Leitsatz (amtlich)

1. Die Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwand bei einer doppelten Haushaltsführung nach Abschn.27 Abs.1 Satz 5 Nr.3 Buchst.b LStR 1981 sind nicht anzusetzen, wenn dies zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führt. Dies ist der Fall, wenn die nach Berücksichtigung dieser Pauschbeträge verbleibenden Nettoeinnahmen zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Arbeitnehmers und seiner Familie nicht ausreichen.

2. Zum Maßstab hierfür ist der in § 33a Abs.1 Satz 1 EStG genannte Freibetrag für Unterhaltsleistungen heranzuziehen, der bei Familienangehörigen im Ausland ggf. jeweils um 1/3 oder 2/3 entsprechend der Ländergruppeneinteilung der zur Anwendung dieser Vorschrift ergangenen Schreiben des BMF zu kürzen ist.

 

Normenkette

EStG 1981 § 9 Abs. 1 Nr. 5, § 33a Abs. 1 S. 1; LStR 1981 Abschn. 27 Abs. 1 S. 5 Nr. 3 Buchst. b

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist jugoslawischer Staatsangehöriger und seit 1970 als Gastarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) tätig. Seine Familie lebt weiterhin in Jugoslawien. Für das Streitjahr 1981 erklärte der Kläger im Rahmen des Lohnsteuer-Jahresausgleichs Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 22 729 DM brutto. Er begehrt den Abzug von Pauschbeträgen für Verpflegungsmehraufwand wegen beruflich veranlaßter doppelter Haushaltsführung von 4 214 DM (14 DM täglich für 301 Tage) als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte nur einen Betrag von 2 107 DM (7 DM täglich), weil der Ansatz des Pauschbetrages von 14 DM zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führe. Der Kläger habe unter Berücksichtigung aller Erstattungsbeträge und aller Abzüge einschließlich der Miete am Arbeitsort (702 DM) und der Unterstützungszahlungen an Angehörige im Ausland lediglich einen Betrag von 7 770,20 DM (647 DM monatlich) zum Leben zur Verfügung gehabt. Ziehe man hiervon die vom Kläger geltend gemachten Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwand von 4 214 DM ab, so verblieben ihm für seine Lebensbedürfnisse nur 3 556 DM jährlich (296 DM monatlich). Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte u.a. aus:

Bei einer beruflich veranlaßten doppelten Haushaltsführung würden auch Kosten wegen Verpflegungsmehraufwands berücksichtigt. Hierfür sähen die Lohnsteuer-Richtlinien 1981 (LStR) einen Pauschbetrag von 14 DM täglich vor. Die Nichtanwendung des Pauschbetrages sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auf Ausnahmefälle zu beschränken. Ein solcher Ausnahmefall sei gegeben, wenn die Anwendung der Pauschsätze zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde.

Hiervon sei im Streitfall nicht auszugehen. Das FA habe den dem Kläger verbleibenden Restbetrag zu Unrecht an den in Deutschland geltenden Regelsätzen der Sozialhilfe gemessen. Es habe verkannt, daß in diesen Regelsätzen auch Aufwendungen enthalten seien, die durch den Pauschbetrag für Verpflegungsmehraufwand mitabgegolten würden. Dieser umfasse die Kosten, die dem Kläger entstünden, weil er sich nicht bei seiner Familie in Jugoslawien beköstigen könne, sondern auf die teureren Lebensmittel in der Bundesrepublik angewiesen sei. Eine unzutreffende Besteuerung könne daher erst in Betracht kommen, wenn der dem Kläger nach Abzug der Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwand verbleibende Betrag unter dem liege, mit dem in Jugoslawien die Grundbedürfnisse des Lebens, das sog. Existenzminimum, bestritten würden. Solche Aufwendungen seien in Jugoslawien geringer als in der Bundesrepublik. Sie betrügen nach einem Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) zu § 33a Abs.1 des Einkommensteuergesetzes 1980 (EStG) zwei Drittel des für die Bundesrepublik geltenden Betrages. Damit verbleibe dem Kläger auch nach Abzug des vollen Verpflegungsmehraufwandes noch ein Betrag, der ihm in Jugoslawien zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes genügen würde.

Das FA legte gegen das Urteil Revision ein. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Nach § 9 Abs.1 Nr.5 EStG gehören zu den bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbaren Werbungskosten auch die notwendigen Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlaß begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen. Von der Finanzverwaltung werden in Abschn.27 Abs.1 Satz 5 Nr.3 Buchst.b LStR Mehraufwendungen für Verpflegung nach den ersten zwei Wochen der Tätigkeit am inländischen Beschäftigungsort ohne Einzelnachweis mit einem Pauschbetrag bis zu 14 DM täglich anerkannt.

Nach dem Urteil des Senats vom 16.Dezember 1981 VI R 227/80 (BFHE 135, 57, BStBl II 1982, 302) ist dieser Pauschbetrag auch von den Steuergerichten zu beachten, es sei denn, es führt seine Anwendung zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung. Eine offensichtlich unzutreffende Besteuerung ist nicht schon deshalb anzunehmen, weil es sich bei dem Steuerpflichtigen, der einen doppelten Haushalt führt, um einen in der Bundesrepublik lebenden ausländischen Gastarbeiter handelt (BFH-Beschluß vom 19.Januar 1973 VI B 99/72, BFHE 108, 37, BStBl II 1973, 252; Urteil vom 2.September 1977 VI R 114/76, BFHE 123, 444, BStBl II 1978, 26). Ebenso wie bei den Pauschbeträgen für Verpflegungsmehraufwand auf Dienstreisen nach Abschn.25 Abs.6 Nr.3 LStR (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 23.April 1982 VI R 30/80, BFHE 135, 515, 518, BStBl II 1982, 500, und vom 25.Oktober 1985 VI R 15/81, BFHE 145, 181, BStBl II 1986, 200, 205) ist jedoch eine unzutreffende Besteuerung gegeben, wenn infolge der Anwendung der Pauschbeträge unverhältnismäßig geringe Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit verbleiben würden. Das ist der Fall, wenn das nach Berücksichtigung der Pauschsätze verbleibende Arbeitseinkommen nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Arbeitnehmers und seiner Familie ausreicht. Offensichtlich ist dies dann, wenn jeder Fachkundige dies ohne längere Nachprüfung erkennen kann (Urteil des FG Düsseldorf vom 17.Januar 1984 VIII 16/79 L, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1984, 499).

Zum Zwecke einer leichten und übersichtlichen Handhabung hält der Senat es für angebracht, als Maßstab dafür, ob bei Ansatz der Pauschbeträge nach Abschn.27 Abs.1 Satz 5 Nr.3 b LStR eine "offensichtlich" unzutreffende Besteuerung vorliegt, die steuerlich anzuerkennenden Unterhaltsbeträge an Angehörige i.S. des § 33a Abs.1 EStG unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten in der Bundesrepublik und im Heimatland des Gastarbeiters heranzuziehen. Bezüglich der steuerlichen Behandlung von Unterhaltsleistungen an Angehörige im Ausland hat der BMF durch Schreiben vom 26.Oktober 1979 IV B 6 - S 2365 - 85/79 (BStBl I 1979, 622) die ausländischen Staaten in drei Gruppen eingeteilt. Dieser Einteilung ist der Senat im Bereich des § 33a Abs.1 EStG gefolgt (Urteil vom 30.Juli 1982 VI R 257/80, BFHE 136, 399, BStBl II 1982, 779). Sie ist auch hier heranzuziehen. Entsprechend dem Schreiben des BMF vom 22.Dezember 1980 IV B 6 - S 2365 - 100/80 (BStBl I 1980, 791) waren Unterhaltsleistungen an Angehörige in Jugoslawien für das Streitjahr 1981 mit zwei Drittel des in § 33a Abs.1 Satz 1 EStG genannten Betrages von 3 600 DM anzusetzen.

Eine offensichtlich unzutreffende Besteuerung beim Ansatz von Pauschbeträgen wegen Verpflegungsmehraufwand ist daher beim Kläger anzunehmen, soweit ihm nach Abzug der Pauschbeträge wegen Verpflegungsmehraufwands, der gesetzlichen Abzüge, Werbungskosten und anderen Ausgaben nicht genügend Mittel verbleiben, um seiner Ehefrau in Jugoslawien einen Betrag von 2 400 DM jährlich, d.h. 200 DM monatlich, für ihren Lebensunterhalt zu überweisen und sein Existenzminimum in der Bundesrepublik zu bestreiten. Für letzteres ist der in § 33a Abs.1 Satz 1 EStG genannte Freibetrag von 3 600 DM ungekürzt anzusetzen. Dem Kläger muß mithin bei Berücksichtigung von Pauschbeträgen wegen Verpflegungsmehraufwand zur Bestreitung des Lebensunterhalts für sich und seine Ehefrau ein Betrag von mindestens 6 000 DM verbleiben.

Entgegen der Ansicht des FG wird hierdurch der beim Kläger entstandene Verpflegungsmehraufwand insoweit nicht doppelt erfaßt. Im Hinblick darauf, daß die Pauschbeträge wegen Verpflegungsmehraufwand nur die Mehrkosten an Verpflegung erfassen wollen, die dem Kläger durch die Trennung von der Familie wegen der beruflich veranlaßten doppelten Haushaltsführung entstanden sind, müssen bei der Berechnung des Existenzminimums beim Kläger die (normalen) Verpflegungskosten mitangesetzt werden, die ihm entstanden wären, wenn er von seiner Familie nicht getrennt gelebt hätte. Maßgebend für einen solchen Vergleich wären an sich die Verpflegungskosten, die beim Kläger angefallen wären, wenn er bei seiner Familie in Jugoslawien verblieben wäre (Urteil in BFHE 123, 444, BStBl II 1978, 26, 30). Da aber die LStR die Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwand für ausländische Gastarbeiter trotz der oft niedrigeren Lebenshaltungskosten in deren Heimatland in gleicher Höhe wie für deutsche Arbeitnehmer vorsehen, ist es gerechtfertigt, auch bei der hier durchzuführenden überschlägigen Berechnung, ob eine offensichtlich unzutreffende Besteuerung vorliegt, die ausländischen Gastarbeiter den inländischen Arbeitnehmern gleichzustellen. Ein anteiliger (normaler) Verpflegungsaufwand wird mithin bei der überschlägigen Berechnung durch den Ansatz des Freibetrags nach § 33a Abs.1 Satz 1 EStG bei in der Bundesrepublik lebenden Gastarbeitern in gleicher Höhe abgegolten wie bei inländischen Arbeitnehmern mit doppelter Haushaltsführung.

Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, weil sie noch nicht entscheidungsreif ist.

Der Kläger führte im Streitjahr 1981 einen aus beruflichem Anlaß entstandenen doppelten Haushalt, da seine Ehefrau weiterhin in der Familienwohnung in Jugoslawien lebt. Nach der Berechnung des FA verblieben ihm von seinem Bruttolohn, der Lohnsteuererstattung und der Arbeitnehmersparzulage nach Abzug von Fahrtkosten nach Jugoslawien, der Miete am Arbeitsort von 702 DM, einbehaltener Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben, der als Unterstützungsleistungen an Angehörige angesetzten Überweisungen auf eine jugoslawische Bank von 8 000 DM, der sonstigen Werbungskosten von 210 DM sowie der Ausgaben für "VWL" ein Betrag von 7 770,20 DM und abzüglich der von ihm begehrten Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwand wegen doppelter Haushaltsführung von 4 214 DM zur Lebensführung ein Betrag von 3 556 DM = 296 DM monatlich. Im Hinblick darauf, daß im angefochtenen Bescheid keine Unterstützungsleistungen gemäß § 33a EStG zum Abzug zugelassen wurden, wird das FG zunächst zu prüfen haben, ob dieser Betrag überhaupt aus dem Vermögen des Klägers an Angehörige abgeflossen ist. Sollte dies der Fall sein und sollte der Betrag auch nicht der Ehefrau zugute gekommen sein, wäre die Klage abzuweisen, weil dem Kläger dann an Verpflegungsmehraufwand wegen doppelter Haushaltsführung statt des vom FA anerkannten Betrages von 2 107 DM nur ein solcher von 1 770 DM zur Verfügung stand. Dieser Betrag ergibt sich wie folgt:

Verfügbarer Betrag lt. FA 7 770 DM

Existenzminimum Kläger und Ehefrau 6 000 DM

--------

für Verpflegungsmehraufwand zur Verfügung

stehender Betrag 1 770 DM.

Der Klage auf Berücksichtigung weiterer Werbungskosten von 2 107 DM ist hingegen stattzugeben, wenn der Betrag von 8 000 DM, den das FA bei seiner Berechnung als Unterstützungsleistungen berücksichtigt hat, entweder überhaupt nicht abgeflossen oder mindestens in Höhe von 2 444 DM der Ehefrau des Klägers zugute gekommen ist.

Das ergibt sich aus folgendem:

Betrag lt. vorstehender Berechnung 1 770 DM

zuzüglich Unterhaltsaufwendungen an

die Ehefrau von mindestens 2 444 DM

--------

für Verpflegungsmehraufwand zur

Verfügung stehend 4 214 DM

vom FA bereits anerkannt 2 107 DM

--------

noch anzuerkennen lt. Klageantrag 2 107 DM.

Das FG muß daher feststellen, für wen der Betrag von 8 000 DM bestimmt war, den das FA bei seiner Berechnung als Unterstützungsleistungen an Angehörige angesetzt hatte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62403

BStBl II 1988, 780

BFHE 153, 359

BFHE 1989, 359

BB 1988, 1660-1660 (L1-2)

DB 1988, 1779-1780 (LT)

HFR 1988, 563 (LT)

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