Leitsatz (amtlich)

Der Begriff der Hllfeleistung in Steuersachen ist nicht eng auszulegen. Er ist nach objektiven Kriterien zu bestimmen. Auch die Beratung in weniger bedeutsamen Steuerangelegenhelten fällt darunter.

 

Normenkette

GG Art. 12 Abs. 1; StBerG §§ 1-7

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Seit Anfang des Jahres 1974 dauern Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) einerseits und dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) andererseits wegen unerlaubter Hilfeleistung in Steuersachen an. Der Kläger war bis Ende Februar 1975 als Angestellter beim beklagten FA tätig und wurde am 1. März 1975 an ein anderes FA versetzt. Im Februar 1976 ist mit einer Durchsuchung durch die Steuerfahndung ein Steuerstrafverfahren gegen ihn eingeleitet worden, das bis zur Entscheidung des Finanzgerichts (FG) noch nicht abgeschlossen war. Am 1. Juni 1976 ist der Kläger aus dem Dienst der Finanzverwaltung ausgeschieden.

Mit Schreiben vom 23. September 1976 untersagte das FA dem Kläger unbefugte Hilfe in Steuersachen erneut und drohte für jeden Fall der Zuwiderhandlung Zwangsgelder in bestimmter Höhe an. Wegen solcher Zuwiderhandlungen in 15 einzeln angeführten Fällen setzte das FA mit dem angefochtenen Bescheid vom 1. Dezember 1977 Zwangsgelder von zusammen 3 600 DM fest.

Die nach erfolgloser Beschwerde erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. In den drei Fällen, auf die das FA seine Revision beschränkt hat, hat das FG eine unbefugte Hilfe in Steuersachen aus rechtlichen Gründen nicht für gegeben erachtet. Diesen Fällen liegen folgende Sachverhalte zugrunde. Im Fall Nummer 1 schrieben die Eheleute A am 20. Oktober 1977 an die Oberfinanzdirektion (OFD). Sie beschwerten sich, daß das FA ihren Antrag auf Herabsetzung ihrer Einkommensteuervorauszahlungen nicht beantwortet habe, und baten darauf hinzuwirken, daß das FA nunmehr über ihren Antrag entscheide. Im Fall Nummer 2 schrieb Herr B unter dem 30. September 1976 an das FA, er bitte, da er gegen den Einkommensteuerbescheid für 1975 Einspruch eingelegt habe, ihm den Betrag zu stunden, bis die Angelegenheit geklärt sei. Im Fall Nummer 3 geht es um ein Schreiben von Frau C vom 4. März 1977 an das FA, in dem diese das FA bat. keine Vorauszahlungen zu erheben, da sie nur noch die Rente aus der gesetzlichen Sozialversicherung habe.

In den noch streitigen drei Fällen begründete das FG seine Entscheidung wie folgt:

Verboten sei dem Kläger die geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen, weil er nicht zu dem zugelassenen Personenkreis gehöre (§§ 2 bis 4 des Steuerberatungsgesetzes - StBerG -). Hilfe in Steuersachen werde geschäftsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig und mit der Absicht geleistet werde, die Betätigung in gleicher Art zu wiederholen (vgl. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. November 1962 VII 97/61, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1963 S. 36 - HFR 1963, 36 -, und vom 24. Juli 1973 VII R 58/72, BFHE 110, 7, BStBl II 1973, 743), auch wenn das unentgeltlich geschehe (§ 2 Satz 2 StBerG). Der Kläger sei, soweit er Hilfe in Steuersachen geleistet habe, unstreitig selbständig tätig gewesen. Da er sich innerhalb eines Jahres mehrfach in dieser Weise betätigt habe, habe er geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen geleistet.

Der Begriff "Hilfeleistung in Steuersachen" sei im Gesetz nicht abschließend umschrieben. Für seine Auslegung sei der Zweck des Gesetzes die sicherste Richtschnur. Dabei sei Art. 12 des Grundgesetzes (GG) zu berücksichtigen. Zweck des Gesetzes sei, unsachgemäße Steuerberatung zu verhindern und damit Schäden für den Bürger, aber auch für die Gemeinschaft aller Steuerzahler zu verhüten.

Die geänderte Gesetzesfassung von 1975 sei zu berücksichtigen. Die Grundvorschrift, nach der Hilfeleistung bei der Buchführung schlechthin Hilfe in Steuersachen gewesen sei, sei eingeschränkt worden (§ 1 Abs. 2 Nr. 2, § 6 Nr. 3 1. Halbsatz StBerG). Hilfe in Steuersachen beginne jetzt erst mit bestimmten Buchungsanweisungen als den steuerlich erheblichen Entscheidungen im Rahmen der buchmäßigen Darstellung der Geschäftsvorfälle.

Darüber hinaus lasse das Gesetz erkennen, daß auch der gefälligkeitshalber erteilte Rat nur im Verwandtenkreis erlaubt und sonst, wenn er geschäftsmäßig erteilt werde, verboten sei (§ 6 Nr. 2, § 5 Satz 1 StBerG). Diese Auslegung werde auch vom Zweck der Vorschrift gedeckt. Der unsachgemäße Rat verpflichte den Ratgebenden, der ihn aus Gefälligkeit erteile, zwar zu nichts. Der Schaden, den das Gesetz verhüten wolle, drohe desto mehr. Aus dieser Sicht sei nicht jeder Brief unerlaubte Hilfe in Steuersachen, den ein schriftgewandter Mitbürger für seinen weniger geschickten Freund an das FA schreibe. Die Grenze zur erlaubnispflichtigen Hilfe in Steuersachen werde aber überschritten, wenn der Helfer entweder mit seiner steuerlichen Sachkunde helfe oder wenn er eine Erklärung, einen Antrag oder Einspruch verfasse, die der Steuerzahler ohne ihn inhaltlich so nicht hätte abgeben können.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Zwangsgeldfestsetzung hängt davon ab, ob der Kläger der vom FA unter Androhung von Zwangsgeldern ausgesprochenen Untersagung der Hilfeleistung in Steuersachen zuwidergehandelt hat (vgl. § 159 Abs. 5 StBerG). Das FG hat das in den drei noch streitigen Fällen ohne weiteres Eingehen auf die streitigen tatsächlichen Fragen mit der Begründung verneint, die vom Kläger möglicherweise geleistete Hilfe sei keine unbefugte Hilfe in Steuersachen. Das FG hat dabei den Begriff der Hilfeleistung in Steuersachen verkannt, indem es die Auffassung vertrat, eine solche Hilfeleistung liege nicht vor, da die fraglichen Erklärungen jeder schriftgewandte Bürger hätte abfassen können.

Das Steuerberatungsgesetz definiert den Begriff der Hilfeleistung in Steuersachen nicht. Es gibt, soweit ersichtlich, auch keine höchstrichterlichen Entscheidungen zu diesem Begriff. Wie weit er reicht, ist daher an Hand von Wortlaut, Sinn und Zweck der Regelung des Steuerberatungsgesetzes zu entscheiden.

Durch die gesetzliche Regelung der Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen soll im Interesse des Steueraufkommens, der Steuermoral sowie zum Schutze gesetzesunkundiger Steuerpflichtiger, die durch Falschberatung unfähiger und ungeeigneter Berater schwere Nachteile erleiden können, sichergestellt werden, daß nur solche Berater geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, die dazu die erforderliche sachliche und persönliche Zuverlässigkeit besitzen (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 18. Juni 1980 1 BvR 697/77, BVerfGE 54, 301, 314 ff., BStBl II 1980, 706, 710 ff., mit weiteren Nachweisen). Dieser Gesetzeszweck läßt erkennen, daß der Gesetzgeber den Begriff der Hilfeleistung in Steuersachen nicht eng ausgelegt wissen wollte. Die genannten Interessen stehen auch auf dem Spiel, wenn sich die Hilfeleistung in weniger bedeutsamen Anträgen bei den Finanzbehörden niederschlägt. Eine solche Hilfeleistung ist untrennbar verbunden mit einer entsprechenden Beratung des Steuerpflichtigen. Auch diese stellt eine Hilfeleistung dar (vgl. Klöcker-Mittelsteiner-Gehre, a. a. O.; Massen, Buchführungshilfe und Hilfeleistung in Steuersachen, Finanz-Rundschau 1971 S. 60 - FR 1971, 60 -). Wird diese Hilfe von einem Berater geleistet, dem die erforderliche sachliche und persönliche Zuverlässigkeit fehlt, so sind die Interessen des Steuerpflichtigen und jene der Allgemeinheit gefährdet.

Der Begriff der Hilfeleistung in Steuersachen kann entgegen der Auffassung des FG nicht subjektiv abgegrenzt werden. Eine tatsächlich gewährte Beratung oder sonstige Hilfeleistung kann nicht deswegen als unerheblich angesehen werden, weil derjenige, dem geholfen worden ist, möglicherweise fähig gewesen wäre, die - vom Hilfeleistenden erledigte - Angelegenheit selbst in gleicher Weise (oder gar besser) zu besorgen. Auch die Interessen desjenigen, der, obwohl er sich selbst hätte helfen können, sich in einer Steuerangelegenheit von einem unfähigen und ungeeigneten Berater helfen läßt, können dadurch gefährdet werden. Überdies fehlt der vom FG für richtiggehaltenen Abgrenzung des Begriffs der Hilfeleistung die Praktikabilität in einem Maße, die die gesamte Durchführbarkeit der gesetzlichen Regelung in Frage stellt. Es kann nicht in jedem Einzelfall geprüft werden, ob der Empfänger der Hilfe dieser subjektiv nach seinen Fähigkeiten auch bedurft hat. Ein und dieselbe Hilfeleistung wäre sonst das eine Mal befugt, das andere Mal unbefugt. Auch der Hilfeleistende selbst wäre kaum in der Lage, die Grenzlinie zwischen Erlaubtem und Unerlaubtem zu ziehen.

Der Begriff der Hilfeleistung in Steuersachen kann also nur objektiv umrissen werden. Sicherlich umfaßt er nicht auch jede Hilfe, die steuerlich irrelevant ist, also z. B. die reine Schreibhilfe (vgl. auch Massen, a. a. O., S. 61). Angesichts der Vielfalt der möglichen Sachverhalte ist es schwierig, die Grenzen des Begriffs umfassend festzulegen. Jedenfalls kann er in Anbetracht von Sinn und Zweck des Steuerberatungsgesetzes nicht eng ausgelegt werden. Eine unangemessene Belastung ist damit für die Betroffenen schon deswegen nicht verbunden, weil unbefugt nicht jede Hilfe in Steuersachen ist, sondern nur eine solche, die geschäftsmäßig ausgeübt wird (vgl. §§ 2 bis 5 StBerG und die vom FG zitierte Rechtsprechung des erkennenden Senats). Unter den Begriff der Hilfe in Steuersachen fällt also auch die Beratung und Hilfeleistung, die zu einem Antrag beim FA auf Gewährung einer Steuerstundung oder Herabsetzung der Steuervorauszahlungen oder zu einer Dienstaufsichtsbeschwerde an die OFD wegen Nichtbescheidung eines Antrags auf Herabsetzung von Steuervorauszahlungen durch das FA führt.

Art. 12 GG steht dem nicht entgegen. Zwar stellt die Regelung des Steuerberatungsgesetzes über die Hilfeleistung in Steuersachen eine Einschränkung des Grundrechts der Berufsfreiheit dar. Zu solchen Einschränkungen ist der Gesetzgeber aber nach Art. 12 Abs. 1 GG befugt. Diese aus Gründen des Gemeinwohls unumgänglichen Einschränkungen stehen freilich unter dem Gebot der strikten Wahrung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit; Eingriffe dürfen nicht weitergehen, als es die sie legitimierenden öffentlichen Interessen erfordern (vgl. BVerfGE 54, 301, 314 ff., BStBl II 1980, 706, 710 ff., mit weiteren Nachweisen). Oben sind bereits die Interessen geschildert worden, die den Gesetzgeber zu seiner Regelung veranlaßt haben. Diese Interessen erfordern aus den angegebenen Gründen gerade eine weite Auslegung des Begriffs der Hilfeleistung in Steuersachen.

Dies hat das FG verkannt. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif, da nicht festgestellt ist, ob der Kläger die Hilfe tatsächlich geleistet hat. Die Sache war daher an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74117

BStBl II 1982, 43

BFHE 1981, 206

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