Leitsatz (amtlich)

1. Das berechtigte Interesse an der baldigen Feststellung im Sinne des § 41 Abs. 1 FGO besteht bei einer Feststellungsklage, mit der künftigen nachteiligen Verwaltungsakten vorgebeugt werden soll, nur, wenn der Kläger besondere Gründe hat, die es rechtfertigen, die Verwaltungsakte nicht abzuwarten.

2. Ist zwischen einer Vereinigung der Lohnsteuerzahler und der für ihre Angelegenheiten federführenden Finanzbehörde eine rechtliche Auseinandersetzung über die Art und Weise der den Mitgliedern zu erbringenden Hilfe in Lohnsteuersachen entbrannt, können Gründe gegeben sein, die die Vereinigung berechtigen, künftige Untersagungsverfügungen der Finanzbehörden nicht abzuwarten, sondern schon vorher im Wege der Feststellungsklage das streitige Rechtsverhältnis klären zu lassen.

2. Eine Vereinigung der Lohnsteuerzahler darf ihre satzungsmäßige Aufgabe der Hilfe in Lohnsteuersachen an ihre Mitglieder durch Obleute erfüllen, die dem Verein, aber nicht seinem Vorstand angehören. Die Vereinigung darf mit den Obleuten über die Art und Weise der den Mitgliedern zu erbringenden Hilfe in Lohnsteuersachen besondere Vereinbarungen treffen, die nicht notwendig Anstellungsverträge sein müssen.

 

Normenkette

FGO § 41; AO § 107a Abs. 3 Nr. 4b

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), ein eingetragener Verein, ist eine Personenvereinigung, deren satzungsmäßige Aufgabe darin besteht, ihren Mitgliedern Hilfe in Lohnsteuersachen zu leisten (§ 107a Abs. 3 Nr. 4b AO). Zu diesem Zweck hat sie eine Vielzahl von Betreuungsstellen eingerichtet, die über mehrere Bundesländer verteilt sind. Dort werden die Vereinsmitglieder von Obleuten nebenberuflich beraten. Mit den Obleuten, von denen unmittelbar vor Beginn dieses Rechtsstreits einzelne Steuerbevollmächtigte, im übrigen Vereinsmitglieder aber auch Nichtmitglieder waren, hatte die Klägerin Betreuungsstellenverträge geschlossen, auf die grundsätzlich die Vorschriften der §§ 631 f. BGB über den Werkvertrag Anwendung finden sollten. Der Obmann war verpflichtet, ein Hinweisschild auf die Betreuungsstelle der Klägerin anzubringen, die vereinbarten Sprechstunden einzuhalten, die um Beratung nachsuchenden Personen als Vereinsmitglieder aufzunehmen, die Beiträge zu vereinnahmen, die Mitglieder der Klägerin zu betreuen, in gewissem Umfang Mitgliederwerbung zu betreiben, monatlich abzurechnen und im Verkehr mit den Mitgliedern keine sonstigen außerhalb des Vereins liegenden Interessen zu verfolgen. Der Obmann hatte sich an die Arbeitsrichtlinien der Klägerin zu halten. Als Vergütung erhielt er 5 DM für die Neuaufnahme eines Mitglieds, jährlich 3 DM je Mitglied als Bürokostenzuschuß und 50 v. H. des jeweiligen jährlichen Mitgliedsbeitrags. Der Vertrag war auf unbestimmte Zeit geschlossen und konnte von jeder Seite innerhalb einer Frist von drei Monaten oder aus wichtigem Grund gekündigt werden.

Anlaß für den vorliegenden Rechtsstreit war, daß das FA W. einem Obmann der Klägerin gegenüber Einwendungen in der Richtung erhoben hatte, die Klägerin dürfe nicht selbständig tätige Mitarbeiter beschäftigen. Lediglich gegen ein Tätigwerden im Angestelltenverhältnis sei nichts einzuwenden. Auf ausdrückliche Anfrage der Klägerin bestätigte der Vorsteher dieses FA seinen Standpunkt und führte weiterhin aus, nach Auffassung der OFD X sei durch § 107a Abs. 3 Nr. 4b AO die Hilfeleistung in Lohnsteuersachen nicht durch solche Obleute gedeckt, die aufgrund eines Werkvertrages selbständig tätig würden. Die OFD Y - die Revisionsklägerin und Beklagte - teile diese Auffassung und habe das für die Klägerin zuständige FA N. angewiesen festzustellen, ob auch dort Obleute im Rahmen von Werkverträgen tätig seien.

Die Klägerin erhob daraufhin gegen die OFD Y Klage mit dem zuletzt gestellten Antrag, festzustellen, daß die Klägerin durch Obleute, die nicht den steuerberatenden Berufen angehören, aber Mitglieder der Klägerin sind, und nach dem vorgelegten Betreuungsstellenvertrag arbeiten, zulässige Hilfe in Steuersachen leistet. Die OFD hielt auch gegenüber der Klage ihren Standpunkt aufrecht, daß sie die Lohnsteuerberatung der Mitglieder durch Obleute, die nicht gesetzliche Vertreter oder Angestelltc der Klägerin seien, für unerlaubt halte.

Das FG gab der Feststellungsklage statt. Es hielt ein Feststellungsinteresse deshalb für gegeben, weil die Klägerin eine Weisung der OFD an das zuständige FA gewärtigen müsse, ihr den Geschäftsbetrieb in der bisherigen Form zu untersagen. Sie könne ihr berechtigtes Verlangen, ob und wie sie Mitglieder für ihre Vereinsaufgabe beschäftigen dürfe, nicht durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen, weil die OFD nicht unmittelbar durch Verwaltungsakt in ihre Tätigkeit eingegriffen habe.

Das FG hielt die Feststellungsklage auch für begründet. Zwar seien die Obleute der Klägerin aufgrund des Betreuungsstellenvertrags nicht Angestellte der Klägerin, sondern selbständig. Sie bedürften an sich einer Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen. Die dem Verein gesetzlich erteilte Erlaubnis gelte aber für alle seine Mitglieder. Die Auffassung der OFD, ein Verein könne nur durch seine Organe tätig werden, treffe nur das Außenverhältnis. Ein Verein verfolge seine Zwecke nicht allein durch den Vorstand, sondern ebenso durch alle seine Mitglieder. Bei der steuerlichen Beratung der Mitglieder durch Mitglieder handle es sich nicht um eine Beratung des Vereins gegenüber Dritten, sondern um die Erfüllung des Vereinszwecks unter den Mitgliedern. Die Ausnahmevorschrift des § 107a Abs. 3 Nr. 4b AO sei ausdrücklich deswegen eingeführt worden, weil die Arbeitnehmer die wünschenswerte Hilfe in Lohnsteuersachen bei Angehörigen steuerberatender Berufe nicht gefunden hätten. Der Gesetzgeber habe durch § 107a Abs. 3 Nr. 4 AO die Grundsätze der Absätze 1 und 2 dieser Bestimmung, wonach die geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen nur sachkundigen Personen erlaubt sei, durchbrochen. Er habe neben den Vereinen der Lohnsteuerzahler auch allen Arbeitgebern die Hilfeleistung in Lohnsteuersachen für ihre Arbeitnehmer erlaubt. Der Gesetzgeber müsse sich also klar darüber gewesen sein, daß er dieses Teilgebiet steuerlicher Beratung einer großen Zahl von Personen freigebe, deren Sachkunde nicht geprüft worden sei. Wenn diese Vereine ihre Mitglieder nur durch den Vorstand oder eigene Angestellte beraten dürften, wären sie praktisch auf enge örtliche Bereiche und damit auf kleine Mitgliederzahlen beschränkt. Einen Schaden für das Steueraufkommen und damit für die Allgemeinheit habe der Gesetzgeber nicht zu befürchten brauchen, weil unsachgemäße Hilfe in Lohnsteuersachen praktisch allenfalls dazu führen könne, daß der Arbeitnehmer zu wenig Lohnsteuer erstattet bekomme. Schließlich sei die Finanzverwaltung nach § 107a Abs. 5 AO berechtigt, unsachgemäße Lohnsteuerhilfe zu untersagen. Diese Bestimmung zeige, daß der Gesetzgeber die steuerlichen Berater in diesem Bereich ausnahmsweise nicht bei der Zulassung auf ihre Sachkunde prüfen, sondern unfähige Berater erst nachträglich ausschalten wolle.

Hiergegen wendet sich die OFD mit der Revision. Sie hält die Feststellungsklage schon deshalb für unzulässig, weil verwaltungsinternes Handeln nicht Gegenstand gerichtlicher Nachprüfung sein dürfe, zumal es an einer unmittelbar bevorstehenden und von ihr ausgehenden behördlichen Maßnahme fehle. Die Klägerin verlange gewissermaßen auf dem Umweg über eine Feststellungsklage eine verbindliche Auskunft darüber, wie sie sich verhalten solle. Auch sachlich sei die Klage nicht begründet. Aus § 107a Abs. 2 Nr. 10 AO müsse geschlossen werden, daß auch Selbsthilfevereinigungen der Lohnsteuerzahler ihren Mitgliedern gegenüber Hilfe in Lohnsteuersachen nur durch eigene Angestellte erbringen könnten.

Die OFD beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage als unzulässig, hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat zu Recht die Zulässigkeit des Finanzrechtsweges bejaht. Im vorliegenden Fall geht es um die Art und Weise der Hilfe in Steuersachen hinsichtlich einer bestimmten Steuerart. Die materiell-rechtliche Regelung ergibt sich aus § 107a AO. Für Streitigkeiten über die Zulässigkeit der Hilfe in Steuersachen ist in § 33 Abs. 1 Nr. 3 FGO der Finanzrechtsweg eröffnet, soweit nicht - was hier nicht der Fall ist - ein anderer Rechtsweg ausdrücklich gegeben ist.

Das FG hat auch zu Recht der von der Klägerin erhobenen Feststellungsklage stattgegeben.

Eine Feststellungsklage kann auch im finanzgerichtlichen Verfahren erhoben werden (§ 41 FGO). Mit ihr kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Diese Klage ist allerdings unzulässig, soweit der Kläger die begehrten Feststellungen im Rahmen einer Anfechtungs- oder Leistungsklage verfolgen kann (§ 41 Abs. 2 FGO). Die Regelung der FGO entspricht in vollem Umfang derjenigen der VwGO (§ 43).

Gegenstand der Feststellungsklage der Klägerin ist das Bestehen eines Rechtsverhältnisses. Unter "Rechtsverhältnis" ist eine bestimmte, konkrete, durch den vorgetragenen Sachverhalt gegebene, rechtlich geregelte Beziehung von Personen untereinander oder von Personen zu einem Gegenstand zu verstehen. Es kann auch der Inhalt eines solchen Rechtsverhältnisses Gegenstand der Feststellungsklage sein. Weiterhin braucht sich die begehrte Feststellung nicht auf das Rechtsverhältnis als Ganzes zu beziehen, sondern kann sich auf einzelne Berechtigungen oder Verpflichtungen beschränken, die aus einem umfassenden Rechtsverhältnis erwachsen (vgl. zu Vorstehendem Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 41 Rdnr. 11 bis 15 mit weiteren Literaturangaben). Im vorliegenden Fall geht es darum, ob die Klägerin in einer bestimmten Art und Weise von der ihr in § 107a Abs. 3 Nr. 4b AO eingeräumten Befugnis, ihren Mitgliedern Hilfe in Lohnsteuersachen zu leisten, Gebrauch machen kann. Stellt sich nämlich heraus, daß die Hilfe in Lohnsteuersachen durch Obleute, die zwar Vereinsmitglieder, aber nicht zugleich auch Angestellte der Klägerin sind, unzulässig ist, könnten die zuständigen FÄ der Klägerin oder ihren Obleuten eine Tätigkeit insoweit untersagen (§ 107a Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 AO). Möglicherweise könnte die oberste Landesfinanzbehörde nach § 107a Abs. 5 AO eingreifen, wenn ihr dadurch eine sachgemäße Tätigkeit nicht gewährleistet erscheint, oder die Obleute der Klägerin könnten von den Finanzbehörden als Bevollmächtigte oder Beistände zurückgewiesen werden mit der Folge, daß das von ihnen Vorgebrachte ohne steuerrechtliche Wirkung ist (§ 107 Abs. 2 und 6 AO). Die FÄ können die Befolgung ihrer Anordnungen nach § 202 AO durch Erzwingungsgelder durchsetzen und entgegen der Vorschrift des § 107a AO geleistete geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 10 000 DM ahnden (§ 409 AO).

Durch die Bestellung der Obleute als Leiter der Betreuungsstellen hat die Klägerin somit einen in seinen tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen übersehbaren Sachverhalt geschaffen, auf den bestimmte Rechtsnormen angewendet werden können und über den zwischen ihr und der beklagten OFD eine rechtliche Auseinandersetzung entbrannt ist; denn die OFD hat in Verlautbarungen gegenüber anderen Finanzbehörden und in ihrer Klagebeantwortung gegenüber der Klägerin unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß sie eine Hilfe in Lohnsteuersachen durch die Obleute, selbst wenn diese Vereinsmitglieder sind, für unerlaubt hält. Unter diesen Umständen kann daher nicht gesagt werden, daß sich die Rechtsbeziehungen oder das Rechtsverhältnis erst in der Zukunft verwirklichen werden. Es ist vielmehr in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerwG davon auszugehen, daß sich die Beziehungen zwischen der Klägerin und der Finanzverwaltung schon jetzt zu einem Rechtsverhältnis verdichtet haben (BVerwG-Urteil vom 30. März 1966 V C 114.65, DÖV 1966, 725 und die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

Es ist zwar fraglich, ob dieses Rechtsverhältnis gegenüber der beklagten OFD und nicht in erster Linie gegenüber den für die Klägerin und ihre Obleute zuständigen FÄ besteht. Es wird aber von der Rechtsprechung und Literatur anerkannt, daß das Feststellungsbegehren auch gegenüber Dritten, die an dem Rechtsverhältnis nicht beteiligt sind, geltend gemacht werden kann (BVerwG-Beschluß vom 11. Mai 1966 V C 37.65, DB 1966, 1615; Urteil des BGH vom 21. Dezember 1960 IV ZR 128/60, BGHZ 34, 159 [165]; Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 5. Aufl., § 43 Rdnr. 7; Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2.-5. Aufl., § 41 FGO, Rdnr. 2). Die Klage ist im Falle der positiven Feststellungsklage gegen die Stelle zu richten, die das behauptete Rechtsverhältnis überhaupt oder seinen Inhalt bestreitet, im Falle der negativen Feststellungsklage gegen die Stelle, die ein öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis behauptet. Voraussetzung ist aber, daß gerade dieser Stelle gegenüber ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens des Rechtsverhältnisses vorhanden ist.

Ein derartiges Feststellungsinteresse der Klägerin ist zu bejahen. Die Klägerin sieht sich durch die Haltung der vornehmlich gerade für ihre Angelegenheiten federführenden OFD in ihrer Rechtsstellung mit Recht gefährdet. Es besteht Ungewißheit und Unsicherheit, ob die Klägerin ihre Tätigkeit mit Hilfe der aus ihrem Mitgliederkreis ausgewählten Obleute weiterhin fortsetzen kann. Sie hat Eingriffe der Finanzverwaltungsbehörden zu erwarten, die ihre gesamte Tätigkeit in Frage stellen. Die OFD hatte sich, wie das FG mit Recht hervorhebt, nur bereit erklärt, bis zum 31. Juli 1970 gegen die Klägerin nichts zu unternehmen. Würde die Klägerin einen Eingriff der Verwaltungsbehörden abwarten, steht zu befürchten, daß sie wegen der dann offen zutage tretenden Rechtsunsicherheit eine Vielzahl ihrer Mitglieder verliert, ihre Obleute nicht mehr bereit sind, weiterzuarbeiten, und auch sonst ihre Tätigkeit weitgehend behindert oder in Frage gestellt wird, weil sie - wie die Klägerin in ihrer Revisionsentgegnung zu Recht hervorhebt - mit dem Odium unzulässigen Handelns behaftet ist. Unter diesen Umständen kann einem Staatsbürger - Gleiches gilt für die Klägerin als juristische Person - nicht zugemutet werden, Untersagungs- oder Ordnungsverfügungen gegen sich ergehen zu lassen, um erst im Rechtsbehelfsverfahren gegen diese Verfügungen das streitige Rechtsverhältnis klären zu lassen (OVG Münster, Beschluß vom 30. September 1966 IV B 541/66, DÖV 1967, 99). Der Klägerin sind somit besondere Gründe zuzuerkennen, künftigen nachteiligen Verwaltungsakten vorzubeugen, und sie ist nicht gezwungen, das Ergehen eines ihr ungünstigen Verwaltungsaktes erst abzuwarten (BVerwG-Urteil vom 12. Januar 1967 III C 58.65, DVBl 1968, 650).

Die Auffassung der OFD, bloße Äußerungen im innerdienstlichen Verkehr oder rechtlich unverbindliche Mitteilungen der Verwaltungsbehörden könnten nicht zum Gegenstand eines Rechtsschutzgesuchs in Gestalt einer Feststellungsklage im Sinne des § 41 FGO gemacht werden, übersieht, daß diese Klageart - läßt man die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes hier außer Betracht - geradezu voraussetzt, daß noch kein Verwaltungsakt vorliegt. Ist der Verwaltungsakt ergangen, ist die Feststellungsklage nach § 41 Abs. 2 FGO unzulässig. Das von der OFD angeführte Urteil des BFH vom 26. März 1969 VII R 16/67 (BFHE 95, 426, BStBl II 1969, 470) steht dem nicht entgegen. Dort war vom BFH nicht über eine Feststellungsklage, sondern über eine Anfechtungsklage zu entscheiden, die sich gegen Weisungen des Finanzministers eines Landes an die ihm unterstellten Mittelbehörden richtete. Den in erster Instanz hilfsweise gestellten Antrag, festzustellen, daß der Erlaß des Finanzministers nicht rechtsverbindlich sei, hatte die damalige Klägerin in der Revisionsinstanz nicht mehr gestellt. Für die Anfechtungsklage ist nach § 40 FGO ein schon ergangener Verwaltungsakt die notwendige Voraussetzung. Der BFH hatte sich somit in dem angezogenen Urteilsfall ausschließlich mit der Frage zu beschäftigen, ob die Weisungen einer vorgesetzten Behörde an die ihr unterstellten Finanzbehörden schon anfechtbare Verwaltungsakte darstellen, und er hatte nicht etwa darüber zu befinden, ob wegen eines sich schon abzeichnenden Verwaltungseingriffs eine Feststellungsklage der damaligen Klägerin Erfolg gehabt hätte.

Es kann auch keine Rede davon sein, daß durch die Bejahung eines Feststellungsinteresses in einem Fall wie dem vorliegenden der Rechtsschutz des Bürgers ungebührlich zu Lasten der Verwaltung ausgeweitet würde. Den Interesssen der Finanzverwaltung ist ebenso wie im allgemeinen Verwaltungsrecht dadurch Rechnung getragen, daß bei einer Feststellungsklage der vorliegenden Art besondere Gründe vorhanden sein müssen, um einem künftigen Verwaltungsakt zuvorzukommen. Gerade im Steuerrecht ist dem Bürger in der Regel zuzumuten, den Steuerbescheid abzuwarten und eine streitige Rechtsfrage in dem gegen diesen Bescheid angestrengten Rechtsbehelfsverfahren entscheiden zu lassen. Aus diesen Gründen sind Feststellungsklagen im Steuerprozeß äußerst selten. Bei drohenden oder sich abzeichnenden Eingriffen in eine Berufsausübung oder in die Art und Weise einer Tätigkeit ist für den bedrohten Staatsbürger eine ganz andere Situation gegeben. Er befindet sich jetzt schon in einer Zwangslage, und es muß ihm die Möglichkeit gegeben werden, sich gegen ein bevorstehendes Eingreifen der Verwaltungsbehörden dadurch zu schützen, daß er das streitige Rechtsverhältnis in einer Feststellungsklage klären läßt. Die Vorschriften über die hemmende Wirkung eines Rechtsbehelfs oder über die Aussetzung der Vollziehung bieten nur einen vorläufigen und in vielen Fällen unzureichenden Schutz und können, wie gerade der vorliegende Fall zeigt, in vielen Fällen nicht verhindern, daß dem Staatsbürger erhebliche Nachteile entstehen, wenn er den Verwaltungsakt abwartet.

Die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage war daher zulässig.

Die Feststellungsklage ist auch begründet.

Nach § 107a Abs. 3 Nr. 4b AO ist die Hilfeleistung in Lohnsteuersachen bestimmten Vereinigungen unter den vom Gesetz näher festgelegten Voraussetzungen erlaubt. Die satzungsmäßige Aufgabe der Vereinigung muß ausschließlich auf die Hilfeleistung in Lohnsteuersachen gerichtet sein, ihre Mitglieder müssen ausschließlich Arbeitnehmer sein, und die Hilfe in Lohnsteuersachen darf nur den Mitgliedern geleistet werden. Die Vorschrift mußte in das Gesetz eingefügt werden, weil die Hilfeleistung durch Interessengemeinschaften der Lohnsteuerzahler nach dem BFH-Urteil vom 6. November 1962 VII 97/61 (StRK, Reichsabgabenordnung, § 107 a, Rechtsspruch 40) nicht unter § 107a Abs. 2 Nr. 7 AO - Hilfeleistung in Steuersachen durch Berufsvertretungen im Rahmen ihres Aufgabenbereichs - fällt. § 107a Abs. 3 Nr. 4b AO, der nunmehr die Rechtsgrundlage für die Tätigkeit der Interessengemeinschaften der Lohnsteuerzahler bildet, schweigt darüber, welche Rechtsform diese Personenvereinigungen der Lohnsteuerzahler haben müssen, auf welche Art und Weise die Vereinigungen die Hilfe in Lohnsteuersachen erbringen und insbesondere welche Personen sie damit beauftragen dürfen. Die Befugnisse der Personen, die im Einzelfall die Hilfe in Lohnsteuersachen den Mitgliedern der Vereinigung gegenüber erbringen, richtet sich somit nach allgemeinem Recht, soweit dem nicht Vorschriften des öffentlichen Rechts, hier insbesondere der §§ 107, 107a AO, entgegenstehen.

Es besteht zwischen den Beteiligten kein Streit darüber, daß die durch das Abgabenrecht dem Verein erteilte Befugnis dessen satzungsgemäßer Vertreter, das ist im vorliegenden Fall der Vereinsvorstand der Klägerin, ausüben darf. Der Vorstand führt die Geschäfte und vertritt den Verein gerichtlich und außergerichtlich. Er hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters (§ 26 Abs. 2 BGB). Nun führt das FG zu Recht aus, daß die dem Vereinsvorstand vom Gesetz eingeräumten Befugnisse in erster Linie im Hinblick auf das Außenverhältnis geschaffen worden sind. Fehlt ein Vorstand, ist der Verein nach außen hin handlungsunfähig. Die vereinsmäßig und damit auf Dauer zusammengeschlossenen Personen wollen aber nicht ausschließlich nach außen wirken. Der Verein verfolgt ebenso wie eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts bestimmte Zwecke. In vielen Vereinen wird vornehmlich die Förderung der Vereinsmitglieder erstrebt. Im Streitfall liegt ein solcher ausschließlich auf die Förderung der Mitglieder gerichteter Zweck vor, nämlich die nur den Mitgliedern zu leistende Hilfe in Lohnsteuersachen. Zur Erfüllung dieses Vereinszwecks haben demgemäß die Mitglieder beizutragen. Vom Vereinszweck her gesehen und damit rein vereinsrechtlich betrachtet, muß es in Übereinstimmung mit der Vorinstanz als zulässig angesehen werden, wenn bestimmte als Obleute eingesetzte Vereinsmitglieder den anderen Mitgliedern die ihnen vereinsmäßig zukommende Förderung angedeihen lassen, die hier in der Hilfe in Lohnsteuersachen besteht. Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin mit den Obleuten einen besonderen Vertrag, den der erkennende Senat ebenfalls nicht für einen Anstellungsvertrag, sondern eher für einen Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne des § 675 BGB hält, geschlossen hat. Es muß als zulässig angesehen werden, daß einzelne Mitglieder dem Verein gegenüber durch besonderes Rechtsgeschäft gewisse im Rahmen des Vereinszwecks liegende Sonderpflichten übernehmen (Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 10. Aufl., § 35, Anm. 3). Daß für die Übernahme dieser Sonderpflichten ein besonderes Entgelt vereinbart wird, widerspricht ebenfalls nicht dem Vereinsrecht.

Die Vorinstanz hat die Kernfrage richtig gesehen, daß das Handeln der Obleute der Klägerin außerdem einen abgabenrechtlichen Bezug hat. Die einer Vielzahl von Personen gewährte Hilfe in Lohnsteuersachen gehört nach § 107a AO zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen. Diese ist nach dem ausführlichen Katalog des Abs. 1 und Abs. 2 dieser Vorschrift nur ganz bestimmten Personen, Vereinigungen, Behörden und gewissen anderen Stellen erlaubt. In der Regel ist die geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen nur solchen Personen gestattet, die ihre Sachkunde nachgewiesen haben (z. B. Steuerberater und Steuerbevollmächtigte) oder bei denen sie aufgrund des ausgeübten Berufs vorausgesetzt wird (z. B. Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer). Die Befugnis gilt ferner für Angestellte, die Steuerangelegenheiten ihres Dienstherrn erledigen oder im Dienste von Personen, Vereinigungen oder Stellen stehen, die befugt sind, geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen zu leisten. Angestellte unterliegen dem Direktionsrecht ihres Arbeitgebers. Es ist daher in etwa sichergestellt, daß sie die ihnen übertragenen Steuerangelegenheiten fachgerecht bearbeiten. Das ist letzten Endes der Grund, warum die OFD ein Tätigwerden der Obleute der Klägerin nur dann als mit dem Gesetz vereinbar ansieht, wenn mit diesen ein Anstellungsvertrag geschlossen worden ist.

Das FG hat nun zu Recht darauf hingewiesen, daß - was gerade die Hilfe in Lohnsteuersachen durch Arbeitgeber für ihre Arbeitnehmer und durch Interessengemeinschaften der Lohnsteuerzahler für ihre Mitglieder betrifft - die Vorschriften des § 107a Abs. 3 Nr. 4a und b AO sich nicht ohne weiteres mit den aus Abs. 1 und 2 dieser Vorschrift hervorgehenden Grundsätzen vereinbaren lassen. Der Gesetzgeber war sich darüber klar, daß gerade die Lohnsteuerzahler nicht die wünschenswerte Hilfe bei einer fachkundigen Beraterschaft finden. Er hielt es für zweckmäßig, diesem Mißstand dadurch abzuhelfen, daß er Arbeitgebern oder Selbsthilfeorganisationen der Lohnsteuerzahler die Befugnis zu einer genau abgegrenzten steuerlichen Hilfeleistung einräumte. Er hat hierbei auf den Nachweis einer Fachkunde verzichtet und den Verwaltungsbehörden lediglich die Befugnis erteilt, die Hilfe in Lohnsteuersachen zu untersagen, wenn eine sachgemäße Tätigkeit nicht gewährleistet ist (§ 107a Abs. 4 und 5 AO). Diese Umstände geben eine Erklärung dafür, daß der Gesetzgeber die zulässige Hilfe in Lohnsteuersachen nicht in den ausführlichen Katalog des § 107a Abs. 2 AO, der im einzelnen aufzählt, wer außer den Steuerberatern, Steuerberatungsgesellschaften und Steuerbevollmächtigten zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, aufgenommen hat, sondern als Ausnahme von dem in Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift ausgesprochenen grundsätzlichen Verbot der geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen ausgestaltet hat. Für Ausnahmevorschriften gilt aber der Grundsatz, daß eine Auslegung über ihren reinen Wortlaut hinaus äußerstenfalls dann angebracht ist, wenn gewichtige Gründe dafür vorliegen. Da das Gesetz, wie schon erwähnt, darüber schweigt, wie eine Lohnsteuervereinigung ihren satzungsmäßigen Zweck, den Mitgliedern Hilfe in Lohnsteuersachen zu leisten, erfüllen darf, bleibt die nähere Ausgestaltung diesen Vereinigungen weitgehend selbst überlassen. Allerdings ist es ihnen nicht erlaubt, mit der Hilfe in Lohnsteuersachen dritte Personen, die nicht Mitglieder sind und nicht die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen nach § 107a Abs. 1 und 2 AO besitzen, selbständig damit zu betrauen. Es muß diesen Vereinigungen aber unbenommen bleiben, einzelne geeignete Mitglieder für die den anderen Mitgliedern zu erbringende Hilfe zu bestimmen. Die Sachlage ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz zwar nicht so zu betrachten, daß die dem Verein eingeräumte Erlaubnis der Lohnsteuerhilfe zugleich auch für alle oder einzelne Mitglieder der Vereinigung gilt. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist ausschließlich die Vereinigung zur Hilfe in Lohnsteuersachen befugt. Es kann daher ausschließlich die Mitgliedschaft die Befähigung vermitteln, im Rahmen des Vereinszwecks für die anderen Mitglieder auf diesem Gebiet tätig zu werden. Berät daher ein aus dem Mitgliederkreis ausgewählter Obmann andere Vereinsmitglieder, erbringt er eine satzungsmäßige Leistung des Vereins. Ist ein Auftreten vor den Finanzbehörden erforderlich, können und dürfen die Obleute ebenfalls nur für die Vereinigung auftreten. Gegebenenfalls haben sie die Mitgliedschaft und ihre Bevollmächtigung seitens der Vereinigung in geeigneter Weise nachzuweisen.

Eine Hilfe in Lohnsteuersachen durch Obleute, die selbst Vereinsmitglieder sind, entspricht nach Auffassung des Senats dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Zu Recht weist nämlich die Klägerin darauf hin, daß sich die Lohnsteuerberatung auf den Lohnsteuer-Jahresausgleich konzentriert. Die hierfür erforderlichen Anträge müssen innerhalb der ersten Monate des Jahres gestellt sein. Die Vereinigungen können sich daher die Beschäftigung einer großen Zahl hauptberuflich tätiger und fest angestellter Mitarbeiter kaum leisten. Andernfalls müßten die Vereinigungen der Lohnsteuerzahler ihre Mitgliedsbeiträge in einer Weise erhöhen, daß die meisten Lohnsteuerzahler davon Abstand nehmen würden, einer solchen Vereinigung beizutreten. Der Gesetzeszweck würde auf diese Art und Weise geradezu vereitelt.

Da nach alledem der Entscheidung der Vorinstanz im Ergebnis beizutreten ist, war die Revision mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70443

BStBl II 1973, 536

BFHE 1973, 4

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