Entscheidungsstichwort (Thema)

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Rahmen der Istbesteuerung vereinnahmte Entgelte für zuvor erbrachte Leistungen sind Masseverbindlichkeiten

 

Leitsatz (amtlich)

Vereinnahmt der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Rahmen der Istbesteuerung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG Entgelte für Leistungen, die bereits vor Verfahrenseröffnung erbracht wurden, handelt es sich bei der für die Leistung entstehenden Umsatzsteuer um eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

 

Normenkette

UStG 2003/2005 § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b; UStG 2003 § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b; UStG 2005 § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b; InsO §§ 38, 55

 

Verfahrensgang

FG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 12.07.2007; Aktenzeichen 1 K 806/06; EFG 2007, 1737)

 

Tatbestand

I. Über das Vermögen des Unternehmers A, der ein Gewerbe im Baubereich betrieb und der seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG) versteuerte, eröffnete das Amtsgericht M am 16. August 2004 das Insolvenzverfahren und bestellte den Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) zum Insolvenzverwalter. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereinnahmte der Kläger in den Streitjahren 2004 und 2005 Entgelte für Leistungen, die A vor Verfahrenseröffnung erbracht hatte.

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--), davon aus, dass es sich bei den nach Insolvenzeröffnung vereinnahmten Entgelten aus zuvor erbrachten Leistungen um Masseverbindlichkeiten handele und setzte mit dem Umsatzsteuerbescheid 2004 und dem Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für das I. Quartal 2005 vom 9. März 2006 Umsatzsteuer gegenüber dem Kläger fest. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Nach Klageerhebung erließ das FA am 23. Januar 2007 den Umsatzsteuerjahresbescheid 2005, der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Klageverfahrens wurde. Nachdem das Amtsgericht M mit Beschluss vom 18. April 2007 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des A zunächst aufgehoben hatte, ordnete es mit Beschluss vom 11. Juli 2007 die Nachtragsverteilung gemäß § 203 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) an.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt, da es sich um eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO, nicht aber um eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 InsO gehandelt habe. Insolvenzforderungen seien bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens insolvenzrechtlich begründet. Hierfür komme es darauf an, dass der Rechtsgrund für den Anspruch bei Verfahrenseröffnung gelegt sei. Maßgeblich sei nicht die Entstehung des Steueranspruchs nach § 38 der Abgabenordnung (AO), sondern die Verwirklichung des zivilrechtlichen Sachverhalts, der zur Entstehung des Steueranspruchs führe. Im Rahmen der Sollbesteuerung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG sei die Umsatzsteuerforderung bereits mit Leistungserbringung und nicht erst mit Vereinnahmung des Entgelts begründet. Die Vereinnahmung sei nur im Rahmen von § 17 UStG zu berücksichtigen. Unerheblich sei der wirtschaftliche Zweck der Steuererhebung. Für die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG, wie im Streitfall, gelte nichts anderes. Bei der Istversteuerung komme es nur für die Steuerentstehung, die aber für das Begründetsein der Forderung unerheblich sei, auf die Vereinnahmung an. Dass die Masse die Umsatzsteuer in vollem Umfang vereinnahme, während sich das FA mit der Quote zu begnügen habe, ergebe sich aus der Systematik der Umsatzsteuer und sei daher hinzunehmen. Das FA habe insoweit das Insolvenzrisiko desjenigen zu tragen, den der Gesetzgeber zum Steuerschuldner gemacht habe. Bei der Forderungsvereinnahmung handele es sich auch nicht um eine Masseverwertung i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2007, 1737 veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts und stützt dies auf das Senatsurteil vom 4. Juli 1957 V 199/56 U (BFHE 65, 131, BStBl III 1957, 282). Erst durch die Einziehung werde der Rechtsgrund für die Umsatzsteuer gelegt, so dass eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO vorliege.

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sowohl bei der Ist- als auch bei der Sollbesteuerung sei die Umsatzsteuerforderung bereits mit Leistungserbringung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG begründet.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung des FG und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Das Urteil des FG verletzt § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, da es sich bei den nach Verfahrenseröffnung im Rahmen der Istbesteuerung vereinnahmten Entgelten um Masseverbindlichkeiten handelt.

1. Insolvenzgläubiger können gemäß § 87 InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Insolvenzforderungen i.S. von § 38 InsO und damit ihre zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner "begründeten" Vermögensansprüche nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Dementsprechend sind nach § 251 Abs. 3 AO Insolvenzforderungen während eines Insolvenzverfahrens nicht durch Steuerbescheid festzusetzen, sondern nur erforderlichenfalls durch Verwaltungsakt festzustellen. Diese Einschränkungen gelten aber nicht für Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO, die durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen sind und die der Insolvenzverwalter nach § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AO aus der Insolvenzmasse zu bezahlen hat (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29. August 2007 IX R 4/07, BFHE 218, 435, BFH/NV 2007, 2429). Zu den Masseverbindlichkeiten gehören gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Verbindlichkeiten, die "durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören".

Ob es sich bei einem Steueranspruch um eine Insolvenzforderung oder um eine Masseverbindlichkeit handelt, bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, zu dem der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist (vgl. allgemein BFH-Urteile vom 13. November 1986 V R 59/79, BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226; vom 9. April 1987 V R 23/80, BFHE 149, 323, BStBl II 1987, 527, und vom 21. Dezember 1988 V R 29/86, BFHE 155, 475, BStBl II 1989, 434). Unerheblich ist demgegenüber der Zeitpunkt der Steuerentstehung (vgl. BFH-Urteile in BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226, und in BFHE 155, 475, BStBl II 1989, 434; vgl. auch BFH-Urteil vom 29. März 1984 IV R 271/83, BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602; BFH-Beschlüsse vom 30. April 2007 VII B 252/06, BFHE 217, 212, BFH/NV 2007, 1395; vom 1. April 2008 X B 201/07, BFH/NV 2008, 925, jeweils m.w.N.). Welche Anforderungen im Einzelnen an die somit erforderliche vollständige Tatbestandsverwirklichung im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung zu stellen sind, richtet sich nach den jeweiligen Vorschriften des Steuerrechts, nicht aber nach dem Insolvenzrecht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 218, 435, BFH/NV 2007, 2429). Kommt es zur vollständigen Tatbestandsverwirklichung bereits vor Verfahrenseröffnung, handelt es sich um eine Insolvenzforderung, erfolgt die vollständige Tatbestandsverwirklichung erst nach Verfahrenseröffnung, liegt unter den Voraussetzungen des § 55 InsO eine Masseverbindlichkeit vor.

2. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG entsteht die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen bei der Berechnung nach vereinnahmten Entgelten ("Istbesteuerung") mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt wird. Für die bei der Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten maßgebliche vollständige Tatbestandsverwirklichung kommt es dabei auf die Vereinnahmung des Entgelts an.

a) Entscheidendes Merkmal der Istbesteuerung ist nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG die Vereinnahmung des Entgelts, nicht aber die Leistungserbringung. Dementsprechend ist der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand in diesem Fall erst mit der Entgeltvereinnahmung vollständig verwirklicht und abgeschlossen. Hierdurch wird entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanz nicht auf den für die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten unerheblichen Zeitpunkt der Steuerentstehung abgestellt. Denn der Steueranspruch entsteht im Rahmen der Istbesteuerung erst mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt wird, nicht aber bereits mit der Vereinnahmung des Entgelts.

b) Bestätigt wird die Maßgeblichkeit der Entgeltvereinnahmung durch die bei der Umsatzbesteuerung bestehenden Besonderheiten, die diese von anderen Steueransprüchen dadurch unterscheidet, dass der Unternehmer --und damit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers für diesen der Insolvenzverwalter-- "als Steuereinnehmer für Rechnung des Staates tätig" ist und dabei "öffentliche Gelder" im Interesse der Staatskasse vereinnahmt (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 20. Oktober 1993 C-10/92, Balocchi, Slg. 1993, I-5105 Rz 25, und vom 21. Februar 2008 C-271/06, Netto Supermarkt, BFH/NV Beilage 2008, 199 Rz 21). Als "Steuereinnehmer" ist der Unternehmer für die Vereinnahmung einer vom Endverbraucher zu tragenden Verbrauchsteuer zuständig (EuGH-Urteil Netto Supermarkt in BFH/NV Beilage 2008, 199 Rz 21). Dem wird auch im Zivilrecht Rechnung getragen. Veräußert z.B. der Insolvenzverwalter unberechtigt einen der Aussonderung nach § 47 InsO unterliegenden Gegenstand, gehört zwar die Umsatzsteuer zivilrechtlich als untrennbarer Preisbestandteil zur vereinbarten und geschuldeten Leistung; zugleich ist jedoch die Umsatzsteuer von vornherein zur Weiterleitung an das Finanzamt bestimmt, so dass der Aussonderungsberechtigte nicht die Herausgabe des im Preis enthaltenen Steueranteils verlangen kann (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. Mai 2008 IX ZR 229/06, BFH/NV Beilage 2008, 318).

Insolvenzrechtlich ist weiter die in § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO zugrunde liegende Wertung zu berücksichtigen, nach der Verbindlichkeiten aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse sonstige Masseverbindlichkeiten sind. Hierfür reicht es aus, dass der Masse etwas nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne rechtlichen Grund zugeflossen ist (z.B. BGH- Urteil vom 20. September 2007 IX ZR 91/06, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2008, 295, m.w.N.). Dem liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass es durch den Zweck des Insolvenzverfahrens nicht gerechtfertigt ist, den zur Herausgabe Berechtigten bei einem nach Insolvenzeröffnung erfolgenden Vermögenszufluss, der dem Insolvenzschuldner nicht zusteht, auf das Prinzip der gemeinschaftlichen und gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger und damit auf die Verteilungsquote zu verweisen. Ist die nach Insolvenzeröffnung vereinnahmte Umsatzsteuer von vornherein nur zur Weiterleitung an das Finanzamt bestimmt, steht sie daher dem Insolvenzschuldner und der Masse zur allgemeinen Befriedigung der Insolvenzgläubiger nicht zu.

Unerheblich ist im Hinblick auf die Besonderheiten der Umsatzbesteuerung und die darüber hinaus zu beachtenden insolvenzrechtlichen Wertungen, ob der Insolvenzverwalter Entgelte für Leistungen vereinnahmt, die vor oder nach Verfahrenseröffnung erbracht wurden. Denn der Insolvenzverwalter hat mit der ab Verfahrenseröffnung bestehenden Aufgabe, die Insolvenzmasse zu verwerten, hinsichtlich der Vereinnahmung der Gegenleistungen für umsatzsteuerpflichtige Umsätze auch die dem Unternehmer zugewiesene Aufgabe des "Steuereinnehmers" übernommen (vgl. auch Stadie, in Rau/Dürrwächter, UStG, § 18 Rz 829). Denn nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist es der Insolvenzverwalter (§ 56 InsO), der die steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners zu erfüllen hat, die diesem obliegen würden, wäre das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden (vgl. § 34 Abs. 1 und Abs. 3; z.B. Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 34 AO Rz 13, 25, m.w.N.; z.B. BFH-Urteil vom 16. Januar 2007 VII R 7/06, BFHE 216, 390, BStBl II 2007, 745). Hierzu gehört die vollständige Versteuerung der nach Verfahrenseröffnung vereinnahmten Entgelte.

c) Dass eine erst nach Verfahrenseröffnung im Rahmen der Istbesteuerung erfolgende Entgeltsvereinnahmung eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet, führt im Übrigen nicht zu einer ungerechtfertigten Privilegierung des Steuergläubigers gegenüber anderen Gläubigern des Insolvenzschuldners.

aa) Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, steht dem Fiskus kein Steuerprivileg im Sinne einer mit Vorrechten versehenen Sonderstellung zu. Dem FG ist auch insoweit zu folgen, als dem Unternehmer eine zivilrechtliche Forderung gegen den Leistungsempfänger auf Zahlung des Bruttoentgelts zusteht, während das Finanzamt den Steueranspruch nur gegen den Leistenden geltend machen kann und dementsprechend das Insolvenzrisiko des Leistenden als Steuerschuldner zu tragen hat. Dementsprechend trifft den Steuergläubiger das Insolvenzrisiko für den Fall, dass der Unternehmer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Gegenleistung für einen steuerpflichtigen Umsatz vereinnahmt, diesen aber nicht ordnungsgemäß versteuert und die in der Gegenleistung neben dem Entgelt enthaltene Umsatzsteuer nicht an das für ihn zuständige Finanzamt abführt. Es handelt sich dann um eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO.

bb) Aus dem Fehlen eines Insolvenzprivilegs für vor Verfahrenseröffnung entstandene Steueransprüche, wie es § 61 Abs. 1 Nr. 2 der Konkursordnung (KO) unter der Geltung der KO vorsah, folgt aber nicht, dass der Steuergläubiger auch insoweit das Insolvenzrisiko zu tragen hat, als der Insolvenzverwalter eine Gegenleistung bestehend aus Entgelt und Umsatzsteueranteil nach Verfahrenseröffnung vereinnahmt. Denn insoweit sind für die Frage, zu welchem Zeitpunkt und durch welchen Vorgang der Steueranspruch i.S. der §§ 38, 55 InsO begründet wird, die bei der Umsatzbesteuerung bestehenden Besonderheiten (s. oben b) zu berücksichtigen.

3. Es liegen auch die weiteren Voraussetzungen einer Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO vor, da die Umsatzsteuer durch die Verwaltung und Verwertung der Masse entstanden ist. Der Senat hält insoweit auch unter der Geltung der InsO an seiner bereits zur KO ergangenen Rechtsprechung fest, wonach die Einziehung von Forderungen der Masse zur Verwertung der Masse gehört und es sich bei der Umsatzsteuer, die im Rahmen der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten anlässlich der Verwertung durch Forderungseinzug zur Entstehung gelangt, um Massekosten (§ 58 Ziff. 2 KO; jetzt § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) handelt (BFH-Urteil in BFHE 65, 131, BStBl III 1957, 282; ebenso Eckert, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 1999, 305 ff., 307). Soweit demgegenüber im Schrifttum zum Teil davon ausgegangen wird, dass bei einer nach Verfahrenseröffnung erfolgenden Entgeltsvereinnahmung für zuvor erbrachte Leistungen eine bloße Insolvenzforderung, nicht aber eine Masseverbindlichkeit vorliege (vgl. z.B. MünchKomm-InsO, 2. Aufl. 2007, § 38 Rz 87 und § 55 Rz 71; Onusseit, Neue Zeitschrift für das Gesamte Insolvenzrecht, ZinsO 2006, 516 ff.; Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 7. Aufl. 2007 Rz 1595; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 6. Aufl. 2005 S. 177 f.) schließt sich der Senat dem aus den dargelegten Gründen für den Fall der hier allein zu entscheidenden Istbesteuerung nicht an.

4. Dem Entstehen einer Masseverbindlichkeit bei einer im Rahmen der Istbesteuerung nach Verfahrenseröffnung erfolgten Entgeltvereinnahmung für eine vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistung steht die Rechtsprechung des VII. Senats zur Aufrechnung im Insolvenzverfahren nicht entgegen. Zum Aufrechnungsverbot nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO (zuvor § 55 Nr. 1 KO), wonach die Aufrechnung unzulässig ist, "wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist", hat der VII. Senat im Zusammenhang mit Steuervergütungen entschieden, dass diesbezügliche Ansprüche des Steuerpflichtigen insolvenzrechtlich vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens "begründet" sind, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt, der zu der Entstehung der Steueransprüche führt, bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2004 VII R 69/03, BFHE 208, 10, BStBl II 2005, 195; vom 16. November 2004 VII R 75/03, BFHE 208, 296, BStBl II 2006, 193, und vom 31. Mai 2005 VII R 74/04, BFH/NV 2005, 1745).

Diese Rechtsprechung bezieht sich, wie der VII. Senat im Urteil vom 16. Januar 2007 VII R 4/06 (BFHE 216, 385, BStBl II 2007, 747) ausdrücklich betont, auf das insolvenzrechtliche Aufrechnungshindernis des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO (zuvor § 55 Nr. 1 KO) und die Frage, welcher Zeitpunkt maßgebend dafür ist, ob ein aufrechnender Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Insoweit geht der VII. Senat des BFH insbesondere davon aus, dass das FA den Anspruch auf Vorsteuerabzug aus Leistungsbezügen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG bereits mit dem Bezug der Leistung und nicht erst mit "Erstellung der Rechnung" schuldig wird (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 17. Dezember 1998 VII R 47/98, BFHE 188, 149, BStBl II 1999, 423 zu § 55 Nr. 1 KO; in BFHE 208, 10, BStBl II 2005, 195; in BFHE 208, 296, BStBl II 2006, 193; in BFHE 216, 385, BStBl II 2007, 747, und in BFHE 216, 390, BStBl II 2007, 745; vom 4. März 2008 VII R 10/06, BFHE 220, 295, BStBl II 2008, 506 zu § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Demgegenüber geht es im Streitfall weder um die Auslegung insolvenzrechtlicher Aufrechnungsverbote noch um den Zeitpunkt, zu dem der Anspruch des Unternehmers auf Vorsteuerabzug begründet ist, sondern um die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten im Hinblick auf die durch den Insolvenzverwalter vereinnahmten Leistungsentgelte.

5. Das Urteil des FG, das von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war aufzuheben und die Klage abzuweisen. Auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen kann der Senat in der Sache selbst entscheiden.

Das FA war berechtigt, die Umsatzsteuer 2004 und 2005 durch Steuerbescheid festzusetzen. Entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanz liegen Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO vor, da der Kläger als Insolvenzverwalter des A in den Streitjahren Entgelte für Leistungen, die A vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht hatte, nach Verfahrenseröffnung im Rahmen der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 UStG vereinnahmte. Das FA hat daher die Umsatzsteuer 2004 und 2005 zu Recht gegenüber dem Insolvenzverwalter durch Steuerbescheid festgesetzt.

 

Fundstellen

BFH/NV 2009, 1045

BFH/PR 2009, 265

BStBl II 2009, 682

BFHE 2009, 24

BFHE 224, 21

BB 2009, 923

DB 2009, 1332

DStR 2009, 851

DStRE 2009, 573

DStZ 2009, 455

HFR 2009, 703

UR 2009, 388

WPg 2009, 617

NWB 2009, 1316

UVR 2009, 322

EWiR 2009, 315

StuB 2009, 403

ZIP 2009, 977

DZWir 2009, 239

NZI 2009, 447

ZInsO 2009, 920

KSI 2009, 192

KSI 2010, 92

NWB direkt 2009, 482

StBW 2009, 4

StX 2009, 284

SJ 2009, 14

StB 2009, 179

UStB 2009, 155

stak 2009

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