Leitsatz (amtlich)

Gibt der Steuerpflichtige sein ursprüngliches Bauvorhaben auf und errichtet er das vorgesehene Gebäude auf einem anderen Grundstück, so ist grundsätzlich der für dieses Bauvorhaben gestellte Bauantrag der gemäß § 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1975 maßgebliche Antrag auf Baugenehmigung.

 

Normenkette

InvZulG 1975 § 4b

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) beabsichtigte, auf einem der Freien und Hansestadt Hamburg gehörenden Grundstück in Hamburg-B. eine Lagerhalle mit Bürogebäude und Betriebswohnung zu errichten. Für dieses Bauvorhaben beantragte sie am 27. Juni 1975 beim Bezirksamt Hamburg-Mitte, Ortsamt X, eine Baugenehmigung. Die Klägerin gelangte jedoch nicht in den Besitz des Grundstücks; die Verhandlungen verliefen im Jahr 1976 ergebnislos. Sie führte nunmehr ihr Bauvorhaben ohne Änderung der ursprünglichen Baupläne auf einem im Erbbaurecht übernommenen Grundstück in Hamburg-W. durch. Den Bauantrag hierfür hatte die Klägerin nach dem 1. Juli 1975 beim Ortsamt Hamburg-W. gestellt. Das Ortsamt X hatte es zuvor aus formellen Gründen abgelehnt, den bei ihm eingereichten Bauantrag an das zuständige Ortsamt Hamburg-W. weiterzuleiten.

Den Antrag der Klägerin, ihr für die im Jahr 1976 geleisteten Anzahlungen auf Herstellungskosten eine Investitionszulage gemäß § 4 b des Investitionszulagengesetzes -- InvZulG 1975 -- (BGBl I 1975, 528, BStBl I 1975, 205) zu gewähren, lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) mit der Begründung ab, der maßgebliche Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung sei verspätet gestellt worden. Im Einspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, sie habe das Scheitern der Vertragsverhandlungen mit der Freien und Hansestadt Hamburg nicht zu vertreten. Sie war ferner der Auffassung, daß die nur aus formellen Gründen erfolgte Rücknahme des Bauantrags vom 27. Juni 1975 nicht zur Versagung der Investitionszulage führen dürfe. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 4 b InvZulG 1975. Sie ist der Auffassung, sie habeden maßgeblichen Bauantrag rechtzeitig gestellt. Jedenfalls habe sie noch vor dem 1. Juli 1975 mit den Bauarbeiten begonnen.

Die Klägerin sieht es als entscheidend an, daß der nach Ablauf des Begünstigungszeitraums gestellte Baugenehmigungsantrag mit dem Antrag vom 27. Juni 1975 inhaltsgleich gewesen sei. Es könne nicht zu ihren Lasten gehen, wenn das Ortsamt X den ursprünglichen Bauantrag aus rein formalen Gründen nicht weitergeleitet habe. Andernfalls würde der Zweck der Konjunkturzulage im Streitfall vereitelt; denn die Klägerin habe ihren Investitionsentschluß rechtzeitig kundgetan, an diesem festgehalten und das Bauvorhaben mit Nachdruck betrieben.

Die Klägerin ist im übrigen der Auffassung, daß bereits die Planungsarbeiten den Beginn der Bauarbeiten i. S. des § 4 b Abs. 2 Satz 6 InvZulG 1975 darstellen; denn die Kosten für die Planung eines Gebäudes gehörten grundsätzlich zu dessen Herstellungskosten. Sie verweist insoweit auf die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. März 1975 IV R 146/70 (BFHE 115, 438, BStBl II 1975, 574) und vom 11. März 1976 IV R 176/72 (BFHE 119, 240, BStBl II 1976, 614). Im Streitfall seien aber unstreitig bereits ab März 1975 Planungskosten des Architekten angefallen.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, ihr eine Investitionszulage von 39 833,70 DM zu gewähren.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Die Gewährung einer Investitionszulage nach § 4 b InvZulG 1975 setzt unter anderem voraus, daß der Steuerpflichtige in der Zeit nach dem 30. November 1974 und vor dem 1. Juli 1975 mit der Herstellung des Wirtschaftsguts, für das er Investitionszulage begehrt, begonnen hat. Nach § 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1975 beginnt die Herstellung bei Gebäuden und Gebäudeteilen in dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Baugenehmigung gestellt wird. Ist der Antrag auf Baugenehmigung vor dem 1. Dezember 1974 gestellt worden, gilt als Beginn der Herstellung der Beginn der Bauarbeiten (§ 4 b Abs. 2 Satz 6 InvZulG 1975). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

1. Das Finanzgericht (FG) hat zu Recht den für das Bauvorhaben Hamburg-W. nach dem 30. Juni 1975 gestellten Antrag auf Baugenehmigung als den nach § 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1975 maßgeblichen Antrag angesehen. Dieser Antrag ist verspätet.

a) Die Klägerin beruft sich ohne Erfolg darauf, daß sie bereits am 27. Juni 1975 einen Bauantrag gestellt habe; denn bei diesem Antrag handelt es sich investitionszulagerechtlich um einen gegenüber dem Antragauf Baugenehmigung für das Bauvorhaben Hamburg-W. selbständigen Antrag. Unerheblich ist dabei, daß das Bauvorhaben Hamburg-W. auf der Grundlage der Baupläne für das ursprünglich vorgesehene Bauvorhaben Hamburg-B. durchgeführt worden ist.

"Antrag auf Baugenehmigung" im Sinne des § 4 b Abs. 2 InvZulG 1975 ist der an die Baugenehmigungsbehörde gerichtete Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung für ein bestimmtes Bauvorhaben (BFH-Urteil vom 7. März 1980 III R 45/78, BFHE 130, 218, BStBl II 1980, 411). Dieses wird aber nicht allein durch den dem Bauantrag beigefügten Bauplan bestimmt, sondern auch durch seine Art sowie durch die Lage und Beschaffenheit des Grundstücks. Dementsprechend sind Baugenehmigungsverfahren und Baugenehmigung grundsätzlich grundstücksbezogen. Dies erklärt sich u. a. daraus, daß sich aus der Lage und Beschaffenheit des Grundstücks unterschiedliche Voraussetzungen für die Erteilung der Baugenehmigung ergeben können. So hängt beispielsweise die mögliche Größe eines Gebäudes von der Größe des Grundstücks ab. Auch können unterschiedliche Grundstücke bei einem gewerblichen Bauvorhaben wie dem der Klägerin unterschiedliche gewerbeaufsichtsrechtliche und feuerpolizeiliche Maßnahmen erfordern.

Für das neue Bauvorhaben müssen die Voraussetzungen des § 4 b InvZulG 1975 grundsätzlich selbständig erfüllt sein. Dementsprechend muß -- sofern die Voraussetzungen des § 4 b Abs. 2 Satz 6 InvZulG 1975 nicht vorliegen -- auch der für das tatsächlich errichtete Gebäude maßgebliche Bauantrag innerhalb des Begünstigungszeitraums des § 4 b InvZulG 1975 gestellt worden sein. Unerheblich ist, zu welchem Zeitpunkt die Klägerin den Entschluß gefaßt hatte, das Betriebsgebäude zu errichten.

b) Der Senat braucht nicht abschließend zu erörtern, ob die Investitionszulage auch dann zu versagen ist, wenn die Aufgabe des ursprünglichen Bauvorhabens auf Umständen beruht, die außerhalb des Einflußbereichs des Investors liegen und von ihm nicht zu vertreten sind. Der Senat verweist insoweit auf sein Urteil vom 22. April 1982 III R 113/78 (BFHE 136, 166, BStBl II 1982, 571). Danach ist eine Ausnahme vom Erfordernis der Identität von bestelltem und geliefertem Wirtschaftsgut dann denkbar, wenn eine Umbestellung aus Gründen notwendig wird, die außerhalb des Einflußbereichs des Investors liegen und von ihm nicht zu vertreten sind. Die Grundgedanken dieser Entscheidung sind schon deshalb im Streitfall nicht anwendbar, weil die Klägerin nicht schlüssig vorgetragen hat, wieso sie mit Sicherheit darauf vertrauen konnte, auf dem Grundstück in Hamburg-B. bauen zu können.

c) Der Senat kann im übrigen unerörtert lassen, ob es -- wie das FG gemeint hat -- zulageschädlich war, daß der am 27. Juni 1975 gestellte Bauantrag nicht an das Amt gerichtet war, das für die Genehmigung des errichteten Gebäudes zuständig war. Dies ist nicht mehr entscheidungserheblich. Das gleiche gilt hinsichtlich der Wirkungen der Rücknahme des ersten Bauantrags.

2. Die Klägerin hat auch nicht rechtzeitig mit den Bauarbeiten begonnen.

Nach dem Senatsurteil vom 8. Februar 1980 III R 100/78 (BFHE 130, 105, BStBl II 1980, 473) gilt bei Gebäuden und Gebäudeteilen der Beginn der Bauarbeiten auch dann als Beginn der Herstellung, wenn der Antrag auf Baugenehmigung erst nach dem 30. Juni 1975 gestellt worden ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind jedoch Planungsarbeiten des Architekten nicht als Beginn der Bauarbeiten anzusehen.

Der zeitliche Ablauf bei der Errichtung eines Gebäudes geschieht regelmäßig in der Reihenfolge Planung, Antrag auf Baugenehmigung, Durchführung der unmittelbaren Bauarbeiten. Aus dieser zeitlichen Abfolge hat der Gesetzgeber -- insbesondere aus Gründen der Rechtsklarheit -- den Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung gestellt wird, grundsätzlich als den für den Beginn der Herstellung maßgeblichen Zeitpunkt angesehen.

Nach § 4 b Abs. 2 Satz 6 InvZulG 1975 gilt zwar unter bestimmten Voraussetzungen der Beginn der Bauarbeiten als Beginn der Herstellung. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß mit dieser Regelung im Interesse der Konjunkturbelebung lediglich ein Investitionsanreiz auch für die Fälle geschaffen werden sollte, in denen der Bauantrag vor dem Begünstigungszeitraum gestellt, das Bauvorhaben selbst aber noch nicht in Angriff genommen worden war (vgl. BT-Drucks. 7/3010 S. 9). Eine Auslegung des § 4 b Abs. 2 InvZulG 1975 in der Weise, daß bereits Planungsarbeiten den Beginn der Bauarbeiten darstellen können, ist damit nicht möglich. Unerheblich ist dabei, ob und gegebenenfalls inwieweit die Planungskosten einkommensteuerrechtlich als Herstellungskosten anzusehen sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74509

BStBl II 1983, 146

BFHE 1982, 134

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