigniederlassungen erstellte die Klägerin gesonderte Bilanzen. Am Hauptsitz in A hatte die Klägerin ein eigenes Betriebsgrundstück einschließlich Bürogebäude, Waschhalle und Tankanlage. In ihrem Anlageverzeichnis zum 31. Dezember 1985 hat sie ... LKW, ... Sattelzugmaschinen, ... Anhänger und ... Sattelauflieger ausgewiesen. In der Gewinn- und Verlustrecht (GuV-Rechnung) zum 31. Dezember 1985 waren Personalkosten von ... DM und Kfz-Kosten von ... DM enthalten. Für die Hauptniederlassung bestanden ausschließlich sog. rote Konzessionen, die den Fernverkehr ohne Beschränkung der Reichweite oder des Transportguts erlaubten.

Für die Zweigniederlassungen hatte die Klägerin nach gleichlautenden Mietverträgen von der Firma X und von der Firma Z jeweils einen Büroraum auf deren Betriebsgrundstücken gemietet. Nach den Mietverträgen war die Klägerin berechtigt, am Eingang des Bürogebäudes der jeweiligen Vermieterin ein Firmenschild anzubringen und das Fahrzeug, das von der Niederlassung aus eingesetzt wurde, am Betriebsgrundstück abzustellen. Die Vermieter verpflichteten sich, die Interessen der Niederlassungen der Klägerin jeweils als Betriebsteil Möbelfernverkehr zu vertreten, wobei Herr F und Herr G als jeweils verantwortliche Personen i.S. des § 6 des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) auftreten sollten.

Für diese Leistungen einschließlich der Vermietung der Büroräume hatte die Klägerin an die Firma X monatlich ... DM und Umsatzsteuer und an die Firma Z monatlich ... DM zuzüglich Umsatzsteuer zu zahlen. Zusätzlich erhielt Herr F pauschal ... DM monatlich für seine Tätigkeit in der Zweigniederlassung. Die Zweigniederlassungen wurden gesondert in das Handelsregister eingetragen.

Für die Zweigniederlassung in D bestanden zwei sog. gelbe Konzessionen nach dem GüKG für den Möbelfernverkehr und Möbeltransporte. Mit den LKW der Zweigniederlassungen wurden Umzüge und Neumöbeltransporte für einen bestimmten Kundenkreis von Möbelfabriken vorwiegend in ... durchgeführt; es wurden hauptsächlich Neumöbel aus ... transportiert. In der zum 31. Dezember 1985 für die Zweigniederlassung D erstellten Bilanz hat die Klägerin als Sachanlagen zwei LKW und zwei Anhänger und die zur Finanzierung der Fahrzeuge entstandenen Verbindlichkeiten ausgewiesen. Die Zweigniederlassung verfügte über eine eigene Kasse und ein eigenes Bankkonto. Zwei Fahrer wurden dort beschäftigt, für die Personal- und Reisekosten in der GuV-Rechnung ausgewiesen waren. Die Fahrer wurden von der AOK unter der Adresse der Zweigniederlassung geführt. Für verauslagte Kosten wie Treibstoffkosten und sonstige Unterhaltungskosten für die Fahrzeuge stellte der Hauptbetrieb in A der Zweigniederlassung in D Rechnungen für einzelne Monate über auf volle ... DM lautende Beträge aus; für das Jahr 1985 ergab sich ein Gesamtbetrag über ... DM zuzüglich Umsatzsteuer. Diese Forderungen der Hauptniederlassung wurden mit Gegenforderungen der Zweigniederlassung verrechnet. Die in der GuV-Rechnung der Zweigniederlassung ausgewiesenen Erlöse bestanden aus Gutschriften der Hauptniederlassung für von der Zweigniederlassung ausgeführte Fahrten. Der Betriebsprüfer hat anhand der internationalen Frachtbriefe festgestellt, daß die Zweigniederlassung in erheblichem Umfang Anhänger des Hauptbetriebs nutzte.

Für die Zweigniederlassung B bestand eine sog. blaue Konzession, die es erlaubte, mit dem LKW im Umkreis von 150 km - bezogen auf den Standort - tätig zu werden. Vom Standort B aus erledigte die Klägerin zu 90 v.H. Festaufträge für Stammkunden, für die überwiegend Waren aus ... transportiert wurden. In der für diese Zweigniederlassung erstellten Bilanz war ein LKW ausgewiesen, ferner wurde für die Zweigniederlassung ein Bankkonto geführt und es bestand eine Kasse. Die in der GuV-Rechnung enthaltenen Erlöse bestanden ausschließlich aus Gutschriften der Hauptniederlassung für von der Zweigniederlassung durchgeführte Transporte. Personalkosten - bis auf Reisespesen für Kraftfahrer - treten in der GuV-Rechnung nicht in Erscheinung. Jedoch verfügte die Zweigniederlassung über ein eigenes Kontokorrentdarlehenskonto. Für verauslagte Kosten wie Treibstoffkosten und sonstige Unterhaltskosten stellte die Hauptniederlassung der Zweigniederlassung Rechnungen aus (im Jahre 1985 über ... DM und Umsatzsteuer), die im Verrechnungswege beglichen wurden. Auch hier stellte der Betriebsprüfer fest, daß für den in der Zweigniederlassung stationierten LKW in erheblichem Umfang Anhänger aus dem Hauptbetrieb genutzt wurden.

Die Klägerin benutzte überwiegend einen Briefkopf, auf dem sowohl die Hauptniederlassung als auch die beiden Zweigniederlassungen angegeben waren. Jedoch gab es für die beiden Zweigniederlassungen auch jeweils eigene Briefköpfe. Die Verwaltungsarbeiten einschließlich der Buchführung wurden am Hauptsitz in A durchgeführt. Auch die Transportgebühren wurden am Hauptsitz festgelegt. Die verantwortlichen Personen in den Niederlassungen wurden als Vermittler in die Verhandlungen mit den Kunden eingeschaltet. Im übrigen waren sie Ansprechpartner für Kunden und Fahrer. Sie hatten ein Verfügungsrecht über die in den Zweigniederlassungen vorgehaltenen Barkassen.

Im Jahre 1986 veräußerte die Klägerin ihre Zweigniederlassungen in B und D an zwei unterschiedliche Kraftverkehrsunternehmen. Dabei übertrug sie - vorbehaltlich der Zustimmung der zuständigen Behörde - die für die Niederlassung bestehenden Konzessionen nach dem GüKG, die dort jeweils stationierten LKW mit Anhänger und die in den Zweigniederlassungen vorhandenen Zubehörteile. Auch die Kundenbeziehungen und Arbeitnehmer sollten von den Erwerbern übernommen werden. Ferner vereinbarte die Klägerin mit den Erwerbern ein entgeltliches Wettbewerbsverbot. Die Klägerin behandelte den aus der Veräußerung der Zweigniederlassung entstandenen Gewinn als begünstigten Gewinn der Veräußerung eines selbständigen Teilbetriebes. Demgegenüber kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zu der Auffassung, es lägen keine selbständigen Teilbeträge vor. Das FA behandelte die Gewinne als nichtsteuerbegünstigten laufenden Gewinn.

Nach erfolglos gebliebenem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Mit der vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, das angefochtene Urteil verletze Bundesrecht. Das Finanzgericht (FG) habe den Begriff des Teilbetriebs i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) fehlerhaft ausgelegt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG ist bei der Beurteilung der Frage, ob die beiden Niederlassungen in B und D Teilbetriebe sind, von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen.

1. Entgegen der Ansicht der Klägerin war der Revision nicht schon allein deshalb stattzugeben, weil die beiden Niederlassungen unstreitig die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 GüKG erfüllt haben sollen. Das hat nämlich nach dem Urteil des VIII.Senats vom 20. Juni 1989 VIII R 396/83 (BFH/NV 1989, 634), dem sich der erkennende Senat anschließt, nicht zur Folge, daß die Bescheide betreffend die Genehmigung des Güterfernverkehrs für die Frage, ob ein Teilbetrieb i.S. von § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG vorliegt, bindend wären.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein Teilbetrieb i.S. von § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG ein mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil eines Gesamtbetriebs, der für sich allein lebensfähig ist. Es muß eine Untereinheit im Sinne eines selbständigen Zweigbetriebes im Rahmen eines Gesamtunternehmens vorliegen, die als eigenes Unternehmen bestehen könnte (z.B. BFH-Urteile vom 15. März 1984 IV R 189/81, BFHE 140, 563, BStBl II 1984, 486; vom 1. Februar 1989 VIII R 33/85, BFHE 156, 158, BStBl II 1989, 458, und vom 12. Februar 1992 XI R 21/90, BFH/NV 1992, 516 m.w.N.). Dagegen liegen lediglich Betriebsteile oder Geschäftszweige vor, wenn ein Unternehmen nur organisatorisch nach örtlichen und fachlichen Gesichtspunkten aufgeteilt ist (BFH-Urteil vom 21. Februar 1973 IV R 168/69, BFHE 108, 233, BStBl II 1973, 361). Ob ein Unternehmen, das unterschiedliche Leistungen erbringt, einen Teil dieser Tätigkeit als bloßen Geschäftszweig betreibt oder aber als Teilbetrieb mit der dazu erforderlichen Selbständigkeit ausgestattet hat, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu entscheiden (BFH-Urteil vom 24. August 1989 IV R 120/88, BFHE 158, 257, BStBl II 1990, 55, unter 2c). Demnach können veräußerte Wirtschaftsgüter nur dann einen Teilbetrieb bilden, wenn sie in ihrer Zusammenfassung einer Betätigung dienen, die sich im Rahmen des Gesamtunternehmens von der übrigen gewerblichen Tätigkeit des Veräußerers deutlich abhebt (Senatsurteil in BFHE 140, 563, BStBl II 1984, 486). Als Abgrenzungsmerkmale gelten das selbständige Auftreten des Betriebsteils in der Art eines Zweigbetriebs, sein personelles Eigenleben innerhalb des Gesamtbetriebes, das Vorhandensein von eigenem Inventar und eigener Buchführung, die Möglichkeit eigener Preisgestaltung, die örtliche Trennung vom Hauptbetrieb sowie unterschiedliche betriebliche Tätigkeiten und das Bestehen eines eigenen Kundenkreises. Doch haben diese Merkmale, die auch nicht sämtlich vorliegen müssen, unterschiedliches Gewicht je nach der Beschaffenheit des Betriebs, der der Produktion, der Dienstleistung oder dem Handel dienen kann (BFH-Urteil in BFHE 140, 563, BStBl II 1984, 486).

3. Für Unternehmen des Güternah- und Güterfernverkehrs hat der BFH im Urteil vom 20. Februar 1974 I R 127/71 (BFHE 111, 499, BStBl II 1974, 357) ausgesprochen, daß zwei Teilbetriebe nur dann angenommen werden können, wenn beide Verkehrsarten nicht nur als Geschäftszweige des einheitlichen Unternehmens betrieben, sondern innerhalb eines Unternehmens mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet sind. Der erkennende Senat hat daher für ein Transportunternehmen, das von einem Standort aus den Güterfern- und -nahverkehr betrieb, keine Teilbetriebe angenommen, weil sich beide Bereiche weder innerhalb des Betriebes noch nach außen deutlich abhoben (Urteil vom 24. April 1980 IV R 66/76, nicht veröffentlicht - NV -). Das Personal war seinerzeit unterschiedslos in beiden Betriebszweigen eingesetzt und die erforderlichen Sachaufwendungen nicht getrennt geführt worden. Die konzessionsmäßig bedingt getrennten Einsätze der beiden Lastzüge, die unterschiedlichen Kundenkreise und die getrennte Aufzeichnung der Erlöse nach Güterfern- und -nahverkehr fielen demgegenüber für den Senat nicht ins Gewicht (Urteil vom 24. April 1980 IV R 66/76, NV).

4. Entgegen dem FG ist der Senat mit der Revision der Auffassung, daß bei einem Güterverkehrsunternehmen ähnlich wie einem Schiffahrts- oder einem Beförderungsunternehmen der örtliche Wirkungsbereich wesentlich und entscheidend von dem Standort des Unternehmens bestimmt ist. Als Standorte kommen auch geschäftliche Niederlassungen in Betracht. Das GüKG unterteilt die Güterbeförderung für andere insbesondere in den Güternahverkehr im Umkreis von 50 km (§ 2 GüKG a.F.) und den genehmigungspflichtigen Güterfernverkehr (§ 3 GüKG), einschließlich des Bezirksgüterverkehrs imUmkreis von 150 km (§ 13a GüKG). Für jedes Fahrzeug muß ein Standort bestimmt werden; an diesem Standort muß der Unternehmer den Sitz seines Unternehmens oder eine nicht nur vorübergehende geschäftliche Niederlassung haben (§ 6 Abs. 1 GüKG). Das setzt nach § 6 Abs. 2 GüKG voraus: a) einen besonders eingerichteten und ständig benutzten Raum, der erforderlich, geeignet und bestimmt ist, Mittelpunkt der geschäftlichen Tätigkeit dieses Unternehmens zu sein, b) eine zu selbständigem Handeln befugte geschäftskundige Person, soweit der Unternehmer die Geschäfte nicht selbst wahrnimmt, und c) eine dem Unternehmenszweck entsprechende Tätigkeit von erheblicherem Umfang.

Angesichts dieser Anforderungen können die zur Teilbetriebseigenschaft einer Einzelhandelsfiliale aufgestellten Grundsätze (vgl. BFH-Urteile vom 12. September 1979 I R 146/76, BFHE 129, 62, BStBl II 1980, 51; vom 24. April 1980 IV R 61/77, BFHE 131, 220, BStBl II 1980, 690; und in BFH/NV 1992, 516) auf den Streitfall nicht übertragen werden. Sie treffen nur für Handelsunternehmen zu. Ebenso wie eine einzelne Tankstelle in einem Tankstellennetz (BFH-Urteil vom 5. April 1968 IV R 75/67, BFHE 92, 219, BStBl II 1968, 523) hat im Regelfall auch eine Einzelhandelsfiliale nur die Funktion eines austauschbaren Betriebsmittels oder einer bloßen Verkaufsstelle des Gesamtbetriebs, es sei denn, daß das dort beschäftigte leitende Personal beim Wareneinkauf und bei der Preisgestaltung mitwirkt. Denn ohne Wareneinkauf ist ein Einzelhandelsbetrieb nicht für sich lebensfähig, so daß auch die räumliche Trennung, das eigene Personal, das eigene Anlagevermögen, die eigene Kassenführung und der eigene Kundenstamm nicht genügen, um die Filiale als Teilbetrieb erscheinen zu lassen (BFH-Urteile in BFHE 131, 220, BStBl II 1980, 690, und in BFH/NV 1992, 516).

Demgegenüber können die Niederlassungen eines Güterverkehrsbetriebes für sich lebensfähig sein, wenn für sie gesonderte Verkehrskonzessionen bestehen, sie dadurch über einen eigenen Kundenkreis verfügen, die in § 6 Abs. 2 GüKG vorgesehene Mindestausstattung vorhanden ist und die sachlichen und persönlichen Mittel zur Durchführung des Verkehrs ihnen zugeordnet sind. Die für die Standorte verantwortlichen Personen bedürfen anders als die Leiter einer Einzelhandelsfiliale hinsichtlich der Preisgestaltung keiner besonderen Kompetenzen. Wie im Fall des Senatsurteils zu dem fachlich verselbständigten Fachgebiet eines Verlages (BFH-Urteil in BFHE 140, 563, BStbl II 1984, 486) kommt es bei einem Dienstleistungsunternehmen vor allem darauf an, ob die verschiedenen Untereinheiten nicht nur hinsichtlich des Kundenstammes, sondern auch organisatorisch getrennt von der übrigen Tätigkeit in Erscheinung treten. Bei einem Handelsunternehmen trifft dies in der Regel nicht zu, weil die Niederlassungen unlösbar in die Funktionen des Gesamtunternehmens eingebettet sind. Sonst ist aber nicht zu verlangen, daß Teilbetriebe über eine völlig selbständige Organisation verfügen (Senatsurteile vom 24. April 1969 IV R 202/68, BFHE 95, 323, BStBl II 1969, 307; in BFHE 140, 563, BStBl II 1984, 486, und in BFHE 158, 257, BStBl II 1990, 55).

Ob die an den Niederlassungen eingesetzten verantwortlichen Personen i.S. von § 6 Abs. 2 GüKG eigene Kompetenzen hinsichtlich der Preisgestaltung besitzen, ist demnach nicht entscheidend. Diese für völlig selbständige Betriebe allerdings unerläßliche Voraussetzung fällt bei Güterverkehrsbetrieben mit unterschiedlichen Standorten und ausreichend ausgestatteten Niederlassungen wegen der nur dort eingesetzten Verkehrskonzessionen und der völlig verschiedenen Kundenkreise nicht mehr ins Gewicht. Im gleichen Sinne hat der erkennende Senat im Fall einer Fahrschule mit zwei Standorten es für unerheblich erachtet, daß für die Übungsfahrten mit den Fahrschülern der Niederlassung Fahrzeuge aus beiden Standorten eingesetzt, die eigentlichen Verwaltungsarbeiten nur am Hauptsitz erledigt wurden und der Steuerpflichtige den theoretischen Unterricht an beiden Standorten erteilte (BFH-Urteil in BFHE 158, 257, BStBl II 1990, 55). Er hat nur darauf abgestellt, daß die Ausübung der berufstypischen Tätigkeit, d.h. Fahrlehrertätigkeit, in jedem Standort in den dazu erforderlichen, ebenfalls angemieteten Schulungsräumen mit den an jedem Standort vorhandenen Fahrzeugen und Personal möglich war, jedoch völlig getrennte Schülerkreise zu unterrichten waren. Ebenso hat der BFH im Urteil vom 23. November 1988 X R 1/86 (BFHE 155, 521, BStBl II 1989, 376) ein Appartementhaus, in dem ein Hotelier Ferienwohnungen längerfristig vermietete, gegenüber dem auf reine Übernachtung mit Restauration angelegten Hotel wegen der funktional unterschiedlichen betrieblichen Nutzung als verselbständigten organischen Teil des Gesamtbetriebes, also als Teilbetrieb anerkannt, obwohl beide Betriebsteile sich in Sonderleistungen wie der Wäschegestellung, dem angebotenen Frühstück und sogenannten Aushilfsleistungen wie der Übernachtung von Hotelgästen in den Appartements, überschnitten. Hierbei hat der BFH der Tatsache, daß das Appartementhaus keine eigene Telefonnummer besaß und der Verkehr mit Handwerkern, Lieferanten und Behörden über den Gesamtbetrieb lief, keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen.

5. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen, seine Entscheidung war daher aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Die Sache ist nicht spruchreif. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob die Niederlassungen in D und B den erwähnten Anforderungen genügten.

a) Nach diesen Feststellungen hatte die Klägerin allerdings im Streitjahr für ihre Fahrzeuge in A, B und D mehrere Standorte in nicht nur vorübergehenden Niederlassungen. Es handelt sich dabei auch um mehrere selbständige örtliche Wirkungskreise, und zwar deshalb, weil diese Orte soweit voneinander entfernt sind, daß nach der Lebenserfahrung von unterschiedlichen Kundenkreisen auszugehen ist. Das FG hat festgestellt, daß für die Zweigniederlassung B eine sog. blaue Konzession i.S. des § 13a GüKG (150 km im Umkreis von B) bestand und die Klägerin von dort aus zu 90 v.H. Festaufträge für Stammkunden ausführte; es wurden danach überwiegend Waren aus ... transportiert. Ebenso steht fest, daß für die Zweigniederlassung D zwei sogenannte gelbe Konzessionen (§§ 37ff. GüKG a.F.) für den Möbelfernverkehr und Möbeltransporte bestanden und von dort aus für einen bestimmten Kundenkreis von Möbelfabriken Umzüge und Neumöbeltransporte vorwiegend in ... durchgeführt wurden. Dies war nur vom Standort D aus möglich. Denn wie die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat, hatte sie für ihren Hauptsitz keine Konzessionen für den Möbeltransport.

b) Für die organisatorische Selbständigkeit spricht weiter, daß die Klägerin für beide unstreitig die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 GüKG erfüllte. Die beiden Niederlassungen waren mit den entsprechenden Lastkraftzügen nebst Konzessionen ausgestattet, sie verfügten über entsprechende, angemietete Büroräume sowie eigene Bankkonten; außerdem waren zum selb-ständigen Handeln befugte geschäftskundige Personen bestellt, und schließlich hatte die Tätigkeit erheblichen Umfang.

Daß am Hauptsitz des Unternehmens die eigentlichen Verwaltungsarbeiten durchgeführt, die Transportgebühren festgelegt und verschiedentlich die Anhänger und sogar LKW der Hauptniederlassung eingesetzt wurden, ist demgegenüber unerheblich.

c) Es steht jedoch nicht fest, daß die Niederlassung B mit den nowendigen personellen Mitteln ausgestattet war, um die erteilten Transportaufträge auszuführen. Dies war nicht Aufgabe der in § 6 Abs. 2 GüKG genannten Personen. Würden dort keine eigenen Fahrer oder Fahrer der Hauptniederlassung oder der Firma Z ständig beschäftigt, die LKW dort auch nicht gewartet, kann dies gegen die erforderliche Verselbständigung der Niederlassung sprechen. Dies gilt auch für den Fall, daß dort in erheblichem Umfang LKW und Anhänger der Hauptniederlassung eingesetzt wurden, worauf Ausführungen des FG hindeuten. Ein derartiger Einsatz kann auch die Selbständigkeit der Niederlassung in D beeinträchtigen. Letztlich steht auch nicht fest, ob für die Niederlassung D ein eigener Kundenkreis bestand oder die Klägerin lediglich die im Gesamtunternehmen eingehenden Möbeltransportaufträge durch ihre Niederlassung in D ausführen ließ.

Das bei der Veräußerung der Niederlassung D eingegangene Wettbewerbsverbot (Bl.79ff. der Rechtsbehelfsakte) deutet - wie auch die Klägerin meint - eher darauf hin, daß sich der Erwerber dagegen absichern wollte, daß die Klägerin erneut im sogenannten Möbelfernverkehr tätig wurde, und wegen der sogenannten gelben Konzessionen für D kein eigener Kundenkreis bestand.

Das FG wird im zweiten Rechtszug die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Über die Verfahrensrüge unzureichender Sachaufklärung ist nicht mehr zu entscheiden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64520

BFH/NV 1994, 694

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