Entscheidungsstichwort (Thema)

Prämien zur Risikolebensversicherung Lebenshaltungskosten - Finanzierungsaufwendungen als vorabentstandene Werbungskosten

 

Leitsatz (NV)

1. Läßt ein selbständiger Facharzt zusammen mit anderen Ärzten ein Ärztehaus errichten, in dem er eine Gemeinschaftspraxis mit einem Kollegen betreibt, so sind die Prämien für eine im Rahmen der Finanzierung des Bauvorhabens eingegangene Risikolebensversicherung keine Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (Anschluß an BFH-Urteil vom 29. 10. 1985 IX R 61/82, BFHE 145, 348, BStBl II 1986, 260).

2. Wer sich als Gegenleistung für die Abgabe eines auf rund drei Jahre befristeten Verkaufsangebots hinsichtlich eines zu bebauenden Wohngrundstücks zur Zahlung von 220 000 DM verpflichtet und das inzwischen geänderte Angebot fristgerecht annimmt, kann zur Finanzierung der Zahlung angefallene Schuldzinsen als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltendmachen, wenn die Absicht zur Einnahmeerzielung vorliegt.

 

Normenkette

EStG §§ 9, 12 Nr. 1 S. 2, § 21

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der als Facharzt tätig ist, ließ zusammen mit anderen Ärzten ein Ärztehaus in A errichten. In diesem befindet sich die seit 1973 zusammen mit einem Kollegen geführte Gemeinschaftspraxis des Klägers, deren Gewinne vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) einheitlich und gesondert festgestellt werden. Zur Finanzierung des Bauvorhabens nahm der Kläger einen Kredit auf. Voraussetzung für die Kreditgewährung war die Absicherung durch den Abschluß einer Risiko-Lebensversicherung. Die Versicherungsbeiträge machte der Kläger in seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1972 bis 1974 als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend.

Ferner wollte der Kläger in der Einkommensteuererklärung 1974 Schuldzinsen in Höhe von rd. 40 000 DM wegen des Erwerbs des Grundstücks B-Straße in A als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen. Die Eigentümerin dieses Grundstücks, Frau C, hatte dem Kläger mit notariellem Vertrag vom 11. September 1973 das Grundstück zum Kauf angeboten. Das Angebot war bis drei Monate nach dem Tode des Letztversterbenden des Ehegatten C bindend. Wegen eines auf dem Grundstück ruhenden befristeten Wiederkaufsrechts für die D-GmbH wurde in der notariellen Urkunde bestimmt, daß das Angebot frühestens am 9. Dezember 1976 angenommen werden könne. Der Kläger verpflichtete sich seinerseits, sofort einen Betrag von 220 000 DM zu bezahlen. Des weiteren hatte der Kläger bei Annahme des Angebots nach dem Tode des Letztversterbenden der Ehegatten C sämtliche im Grundbuch eingetragenen Belastungen, soweit sie rangmäßig der gleichzeitig vereinbarten Auflassungsvormerkung für den Kläger vorgingen, zu übernehmen. Für den Fall der Angebotsannahme vor dem Tode des Letztversterbenden der Ehegatten C hatte der Kläger Frau C und deren Ehemann das lebenslängliche und unentgeltliche Nießbrauchsrecht an dem Grundstück einzuräumen. Der Übergang von Besitz und Gefahr an den Kläger war von der Vertragsannahme und der Löschung des Nießbrauchs abhängig. Frau C war verpflichtet, das Grundstück entsprechend dem den Vertragsteilen bekannten Bauplan bis spätestens 31. Dezember 1973 zu bebauen. Bei einer schuldhaften Verzögerung von mehr als sechs Monaten war der Kläger berechtigt, seine Zahlung zurückzufordern. Der Kläger war ausdrücklich nicht zur Vertragsannahme verpflichtet. Für den Fall, daß der Kläger das Vertragsangebot nicht innerhalb der Angebotsfrist annahm, war der gezahlte Betrag einschließlich Zinsen ab dem Tag der Bezahlung zurückzuzahlen. Sofern der Kläger das Angebot ausschlug, war der gezahlte Betrag fünf Jahre nach Erklärung des Verzichts zur Rückzahlung fällig und zwischenzeitlich zu verzinsen.

Mit Erbvertrag ebenfalls vom 11. September 1973 hatten sich die Ehegatten C gegenseitig zum alleinigen und ausschließlichen Erben und als Erbe des Letztversterbenden den Kläger eingesetzt. Die Ehegatten C waren nach dem Vertrag berechtigt, über alle Vermögensgegenstände mit Ausnahme des Grundstücks B-Straße frei zu verfügen. Die Bindung an den Erbvertrag entfiel gegenüber dem Kläger für den Fall, daß dieser auf das Ankaufsrecht an dem Grundstück verzichtete.

Nach dem Verzicht der D-GmbH auf das Wiederkaufsrecht wurde das Vertragsangebot von Frau C in einer weiteren notariellen Urkunde vom 4. August 1976 abgeändert und vom Kläger angenommen. Besitz, Nutzen und Lasten gingen ab Vertragsschluß auf den Kläger über.

Das FA errließ Bescheide, mit denen die Risiko-Lebensversicherungsbeiträge und die Schuldzinsen im Zusammenhang mit dem Grundstücksgeschäft nicht als Werbungskosten berücksichtigt wurden.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Es vertrat hinsichtlich der Risiko-Versicherungsbeiträge den Standpunkt, es handle sich um keine als Finanzierungsaufwendungen abziehbaren Werbungskosten, weil es nur um die Sicherung der Darlehenstilgung gegangen sei. Auch Betriebsausgaben seien nicht gegeben, wie ausgeführt wird. Hinsichtlich der geltend gemachten Schuldzinsen komme ein Werbungskostenabzug nicht in Betracht, da der Kläger im Streitjahr 1974 noch nicht wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks gewesen sei, so daß ihm keine Einkünfte hieraus zuzurechnen seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des FG-Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Der Senat tritt dem FG darin bei, daß die Beiträge des Klägers zur Risiko-Lebensversicherung keine Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind. Im einzelnen nimmt der Senat Bezug auf sein einen ähnlichen Fall betreffendes Urteil vom 29. Oktober 1985 IX R 61/82, BFHE 145, 348, BStBl II 1986, 260.

Das FG-Urteil ist jedoch insoweit rechtsfehlerhaft, als es für die 1974 geleisteten Schuldzinsen die Möglichkeit der Abziehbarkeit als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verneint hat. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Schuldzinsen als Werbungskosten abziehbar, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, wobei gleichgültig ist, ob die Schuldaufnahme der Finanzierung von Anschaffungs- und Herstellungskosten oder sonstigen mit der Einnahmeerzielung in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Aufwendungen, wie z. B. von Erhaltungsaufwand, dient (BFH-Urteil vom 18. November 1980 VIII R 194/78, BFHE 132, 522, BStBl II 1981, 510). Zinsaufwendungen sind sonach Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, wenn sie für eine Schuld geleistet werden, deren Aufnahme durch die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung in bezug auf dieses Grundstück veranlaßt ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH, welcher der erkennende Senat beitritt, setzt der Abzug von Werbungskosten für eine Zeit, bevor der Steuerpflichtige Mieteinnahmen erzielt, voraus, daß sich anhand objektiver Umstände der endgültige Entschluß

des Steuerpflichtigen belegen läßt, er werde durch die Errichtung oder den Erwerb eines Gebäudes die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung begründen (vgl. das Urteil vom 8. Februar 1983 VIII R 130/79, BFHE 138, 195, BStBl II 1983, 554, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Auf die vom FG geprüfte Frage, wann der Kläger wirtschaftliches Eigentum an dem Grundstück erlangt hat, kommt es für den Schuldzinsenabzug nicht entscheidend an.

Geht man von diesen Grundsätzen aus, kann die Vorentscheidung schon deshalb keinen Bestand haben, weil das FG es unterlassen hat, ausreichende Feststellungen zur Einnahmeerzielungsabsicht des Klägers zu treffen. Zwar liegt die Annahme nahe, daß die vom Kläger nach Erhalt des Verkaufsangebots mit Kredit geleistete Zahlung von 220 000 DM zu den Anschaffungskosten des Grundstücks gehört. Denn Anschaffungskosten sind die Aufwendungen, die dazu bestimmt sind, die wirtschaftliche Verfügungsmacht über ein Wirtschaftsgut zu erlangen und es für die Erzielung von Einkünften nutzen zu können (Urteil des Senats vom 12. Februar 1985 IX R 114/83, BFHE 143, 431, BStBl II 1985, 690). Das Fehlen einer Absicht zur Einnahmeerzielung läßt sich aber nicht allein daraus ableiten, daß der Kläger, wäre der im Vertrag vom 11. September 1973 vorgesehene Vorbehaltsnießbrauch zugunsten der Veräußerer bestellt worden, für die Dauer des Nießbrauchs keine Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung hätte erzielen können (dazu BFH-Urteil vom 7. Dezember 1982 VIII R 166/80, BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660, 661). Denn der Kläger könnte insgesamt gesehen einen Erwerb des Grundstücks gleichsam in Etappen erstrebt haben, da von der Nießbrauchsbestellung im Jahre 1976 abgesehen wurde.

Das FG wird diese Feststellungen anhand der abgeschlossenen Verträge unter Würdigung der für die Vertragsauslegung maßgebenden Begleitumstände sowie des Willens der Beteiligten nachholen. Sollte das FG aufgrund der ihm obliegenden erneuten Sachverhaltswürdigung zu dem Ergebnis gelangen, daß dem Grunde nach abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung vorliegen, so bedarf noch der Klärung, ob die Höhe der geltend gemachten Schuldzinsen zutrifft.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414362

BFH/NV 1986, 334

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