Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindung des BFH an Tatsachenwürdigungen des FG; Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr; Vermögensverwaltung bei Vermietung eines Wohnheims
Leitsatz (NV)
1. Zur Frage, ob bei der Beurteilung der Tatbestandsmerkmale des Gewerbebetriebs ,,Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr" und ,,Überschreiten der Vermögensverwaltung" eine den BFH bindende Tatsachenwürdigung oder eine im Revisionsverfahren überprüfbare Rechtswürdigung vorliegt.
2. Eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ist auch anzunehmen, wenn ein StPfl. ein Wohnheim mit 111 Apartments an nur einen Mieter vermietet und infolge der Vermietung auch mit Dritten in Geschäftsverbindung tritt.
3. Zur Frage, wann bei der Vermietung eines Wohnheims die Grenze zwischen Vermögensverwaltung und Gewerbebetrieb überschritten ist.
Normenkette
FGO § 118 Abs. 2; EStG § 15 (Abs. 1) Nr. 2, § 15 Nr. 2; GewStG § 2 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb im Juni 1972 das Grundstück X zu einem in vollem Umfang fremdfinanzierten Kaufpreis von 7 750 000 DM. Das Grundstück ist mit einem Vorder- und Hintergebäude bebaut; Tiefgarage und Abstellplätze sind vorhanden. Der Kläger vermietete das Haus X ab Juni 1972 mit 111 voll eingerichteten Apartments, möbliert mit 333 Betten und allem Zubehör, auf die Dauer von 10 Jahren an A. Aufgrund des § 2 des Vertrags war der Kläger verpflichtet, die Wohneinheiten sauberzuhalten (zweimaliges Putzen in der Woche, tägliches Kehren und Staubwischen, wöchentlich zweimaliges Reinigen der Böden in Küche und Bad), die Bettwäsche je Bett einmal pro Monat zu wechseln und das Wohnheim durch einen Hausmeister zu verwalten. Den Benutzern standen vertragsgemäß ein etwa 125 qm großer Aufenthaltsraum mit Fernsehapparat sowie ein Krankenzimmer zur Verfügung. Der Mietzins betrug monatlich pro Bettplatz 230 DM zuzüglich Mehrwertsteuer; damit waren sämtliche Kosten (wie etwa für Zentralheizung, Wasser, Strom und Reinigung) abgegolten.
Der Kläger erklärte seine Einkünfte aus der Überlassung des Wohnheims als solche aus Vermietung und Verpachtung. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah darin nach einer Betriebsprüfung eine gewerbliche Tätigkeit; er erließ demnach für das Streitjahr 1972 einen Gewerbesteuermeßbescheid, mit dem der Gewerbeertrag für dieses Jahr auf 5 535 DM festgesetzt wurde. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, der Kläger habe sich nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt, da er das Objekt nur einem Mieter für die Dauer von 10 Jahren angeboten habe. Unabhängig davon sei die Vermietungstätigkeit als Vermögensverwaltung zu beurteilen; die Nebenleistungen des Klägers seien unbedeutend gewesen und hätten seiner Tätigkeit nicht das Gepräge eines Gewerbebetriebs gegeben.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Er macht u. a. geltend, daß die Vorentscheidung auf Tatsachenwürdigungen beruhe, an die der Bundesfinanzhof (BFH) nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Das FG hat zu Unrecht in der Vermietung des Wohnheims keine gewerbliche Tätigkeit des Klägers i. S. des § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i. V. m. § 15 (Abs. 1) Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gesehen. Ein Gewerbebetrieb liegt vor, wenn eine selbständige, nachhaltige, mit Gewinnerzielungsabsicht unternommene und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellende Betätigung ausgeübt wird; Voraussetzung ist ferner, daß diese Tätigkeit nicht als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb i. S. des § 13 EStG oder als selbständige Arbeit i. S. des § 18 EStG zu werten ist, und daß sie nicht den Rahmen einer nichtgewerblichen Vermögensverwaltung überschreitet (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 25. Februar 1982 IV R 25/78, BFHE 135, 316, BStBl II 1982, 461).
Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall die Vermietung des Wohnheims durch den Kläger als eine gewerbliche Tätigkeit anzusehen. Das FG ist zu dem Ergebnis gekommen, daß sich der Kläger durch die Vermietung an einen Mieter auf die Dauer von 10 Jahren nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt habe und daß durch die Vermietung die Grenzen der Vermögensverwaltung nicht überschritten worden seien; die diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen des FG tragen jedoch seine rechtliche Würdigung nicht. Der BFH ist zwar nach § 118 Abs. 2 FGO an die Tatsachenfeststellungen und Tatsachenwürdigungen des FG gebunden. Anders ist es aber, wenn es um Würdigungen rechtlicher Art geht. Eine Bindung besteht danach nicht, soweit zu entscheiden ist, ob die festgestellten Tatsachen rechtfertigen, das Vorliegen eines für die Besteuerung erheblichen Tatbestandsmerkmals zu bejahen. Deshalb kann der Senat, ohne durch die Vorschrift des § 118 Abs. 2 FGO daran gehindert zu sein, darüber entscheiden, ob nach den vom FG festgestellten Tatsachen der Kläger sich mit der Vermietung des Wohnheims am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt und ob er mit seiner Tätigkeit die Grenzen der Vermögensverwaltung überschritten hat. Auch soweit das FG angenommen hat, daß die vom Kläger neben der Vermietung erbrachten Leistungen so geringfügig gewesen sind, daß sie seiner Tätigkeit nicht das Gepräge eines Gewerbebetriebs gegeben haben, handelt es sich um eine Gewichtung von Elementen eines Begriffsmerkmals (Nichtüberschreitung der Vermögensverwaltung), die eine Rechtswürdigung darstellt. Der Senat ist weiterhin der Auffassung, daß die vom FG getroffenen Feststellungen, an die er gebunden ist, ausreichen, um den Streitfall abschließend zu entscheiden.
Der Kläger hat sich durch die Vermietung selbständig, nachhaltig und in Gewinnerzielungsabsicht betätigt. In der Überlassung des Wohnheims an die A ist auch eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr zu sehen. Eine solche ist anzunehmen, wenn eine Tätigkeit am Markt gegen Entgelt und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 10. August 1983 I R 120/80, BFHE 139, 386, BStBl II 1984, 137; vom 3. November 1982 I R 39/80, BFHE 137, 183, BStBl II 1983, 182). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Dem steht nicht entgegen, daß die Vermietungsleistungen nur einem einzigen Abnehmer angeboten worden sind (BFH-Urteil vom 11. Juli 1984 I R 182/79, BFHE 141, 282, BStBl II 1984, 722). Auch die Tatsache, daß der Mietvertrag mit A auf eine lange Dauer - nämlich auf 10 Jahre - abgeschlossen worden ist, ändert an diesem Ergebnis nichts. Für die Entscheidung ist wesentlich, daß gegenüber der Allgemeinheit die Tätigkeit des Klägers dadurch in Erscheinung getreten ist, daß sie Dritten gegenüber insbesondere durch die Besorgung des Bankkredits zur Finanzierung des gesamten Kaufpreises, durch das Überlassen der 111 Apartments an viele Bewohner sowie durch die Beschaffung, Wiederbeschaffung und Reparatur des Mobiliars oder des sonstigen Zubehörs sichtbar geworden ist. Ein solches Tätigwerden reicht zur Annahme einer Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr aus (BFH-Urteil vom 9. Juli 1986 I R 85/83, BFHE 147, 245, BStBl II 1986, 851).
Die Vermietungstätigkeit des Klägers überschreitet auch die Grenzen der Vermögensverwaltung; er erzielte deshalb aus ihr keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Vermietung unbeweglichen Vermögens ist zwar im allgemeinen eine nichtgewerbliche Vermögensverwaltung. Liegen aber besondere Umstände vor, die der Betätigung des Vermieters als Ganzes gesehen das Gepräge einer selbständigen, nachhaltigen und vom Gewinnstreben getragenen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr verleihen, tritt die Nutzung des Vermögens zurück (BFH-Urteil vom 21. Dezember 1976 VIII R 27/72, BFHE 121, 60, BStBl II 1977, 244). Solche besonderen Umstände sind insbesondere anzunehmen, wenn wegen bestimmter ins Gewicht fallender, bei der Vermietung von Räumen nicht üblicher Sonderleistungen des Vermieters oder wegen eines besonders schnellen, sich aus der Natur der Vermietung ergebenden Wechsels der Mieter oder Benutzer der Räume eine Unternehmensorganisation erforderlich ist (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juni 1984 IV R 150/82, BFHE 141, 330, BStBl II 1985, 211).
Entgegen der Auffassung des FG hat der Kläger im Streitfall Sonderleistungen in diesem Sinne erbracht, die in ihrer Gesamtheit erheblich über das bei der Vermietung von Räumen - insbesondere auch bei der Vermietung eines oder weniger möblierter Zimmer - übliche Maß hinausgehen. Als Sonderleistungen dieser Art sind im Streitfall anzusehen: Die Ausstattung der Räume in der mit dem Mieter vereinbarten Weise (Möblierung der 111 Apartments mit 333 Betten und Zubehör), Sauberhalten der Wohnungen in dem vom FG festgestellten Umfang, Überlassen und monatliches Wechseln der Bettwäsche, Zurverfügungstellung eines 125 qm großen Aufenthaltsraums mit Fernsehapparat und eines Krankenzimmers sowie die Bestellung eines Hausmeisters. Diese Leistungen des Klägers ergeben insbesondere im Hinblick auf den Umfang des vermieteten Objekts in der Summe, daß er nicht nur zur bloßen Gebrauchsüberlassung von Räumen, sondern zur Bereitstellung einer Organisation, die die Einstellung und Beschäftigung von Personal erforderlich machte, gezwungen war, womit er nicht mehr wie ein Zimmervermieter vermögensverwaltend, sondern als Betreiber eines Wohnheims gewerblich tätig war. Entgegen der Auffassung des Klägers spielt es für die Annahme der Gewerblichkeit seiner Tätigkeit auch keine Rolle, daß der Hausmeister nicht aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Parteien des Mietvertrages, sondern aufgrund von Maßnahmen der zuständigen Gemeindebehörde eingestellt worden ist; wesentlich für die Beurteilung der Gewerblichkeit der Tätigkeit des Klägers ist es allein, daß die Beschäftigung eines Hausmeisters mit Rücksicht auf die Größe des Wohnheims geboten war.
Da bereits aus diesen Gründen die Vermietungstätigkeit als Gewerbebetrieb anzusehen war, brauchte der Senat auf die Frage, ob die Voraussetzungen für die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit auch deshalb vorlagen, weil der Kläger den Erwerb des Wohnhauses völlig fremdfinanziert hatte, nicht einzugehen.
Fundstellen