Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung des Begriffs der stillen Gesellschaft im Sinne des § 8 Ziff. 3 GewStG.

 

Normenkette

GewStG § 8 Ziff. 3

 

Tatbestand

Die im Handelsregister eingetragene Firma des 1956 ledig im Alter von 76 Jahren verstorbenen Bf. umfaßte den Einzelhandel mit Textilwaren und Lebensmitteln sowie den Großhandel mit Lebensmitteln. Seine Neffen A. und B. wuchsen im Hause des Bf. auf; sie wurden von ihm adoptiert und beerbten ihn nach seinem Tode je zur Hälfte, wobei A. das Großhandelsgeschäft und B. das Einzelhandelsgeschäft übernahm. Die beiden Neffen haben im Betrieb des Bf. mitgearbeitet und zunächst nur ein Taschengeld und freien Lebensunterhalt im Hause des Bf. erhalten.

In einem vom 2. März 1951 datierten, vom Bf. unterzeichneten Schriftstück ist unter anderem folgendes niedergelegt:

"Da meine Neffen in der Zwischenzeit die nötigen Erfahrungen für die selbständige Führung des Geschäfts gesammelt haben, will ich sie, unter vorläufiger Weiterzahlung der bisherigen Vorwegentschädigungen, mit Wirkung vom 1. 1. d. Js. in der Weise entschädigen, daß ihre Gehaltsbezüge auf insgesamt je 1/2 des Geschäftsgewinns bemessen werden ..."

Der Bf. hat bei der Gewinnermittlung die an die Neffen gezahlten Vorwegentschädigungen und Gewinnanteile als Betriebsausgaben (Löhne und Gehälter) behandelt. Die Gewinnbeteiligung, die nicht ausgezahlt wurde, hat er auf besonderen Konten der Neffen gebucht.

Anläßlich einer Betriebsprüfung hat der Prüfer die Drittelanteile der Neffen zur Feststellung des Gewerbeertrags unter Hinweis auf § 8 Ziff. 3 GewStG dem Gewinn des Bf. hinzugesetzt. Das Finanzamt ist dem Prüfervorschlag gefolgt. Es hat für 1952 und 1953 entsprechende Berichtigungsbescheide und für 1954 einen erstmaligen Bescheid erlassen.

Die Sprungberufung, mit der sich der Bf. gegen die Hinzurechnung der Gewinnanteile der Neffen zum gewerblichen Gewinn gewandt hat, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung, insbesondere das Urteil des Bundesfinanzhofs I 139/54 S vom 22. November 1955 (BStBl 1956 III S. 4, Slg. Bd. 62 S. 9) eine stille Beteiligung der Neffen im Sinne des § 8 Ziff. 3 GewStG für gegeben erachtet. Die Gewinnbeteiligung der Neffen mit je 1/3 sei im Sinne der Rechtsprechung als erheblich anzusehen. Sie seien auch leitende Angestellte gewesen. Die Gewinnanteile seien den Neffen rechtlich und wirtschaftlich zugewachsen und hätten ihr Vermögen erhöht. Im Falle einer Auseinandersetzung hätten ihnen erhebliche Ansprüche gegen den Bf. zugestanden. Diese Tatsache spreche im übrigen auch deutlich gegen die Annahme einer nur vorläufigen Regelung, denn dem Bf. könne kaum unterstellt werden, daß er die Möglichkeit eines Ausscheidens seiner Neffen aus dem Betrieb, die eine Auszahlung der gutgeschriebenen Beträge mit sich gebracht hätte, ernstlich in Erwägung gezogen habe. Auch der Ablauf der Ereignisse zeige, daß die Bindung der Neffen an den Betrieb keine vorübergehende, sondern eine dauernde habe sein sollen. Nach dem Zustandekommen der Regelung vom 2. März 1951, nach der Adoption durch den Bf. und nach der übernahme aller wichtigen Funktionen im Betrieb hätten die Neffen auch damit rechnen müssen, den Betrieb nach dem Tode des Bf. zu übernehmen, zumal dieser niemanden sonst eingearbeitet gehabt habe. Nicht durchschlagen könne der Hinweis des Bf. auf die persönliche Autorität, die dieser gegenüber den Neffen gehabt habe. Die Neffen hätten im Betrieb von der Erkrankung des Bf. ab, also in den streitigen Veranlagungszeiträumen, die wichtigste und meiste Arbeit zu leisten gehabt. Dieser Arbeitsleistung habe die Gewinnbeteiligung entsprochen. Die häufigen überstunden, das Fehlen einer Dienststundenordnung und einer festen Urlaubsregelung sprächen gerade gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet, da dem Finanzgericht jedenfalls im Ergebnis beizutreten ist.

Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs hat für das Gewerbesteuerrecht den Begriff des stillen Gesellschafters weiter gefaßt als im Handelsrecht und im Einkommensteuerrecht. Es braucht hiernach keine Beteiligung an einem Handelsgewerbe vorzuliegen, vielmehr genügt die Beteiligung an einem Gewerbe schlechthin. Außerdem ist der Begriff der stillen Gesellschaft auf gesellschaftsähnliche Dauerarbeitsverhältnisse von Angestellten ausgedehnt worden. Der Senat hat in dem vom Finanzgericht angeführten Urteil I 139/54 S vom 22. November 1955 diese Rechtsprechung für Fälle mit Gewinnbeteiligungen von mindestens 25 v. H. beibehalten, wobei er allerdings bereits zu bedenken gegeben hat, daß damit für verwandte Rechtsgebiete (Einkommensteuer und Gewerbesteuer) der Begriff der stillen Gesellschaft verschieden ausgelegt wird. Inzwischen hat der Senat in dem Urteil I 50/55 U vom 23. Juli 1957 (BStBl 1957 III S. 306, Slg. Bd. 65 S. 189) zu § 8 Ziff. 8 (nunmehr § 8 Ziff. 7) GewStG ausgesprochen, daß die dort gebrauchten Begriffe der "Miete" und "Pacht" grundsätzlich nach bürgerlichem Recht auszulegen seien. Aus der Verwendung feststehender bürgerlich-rechtlicher Begriffe durch den Steuergesetzgeber sei in der Regel zu schließen, daß er damit an das bürgerliche Recht anknüpfen wolle. Das Steuerrecht sei ein Bestandteil der allgemeinen Rechtsordnung; der Inhalt seiner Rechtsbegriffe müsse sich deshalb, soweit nicht das Gesetz erkennbar etwas anderes bestimme, mit dem auch sonst üblichen Inhalt dieser Rechtsbegriffe decken. Der Senat hat hiernach Bedenken, an der ausdehnenden Auslegung des § 8 Ziff. 3 GewStG hinsichtlich des Begriffes der stillen Gesellschaft festzuhalten, zum mindesten für gesellschaftsähnliche Dauerarbeitsverhältnisse von Angestellten.

Es braucht jedoch im vorliegenden Fall zu dieser Frage nicht abschließend Stellung genommen zu werden. Denn hier hatten nach der Auffassung des Senats die beiden Neffen bereits handelsrechtlich (§§ 335 ff. HGB) die Stellung von stillen Gesellschaftern. Die stille Gesellschaft setzt hiernach zunächst die Beteiligung an dem Handelsgewerbe eines anderen mit einer Vermögenseinlage voraus. Das Unternehmen des Bf. war ein Handelsgewerbe im Sinne des § 1 Abs. 2 HGB. Es war im Handelsregister eingetragen, so daß der Bf. als Vollkaufmann galt (§ 5 HGB). Im übrigen ist es für den Begriff der stillen Beteiligung nach Handelsrecht unerheblich, ob der Geschäftsinhaber Voll- oder Minderkaufmann ist (vgl. Gessler-Hefermehl, Kommentar zum HGB, 3. Aufl., Anm. 7 zu § 335). Die Vermögenseinlage des stillen Gesellschafters kann nach einhelliger Auffassung im Schrifttum und in der Rechtsprechung in allen Wirtschaftsgütern geleistet werden, sofern sie nur einen Vermögenswert haben, mithin auch in Dienstleistungen (vgl. Urteil des Reichsgerichts II 148/33 vom 10. Oktober 1933, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 142 S. 14, besonders S. 21; Urteil des Bundesfinanzhofs IV 365/52 U vom 12. Januar 1953, BStBl 1953 III S. 58, Slg. Bd. 57 S. 148; vgl. auch Gessler-Hefermehl, a. a. O., Anm. 14 zu § 335). Ein weiteres Merkmal der handelsrechtlichen stillen Gesellschaft ist nach § 336 HGB die Beteiligung am Gewinn.

Keine stille Gesellschaft liegt allerdings beim bloßen gewinnbeteiligten Handlungsgehilfen vor. Für ihn ist jedoch ein gegenüber dem Geschäftsinhaber bestehendes Unterordnungsverhältnis charakteristisch, während bei grundsätzlicher Gleichordnung der Parteien eine stille Gesellschaft anzunehmen ist (vgl. das angeführte Urteil des Reichsgerichts, a. a. O., besonders S. 22, und Gessler-Hefermehl, a. a. O., Anm. 24 zu § 335).

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Feststellungen des Finanzgerichts, daß bei der Art der Tätigkeit der beiden Neffen ein Unterordnungsverhältnis zum Bf. in den Streitjahren tatsächlich nicht bestanden hat. Der Bf. bringt in der Verlautbarung vom 2. März 1951 selbst zum Ausdruck, daß die Neffen "in der Zwischenzeit die nötige Erfahrung für die selbständige Führung des Geschäfts gesammelt haben". Gegen die Eigenschaft der Neffen als bloßer gewinnbeteiligter Handlungsgehilfen spricht auch ihre familienrechtliche Stellung zum Bf. als Neffen und Adoptivsöhne, weiter, daß sie vom Bf. zu seinen Alleinerben eingesetzt und bereits vor seinem Tod seine mutmaßlichen Geschäftsnachfolger waren. Das Finanzgericht hat weiterhin beachtliche Gesichtspunkte angeführt, die gegen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses sprechen.

Daß das Schriftstück vom 2. März 1951 der Form nach als einseitige Erklärung des Bf. abgefaßt ist, ist unerheblich. Der Vertrag über die Begründung einer stillen Gesellschaft bedarf keiner Schriftform. Er kann auch mündlich und sogar stillschweigend geschlossen werden (vgl. Gessler-Hefermehl, a. a. O., Anm. 27 zu § 335). Mit dem Finanzgericht kann davon ausgegangen werden, daß eine keiner Form bedürftige Vereinbarung zwischen dem Bf. und den Neffen hinsichtlich des Inhalts des Schriftstückes zustande gekommen ist.

Da hiernach im Streitfall eine handelsrechtliche stille Gesellschaft zu bejahen ist, ist die sachliche Voraussetzung für die Zurechnung der Gewinnanteile der Neffen nach § 8 Ziff. 3 GewStG gegeben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410768

BStBl III 1963, 370

BFHE 1964, 145

BFHE 77, 145

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