Leitsatz (amtlich)

Schließen sich mehrere Teilgläubiger, von denen jeder für sich allein ein Grundstück in der Zwangsversteigerung zur Rettung seines Grundpfandrechts steuerfrei erwerben könnte, zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammen, die als solche Meistbietende bleibt, so steht dieser Zusammenschluß allein der Befreiung aus § 19 Berliner GrEStG (= § 9 GrEStG 1940) nicht entgegen.

 

Normenkette

Berliner GrEStG § 19; GrEStG 1940 § 9

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

I.

1. Die in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) verbundenen Kläger und Revisionskläger (Kläger) waren sämtlich Kommanditisten der X GmbH und Co. (KG). Diese KG war am 21. Oktober 1965 in das Handelsregister eingetragen worden. Auf diesen Zeitpunkt war auch der Beginn der Gesellschaft vereinbart. Der KG war durch Vertrag vom 26. Januar 1966 ein Erbbaurecht bestellt worden. Vor diesem Zeitpunkt waren nur die Kläger A und B bereits Kommanditisten. Im Erbbaugrundbuch waren in Abt. III unter Nr. 1 eine Hypothek über 3 600 000 DM für die M AG und unter den Nrn. 2 und 3 Hypotheken über 300 000 DM und 3 800 000 DM für die M a. G. eingetragen. Diese Hypotheken waren zur Mithaft auch auf den mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücken eingetragen.

Alle Kommanditisten der KG - also auch die in der GbR verbundenen - hatten der M 1967 eine als Zins und Tilgungsgarantie bezeichnete Verpflichtung bezüglich des Hypthekendarlehens über 3,8 Mio DM gegeben. Der einzelne Kommanditist garantierte der M entsprechend seiner quotalen Beteiligung am Kapital der KG und unabhängig von anderen Garanten, daß die von der KG geschuldeten Zins- und Tilgungsleistungen termingerecht erbracht würden, wobei sich jeder der Kommanditisten bereit erklärte, auf erste Anforderung der Gläubigerin zu zahlen, auch wenn die Schuldnerin Einreden geltend machen sollte.

2. Die KG geriet in Konkurs. Die M-Gesellschaften betrieben zunächst die Zwangsverwaltung und beantragten dann am 25. März 1969 die Zwangsversteigerung des Erbbaurechts und der Grundstücke, welche Ende März 1969 angeordnet wurde. Daraufhin schlossen sich einige der Kommanditisten der KG, nämlich die Kläger, zu einer Auffanggruppe zusammen, die mit der M in Verhandlungen eintrat. Am 30. Mai 1969 bestätigte die M folgende wesentliche Absprachepunkte. Die Auffanggruppe, die notfalls Erbbaurecht und Grundstücke ersteigert, soll 6,7 Mio DM ausbieten und sämtliche Zins- und Kostenrückstände sowie eine Bürgschaftsgebühr an die M zahlen. Nach einem Erwerb des Objekts durch die Auffanggruppe sollten die drei Hypotheken belassen werden. Zudem sollte die Auffanggruppe anteilig durch selbstschuldnerische Bürgschaft für rangletzte 700 000 DM haften. Die der Gruppe nicht angehörenden Kommanditisten sollten ihre Verpflichtungen möglichst durch Einmalzahlung ablösen. Nach einem in etwa entsprechenden Gegenangebot der Auffanggesellschaft, das noch den Verzicht auf die Bundesbürgschaft und die Ansprüche aus bestehenden Rückbürgschaften nach Ersteigerung vorsah, bestätigte die M mit Schreiben vom 23. Juli 1969 die Annahme des Angebots.

3. Die Mitglieder der Auffanggruppe gründeten eine GbR. Die Gesellschafter dieser Gesellschaft übergaben der M die verlangte Bürgschaftserklärung am 2. Dezember 1969. Vor dem Versteigerungstermin übernahmen sie auch noch Verbindlichkeiten der KG, die diese gegenüber der N Bank eingegangen war, welche die Zwischenfinanzierung der von der M zur Verfügung gestellten Mittel übernommen hatte. Die in der Gesellschaft zusammengeschlossenen Kläger verpflichteten sich für die Kommanditisten, die sich nicht an der GbR beteiligten, Bürgschaften gegenüber der M zu übernehmen. Die M trat ihre Ansprüche gegen diese Kommanditisten, die ihr aus den Zins- und Zahlungsgarantien zustanden, unter der Voraussetzung an die GbR ab, daß diese oder einzelne ihrer Gesellschafter die Grundstücke und das Erbbaurecht ersteigerten. Schließlich zahlte die GbR für Zins- und Tilgungsrückstände bis zum Tage der Versteigerung insgesamt 683 893,52 DM.

4. Im Versteigerungstermin vom 10. Dezember 1969 blieben die Kläger als Gesellschafter der GbR Meistbietende. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte mit Bescheid vom 1. Oktober 1970 die Grunderwerbsteuer auf 516 872,50 DM fest. Die Besteuerungsgrundlage errechnete er aus der Summe von Meistgebot (6,7 Mio DM) und den gezahlten Zinsrückständen. Die begehrte Steuerbefreiung aus § 19 des Berliner Grunderwerbsteuergesetzes (im folgenden GrEStG 1969) lehnte er wegen mangelnder Identität zwischen Bürgen und Ersteher ab. Auch Steuerbefreiung nach § 16 Abs. 3 GrEStG 1969 gewährte er nicht, weil die KG im Zeitpunkt der Zwangsversteigerung noch nicht fünf Jahre bestanden habe.

Die nach erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens erhobene Klage, mit der die Aufhebung der Steuerfestsetzung, hilfsweise die niedrigere Festsetzung begehrt wird, hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen.

Mit der Revision verfolgen die in GbR verbundenen Kläger ihr Klagebegehren im Haupt- und Hilfsantrag weiter. Sie rügen Verletzung formellen und materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung, weil die Feststellungen des FG seine Entscheidung nicht tragen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 19 Abs. 1 GrEStG 1969 (entspricht § 9 Abs. 1 GrEStG 1940) wird die Steuer nicht erhoben, wenn ein Grundpfandgläubiger in der Zwangsversteigerung zur Rettung seines Rechts das mit dem Grundpfandrecht belastete Grundstück erwirbt und die weiteren Voraussetzungen der Nrn. 1 bis 3 des § 19 Abs. 1 GrEStG 1969 gegeben sind. Grundpfandgläubiger ist der Hypothekengläubiger (§ 19 Abs. 4 und 5 GrEStG 1969). Einem Grundpfandgläubiger steht gleich, wer Bürgschaft für eine Verbindlichkeit übernommen hat, die durch Grundpfandrecht gesichert ist.

2. Die Kläger stehen Grundpfandgläubigern gleich. Dies ergibt sich daraus, daß sie vor Anordnung der Zwangsversteigerung persönlich die Garantie für die termingerechte Leistung der geschuldeten Zins- und Tilgungsbeträge auf erste Anforderung übernommen haben. Diese Garantie für den Eingang einer Forderung entspricht ihrem Wesen nach der Bürgschaft (vgl. § 765 BGB).

Daraus folgt, daß bei Befriedigung der Gläubiger durch die Garanten die Hauptforderung mit den sie sichernden Nebenrechten auf sie übergeht (§ 774 Abs. 1, § 401 BGB; vgl. auch Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Besonderer Teil, 11. Aufl., S. 417).

3. Das FG ist der Meinung, daß es für die Anwendung des § 19 Abs. 1 GrEStG 1969 auf die Kläger u. a. an der Identität zwischen Grundpfandgläubiger und Ersteigerer fehle; denn ersteigert hätten nicht die Kommanditisten entsprechend ihrer Beteiligungsquote, sondern eine aus nur einzelnen Kommanditisten bestehende GbR. Der Senat folgt dieser Auffassung nicht.

Sinn und Zweck der Befreiungsvorschrift des § 19 Abs. 1 GrEStG 1969 ist es, dem Grundpfandgläubiger, der zur Rettung seines Grundpfandrechts - oder besser zur Rettung des wirtschaftlichen Werts des Grundpfandrechts - das Grundstück erwerben muß, diesen Erwerb durch Steuerbefreiung zu erleichtern. Geschützt werden soll der Gläubiger, der gezwungen ist, sich für sein von anderen nicht ausgebotenes Grundpfandrecht durch sein eigenes Meistgebot an dem Grundstück selbst einen Ersatz zu verschaffen (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. November 1971 II R 6/70, BFHE 104, 109, 111, BStBl II 1972, 192). Dabei ist zu berücksichtigen, daß bei quotaler Verpflichtung mehrerer Garanten als Teilschuldner des Hypothekengläubigers jeder einzelne Teilschuldner das Grundstück zur Rettung seines Grundpfandrechts allein hätte ersteigern und dabei bis zur vollen Höhe der Forderung hätte bieten können, für die er quotal einzutreten hat. Denn bei der eingegangenen Verpflichtung hätte der einzelne stets für den rangletzten Teil der Schuld einstehen müssen. Dann muß es aber unschädlich sein, wenn mehrere Teilschuldner das Grundstück, bezüglich dessen sie aufgrund ihres Garantieversprechens Grundpfandgläubigerstellung haben, gemeinsam ersteigern. Hierfür bietet sich als Rechtsform der Zusammenschluß zu einer GbR an.

Die GbR ist entsprechend ihrer bürgerlich-rechtlichen Gestaltung im Grunderwerbsteuerrecht ein (relativ) selbständiger Rechtsträger (vgl. BFH Entscheidung vom 22. Januar 1975 II R 62/73, BFHE 115, 67, 70, BStBl II 1975, 391) und in mancher Hinsicht einer Kapitalgesellschaft angenähert (vgl. BFH-Entscheidung vom 17. Juli 1975 II R 141/74, BFHE 117, 270, 273, BStBl II 1976, 159). Die §§ 15, 16 GrEStG 1969 (entsprechen §§ 5, 6 GrEStG 1940) zeigen jedoch, daß der Gedanke der quotalen Zurechnung des Gesellschaftsvermögens an die Gesellschafter dem Grunderwerbsteuerrecht nicht fremd ist. Denn auch das Eigentum einer GbR ist Eigentum der Gesellschafter, wenn auch als Sondervermögen aller Gesellschafter in gesamthänderischer Gebundenheit.

4. Das FG ist weiter der Auffassung, die Kläger hätten nicht die Absicht gehabt, ein gefährdetes Grundpfandrecht zu retten, sondern das Grundstück in ihre Hand zu bekommen. Das ergebe sich aus den Verhandlungen zwischen den Klägern und der Hypothekengläubigerin, die zu der Ausbietungsgarantie führten. Der Senat kann dem FG auch in dieser Auffassung nicht folgen.

Zu berücksichtigen ist, daß neben dem Erwerb in der Zwangsversteigerung auch der freihändige Erwerb zur Rettung eines Grundpfandrechts steuerbefreit sein kann (§ 19 Abs. 3 GrEStG 1969). In letzterem Fall sind aber Verhandlungen mit den im weitesten Sinn Beteiligten (also auch mit den Grundpfandgläubigern) zwangsläufig, ohne daß daraus auf das Fehlen einer Rettungsabsicht geschlossen werden könnte. Zudem entspricht es allgemeiner Lebenserfahrung, daß derjenige, der sich vor die Zwangslage gestellt sieht, ein Grundstück zur Vermeidung des Verlustes der durch nachrangiges Grundpfandrecht gesicherten Forderung zu ersteigern, mit vorrangigen Gläubigern darüber verhandelt, ob sie ihre Forderung auch nach der Versteigerung bestehen lassen. Auch hieraus kann nicht geschlossen werden, daß dem Ersteigerer die Rettungsabsicht für sein Grundpfandrecht fehle.

Der Ansicht des FG, die Bürgschaftserklärung für die rangletzte Spitze der Belastung in Höhe von 700 000 DM sei von den Klägern zum Zwecke der Ersparnis von Abgaben beim beabsichtigten Erwerb des Grundstücks (§ 19 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG 1969) abgegeben worden, vermag der Senat ebenfalls nicht zu folgen. Sie berücksichtigt nicht, daß die Kläger diese Bürgschaft deshalb erst nach Anordnung der Zwangsversteigerung übernommen haben, weil sie bereits vor Anordnung der Zwangsversteigerung bei Gewährung des hypothekarisch gesicherten Darlehens die Zins- und Tilgungsgarantie eingegangen waren.

5. Die nicht spruchreife Sache ist aus den vorgenannten sachlich-rechtlichen Gründen an das FG zurückzuverweisen; damit braucht auf die Verfahrensrügen nicht eingegangen zu werden.

Das FG hat im zweiten Rechtsgang festzustellen, ob aus anderen als den vorgenannten Gründen die Absicht der Kläger, ihr Grundpfandrecht zu retten, verneint werden kann. Ist dies nicht der Fall, so ist weiter zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG 1969 erfüllt sind.

Sollte das FG bei der erneuten Verhandlung zu der Überzeugung gelangen, den in der GbR verbundenen Klägern stehe die Steuerfreiheit nach § 19 GrEStG 1969 nicht zu, so hat es noch zu prüfen, inwieweit eine anteilige Steuerbefreiung nach § 16 GrEStG 1969 (entspricht 6 GrEStG 1940) in Betracht kommt. Dabei ist zu beachten, daß dann, wenn die Gesamthand, von der das Grundstück auf eine andere Gesamthand übergeht, noch nicht fünf Jahre besteht, die Steuerpflicht des Erwerbs durch erstere Gesamthand nicht Voraussetzung für die Vergünstigung des § 16 Abs. 1 GrEStG 1969 ist, falls eine objektive Steuerumgehung nicht zu besorgen ist. Der Umstand, daß zur Zeit der Bestellung des Erbbaurechts dieser Erwerbsvorgang noch nicht als steuerpflichtig angesehen wurde, steht somit - anders als im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 5 GrEStG 1969 - der anteiligen Befreiung im Hinblick auf die Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile vom 25. Februar 1969 II 142/63, BFHE 95, 292, BStBl II 1969, 400, und vom 14. Juni 1973 II R 37/72, BFHE l10, 142, BStBl II 1973, 802) nicht entgegen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413552

BStBl II 1981, 484

BFHE 1981, 83

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