Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgeltungszahlungen für nicht in Anspruch genommenen Urlaub keine vGA

 

Leitsatz (amtlich)

Abgeltungszahlungen für nicht in Anspruch genommenen Urlaub an den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH oder an eine diesem nahestehende Person stellen auch bei Fehlen von Vereinbarungen zu den Voraussetzungen der Zahlungen und trotz des gesetzlichen Verbots der Abgeltung von Urlaubsansprüchen in § 7 Abs. 4 BUrlG keine vGA dar, wenn betriebliche Gründe der Urlaubsinanspruchnahme entgegenstehen.

 

Normenkette

KStG § 8 Abs. 3 S. 2; BUrlG § 7 Abs. 4

 

Verfahrensgang

FG Köln (Entscheidung vom 25.09.2002; Aktenzeichen 13 K 4947/01; EFG 2003, 1499)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Familien-GmbH, die ein Zahntechniker-Labor betreibt, hatte drei Geschäftsführer, die zugleich Gesellschafter waren. Sie beschäftigte in den Streitjahren 1996 und 1997 zusätzlich bis zu fünf angestellte Zahntechniker, von denen einer der Schwager der Gesellschafter-Geschäftsführer war.

Letzterer sowie die drei Gesellschafter-Geschäftsführer erhielten in den Streitjahren von der Klägerin Abgeltungszahlungen wegen nicht genommenen Jahresurlaubs. Die Abfindungen an die Gesellschafter-Geschäftsführer erfolgten nach Maßgabe der gleichlautenden Geschäftsführeranstellungsverträge, welche bestimmten, dass die Geschäftsführer die Zeitpunkte der ihnen zustehenden Jahresurlaube von 30 Arbeitstagen entsprechend den Bedürfnissen der Geschäftsführung einrichten sollten. Stünden Interessen der Gesellschaft entgegen und könnten die Urlaube nicht genommen werden, ergäben sich Abgeltungsansprüche. Entsprechende Gesellschafterbeschlüsse wurden jeweils am 1. Dezember der Streitjahre getroffen. Die Abgeltungen wurden Ende Dezember ausgezahlt. Vergleichbare Vereinbarungen mit dem angestellten Schwager wurden nicht festgestellt. Die weiteren angestellten Zahntechniker nahmen den ihnen zustehenden Urlaub in Anspruch.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) sah in den Abgeltungen verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA). Urlaubsansprüche könnten bis zum 31. März des jeweiligen Folgejahres geltend gemacht werden. Eine vorzeitige Abgeltung im Dezember des Urlaubsjahres sei nicht fremdüblich. Außerdem sehe § 7 Abs. 4 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) ein arbeitsrechtliches Verbot von Urlaubsabgeltungen vor. Die Klägerin verwies demgegenüber auf ihre Auslastung infolge der Auftragslage; es sei nicht möglich gewesen, die Urlaube anzutreten.

Die Klage gegen die geänderten Steuerbescheide war erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) Köln sah die getroffenen Regelungen als klar und eindeutig an. Es bezog sich auf die Senatsurteile vom 8. Januar 1969 I R 21/68 (BFHE 95, 89, BStBl II 1969, 327) und vom 10. Januar 1973 I R 119/70 (BFHE 108, 183, BStBl II 1973, 322). Arbeitsrechtliche Restriktionen gälten für Gesellschafter-Geschäftsführer danach nicht. Auch bedürfe es keiner weiteren und eingehenderen vertraglichen Festlegungen. Das Urteil vom 25. September 2002 13 K 4947/01 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 1499 veröffentlicht.

Seine Revision stützt das FA auf Verletzung von § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG).

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet.

1. Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626). Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn oder an eine ihm nahestehende Person erbringt, für die es an einer klaren, im voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteile vom 17. Dezember 1997 I R 70/97, BFHE 185, 224, BStBl II 1998, 545; vom 27. März 2001 I R 27/99, BFHE 195, 228, BStBl II 2002, 111, jew. m.w.N.). Beherrschend können auch mehrere geschäftsführende Minderheitsgesellschafter sein, wenn sie gleichgelagerte Interessen verfolgen (z.B. Senatsurteil vom 18. Februar 1999 I R 51/98, BFH/NV 1999, 1384).

2. Die im Streitfall in Rede stehenden Urlaubsabfindungen rechtfertigen nicht die Annahme von vGA.

a) Wie der Senat bereits in seinen Urteilen in BFHE 95, 89, BStBl II 1969, 327 und in BFHE 108, 183, BStBl II 1973, 322 entschieden hat, ist es aus steuerrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, wenn dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH anstelle des ihm vertraglich zugesagten Urlaubsanspruchs für nicht verbrauchte Urlaubstage eine Abgeltung in Geld gezahlt wird, weil der Umfang der von ihm geleisteten Arbeit und seine Verantwortung für das Unternehmen die Gewährung von Freizeit im Urlaubsjahr ausgeschlossen haben. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Konnte der Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht in Anspruch genommen werden, wandelt sich der Anspruch auf Urlaub in einen Geldleistungsanspruch um. Besonderer, über die Festlegung der Urlaubstage hinausgehender vertraglicher Abmachungen zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter bedarf es dazu nicht; der Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs in Geld ergibt sich unmittelbar aus der vertraglichen Einräumung des Urlaubsanspruchs (Senatsurteil in BFHE 95, 89, BStBl II 1969, 327). Jedenfalls dann, wenn der Nichtwahrnehmung des Urlaubsanspruchs betriebliche Gründe zugrunde lagen, ist dieser schuldrechtliche Abgeltungsanspruch auch wirksam. Das arbeitsrechtliche Verbot von Urlaubsabgeltungen nach § 7 Abs. 4 BUrlG ist unter solchen Umständen für den Geschäftsführer einer GmbH nicht anwendbar (vgl. Senatsurteil in BFHE 95, 89, BStBl II 1969, 327 unter Hinweis auf Bundesgerichtshof, Urteil vom 3. Dezember 1962 II ZR 201/61, Neue Juristische Wochenschrift 1963, 535; Oberlandesgericht ―OLG― Düsseldorf, Urteil vom 23. Dezember 1999 6 U 119/99, GmbH-Rundschau ―GmbHR― 2000, 278).

Ein Widerspruch zur sog. Überstunden-Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 19. März 1997 I R 75/96, BFHE 183, 94, BStBl II 1997, 577, und vom 8. April 1997 I R 66/96, BFH/NV 1997, 804), wonach sich die Vereinbarung über die Vergütung von Überstunden nicht mit dem Aufgabenbild eines GmbH-Geschäftsführers verträgt, liegt darin nicht. Zwar wurde diese Entscheidung (auch) darauf gestützt, dass ein solcher Geschäftsführer "immer im Dienst" sei, selbst wenn dies die Ableistung von Überstunden nach sich ziehe. Es gebe praktisch keine Person, die das Einhalten seiner Arbeitszeit überprüfen könne. Ob es unter den im Streitfall gegebenen Umständen in ähnlicher Weise der freien Entscheidung der drei Gesellschafter-Geschäftsführer überlassen bleibt, den Urlaub oder aber die Abgeltung zu beanspruchen, ist zu bezweifeln, mag aber letztlich dahinstehen. Denn die Sachverhalte sind ohnehin nicht vergleichbar: Anders als bei der Vereinbarung von besonderen Überstundenvergütungen handelt es sich bei der vertraglichen Einräumung von Urlaubsansprüchen nicht um eine Arbeitszeitregelung, sondern um die Gewährung zusätzlichen Entgelts durch den Arbeitgeber in Gestalt einer (partiellen) Arbeitsfreistellung als "bezahlte Freizeit" (Senatsurteil in BFHE 95, 89, BStBl II 1969, 327). Wenn ein Geschäftsführer aus betrieblichem Grunde anstelle des ihm eingeräumten Urlaubs dessen Abgeltung wahrnimmt, beansprucht er sonach gerade keine zusätzliche, sondern lediglich eine anders geartete Vergütung als zunächst vorgesehen. Darin aber liegt der ―ausschlaggebende― Unterschied zu der Überstundenvergütung.

b) Im Streitfall sind in den mit den drei Gesellschafter-Geschäftsführern geschlossenen Anstellungsverträgen sowohl die Anzahl der Urlaubstage im Geschäftsjahr als auch der prinzipielle Abgeltungsanspruch für die aus entgegenstehenden Interessen der Klägerin nicht wahrgenommenen Urlaubstage sowie die Bemessungsgrundlage dieses Anspruchs klar und eindeutig vereinbart worden. Dass die betrieblichen Gründe, derentwegen der Urlaub nicht in Anspruch genommen wurde, nicht ihrerseits vorab vertraglich konkretisiert worden sind, schadet nicht. Es liegt auf der Hand, dass dies angesichts der Vielfalt betrieblicher Belange in der Praxis nicht möglich wäre. Dem Geschäftsleiter muss insofern ein gewisser Beurteilungsfreiraum zugestanden werden. Es reicht deshalb aus, dass das FG zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Urlaubsansprüche aus zwingenden betrieblichen Gründen nicht wahrgenommen werden konnten. Dagegen hat das FA keine tragfähigen Einwände erhoben. Verstöße gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze liegen nicht vor, so dass der Senat hieran gebunden ist (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

c) Nichts anderes gilt, soweit auch der Urlaubsanspruch des im Betrieb der Klägerin als Zahntechniker angestellten Schwagers der Gesellschafter-Geschäftsführer ―und damit steuerlich einer sog. nahestehenden Person― abgegolten worden ist.

Nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt ist zwar nicht erkennbar, dass (auch) mit diesem im Arbeitsvertrag eine Vereinbarung über die Abgeltung nicht in Anspruch genommenen Urlaubs geschlossen worden wäre, wie sie mit den drei Gesellschafter-Geschäftsführern getroffen wurde. Als Angestellter unterfällt der Schwager auch vorbehaltlos dem arbeitsrechtlichen ―und als solchen unabdingbaren― Urlaubsabgeltungsverbot des § 7 Abs. 4 BUrlG, was die zivilrechtliche Nichtigkeit einer entsprechenden Vereinbarung zur Folge hat (vgl. § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuchs; Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10. Februar 1987 8 AZR 529/84, BAGE 54, 184, Der Betrieb 1987, 1693; OLG Düsseldorf, Urteil in GmbHR 2000, 278). Letztlich kann aber beides dahinstehen. An seiner Gleichbehandlung mit den Gesellschafter-Geschäftsführern bestehen aus steuerlicher Sicht keine Bedenken. Denn das FG hat aufgeklärt, dass er gegenüber den übrigen angestellten Zahntechnikern eine herausgehobene leitende Stellung innehatte und dass für ihn die die Geschäftsführer betreffenden betrieblichen Gründe, die Jahresurlaube nicht antreten zu können, gleichermaßen einschlägig waren. Damit ist sichergestellt, dass die Urlaubsabgeltungen auch an ihn nicht gesellschaftlich mitveranlasst gewesen sind. Der Verstoß gegen das aus arbeits- und sozialrechtlichen Gründen des Arbeitnehmerschutzes bestehende Abgeltungsverbot des § 7 Abs. 4 BUrlG widerspricht dem nicht.

d) Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass die Klägerin die Abgeltungsbeträge bereits mit den Dezembergehältern ausgezahlt hat. Zwar verfällt der Urlaubsanspruch gemeinhin und so wohl auch im Streitfall erst mit Ablauf des Jahres, ggf. auch erst am 31. März des Folgejahres. Ist aber bereits Anfang Dezember ersichtlich, dass der Urlaub im Laufe dieses Monats und auch zu Beginn des Folgejahres nicht mehr angetreten werden kann und wird, lässt sich gegen eine Auszahlung zu diesem Zeitpunkt nichts einwenden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1127418

BFH/NV 2004, 737

BStBl II 2005, 524

BFHE 2004, 192

BFHE 205, 192

BB 2004, 815

DB 2004, 790

DStR 2004, 680

DStRE 2004, 544

DStZ 2004, 345

HFR 2004, 553

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