Leitsatz (amtlich)

Kann der BFH eine aus prozessualen Gründen erfolgte Klageabweisung aus sachlichen Gründen bestätigen, wenn der vom FG angenommene prozessuale Mangel nicht besteht?

 

Normenkette

FGO § 126 Abs. 4

 

Gründe

Das FG hat rechtlich unzutreffend die Klagen als unzulässig abgewiesen. Es hat aber zusätzlich ausgeführt, daß es sie auch für unbegründet halte, weil die Einwendungen der Steuerpflichtigen zur Höhe ihrer Einkünfte die Schätzung des FA nicht erschüttern könnten.

Nach der Rechtsprechung des BVerwG (vgl. Urteil VII C 80/62 vom 26. Februar 1965, JR 1966, 431) kann das Revisionsgericht eine aus prozessualen Gründen erfolgte Klageabweisung aus sachlichen Gründen bestätigen, wenn der von der Vorinstanz angenommene prozessuale Mangel nicht besteht und die Klage aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg haben kann. Die Möglichkeit einer solchen Entscheidung ergibt sich nach Ansicht des BVerwG aus § 144 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung. Diese Vorschrift entspricht wörtlich dem Abs. 4 des § 126 FGO. In der Literatur wird dazu unter Hinweis auf das Urteil des RFH III A 238/33 vom 26. Oktober 1933 (RStBl 1933, 1223) ebenfalls die Ansicht vertreten, daß eine Revision keinen Erfolg haben könne, wenn der BFH die als unzulässig abgewiesene Klage zwar für zulässig, aber in der Sache für unbegründet erachtet (vgl. v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 126 FGO Anm. 9; Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 126 FGO Anm. 3).

Selbst wenn sich der erkennende Senat dieser Meinung anschließen wollte, könnte er in der Sache selbst nicht entscheiden, weil sich die Unbegründetheit der Klagen aus den angefochtenen Urteilen nicht eindeutig ergibt. Die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen liegt auf dem Gebiet der tatsächlichen Feststellungen, an die der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bereits dann gebunden ist, wenn das FG zu dem Ergebnis, das es für zutreffend hält, kommen konnte. Ob dies möglich war, muß aber der Überprüfung durch das Revisionsgericht anhand des festgestellten Sachverhalts zugänglich sein. Das FG hat in den angefochtenen Urteilen keinerlei Feststellungen tatsächlicher Art getroffen, die den Schluß zuließen, das FA habe sich bei der Schätzung der Einkünfte der Steuerpflichtigen im Rahmen des Möglichen und Vertretbaren gehalten. Das Fehlen solcher Feststellungen muß zur Aufhebung der Vorentscheidungen führen (vgl. BFH-Urteile VIII R 37/68 vom 16. November 1971, BFH 104, 277, BStBl II 1972, 349; I R 206/70 vom 12.Juli 1972, a. a. O.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 70424

BStBl II 1973, 497

BFHE 1973, 275

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