Leitsatz (amtlich)

Übersendet das FA dem Steuerpflichtigen einen Computerausdruck, der die äußere Form und den Inhalt eines Einheitswertbescheids aufweist, dann liegt lediglich ein Scheinverwaltungsakt vor, wenn der Ausdruck ausschließlich für innerdienstliche Zwecke gefertigt worden war.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 118, 129

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) stellte entsprechend den Ergebnissen einer Betriebsprüfung den Einheitswert des Betriebsvermögens des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) zum 1. Januar 1974 auf 100 000 DM und zum 1. Januar 1975 auf 191 000 DM mit manuell gefertigten Bescheiden vom 7. Dezember 1976 bestandskräftig fest. Aufgrund zwischenzeitlich eingegangener Vermögensaufstellungen des Klägers auf den 1. Januar 1974, 1975 und 1976 ergingen am 8. Februar 1977 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung weitere die Stichtage 1. Januar 1974 und 1. Januar 1975 betreffende Feststellungsbescheide. Diese vom Rechenzentrum ausgedruckten Bescheide hob das FA mit manuellem Bescheid vom 13. September 1977 gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO 1977) unter Hinweis darauf auf, daß weiterhin die am 7. Dezember 1976 ergangenen Bescheide gültig seien. In direktem zeitlichen Zusammenhang damit verfügte die Sachbearbeiterin des FA auf den dafür vorgesehenen Vordrucken die Eingabe von Daten an das Landes-Rechenzentrum für die Einheitsbewertung jeweils zum 1. Januar 1974, 1975 und 1976, wobei sie auf den Eingabebogen selbst wie auf den begleitenden Verfügungsvordrucken jeweils deutlich das Wort "Löschung" vermerkte. Dies erfolgte, um die den aufgehobenen Bescheiden sowie dem zwar ausgedruckten, aber nicht abgesandten Feststellungsbescheid 1. Januar 1976 zugrundeliegenden, im Rechenzentrum gespeicherten unzutreffenden Daten zu löschen. Entsprechend den neu eingegebenen Daten fertigte das Landes-Rechenzentrum Computerausdrucke auf die streitigen Stichtage, die einen Einheitswert des Betriebsvermögens von jeweils O DM auswiesen. Die allgemein für das Versenden von Bescheiden zuständige Mitarbeiterin der Sachbearbeiterin des FA gab diese Ausdrucke trotz des Vermerks "Löschung" auf den Eingabebogen und den Verfügungsvordrucken am 23. Mai 1978 (für das Streitjahr 1974) und am 16. Juni 1978 (für die Streitjahre 1975 und 1976) zur Post.

Mit Bescheiden vom 23. August 1978 (für die Streitjahre 1974 und 1975) und vom 2. Oktober 1978 (für das Streitjahr 1976) hob das FA die auf O DM lautenden "Einheitswertbescheide" für das Betriebsvermögen des Klägers gemäß § 129 AO 1977 auf.

Die Einsprüche blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage mit den in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1983, 533 veröffentlichten Gründen stattgegeben.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung der §§ 124 und 129 AO 1977. Entscheidend sei im Streitfall nicht die Frage, ob wirksame Verwaltungsakte vorlägen, sondern ob das durch die Computerausdrucke Bekanntgegebene Vertrauensschutz verdiene oder nicht. Der Kläger habe die Unrichtigkeit ohne weiteres erkennen können.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Gemäß § 129 Satz 1 AO 1977 kann die Finanzbehörde offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlaß eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Die dem Kläger übersandten Computerausdrucke sind jedoch Scheinverwaltungsakte, die keine Rechtswirkung haben. Auf sie ist § 129 Satz 1 AO 1977 nicht anwendbar, da diese Vorschrift einen Verwaltungsakt i. S. des § 118 AO 1977 voraussetzt.

2. Nicht jede Mitteilung eines FA in der äußeren Form und mit dem Inhalt eines Steuer(Feststellungs)bescheids ist ein Verwaltungsakt. Erforderlich ist stets, daß die Maßnahme von dem Willen des FA getragen ist, eine entsprechende verbindliche Entscheidung mit Rechtswirkung nach außen zu erlassen (vgl. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl., S. 380 f.; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., Anm. 29 zu § 118 AO 1977; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 2. Aufl., Anm. 4b zu § 118 AO 1977; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung [AO 1977]/Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., Anm. 2c zu § 118 AO 1977). Hieran fehlt es im Streitfall. Das FA wollte eine derartige verbindliche Entscheidung nicht treffen.

a) Nach den unangefochtenen und den Senat bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) Feststellungen des FG hatten die Dateneingabe und die begleitende Aktenverfügung der zuständigen Sachbearbeiterin des FA lediglich den Zweck, die im Rechenzentrum zuletzt gespeicherten Einheitswertdaten des Klägers zu löschen, nicht aber, neue Einheitswertbescheide zu erlassen.

b) Daß die Mitarbeiterin die Ausdrucke des Rechenzentrums zur Post gegeben hat, ist ebenfalls nicht als eine auf den Erlaß eines Verwaltungsakts gerichtete Willensäußerung des FA anzusehen. Die Mitarbeiterin war nicht befugt, verbindliche Entscheidungen zu treffen. Daran hat sie sich gehalten; sie hat ihre Befugnisse nicht überschritten.

c) Wirksame Verwaltungsakte liegen auch nicht deshalb vor, weil die Computerausdrucke dem Kläger zugegangen sind (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 17. April 1959 VII C 85.58, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 310, Vorbemerkung III zu § 42 VwGO, Ziff. 1 Nr. 58). Das FG verweist in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf die Vorschrift des § 124 Abs. 1 AO 1977. Diese ist nur anwendbar, wenn überhaupt ein Verwaltungsakt vorliegt, der bekanntgegeben werden kann. Daran fehlt es aber im Streitfall im Unterschied zu dem der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. April 1979 VIII R 16/77 (BFHE 128, 20, BStBl II 1979, 606 ) zugrundeliegenden Fall. Dort hatte das Finanzamt einen dem Sachantrag der damaligen Kläger entsprechenden Steuerbescheid erlassen, dem - aus der Sicht des Finanzamts - lediglich ein anderer Erklärungsinhalt zukommen sollte.

Nicht entscheidungserheblich ist, ob der Kläger die Computerausdrucke als Verwaltungsakt angesehen hat (vgl. BVerwG-Urteil in Buchholz, a. a. O.).

3. Der Kläger ist auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes so zu behandeln, als seien wirksame Einheitswertbescheide ergangen. Dabei kann der Senat unerörtert lassen, ob ein Scheinverwaltungsakt ein schutzwürdiges Vertrauen des Empfängers begründen kann. Im Streitfall fehlt es jedenfalls an einer im Vertrauen auf das Verhalten der Verwaltung nicht mehr rückgängig zu machenden Vermögensdisposition des Klägers (vgl. dazu BFH-Urteil vom 5. Februar 1980 VII R 101/77, BFHE 130, 90).

4. Durch das Übersenden der Computerausdrucke war jedoch der Rechtsschein wirksamer Feststellungsbescheide entstanden. Diesen hat das FA zu Recht dadurch beseitigt, daß es in der Einspruchsentscheidung festgestellt hat, bei den Computerausdrucken handele es sich lediglich um Scheinverwaltungsakte, so daß die ursprünglichen Einheitswertbescheide vom 7. Dezember 1976 weitergelten würden.

5. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage war abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 426036

BStBl II 1985, 42

BFHE 1985, 204

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