Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Werkzeuge wie Bohrer, Fräser, Drehstähle u. a., die zum Zwecke ihrer betrieblichen Verwendung mit entsprechenden Werkzeugmaschinen verbunden werden müssen, sind keiner selbständigen Nutzung im Sinne des § 6 Abs. 2 EStG 1953 fähig.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Bfin. (KG) stellt seit 1955 Maschinen, insbesondere Pressen her. Zum Zwecke der Vorbereitung ihrer Erzeugung hat sie im Streitjahr Maschinen, Maschinenersatzteile und für die Maschinen verwendbare Werkzeuge wie Fräser, Bohrer usw. sowie Sicherheitsfutter für Gewindebohrer, Drehstahlunterlagen und Fräseraufnahmeschäfte angeschafft. Sie begehrt für diese Werkzeuge die Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 2 EStG in Höhe von 9588 DM. Finanzamt und Finanzgericht haben das abgelehnt. Das Finanzgericht hat im wesentlichen ausgeführt, die Werkzeuge erfüllten nicht die Voraussetzungen der selbständigen Nutzungsfähigkeit im Sinne des § 6 Abs. 2 EStG. In seiner Entscheidung VI 77/43 vom 28. Juli 1943 (RStBl 1943 S. 743) habe der Reichsfinanzhof als Vorrat vorhandene Maschinenersatzteile und Reparaturmaterialien als nicht der selbständigen Nutzung fähig charakterisiert. Dabei habe es der Reichsfinanzhof auf die Ganzheit eines Wirtschaftsguts abgestellt. Solche Gegenstände, die ihre technische Funktion nur als Teile eines Wirtschaftsguts erfüllten, seien nicht begünstigt. Diese scharfe Abgrenzung trete Umgehungsversuchen durch technische Zerlegung von Wirtschaftsgütern entgegen und schränke dadurch die Vergünstigung zwangsläufig ein. Bohrer, Fräser und Drehstähle sowie die Einsatzstücke, die die Bfin. als Ersatz und Verschleißteile bezeichne, würden zwar jeweils nur vorübergehend mit einer bestimmten Werkzeugmaschine verbunden und für eine Mehrzahl von Maschinen verwendet. Ohne die Maschine leisteten die Werkzeuge aber nichts. Allein in der technischen Verbindung mit dem Körper einer Maschine könnten die "Hände" arbeiten. Davon losgelöst hätten sie keine Nutzkraft. Die hier in Rede stehenden Gegenstände seien dazu bestimmt, allein im körperlichen Zusammenhang mit einer Werkzeugmaschine verwendet zu werden, die erst hierdurch ihre volle Wirkungskraft erhalte. Sie seien kaum von gelagerten und später in eine Maschine fest einzufügenden Maschinenersatzteilen zu trennen. Verneine man aber die Bewertungsfreiheit für Maschinenersatzteile, so müsse das gleiche für Maschinenverschleißteile (Maschinenwerkzeuge) gelten. Diese seien keine selbständige benutzbare Ganzheit. Daß sie leicht aus der jeweiligen Verbindung mit der Maschine entfernt und an eine andere Maschine angebracht werden könnten, mache sie nicht selbständig nutzungsfähig.

Mit der Rb. macht die Bfin. im wesentlichen geltend: Das Finanzgericht verkenne den Sachverhalt, wenn es die genormten Werkzeuge, die mit mehreren und verschiedenen Maschinen genutzt werden könnten und genutzt würden, den Ersatzteilen einer Maschine gleichstelle. Gerade der Umstand, daß die Werkzeuge nicht nur in Verbindung mit einer Maschine, sondern mit mehreren Maschinen verwendet werden könnten, habe zur Folge, daß diese verschiedene Verwertbarkeit eine selbständige Nutzungsfähigkeit des Werkzeugs darstelle. Auch der Bundesfinanzhof habe in seinem Urteil I 286/56 S vom 16. Dezember 1958 (BStBl 1959 III S. 77, Slg. Bd. 68 S. 198) darauf abgestellt, ob nach außen ein einheitliches Ganzes in Erscheinung trete. Der Art und Dauer der Verbindung messe er dabei Bedeutung zu. Nur auf Grund einer Verbindung von gewisser Dauer bei Benutzung der fraglichen Gegenstände im Betrieb, trete nach außen ein einheitliches Ganzes in Erscheinung. Diese Voraussetzungen seien bei den zu bewertenden Werkzeugen nicht erfüllt. Die Verbindung sei jeweils nur von kurzer Dauer und auf einzelne Arbeitsvorgänge beschränkt. Die nur vorübergehende Verbindung zwischen Maschine und dem jeweils benötigten Werkzeug vermittle nach außen nicht das Bild eines einheitlichen Ganzen. Die Bewertung dieser Werkzeuge als Teile mehrerer Maschinen widerspreche dem Grundsatz der Einzelbewertung und sei daher nicht zulässig. Gegen die Auffassung des Finanzgerichts spreche auch, daß bei Werkzeugen die Bewertung mit einem Standardwert für zulässig erklärt wurde. Ein Festwert aber könne nur für eine Summe von Einzelgegenständen gebildet werden, die gerade nicht unselbständige Teile eines einheitlichen Sachganzen seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. der KG ist unbegründet.

Der Senat geht, ohne zu diesen Fragen abschließend Stellung zu nehmen, davon aus, daß die Werkzeuge und austauschfähigen Haltevorrichtungen selbständig bewertbare Wirtschaftsgüter sind und mit Rücksicht auf ihre unmittelbare Zweckbestimmung zum Anlagevermögen gehören. Er sieht die Gegenstände nicht als Maschinenersatzteile an und stellt sie diesen nicht gleich. Im Gegensatz zu den Werkzeugen der hier streitigen Art verlieren Maschinenersatzteile durch ihre bestimmungsgemäße Verwendung ihre selbständige Bewertungsfähigkeit. Sie gehen in dem Wirtschaftsgut, für das sie verwendet werden, als unselbständige Teile unter.

Bei der Frage, ob verschiedenartige Wirtschaftsgüter, die im Betrieb ihre Aufgabe nur im Zusammenwirken auf Grund einer technischen Verbindung erfüllen können, jedes für sich als selbständig nutzungsfähig im Sinne des § 6 Abs. 2 EStG angesehen werden können, kommt es darauf an, ob man der rein technischen oder der betrieblichen Funktion des Wirtschaftsguts entscheidende Bedeutung beimißt.

Hebt man entscheidend auf die technische Funktion ab, so könnte man im Streitfall die Maschinen, mit denen die Einzelwerkzeuge wie Bohrer, Fräser, Hobel, Drehstähle usw. verbunden werden, als selbständig nutzungsfähig ansehen. Denn ihre technische Funktion besteht darin, die genannten Werkzeuge zu halten und zu bedienen. Für das einzelne Werkzeug würde ebenfalls die selbständige Nutzungsfähigkeit angenommen werden können, da es vom rein Technischen her gesehen die Aufgabe hat, als solches einen bestimmten Arbeitsvorgang zu erledigen. Stellt man hingegen auf die betriebliche Funktion ab, so muß die selbständige Nutzungsfähigkeit sowohl der Maschine als auch des Einzelwerkzeugs verneint werden. Denn die betriebliche Funktion der Maschine besteht gerade darin, zu fräsen, zu bohren, zu hobeln, zu drehen usw. Diese Verrichtung aber kann sie nur im Zusammenwirken mit dem Einzelwerkzeug erfüllen.

Bei Beantwortung der Fragen, ob ein einheitliches Wirtschaftsgut vorliegt und ob ein Wirtschaftsgut der selbständigen Nutzung fähig ist, kann nicht lediglich auf die rein technische Funktion der einzelnen Gegenstände abgestellt werden. Das würde dazu führen können, durch geschickte Manipulationen Gegenstände in ihre letztmöglichen technischen Einzelteile zu zerlegen und hierdurch eine weitgehende Atomisierung des Begriffs "Wirtschaftsgut" zu erreichen. Gerade dies aber lehnt der Senat auch in seinem Urteil I 286/56 S ausdrücklich ab. Für die Frage, ob die Verbindung mehrerer selbständig bewertbarer Wirtschaftsgüter nach außen als ein einheitliches Ganzes in Erscheinung tritt und deshalb keine selbständige Nutzungsfähigkeit gegeben ist, stellt es das Urteil auf die betriebliche Art der Verbindung und die Aufgabe, der die Verbindung im Betriebe dient, ab. Hieran hält der Senat fest. Dabei kann der Dauer der Verbindung Bedeutung zukommen. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß auch eine Verbindung von kürzerer Dauer zur Annahme eines einheitlichen Ganzen ausreicht. Entscheidend ist die bestimmungsgemäße und für den einzelnen betrieblichen Zweck erforderliche Verbindung. Es trifft zu, daß der Begriff der selbständigen Nutzungsfähigkeit (des einheitlichen Ganzen, der Sachgesamtheit) keine für den Einzelfall klaren und eindeutigen Grenzen schafft. Im Streitfall ist es aber wesentlich, daß die Maschinen und Werkzeuge nur in ihrer Verbindung ihren betrieblichen Zweck erfüllen können und dieser Zweck bei ihrer Konstruktion beachtet wird. Die Maschinen und die umstrittenen Wirtschaftsgüter sind technisch und wirtschaftlich zur Erfüllung bestimmter Aufgaben aufeinander abgestellt. Auch wenn sie technisch nicht ständig verbunden sind, so liegen sie doch für eine jeweils notwendige Verbindung stets bereit. Unter diesen Umständen muß die selbständige Nutzungsfähigkeit auch dann verneint werden, wenn ein Werkzeug zur Einfügung in verschiedene Maschinen bestimmt ist.

Die weiteren Einwendungen der Bfin. sind nicht begründet. Daß die Werkzeuge, sofern sie überhaupt den Begriff des Wirtschaftsguts erfüllen, einzeln bewertet werden, ist nicht umstritten. Die selbständige Bewertungsfähigkeit, die die Einzelbewertung ermöglicht, ist ein dem Begriff des Wirtschaftsguts innewohnendes Merkmal. Der Gesetzgeber hat aber in § 6 Abs. 2 EStG daneben für die Inanspruchnahme der Abschreibungsfreiheit noch eine weitere Voraussetzung, nämlich DIE DER selbständigen Nutzungsfähigkeit, aufgestellt. Die selbständige Nutzungsfähigkeit ist kein Begriffsmerkmal des Wirtschaftsguts. Es steht daher der Auffassung, daß die Werkzeuge nicht selbständig nutzungsfähig sind, nicht der Umstand entgegen, daß sie einerseits und die Maschinen selbst andererseits selbständig bewertet und gegebenenfalls nach unterschiedlicher Nutzungsdauer abgeschrieben werden. Es steht dem ebensowenig entgegen, wenn Werkzeuge mit einem Standardwert angesetzt werden. Denn die selbständige Bewertungsfähigkeit der Werkzeuge wird nicht in Zweifel gezogen.

Die Rb. ist hiernach als unbegründet zurückzuweisen. Die Entscheidung ergeht im Einvernehmen mit dem IV. Senat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410003

BStBl III 1961, 383

BFHE 1962, 318

BFHE 73, 318

BB 1961, 892

DB 1961, 1117

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