Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der Berufsausbildungskosten von den -fortbildungskosten

 

Leitsatz (NV)

Die Aufwendungen des in einem Steuerberater-Büro angestellten Diplom-Betriebswirts zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung stellen Fortbildungskosten (Werbungskosten) dar.

 

Normenkette

EStG 1983 § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 12 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Bremen

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin war im Streitjahr 1983 als Steuerfachgehilfin in einem Steuerberatungsbüro angestellt. Sie hatte zuvor ein Studium als Diplom-Betriebswirtin abgeschlossen.

Zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung nahm sie im Streitjahr 1983 an entsprechenden Kursen teil und vertiefte ihre Kenntnisse durch häusliches Studium. Zu diesem Zweck hatte sie sich im eigenen Einfamilienhaus ein Arbeitszimmer eingerichtet.

In der Einkommensteuererklärung 1983 machte die Klägerin u. a. die Aufwendungen für Steuerrechtskurse, Bücher und Zeitschriften in Höhe von 998 DM sowie die Kosten für ein Arbeitszimmer und dessen Einrichtung als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1983 zwar die erstgenannten Kosten in Höhe von 998 DM als Werbungskosten an, versagte jedoch den Abzug der auf das Arbeitszimmer und dessen Einrichtung entfallenden Aufwendungen (1 417 DM).

Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage lediglich in geringfügigem Umfang statt. In Übereinstimmung mit der vom FA im Klageverfahren vertretenen Auffassung sah es die gesamten in Rede stehenden Kosten als Ausbildungskosten i. S. von § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an. Durch das mit dieser Umqualifizierung verbundene Wirksamwerden des Werbungskostenpauschbetrages (§ 9a Satz 1 Nr. 1 EStG) ergab sich eine gegenüber dem angefochtenen Bescheid geringfügig niedrigere Steuerfestsetzung.

Zur Begründung führte das FG in seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 631 veröffentlichten Urteil im wesentlichen aus:

Mit der Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung habe die Klägerin nicht lediglich ihre Kenntnisse in dem bereits ausgeübten Beruf als Steuerfachgehilfin vertieft und erweitert, sondern erstmalig die Voraussetzungen für die Ausübung eines neuen und anderen Berufs geschaffen. Zu den Ausbildungskosten gehörten auch solche Ausgaben, die ein im Berufsleben stehender Steuerpflichtiger tätige, um seine Lebensstellung durch den Übergang in einen anderen Beruf zu verbessern. Mit der Ablegung der Steuerberaterprüfung werde der Klägerin eine neue berufliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung eröffnet. Sie verfüge sodann über die Möglichkeit, die Zulassung als Steuerberaterin zu beantragen und selbständig die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen zu betreiben, wobei sie Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern gleichgestellt sei (§§ 2, 3 des Steuerberatungsgesetzes - StBerG -).

Zwar seien die Kenntnisse, die die Klägerin bei ihren Vorbereitungen erworben habe, auch ihrer bisherigen Tätigkeit als Steuerfachgehilfin förderlich gewesen. Dieser Gesichtspunkt müsse jedoch zurücktreten, wenn mit den Aufwendungen der Übertritt in einen anderen, höherwertigen Beruf vorbereitet werde.

Daß es sich bei dem Beruf des Steuerberaters gegenüber dem des Steuerfachgehilfen um einen höherwertigen Beruf handle, ergebe sich aus dem StBerG. Der Beruf des Steuerfachgehilfen stelle einen Ausbildungsberuf dar, während der Beruf des Steuerberaters grundsätzlich ein Hochschulstudium und im Anschluß daran eine mehrjährige hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens sowie das Bestehen einer nicht einfachen Fachprüfung voraussetze. Der Beruf des Steuerberaters befähige zudem im Gegensatz zu demjenigen des Fachgehilfen zur eigenverantwortlichen und selbständigen geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen (vgl. § 2 StBerG).

Mit der Revison rügen die Kläger die Verletzung des § 9 EStG und tragen im wesentlichen vor:

Das FG räume selbst ein, daß die von ihr, der Klägerin, aufgewendeten Kosten der Erweiterung und Vertiefung ihrer Kenntnisse im bereits ausgeübten Beruf als Steuerfachgehilfin gedient hätten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) lägen Fortbildungskosten vor, wenn mit den Ausgaben erstrebt werde, die beruflichen Leistungen im ausgeübten Beruf zu verbessern. Das gelte auch dann, wenn dadurch zugleich das Ziel eines Berufswechsels ermöglicht werde.

Der Zusammenhang zwischen den streitigen Kosten und dem später möglicherweise von ihr, der Klägerin, ausgeübten Beruf des Steuerberaters sei sehr unbestimmt und vage. Die Zulassungsvoraussetzungen für die Teilnahme an der Steuerberaterprüfung habe sie, die Klägerin, bislang nicht erfüllt. Eine Anmeldung zur Prüfung sei noch nicht erfolgt. Ein Übergang zum Beruf des Steuerberaters sei erst dann möglich, wenn die Prüfung bestanden werde sowie die Zulassung zum Steuerberater beantragt und erteilt sei.

Eine Vielzahl von Steuerberatern und -bevollmächtigten übe die Tätigkeit im Angestelltenverhältnis aus. Um selbständig tätig sein zu können, müsse eine Reihe weiterer Voraussetzungen gegeben sein, insbesondere hinsichtlich des Aufbaus oder des Erwerbs einer Praxis und der dazu erforderlichen finanziellen Mittel. Der Eintritt dieser Bedingungen sei zum derzeitigen Zeitpunkt noch völlig ungewiß.

Wenn das FG dennoch davon ausgegangen sei, daß der Zusammenhang der streitigen Kosten mit der ausgeübten Tätigkeit als Steuerfachgehilfin gegenüber dem vagen Zusammenhang dieser Aufwendungen mit dem möglichen Übergang zum selbständig ausgeübten Beruf des Steuerberaters zurücktreten müsse, so setze es sich eindeutig in Widerspruch zu dem Urteil des BFH vom 20. Februar 1969 IV R 119/66 (BFHE 95, 433, BStBl II 1969, 433).

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung der Vorentscheidung und Abänderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids 1983 vom 9. November 1984 in Gestalt der Einspruchsentscheidung, die streitigen Aufwendungen in Höhe von 2 415 DM bei entsprechender Reduzierung des Ausbildungsfreibetrages (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG) als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz stellen die Aufwendungen der Klägerin zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung dem Grunde nach Werbungskosten (Fortbildungskosten) dar.

a) Die Rechtsprechung unterscheidet seit jeher zwischen den der allgemeinen Lebensführung zuzurechnenden Berufsausbildungskosten einerseits und den Berufsfortbildungskosten (einschließlich der Aufwendungen für die berufliche Weiterbildung) andererseits, die als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anerkannt werden (vgl. schon Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 24. Juni 1937 IV A 20/36, RStBl 1937, 1089).

Aufwendungen für die berufliche Fort- und Weiterbildung sind Ausgaben, die ein Steuerpflichtiger tätigt, um in dem ausgeübten Beruf auf dem laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden, ferner Ausgaben, die dazu dienen, daß der Steuerpflichtige in dem ausgeübten Beruf - ohne Wechsel der Berufs- oder Erwerbsart - besser vorwärtskommt (BFH-Urteil vom 28. September 1984 VI R 44/83, BFHE 142, 262, BStBl II 1985, 94, mit weiterem Nachweis).

Demgegenüber liegen Berufsausbildungskosten vor, wenn die Aufwendungen dem Zweck dienen, die Kenntnisse zu erwerben, die als Grundlage für einen künftigen Beruf notwendig sind und die ggf. die Grundlage dafür bilden sollen, um von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer anderen überzuwechseln (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 9. März 1979 VI R 141/77, BFHE 127, 210, BStBl II 1979, 337).

b) Entsprechend diesen Grundsätzen sind die von der Klägerin getätigten Aufwendungen zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung als Berufsfortbildungskosten anzusehen.

Bereits in seinem Urteil vom 9. April 1965 VI 94/64 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965, 507) hat der erkennende Senat die Ausgaben eines bei einem Steuerberater und Wirtschaftsprüfer angestellten Diplom-Kaufmanns für die Teilnahme an Lehrgängen zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung als Fortbildungskosten qualifiziert. Er hat dabei darauf hingewiesen, daß bei der oftmals schwierigen Abgrenzung der Ausbildungskosten von den Fortbildungskosten der Begriff der Berufsfortbildung nicht zu eng gefaßt werden dürfe (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. auch BFH-Urteil vom 7. November 1980 VI R 50/79, BFHE 132, 49, BStBl II 1981, 216, 218; Schmidt / Drenseck, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 19 Anm. 12, Stichwort: ,,Ausbildungskosten a)", m.w.N.; v. Bornhaupt in Kirchhof / Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. B 276, m.w.N.). Entsprechendes gelte wegen des allgemeinen Interesses an der Förderung beruflichen Strebens in bezug auf den Begriff des ,,Berufswechsels". Die Ausbildung als Diplom-Kaufmann eröffne viele Wege der Berufsausbildung, darunter auch die Mitarbeit bei einem Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer. Die Aneignung zusätzlicher Fachkenntnisse für einen dieser Berufe sei ein Akt der Berufsfortbildung, auch wenn es dem Steuerpflichtigen in erster Linie darauf ankomme, die Steuerberaterprüfung abzulegen. Ein Berufswechsel liege in einem solchen Fall nicht vor. Es sei auch nicht entscheidend, ob der Steuerpflichtige nach Ablegung der Steuerberaterprüfung die bisherige nichtselbständige Tätigkeit aufgeben und freiberuflich tätig sein wolle.

An diesen Grundsätzen hat der Senat auch in der Folgezeit stets festgehalten (vgl. z. B. Urteile vom 10. September 1965 VI 152/65, HFR 1966, 74, betreffend die Aufwendungen eines Stundenbuchhalters zur Vorbereitung auf die Steuerbevollmächtigtenprüfung; vom 5. Oktober 1966 VI R 75/66, BFHE 87, 521, BStBl III 1967, 230, betreffend die Ausgaben eines Steuerassistenten zur Vorbereitung auf die Steuerbevollmächtigtenprüfung; in BFHE 95, 433, BStBl II 1969, 433, betreffend die Ausgaben einer Bilanzbuchhalterin zur Vorbereitung auf die Steuerbevollmächtigtenprüfung; vom 9. November 1971 VI R 109/69, BFHE 103, 516, BStBl II 1972, 147, betreffend die Aufwendungen eines Angestellten eines Wirtschaftsprüfers zur Vorbereitung auf die Steuerbevollmächtigtenprüfung; vom 4. März 1977 VI R 213/75, BFHE 122, 265, BStBl II 1977, 507, betreffend die Ausgaben eines Angestellten in einer Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung; vom 4. August 1967 VI R 74/66, nicht veröffentlich - NV -, betreffend die Kosten eines Angestellten eines Steuerbevollmächtigten zur Vorbereitung auf die Steuerbevollmächtigtenprüfung; vom 9. Juli 1970 IV 167/65, NV, zu einem ähnlichen Sachverhalt; vgl. auch schon das Urteil vom 25. März 1965 IV 339/64 U, BFHE 82, 305, BStBl III 1965, 357, betreffend die Aufwendungen eines Steuerbevollmächtigten zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung).

In seinem Urteil vom 19. Januar 1990 VI R 119/86, BFHE 160, 150, BStBl II 1990, 572, betreffend die Aufwendungen der in einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft angestellten Diplom-Kauffrau zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung, hat der Senat diese Grundsätze unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der von einigen FG vertretenen gegenteiligen Auffassung (vgl. z. B. neben der Vorentscheidung das dort angeführte Urteil des Hessischen FG vom 14. Mai 1986 2 K 447/83, EFG 1986, 597) erneut bestätigt. Die dort für das Vorliegen von Fortbildungskosten angeführten maßgeblichen Erwägungen treffen auch im vorliegenden Streitfall zu. Zwar handelte es sich im dort entschiedenen Fall um eine Diplom-Kauffrau, während es hier um eine Diplom-Betriebswirtin geht. Darin ist aber ein entscheidender - eine andere Sachbehandlung rechtfertigender - Unterschied nicht zu sehen. In beiden Fällen waren die Steuerpflichtigen als qualifizierte - nichtselbständige - Hilfskräfte in einem Steuerberatungsunternehmen tätig. In beiden Fällen hatten sie vor Aufnahme dieser Tätigkeit ein wirtschaftswissenschaftliches Studium (Betriebswirtschaftslehre) absolviert und damit einen berufsqualifizierenden Abschluß erlangt. Dem Umstand, daß es sich in dem der Entscheidung VI R 119/86 zugrunde liegenden Sachverhalt um ein eher theoretisch-wissenschaftlich ausgerichtetes Universitätsstudium und im hier zu entscheidenden Fall um ein mehr an den Bedürfnissen der Praxis orientiertes Fachhochschulstudium handelte, ist eine rechtserhebliche Bedeutung nicht beizumessen. Dem entspricht es, daß der Senat bei der Frage, ob die mit einem Hochschulstudium verbundenen Aufwendungen als Ausbildungs- oder als Fortbildungskosten in Betracht kommen, den Besuch einer Fachhochschule bzw. einer deren Vorläufereinrichtungen stets nach den gleichen Maßstäben beurteilt hat wie ein Universitätsstudium (vgl. z. B. die Nachweise aus der Rechtsprechung bei v. Bornhaupt in Kirchhof / Söhn, a.a.O., § 9 Rdnr. B 331).

Entgegen der von der Vorinstanz vertretenen Auffassung wird der Klägerin eine neue berufliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung in dem Sinne, wie sie die Rechtsprechung des erkennenden Senats insbesondere bei dem erfolgreichen Abschluß eines Studiums bejaht hat (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 10. Dezember 1971 VI R 150/70, BFHE 104, 223, BStBl II 1972, 254 und die dort angeführten Entscheidungen), durch das Ablegen der Steuerberaterprüfung schon deswegen nicht eröffnet, weil die Klägerin bereits vor ihrer Tätigkeit in dem Steuerberatungsunternehmen über einen berufsqualifizierenden Hochschulabschluß verfügte.

c) Die Vorentscheidung ist von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen. Sie ist daher aufzuheben. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, da sie nicht spruchreif ist. Das FG hat - von seinem Standpunkt aus zu Recht - noch keine Feststellungen darüber getroffen, ob das Arbeitszimmer der Klägerin - was das FA bestritten hat - ausschließlich oder nahezu ausschließlich für berufliche Zwecke, insbesondere für die hier in Rede stehenden Fortbildungszwecke, benutzt worden ist. Entsprechende Feststellungen wird das FG nachzuholen haben. Ggf. wird das FG auch die Höhe der für das Arbeitszimmer und dessen Einrichtung geltend gemachten Kosten untersuchen müssen.

Ebenso wird das FG die Höhe der übrigen geltend gemachten Forbildungskosten (998 DM) zu überprüfen haben, sofern diese vom FA bestritten werden sollten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417106

BFH/NV 1990, 704

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