Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen einer Verwertungsbefugnis i. S. des § 1 Abs. 2 GrEStG bei einem Geldgläubiger des Grundstückseigentümers

 

Leitsatz (NV)

1. Das Pfandrecht an einem Personengesellschaftsanteil (GbR-Anteil) führt ebensowenig wie die Stellung als GbR-Gesellschafter selbst zu einer Verwertungsbefugnis i. S. des § 1 Abs. 2 GrEStG in bezug auf die der GbR gehörenden Grundstücke.

2. Trotz fehlenden Besitzes kann nach der Rechtsprechung des BFH auch derjenige die Verwertungsbefugnis i. S. des § 1 Abs. 2 GrEStG erwerben, dem ein Grundstück dergestalt zur Veräußerung überlassen wird, daß er den über eine bestimmte Grenze hinausgehenden Mehrerlös nicht an den Eigentümer abzuführen braucht und für sich behalten darf (Urteile in BFHE 83, 166, BStBl III 1965, 561 und in BFHE 117, 89, BStBl II 1976, 27). Das hat seinen Grund darin, daß die Befugnis zur Veräußerung eines Grundstücks die stärkste Form der Verwertungsmacht ist (BFH in BFHE 105, 165, BStBl II 1972, 495). Eine solche Rechtsmacht hat der Grundpfandrechtsgläubiger nicht inne. Er hat zwar die Möglichkeit, den Grundbesitz bei Eintritt der sog. Pfandreife durch Zwangsvollstreckung verwerten zu lassen und sich aus dem Versteigerungserlös wegen seiner Forderung zu befriedigen. Diese Befriedigung erfolgt jedoch nicht auf eigene Rechnung, weil die Zwangsversteigerung für Rechnung des Schuldners (Grundstückseigentümers) erfolgt, dessen Verbindlichkeiten durch den an den Gläubiger ausgekehrten Erlös getilgt werden.

3. Der BFH ist trotz des Wegfalls des früheren Absatzes 2 des § 160 FGO durch Art. 1 Nr. 37 des FGO-Änderungsgesetzes vom 21. 12. 1992 (BGBl I, 2109) nicht daran gehindert, das angefochtene FG-Urteil auch auf die Verletzung von -- nach § 23 Abs. 2 GrEStG 1983 weiter fortgeltenden -- Landesrecht zu überprüfen.

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 1 Abs. 2, § 23 Abs. 2; FGO § 160

 

Tatbestand

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hatte seit dem Jahr 1980 mehrere Immobilien ihres Kreditnehmers M mit erheblichen Krediten finanziert. Anfang 1982 traten bei M finanzielle Engpässe auf, die nach Ansicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin die ordnungsgemäße Verwaltung und Verwertung der Grundstücke gefährdeten.

Durch notariellen Vertrag vom 27. Oktober 1982 wurde eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet, die den hier in Rede stehenden Grundbesitz in X erwerben sollte. An der GbR waren M zu 95 v. H. und die A-GmbH zu 5 v. H. beteiligt.

Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 28. Oktober 1982 erwarb die GbR den genannten Grundbesitz zum Preis von 15 Mio. DM. Außerdem verpflichtete sich die GbR, Handwerkerforderungen im Zusammenhang mit dem Grundbesitz bis zur Höhe 1,5 Mio. DM unverzüglich zu erfüllen.

In der Folgezeit setzte das seinerzeit zuständige Finanzamt (FA) B gegen die GbR Grunderwerbsteuer in Höhe von (7 v. H. von 15 Mio. DM=) 1 050 000 DM fest. Die von der GbR beantragte Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes Nordrhein-Westfalen (GrEStG NW) lehnte das FA B ab, weil nach seiner Auffassung durch getroffene Zusatzvereinbarungen im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundbesitzes der ursprüngliche Grundstückseigentümer M in der Ausübung seiner Rechte als Gesellschafter der GbR weitestgehend eingeschränkt worden sei.

Nach Erlaß des Steuerbescheides gegen die GbR wurde dem FA B eine Reihe von Verträgen und Unterlagen vorgelegt, aus denen sich im wesentlichen folgendes ergab:

(1) Der bereits erwähnte notariell beurkundete Gesellschaftsvertrag vom 27. Oktober 1982 über die Errichtung der GbR enthält u. a. folgende Regelungen:"§

2 ...

1. Gegenstand der Gesellschaft ist der Erwerb, die Verwaltung und die Bewirtschaftung der Immobilien.

...§

3 ...

2. Zur Vornahme folgender Geschäftsführungsmaßnahmen ist die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich:

(a) Die Vornahme von Investitionen jeglicher Art.

(b) Die Veräußerung und/oder die Bela stung zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Grundbesitzes ... "

Vereinbarungsgemäß sollte die Geschäftsführung durch die A-GmbH vorgenommen werden. Die Gesellschafterversammlung sollte grundsätzlich mit einer Mehrheit von 100 v. H. der Stimmen der anwesenden oder vertretenen Gesellschafter beschließen.

(2) Weiterhin wurde am 27. Oktober 1982 ein notariell beurkundeter Verpfändungsvertrag geschlossen, durch den M seinen am selben Tag zuvor erworbenen Anteil an der GbR an die Rechtsvorgängerin der Klägerin "zur Sicherung aller gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten" verpfändete.

(3) Nach der privatschriftlichen Vereinbarung vom 7. Dezember 1982 zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin, dem Bankhaus W, M und der GbR, vertreten durch deren Geschäftsführerin A-GmbH, sollte der in fünf Objekte gegliederte Grundbesitz des M (darunter auch das hier in Rede stehende Objekt "in X") in das Eigentum von Gesellschaften bürgerlichen Rechts zwischen M und der A-GmbH "nach Maßgabe gesonderter Urkunden" überführt werden. Dabei wurde objektbezogen die Forderung der Rechtsvorgängerin der Klägerin an dem Objekt in X mit 13 500 000 DM und die des Bankhauses W mit 3 Mio. DM festgestellt.

Zur Sicherung sämtlicher Ansprüche der Rechtsvorgängerin der Klägerin und des Bankhauses W gegenüber den einzelnen Gesellschaften bürgerlichen Rechts, der A- GmbH und M wurden die Ansprüche aus den die einzelnen Objekte betreffenden gegenwärtigen und künftigen Mietverträgen an die Rechtsvorgängerin der Klägerin abgetreten.

Im übrigen sollte die Rechtsvorgängerin der Klägerin berechtigt sein, den Grundbesitz zwangsweise zu verwerten, sobald die Kreditverträge gekündigt würden und die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz von dritter Seite betrieben würde. Ein evtl. Mehrerlös im Falle der Zwangsversteigerung wurde an die Rechtsvorgängerin der Klägerin abgetreten. Im Falle der Veräußerung des Grundbesitzes sollte der Rechtsvorgängerin der Klägerin ein Anspruch auf einen Teil des Betrages eingeräumt sein, um den der Veräußerungserlös ihre rückständigen Forderungen überstieg; dies sollte "zum Ausgleich der Differenz zwischen den Vorzugskonditionen und den marktüblichen Kreditzinsen" dienen. Hierzu sollte sodann der marktübliche Zinssatz gemäß § 315 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) von der Rechtsvorgängerin der Klägerin festgesetzt werden.

(4) Durch eine am 10. Dezember 1982 geschlossene privatschriftliche Zusatzvereinbarung zum Verpfändungsvertrag wurde festgelegt, daß die Verpfändung insbesondere die M gegen die GbR aus einer Geschäftsführung zustehenden Ansprüche, seine Ansprüche auf die Gewinnanteile und das Auseinandersetzungsguthaben sowie sonstige mit seiner Gesellschafterstellung zusammenhängende gegenwärtige und künftige vermögensrechtliche Ansprüche gegen die GbR umfassen sollte.

Des weiteren wurde M verpflichtet, seine Stimmrechte nur in ganz bestimmter, im einzelnen genau vorgeschriebener Art und Weise auszuüben.

Darüber hinaus wurde die Rechtsvorgängerin der Klägerin berechtigt, Zahlungen aus dieser Verpfändung nach ihrem Ermessen auf Verbindlichkeiten des M zu verrechnen.

(5) Ebenfalls am 10. Dezember 1982 wurde eine privatschriftliche Vereinbarung geschlossen, wonach in Abänderung des Gesellschaftsvertrages betreffend die GbR "zu bestimmten Maßnahmen der Geschäftsführung und zu Änderungen des Gesellschaftsvertrages das Einverständnis eines Beirates erforderlich ist ... "

Der Beirat, dem je ein Vertreter der Rechtsvorgängerin der Klägerin und des Bank hauses W sowie der Geschäftsführer R (A-GmbH) und Rechtsanwalt Dr. V als Vertreter des M angehörten, hatte die Geschäftsführung der GbR laufend zu beraten und zu überwachen. Er konnte im einzelnen aufgezählte Geschäfte der GbR von seiner Zustimmung abhängig machen und faßte seine Beschlüsse mit Stimmenmehrheit.

Das FA B sah angesichts der skizzierten vertraglichen Vereinbarungen die Rechtsvorgängerin der Klägerin als Gesellschafterin der GbR an. Da die GbR die gegen sie festgesetzte Grunderwerbsteuerschuld nicht beglich, erließ das FA B am 5. Juli 1984 gegen die Rechtsvorgängerin der Klägerin einen auf § 427 BGB i. V. m. § 191 Abs. 1 und 4 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Haftungsbescheid über 1 050 000 DM. Gegen die Rechtmäßigkeit dieses Haftungsbescheids hat sich die Klägerin im Revisionsverfahren II R 70/91 gewandt, über das noch nicht entschieden ist.

Am 4. Juli 1986 erließ das FA B gegen die Rechtsvorgängerin der Klägerin den im hier vorliegenden Verfahren angefochtenen, auf § 1 Abs. 2 GrEStG NW gestützten Grunderwerbsteuerbescheid über eine Steuerschuld von (7 v. H. von 16,5 Mio. DM=) 1 155 000 DM.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) als unbegründet abgewiesen.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 1 Abs. 2 GrEStG NW.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Der Bundesfinanzhof (BFH) ist trotz des Wegfalls des früheren Absatzes 2 des § 160 FGO durch Art. 1 Nr. 37 des FGO- Änderungsgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I, 2109) nicht daran gehindert, das angefochtene FG-Urteil auch auf die Verletzung von -- nach § 23 Abs. 2 GrEStG 1983 weiter fortgeltendem -- Landesrecht zu überprüfen. Das FGO-Änderungsgesetz enthält zwar insoweit keine ausdrückliche Übergangsregelung. Aus Art. 7 des FGO- Änderungsgesetzes ergibt sich jedoch die allgemeine Intention des Gesetzgebers, durch die Gesetzesänderung nicht in laufende Rechtsmittelverfahren einzugreifen. Diese sollen vielmehr nach den bisher geltenden Vorschriften zu Ende geführt werden. Für im Zeitpunkt des Inkrafttretens des FGO-Änderungsgesetzes am 1. Januar 1993 (vgl. Art. 9 FGO-Änderungsgesetz) bereits anhängige Revisionsverfahren ist demnach § 160 Abs. 2 FGO a. F. weiter anzuwenden.

2. Nach § 1 Abs. 2 GrEStG NW unterliegen der Grunderwerbsteuer auch solche Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Zweck der genannten Bestimmung ist es, die Grundstücksgeschäfte zu erfassen, welche in bezug auf die Herrschaft über ein Grundstück den in § 1 Abs. 1 GrEStG NW beschriebenen Tatbeständen so nahe kommen, daß sie wie diese ermöglichen, sich den Wert des Grundstücks für eigene Rechnung nutzbar zu machen (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 3. Mai 1973 II R 37/68, BFHE 109, 476, BStBl II 1973, 709).

Demgemäß ist es zur Erfüllung des Tatbestands des § 1 Abs. 2 GrEStG NW nicht erforderlich, daß der Berechtigte wie ein Eigentümer über das Grundstück verfügen, d. h. es besitzen, verwalten, nutzen, belasten und schließlich veräußern kann. Es genügt, wenn er die Verwertungsbefugnis über das Grundstück erlangt hat, auch wenn das eine oder andere der genannten Rechte ihm nicht eingeräumt worden ist oder ihm nicht zusteht (vgl. BFH-Urteil vom 26. Mai 1976 II R 128/71, BFHE 119, 500, BStBl II 1976, 724). Für den Erwerber einer Verwertungsbefugnis ergeben sich -- ebenso wie beim Eigentümer -- zwei Möglichkeiten der Verwertung, nämlich die Nutzung und die Veräußerung. Diese Gegenüberstellung einer Verwertungsmöglichkeit durch Veräußerung und einer Verwertungsmöglichkeit durch Nutzung und Substanzbeteiligung schließt aber nicht aus, daß die rechtliche oder wirtschaftliche Möglichkeit, ein Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten, durch Umstände begründet wird, die teils dem einen, teils dem anderen Bereich zugehören (vgl. BFH- Urteil vom 12. Dezember 1973 II R 29/69, BFHE 111, 360, BStBl II 1974, 251). Ob die einzelnen Elemente der Rechtsmacht eines anderen je für sich allein die Besteuerung auslösen können, ist unerheblich. Entscheidend ist, ob die Gesamtheit der mit dem Grundstückseigentümer getroffenen Vereinbarungen eine Verwertungsbefugnis im vorstehend dargelegten Sinne begründet (vgl. BFH-Urteil vom 3. Oktober 1984 II R 109/82, BFHE 142, 185, BStBl II 1985, 97).

Eine Machtstellung in diesem Sinne hatte die Rechtsvorgängerin der Klägerin durch die unter I. genannten Vereinbarungen -- auch in ihrer Zusammenschau -- nicht erlangt.

a) Eine Verwertungsbefugnis i. S. des § 1 Abs. 2 GrEStG NW läßt sich zunächst nicht aus der vom FA angenommenen Stellung der Rechtsvorgängerin der Klägerin als Gesellschafterin der GbR herleiten. Zum einen war die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu keiner Zeit Gesellschafterin der GbR geworden. Zur Begründung verweist der Senat auf sein Urteil vom heutigen Tag in der Sache II R 69/91, BFH/NV 1995, 187. Zum anderen hätte die Rechtsvorgängerin der Klägerin aber auch selbst dann, wenn sie Gesellschafterin der GbR geworden wäre, dadurch keine Verwertungsbefugnis im von § 1 Abs. 2 GrEStG NW vorausgesetzten Sinn erhalten (vgl. Senatsurteil vom 27. März 1991 II R 82/87, BFHE 164, 473, BStBl II 1991, 731, unter 2.).

b) Damit steht zugleich -- im Wege des Erst- Recht-Schlusses -- fest, daß auch alle Vereinbarungen und Maßnahmen, die der Rechtsvorgängerin der Klägerin einen Zugriff auf den Gesellschaftsanteil des M und einen Einfluß auf dessen Mitgliedschaftsrechte (Verwaltungs- und Vermögensrechte) in der GbR sicherten (Verpfändung des Gesellschaftsanteils des M -- Verpflichtung des M im Zusatzvertrag vom 10. Dezember 1982, seine Stimmrechte nur in im einzelnen vorgeschriebener Art und Weise auszuüben; Einschränkung der Mitgliedschaftsrechte des M durch Einsetzung eines Beirates --), nicht dazu führen konnten, daß der Rechtsvorgängerin der Klägerin in bezug auf den (gesamthänderisch gebundenen) Grundbesitz der GbR eine Verwertungsbefugnis zukam.

c) Auch die Stellung der Rechtsvorgängerin der Klägerin als Grundpfandrechtsgläubigerin vermittelte ihr keine Verwertungsbefugnis i. S. von § 1 Abs. 2 GrEStG NW.

Dies folgt schon daraus, daß in diesem Fall die Verwertung nicht "für Rechnung" des Gläubigers, sondern für Rechnung des Eigentümers (Schuldners) erfolgt, dessen Verbindlichkeiten durch den Verwertungserlös getilgt werden (vgl. schon Urteile des Reichsfinanzhofs -- RFH -- vom 21. Februar 1928 II A 8/28, Mrozek, Steuerrechtsprechung, Grunderwerbsteuergesetz 1919, § 5 Abs. 4 Nr. 5, Rechtsspruch 22, und vom 12. Juli 1933 II A 2/33, Mrozek, a. a. O., § 5 Abs. 4 Nr. 5, Abteilung II, Rechtsspruch 1; Fischer in Boruttau /Egly /Sig loch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 13. Aufl., § 1 Rdnr. 634 und 641). An dem über die grundpfandrechtsgesicherte Forderung hinausgehenden Verwertungs erlös stehen dem Grundpfandrechtsgläubiger Ansprüche nicht zu.

d) Aus demselben Grund hatte die Rechtsvorgängerin der Klägerin eine Rechtsposition i. S. des § 1 Abs. 2 GrEStG NW auch nicht dadurch erlangt, daß ihr in der privatschriftlichen Vereinbarung vom 7. Dezember 1982 das Recht eingeräumt wurde, den Grundbesitz zwangsweise zu verwerten, sobald die Kreditverträge gekündigt würden und die Zwangsvollstreckung von dritter Seite betrieben würde. Diese Vereinbarungen bezogen sich lediglich auf den Eintritt der sog. Pfandreife, d. h. auf die Fälligkeit der Grundpfandrechte, die ihrerseits die Voraussetzung für die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (Betreiben der Zwangsversteigerung und/oder der Zwangsverwaltung) bildete.

e) Eine Verwertungsbefugnis i. S. des § 1 Abs. 2 GrEStG NW stand der Rechtsvorgängerin der Klägerin schließlich auch nicht dadurch zu, daß ihr zur Sicherung sämtlicher ihr und dem Bankhaus W zustehenden Forderungen gegen die GbR und deren Gesellschafter (A-GmbH und M) die Ansprüche aus den gegenwärtigen und künftigen Mietverträgen abgetreten wurden. Diese Sicherungszession ließ die Verwaltungs- und Nutzungsbefugnisse der GbR in bezug auf die ihr gehörenden Grundstücke unberührt. Wie die Revision zutreffend hervorhebt, änderte diese Abtretung nichts daran, daß die GbR frei darüber entscheiden konnte, an wen und zu welchen Konditionen sie ihren Grundbesitz vermietete oder verpachtete.

f) Trotz fehlenden Besitzes kann nach der Rechtsprechung des Senats auch derjenige die Verwertungsbefugnis i. S. des § 1 Abs. 2 GrEStG NW erwerben, dem ein Grundstück dergestalt zur Veräußerung überlassen wird, daß er den über eine bestimmte Grenze hinausgehenden Mehr erlös nicht an den Eigentümer abzuführen braucht und für sich behalten darf (Urteile vom 21. Juli 1965 II 78/62 U, BFHE 83, 166, BStBl III 1965, 561, und vom 19. Juni 1975 II R 86/67, BFHE 117, 89, BStBl II 1976, 27). Das hat seinen Grund darin, daß die Befugnis zur Veräußerung eines Grundstücks die stärkste Form der Verwertungsmacht ist (BFH in BFHE 105, 165, 168, BStBl II 1972, 495).

Im Streitfall scheidet eine derartige Konstellation jedoch aus. Weder die GbR noch deren Gesellschafter hatten der Rechtsvorgängerin der Klägerin die Rechtsmacht eingeräumt, den Grundbesitz der GbR für eigene Rechnung zu veräußern.

aa) Zwar hatte die Rechtsvorgängerin der Klägerin aufgrund ihrer Stellung als Grundpfandrechtsgläubigerin die Möglichkeit, den Grundbesitz bei Eintritt der sog. Pfand reife im Wege der Zwangsvollstreckung (Zwangsversteigerung) verwerten zu lassen und sich aus dem Versteigerungserlös wegen ihrer Forderungen zu befriedigen. Diese Möglichkeit ist jedoch mit dem o. g. Fall der Überlassung eines Grundstücks zum Verkauf (Verkaufsermächtigung, -vollmacht) auf eigene Rechnung schon deshalb nicht vergleichbar, weil die Zwangsversteigerung nicht für Rechnung des (Grundpfandrechts-)Gläubigers, sondern für Rechnung des Schuldners (Grundstückseigentümers) erfolgt, dessen Verbindlichkeiten durch den an den Gläubiger ausgekehrten Versteigerungserlös getilgt werden. Allein der Umstand, daß der Gläubiger wegen seiner Forderung aus dem Versteigerungserlös befriedigt wird und er deshalb -- besonders, wenn die Höhe seiner Forderung dem Wert des Grundstücks nahekommt oder diesen sogar übersteigt -- ein eigenes Interesse daran hat, daß ein möglichst hoher Versteigerungserlös erzielt wird, läßt die Versteigerung noch nicht als solche "für Rechnung" des Gläubigers erscheinen (vgl. auch RFH-Urteile in Mrozek-Kartei zu § 5 Abs. 4 Nr. 5 GrEStG 1919, Rechtsspruch 22 und Abteilung II, Rechtsspruch 1).

bb) Ein anderes Ergebnis ergibt sich im Streitfall auch nicht daraus, daß sich die Rechtsvorgängerin der Klägerin in der privatschriftlichen Vereinbarung vom 7. Dezember 1982 auch den bei einer Zwangsversteigerung evtl. erzielten Mehrerlös hat abtreten lassen. Denn auch diese Sicherungsmaßnahme kam allenfalls dann zum Zuge, wenn der Rechtsvorgängerin der Klägerin im Zeitpunkt der Zwangsversteigerung weitere, über die grundpfandrechtsgesicherten Ansprüche hinausgehende Forderungen gegen die GbR bzw. deren Gesellschafter zustanden. Eine Vereinnahmung eines solchen Mehrerlöses durch die Rechtsvorgängerin der Klägerin wäre demnach wiederum "für Rechnung der GbR bzw. deren Gesellschafter" erfolgt, deren Verbindlichkeiten durch die Auskehrung des abgetretenen Mehrerlöses an die Rechtsvorgängerin der Klägerin getilgt worden wären. Entscheidend ist, daß die Rechtsvorgängerin der Klägerin nur insoweit auf einem im Zwangsversteigerungsverfahren realisierten Verwertungserlös zugreifen konnte, als sie Forderungen gegen die GbR bzw. deren Gesellschafter hatte. Ein darüber hinausgehender Teil des Versteigerungserlöses stand ihr nicht zu. Folglich war sie nicht in der Lage, sich den Substanzwert des Grundbesitzes ganz oder wenigstens teilweise "einzuverleiben".

cc) Dieselben Erwägungen gelten in bezug auf die Möglichkeit der Rechtsvorgängerin der Klägerin, den Vermögenswert des Grundbesitzes, soweit er anteilig auf den Gesellschafter M entfiel, dadurch zu realisieren, daß sie aufgrund ihres Pfandrechts am Gesellschaftsanteil des M die GbR analog § 725 Abs. 1 BGB kündigte (vgl. dazu z. B. Ulmer in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., § 719 Rdnr. 42 und 43) und sodann die Auseinandersetzung betrieb. Auch diese in direkte Form der Verwertung des Grundbesitzes wäre nicht für Rechnung der Rechtsvorgängerin der Klägerin, sondern für Rechnung des M erfolgt, weil der Zugriff der Rechtsvorgängerin der Klägerin auf das Auseinandersetzungsguthaben des M nur soweit hätte reichen können, als der Rechtsvorgängerin der Klägerin Forderungen gegen M zustanden, die durch Vereinnahmung des Auseinandersetzungsgut habens seitens der Rechtsvorgängerin der Klägerin getilgt worden wären.

dd) Abgesehen von den beschriebenen Zwangsmaßnahmen (Zwangsversteigerung des Grundstücks; Betreiben der Auseinandersetzung der GbR nach deren vorheriger Kündigung) hatte die Rechtsvorgängerin der Klägerin keine Möglichkeit, den Grundbesitz in eigener Machtvollkommenheit, d. h. insbesondere ohne Zustimmung der GbR, zu veräußern, geschweige denn, dies auf eigene Rechnung zu tun. Berechtigt zur Veräußerung des Grundbesitzes war die GbR als dessen Eigentümerin. Innerhalb der GbR bedurfte eine Veräußerung des Grundbesitzes durch den Geschäftsführer (A-GmbH) der Zustimmung der Gesellschafterversammlung (§ 3 Ziff. 2 Buchst. b des Gesellschaftsvertrages), deren Beschlüsse grundsätzlich mit "einer Mehrheit von 100 % der Stimmen" gefaßt wurden (§ 6 Ziff. 2 des Gesellschaftsvertrages). Außerdem bedurfte eine Grundstücksveräußerung der Zustimmung der Mehrheit des Beirates, in dem die Rechtsvorgängerin der Klägerin lediglich über eine von vier Stimmen verfügte. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war daher allein grundsätzlich nicht einmal in der Lage, eine Veräußerung des Grundbesitzes zu blockieren. Erst recht verfügte sie nicht über die Rechtsmacht, das Grundstück allein -- ohne Zustimmung durch die GbR -- rechtsgeschäftlich zu veräußern.

Selbst wenn es aber -- mit Zustimmung der GbR und mit Einverständnis der Mehrheit im Beirat (mindestens drei Stimmen) -- zu einer Veräußerung des Grundbesitzes gekommen wäre, so wäre diese Veräußerung wiederum nicht für ihre Rechnung erfolgt. Denn sie konnte auch bei einem freihändigen Verkauf des Grundbesitzes nur insoweit auf den Veräußerungserlös zugreifen, als ihr Forderungen gegen die GbR und deren Gesellschafter zustanden, so daß das wirtschaftliche Ergebnis eines Verkaufs ausschließlich den Schuldnern und nicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin als Gläubigerin zugute kam.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420123

BFH/NV 1995, 269

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge