Leitsatz (amtlich)

Die Vorschrift des § 8 Ziff. 5 GewStG, wonach das Gehalt eines mitarbeitenden Ehegatten, das den Gewinn eines Unternehmens gemindert hat, zur Ermittlung des Gewerbeertrags dem Gewinn wieder zuzurechnen ist, ist rechtsgültig.

 

Normenkette

GG Art. 3, 6; EStG § 15 Nr. 2, § 19; GewStG § 8 Ziff. 5

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) ist eine KG, die aus einer Erbengemeinschaft entstanden ist. Der persönlich haftende Gesellschafter Jakob A. ist mit 67 v. H. am Gewinn beteiligt. Die restlichen 33 v. H. des Gewinns entfallen zu gleichen Teilen auf acht Kommanditisten, die Erben des verstorbenen Gesellschafters Philipp A. sen. sind. Im Betrieb der Bfin. sind u. a. der Kommanditist Philipp A. jun. als Prokurist und der Ehemann der Kommanditistin W., Franz W., als Angestellter beschäftigt. Beide waren bereits vor dem Erbfall in der Firma tätig. Sie haben im Streitjahr 1954 ein Gehalt von je 3 900 DM bezogen. Das Finanzamt rechnete bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1954 das Gehalt des Philipp A. jun. seinem Gewinnanteil zu. Dem Gewinnanteil der Frau W. setzte es das Gehalt ihres Ehemannes bei der einheitlichen Gewinnfeststellung nicht zu. Dagegen rechnete es bei der Feststellung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags der Bfin. den Betrag von 3 900 DM gemäß § 8 Ziff. 5 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) dem einheitlich festgestellten Gewinn zu. Die Bfin. will die Bezüge des Philipp A. jun. und des Franz W. beim Gewerbeertrag im Hinblick auf die geringe Beteiligung nicht berücksichligt haben. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück. Es führte im wesentlichen aus: Das Gehalt des Philipp A. jun. sei gemäß § 7 GewStG in Verbindung mit § 15 Ziff. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zutreffend behandelt worden. Das Gehalt des Franz W. hätte ebenfalls schon bei der einheitlichen Gewinnfeststellung dem Gewinnanteil seiner Ehefrau zugerechnet werden können. Jedenfalls sei die Zurechnung nach § 8 Ziff. 5 GewStG berechtigt. Diese Bestimmung sei rechtsgültig. Sie sei auch nicht, wie die Bfin. annehme, durch die Entwicklung der Verhältnisse (§ 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes -- StAnpG --) für die Fälle geringer Beteiligung überholt.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wendet sich die Bfin. weiterhin dagegen, daß die Bezüge der beiden Angestellten bei der Gewerbesteuer berücksichtigt worden sind. Sie weist darauf hin, daß beide wie andere Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig seien. Sie hält auch die Entscheidung I 139/54 S vom 22. November 1955 (Slg. Bd. 62 S. 9, Bundessteuerblatt -- BStBl -- 1956 III S. 4), wonach Gesellschafter von Personengesellschaften unter Umständen nicht Mitunternehmer sind, im Streitfall für anwendbar.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Zutreffend hat das Finanzgericht ausgeführt, daß nach § 15 Ziff. 2 EStG das Gehalt des Kommanditisten Philipp A. jun. seinem Gewinnanteil zuzurechnen war. § 15 Ziff. 2 EStG ist anzuwenden, wenn eine Mitunternehmerschaft vorliegt. Ein Kommanditist ist in der Regel Mitunternehmer. Die Entscheidung I 139/54 S vom 22. November 1955 betraf einen Sonderfall, in dem die Eintragung ins Handelsregister den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern und der tatsächlichen Handhabung nicht entsprach. Davon kann im Streitfall nicht die Rede sein. Der Umfang der Beteiligung eines Kommanditisten spielt für die Frage der Mitunternehmerschaft keine Rolle. Es ist auch nicht etwa möglich, unter Berufung auf die sogenannte Bilanzbündeltheorie das Arbeitsverhältnis des Gesellschafters zu seiner Gesellschaft in Arbeitsverhältnisse im eigenen Mitunternehmen und zu den Mitgesellschaftern aufzuspalten. Das wirtschaftlich einheitliche Arbeitsverhältnis muß auch steuerlich einheitlich beurteilt werden (vgl. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs I 256/55 U vom 25. September 1956, Slg. Bd. 64 S. 3, BStBl 1957 III S. 2 -- zu b --, ferner I 159/57 U vom 14. Januar 1958, BStBl 1958 III S. 75). Es trifft auch nicht zu, daß, wie die Bfin. meint, die Vorschrift des § 15 Ziff. 2 EStG bei geringen Beteiligungen durch die Entwicklung der Verhältnisse überholt sei und deshalb nach § 1 Abs. 2 StAnpG nicht mehr angewendet werden dürfe. Ob die Vorschrift des § 15 Ziff. 2 EStG noch den gegenwärtigen Verhältnissen entspricht, muß der Gesetzgeber entscheiden. Solange er die Bestimmung nicht aufhebt oder ändert, haben die Steuergerichte sie in der geltenden Fassung anzuwenden. Nach Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) sind die Gerichte an Gesetz und Recht gebunden; sie haben das Recht auszulegen, nicht zu schaffen. Sie würden gegen die verfassungsmäßige Gewaltenteilung (Art. 20 GG) verstoßen, wenn sie etwa unter Berufung auf die Entwicklung der Verhältnisse (§ 1 Abs. 2 StAnpG) einwandfrei geschaffene und vom Gesetzgeber bewußt aufrechterhaltene Rechtsnormen nicht anwenden würden.

Da demnach die Vorinstanzen ohne Rechtsverstoß das Gehalt des Philipp A. jun. gemäß § 15 Ziff. 2 EStG seinem Gewinnanteil zugerechnet haben, wirkt sich nach § 7 GewStG das Gehalt auch im einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag der Bfin. aus. Für eine Aussonderung des Gehalts aus dem Gewerbeertrag bietet das GewStG keine Möglichkeit.

Dem Finanzgericht ist ferner darin zuzustimmen, daß nach der bisherigen Rechtsprechung (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 256/55 U) das Gehalt des Franz W. dem Gewinnanteil seiner Ehefrau als Kommanditistin zuzurechnen war und sich deshalb beim Gewerbeertrag der Bfin. in gleicher Weise wie bei dem Kommanditisten Philipp A. jun. auswirken mußte. In dem Urteil I 231/56 S vom 3. Dezember 1957 (BStBl 1958 III S. 27) hat der Senat aber seine bisherige Rechtsprechung eingeschränkt. Er erkennt nunmehr auch steuerlich ein Arbeitsverhältnis an, wenn ein Ehegatte auf Grund eines ernsthaft geschlossenen und durchgeführten Arbeitsvertrags in einer Personengesellschaft mitarbeitet, an der der andere Ehegatte als Mitunternehmer beteiligt ist, sofern der beteiligte Ehegatte und der mitarbeitende Ehegatte insgesamt in der Gesellschaft keinen maßgebenden Einfluß haben. Das gilt insbesondere, wenn der beteiligte Ehegatte nur Kommanditist ist. Es bestehen keine Bedenken, festzustellen, daß im Streitfall diese Voraussetzungen erfüllt sind. Das Finanzamt hat deshalb bei der einheitlichen Gewinnfeststellung nach § 215 der Reichsabgabenordnung (AO) rechtlich zutreffend die Bezüge des Franz W. als Einkunft aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG), nicht als Teil des gewerblichen Gewinns der Ehefrau aus der Kommanditbeteiligung behandelt.

Für die Ermittlung des Gewerbeertrags der Bfin. hat das Finanzamt aber gemäß § 8 Ziff. 5 GewStG andererseits mit Recht das Gehalt dem Gewinn der Bfin. wieder zugerechnet. Bei der Anwendung des § 8 Ziff. 5 GewStG können die Finanzbehörden nicht, wie die Bfin. meint, in Fällen von geringer Bedeutung von der Zurechnung absehen, weil das Gesetz eine solche Möglichkeit nicht kennt.

Es ist die Auffassung vertreten worden, § 8 Ziff. 5 GewStG verstoße, weil er Ehegatten benachteilige, gegen Art. 6 Abs. 1 GG und sei deshalb in entsprechender Anwendung der Rechtsgrundsätze, die das Bundesverfassungsgericht im Beschluß vom 17. Januar 1957 (BStBl 1957 I S. 193) entwickelt habe, nichtig. Der Senat tritt dieser Auffassung nicht bei. Er sieht, wie er in der Entscheidung I 231/56 S vom 3. Dezember 1957 bereits dargelegt hat, das Schwergewicht der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Nichtigerklärung des § 26 EStG in Verbindung mit dem Einkommensteuertarif. Art. 6 Abs. 1 GG zwingt den Gesetzgeber nicht etwa, Ehegatten im Steuerrecht in jeder Hinsicht wie zwei unabhängige fremde Personen zu behandeln, wenn das für die Ehegatten günstiger ist. Der Gesetzgeber kann im Rahmen seines Ermessens, für dessen Ausübung er die politische Verantwortung trägt, auch an den Tatbestand der Ehe steuerliche Folgen knüpfen, selbst wenn sie sich im Einzelfall für die Ehegatten steuerlich ungünstig auswirken. Es muß in jedem Fall die Eigenart des zu regelnden Rechtsgebiets beachtet werden. § 8 Ziff. 5 GewStG ist eine der in § 8 GewStG aufgeführten zehn "Hinzurechnungen". Diese Hinzurechnungen sind eine Besonderheit der Gewerbesteuer, die mit ihrem Wesen als Realsteuer zusammenhängt. Besteuerungsgrundlage ist für die Gewerbesteuer nicht der Gewinn des Unternehmers, sondern der objektive Ertrag des Unternehmens. Zur Durchführung dieses Grundsatzes werden die Hinzurechnungen zum Gewinn gemacht. Welche gewinnmindernden Beträge dem Gewinn wieder zugerechnet werden sollen, um eine dem Wesen der Gewerbesteuer entsprechende Bemessungsgrundlage zu schaffen, muß der Gesetzgeber nach seinem Ermessen bestimmen. Die Frage, ob § 8 Ziff. 5 GewStG geändert werden soll, war bei der Neuregelung der Ehegattenbesteuerung im Gesetz vom 26. Juli 1957 Gegenstand der parlamentarischen Beratungen. Die beantragte Änderung des § 8 Ziff. 5 GewStG wurde abgelehnt. Die Bundesregierung wurde aber aufgefordert, bei einer künftigen Reform der Gewerbesteuer die Ziffern 3 bis 5 des § 8 GewStG zu überprüfen (Protokoll über die 215. Sitzung des Bundestags am 26. Juli 1957, S. 12709). Wenn der Gesetzgeber es dabei belassen hat, daß die Gehälter eines mitarbeitenden Ehegatten, die den Gewinn gemindert haben, zur Ermittlung des Ertrags des Unternehmens wieder zugerechnet werden müssen, so verstößt das im Hinblick auf das Wesen der Gewerbesteuer weder gegen Art. 3 noch gegen Art. 6 GG.

Nach allem war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408996

BStBl III 1958, 112

BFHE 1958, 290

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