Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufwand für die ,,Hinzurechnung" eines gemeindeeigenen Grundstücks (§ 21 a Abs. 2 BaunutzungsVO) als Herstellungskosten eines Gebäudes

 

Leitsatz (NV)

Erhält ein Bauherr eine beantragte Baugenehmigung erst nach ,,Hinzurechnung" eines gemeindeeigenen Grundstücks zum eigenen Grundstück (§ 21 a Abs. 2 BaunutzungsVO), so gehört der Aufwand für die ,,Hinzurechnung" zu den Herstellungskosten des Gebäudes.

 

Normenkette

EStG § 6; ZRFG § 3 Abs. 1-2; HGB § 255 Abs. 1; BauNVO § 21a

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine öffentlich-rechtliche Sparkasse, ist Eigentümerin eines bebauten Grundstücks. Ein von ihr geplanter Erweiterungsbau überschritt sowohl die nach dem Bebauungsplan der Gemeinde zulässige Grundflächenzahl als auch die zulässige Geschoßflächenzahl. Eine Baugenehmigung konnte nur erteilt werden, wenn dem Grundstück der Klägerin eine zusätzliche Grundfläche von 570 qm zugeordnet werden konnte. Für derartige Fälle sieht § 21 a Abs. 2 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) vom 15. September 1977 (BGBl I 1977, 1763) eine Zurechnung benachbarter Grundstücke oder Teilgrundstücke zum Baugrundstück vor, wenn die fremden Flächen als Gemeinschaftsanlage festgesetzt sind.

Auf der Grundlage dieser Bestimmungen schloß die Klägerin mit der Gemeinde am 17./18. August 1982 einen Vertrag, in dem die Gemeinde sich verpflichtete, den gemeindeeigenen Dorfplatz im Bebauungsplan als Gemeinschaftsanlage festzusetzen und 570 qm dieser Fläche dem Grundstück der Klägerin ,,hinzuzurechnen". Die Gemeinde übernahm gegenüber der Bauaufsichtsbehörde eine entsprechende Verpflichtung, die im Baulastenverzeichnis eingetragen wurde. Für diese Leistungen zahlte die Klägerin der Gemeinde einen Betrag von 171 000 DM.

Nach ,,Hinzurechnung" eines Teils des Dorfplatzes (570 qm) zum Grundstück der Klägerin erhielt diese die beantragte Baugenehmigung und errichtete den geplanten Erweiterungsbau.

Die Klägerin behandelte die Zahlung an die Gemeinde als Herstellungskosten des Gebäudes und nahm in der Steuerbilanz auf den 31. Dezember 1982 von den im Streitjahr angefallenen Teilherstellungskosten (einschließlich des Betrages von 171 000 DM) Sonderabschreibungen nach dem Zonenrandförderungsgesetz (ZRFG) vor.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) behandelte die Zahlung von 171 000 DM als Anschaffungskosten eines nicht der Abnutzung unterliegenden immateriellen Wirtschaftsgutes. Das FA kürzte deshalb die Sonderabschreibungen um 60 889 DM.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wies das Finanzgericht (FG) die Klage der Klägerin ab. Es behandelte die Zahlung als nachträgliche Anschaffungskosten für Grund und Boden.

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Herabsetzung der Körperschaftsteuer 1982 auf . . . DM (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Klägerin konnte eine zusätzliche Sonderabschreibung in Höhe von 60 889 DM von den Herstellungskosten des Erweiterungsbau vornehmen.

1. § 3 Abs. 1 und 2 ZRFG i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und anderer Gesetze vom 20. August 1980 sah im Streitjahr für unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens eine Sonderabschreibung von bis zu 40 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vor.

2. Die Zahlung von 171 000 DM an die Gemeinde gehörte zu den Herstellungskosten des Erweiterungsbaus.

a) Der Begriff der Herstellungskosten war im Streitjahr nicht gesetzlich definiert. § 153 des Aktiengesetzes (AktG) 1965 enthielt lediglich Teilregelungen. Die für den Streitfall entscheidenden Merkmale des Begriffs wurden jedoch im Streitjahr von Rechtsprechung, Verwaltung und Schrifttum einheitlich und übereinstimmend mit der heutigen gesetzlichen Definition in § 255 Abs. 1 des Handelssgesetzbuches (HGB) n. F. ausgelegt.

Als Herstellungskosten wurden Aufwendungen angesehen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Wirtschaftsguts / Vermögensgegenstands entstehen (vgl. Schmidt / Glanegger, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 6 Anm. 40; Klein / Flockermann / Kühr, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 3. Aufl., § 6 Rz. 118; Söffing in Bordewin / Charlier / Gérard, Handkommentar zum Einkommensteuergesetz, § 6 Rz. 56; Littmann / Bitz / Meincke, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 13. Aufl., § 6 Rz. 63; Abschn. 33 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien 1981). Die Legaldefinition in § 255 Abs. 2 HGB n. F. entspricht dieser Auslegung nach Wortlaut und Absicht des Gesetzgebers in vollem Umfang (vgl. Begründung zu § 260 Abs. 3 des Regierungsentwurfs eines neuen HGB, BTDrucks 9/1878 S. 88).

Der Herstellungskostenbegriff ist final zu verstehen. Alle Aufwendungen, die in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Errichtung des Gebäudes stehen, sind als Herstellungskosten des Gebäudes anzusehen (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Juni 1978 GrS 1/77, BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620 mit zahlreichen Hinweisen). Zu diesen Aufwendungen gehören nicht nur die Kosten, die unmittelbar der Herstellung eines Wirtschaftsguts dienen, sondern auch solche, die zwangsläufig mit der Herstellung eines Wirtschaftsguts anfallen (BFH in BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620). Dementsprechend hat der BFH in den Urteilen vom 11. März 1976 VIII R 212/73 (BFHE 118, 437, BStBl II 1976, 449) und vom 16. November 1982 VIII R 175/79 (BFHE 137, 314, BStBl II 1983, 212) die Zahlung von Abgaben an eine Gemeinde als Herstellungskosten der zu errichtenden Gebäude angesehen, wenn die Abgaben anfielen, um eine Baugenehmigung zu erhalten.

b) Diese Voraussetzungen liegen auch im Streitfall vor. Das Grundstück der Klägerin war bereits vor der Zurechnung des Teilgrundstücks der Gemeinde bebaubar. Die Zurechnung war lediglich für das konkrete Bauvorhaben der Klägerin erforderlich. Da die von der Klägerin geplante Grundfläche und die Geschoßfläche über die bei der vorhandenen Grundstücksfläche zulässigen Werte hinausgingen, konnte die Baugenehmigung für das Bauvorhaben nur erteilt werden, wenn Teile des gemeindeeigenen Dorfplatzes dem Grundstück der Klägerin ,,hinzugerechnet" wurden. Der Vertrag vom 17./18. August 1982 war damit eng mit dem Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Baugenehmigung verbunden. Er war Voraussetzung für die Baugenehmigung und damit für die Durchführung des Bauvorhabens. In einem derartigen Fall ist der für die ,,Hinzurechnung" entstandene Aufwand so eng mit der Errichtung des Gebäudes verbunden, daß er den Herstellungskosten zuzurechnen ist (vgl. BFH in BFHE 118, 437, BStBl II 1976, 449).

c) Der streitige Betrag stellt entgegen der Auffassung des FG keine nachträglichen Anschaffungskosten für Grund und Boden dar.

Die Zahlung ist nicht mit einem Erschließungsbeitrag vergleichbar, den die höchstrichterliche Rechtsprechung als nachträglichen Aufwand auf Grund und Boden qualifiziert hat (vgl. BFH in BFHE 118, 437, 440, BStBl II 1976, 449). Anders als bei den Erschließungsbeiträgen diente die Zahlung nicht der allgemeinen Erweiterung der Nutzbarkeit des Grundstücks der Klägerin. Sie hing unmittelbar mit der Nutzung des Grundstücks durch den Erweiterungsbau zusammen (vgl. BFH-Urteil vom 16. November 1982 VIII R 167/78, BFHE 137, 55, BStBl II 1983, 111). Das ergibt sich u. a. daraus, daß mit der Zahlung die Zurechnung genau der Fläche bewirkt wurde, die die Klägerin benötigte, um mit ihrem Bauvorhaben die zulässigen Grundflächen- und Geschoßflächenzahlen nicht zu überschreiten.

Das FG geht davon aus, daß durch die Eintragung der Baulast eine Werterhöhung des Grundstücks eingetreten sei, die auch bei einer eventuellen Beseitigung des Gebäudes erhalten bleibe. Soweit das FG damit § 106 der Landesbauordnung für das Land Schleswig-Holstein vom 9. Februar 1967 (Gesetzes-Sammlung Schleswig-Holstein, GlNr. 2130-2) ausgelegt hat, ist diese Auslegung für den Senat verbindlich. Diese Auffassung zwingt jedoch nicht, die Aufwendungen dem Grund und Boden zuzurechnen. Es gibt zahlreiche Gebäudeaufwendungen, die im Falle eines Wiederaufbaus nicht erneut aufzubringen und dennoch Kosten der Bebauung und Gebäudeherstellungskosten sind, z. B. gewisse Bauplanungskosten. Entscheidend ist, daß solche Aufwendungen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Bebauung stehen. Fallen sie einmalig an, verbilligen sie eine Zweitbebauung, sind jedoch nicht Aufwendungen für den Grund und Boden (vgl. BFH in BFHE 137, 314, 317, BStBl II 1983, 212). Zwar hat der BFH bei der Zurechnung von Anlieger- und Kanalisationsbeiträgen zum Grund und Boden auch darauf abgestellt, daß eine Wertsteigerung des Grundstücks unabhängig von der Zerstörung oder dem Abriß des aufstehenden Gebäudes eintrete (Urteile vom 18. September 1964 VI 100/63 S, BFHE 81, 233, BStBl III 1965, 85; vom 3. August 1966 IV 290/63, BFHE 86, 710, BStBl III 1967, 600). Diese Erwägung ist jedoch nicht als allein maßgeblich angesehen worden. Sie steht für sich genommen der Behandlung einer einmaligen Zahlung als Gebäudeherstellungskosten nicht entgegen (BFH in BFHE 137, 314, 317, BStBl II 1983, 212).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417193

BFH/NV 1991, 34

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