Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurechnung des Betriebsvermögens bei Schwester-Personengesellschaften: gewerblich geprägte atypisch stille Gesellschaft, mitunternehmerische Betriebsaufspaltung, Zurechnung bei einer gewerblich geprägten Gesellschaft gegenüber der Sonderbetriebsvermögenszurechnung bei der Schwesterpersonengesellschaft vorrangig, Änderung der Rechtsprechung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Grundsätze zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Schwester-Personengesellschaften (BFH-Urteil vom 22. November 1994 VIII R 63/93, BFHE 177, 28, BStBl II 1996, 93) gelten auch, wenn leistende Gesellschaft eine gewerblich geprägte atypisch stille Gesellschaft ist.

 

Orientierungssatz

1. Die Qualifikation des Vermögens und der Einkünfte aus der Verpachtung dieses Vermögens einer gewerblich geprägten Personengesellschaft nach § 15 Abs.3 Nr.2 EStG (leistende Gesellschaft) hat bei ganz oder teilweise identischen Personengesellschaften (Schwestergesellschaften) Vorrang vor der Qualifikation des Vermögens als Sonderbetriebsvermögens und der Einkünfte als Sonderbetriebseinkünfte der Gesellschafter nach § 15 Abs.1 Satz 1 Nr.2 Halbsatz 2 EStG. Diese Grundsätze gelten auch bei einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung.

2. Eine atypisch stille Gesellschaft wird i.S. der § 15 Abs.1 Nr.2, Abs.3 Nr.2 EStG gewerblich tätig. Sie ist selbständiges "Subjekt der Gewinnerzielung, Gewinnermittlung und Einkünftequalifikation". Der Senat hält an seiner im Urteil vom 12.11.1985 VIII R 364/83 vertretenen gegenteiligen Meinung insoweit nicht mehr fest. Dementsprechend kann die atypisch stille Gesellschaft als solche i.S. von § 15 Abs.3 Nr.2 EStG durch den tätigen Gesellschafter gewerblich geprägt werden. Der tätige Gesellschafter steht dem in dieser Vorschrift genannten, zur Geschäftsführung befugten "persönlich haftenden Gesellschafter" gleich. Ein Durchgriff durch eine GmbH als gewerblich tätigen Gesellschafter wäre nur bei einer mißbräuchlichen Gestaltung zulässig.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Hs. 2, Abs. 3 Nr. 2, § 4 Abs. 1

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 8 (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG i.L., an der im Streitjahr 1986 insgesamt 103 Kommanditisten beteiligt waren; alleinige persönlich haftende Gesellschafterin war die BS-GmbH (ohne Gewinnbeteiligung).

Die Klägerin hatte 1979 für ihren Betrieb von der CA-GmbH verschiedene Wirtschaftsgüter angemietet. Die CA-GmbH war von insgesamt 38 Kommanditisten der Klägerin --den Klägern und Revisionsklägern zu 1 bis 8 (Kläger) und den Beigeladenen zu 1 bis 31 bzw. deren Rechtsvorgängern-- gegründet worden; diese Kommanditisten waren auch als atypisch stille Gesellschafter an der CA-GmbH beteiligt. Die Konstruktion einer atypisch stillen Gesellschaft (CA atyp StG) war gewählt worden, weil für den zusätzlichen Kapitalbedarf der Klägerin nicht alle Kommanditisten aufkommen wollten und die dieses Kapital bereitstellenden 38 Kommanditisten die Sonderabschreibungen nach dem Investitionszulagengesetz für die mit ihren Mitteln angeschafften Wirtschaftsgüter für sich beanspruchten. Die erworbenen Wirtschaftsgüter wurden Eigentum der CA-GmbH.

Die Gewinne für die Klägerin und die CA atyp StG wurden von den zuständigen Finanzämtern jeweils getrennt ermittelt. Den im Gewinnfeststellungsverfahren betreffend die CA atyp StG gestellten Antrag auf Gewährung der Sonderabschreibungen lehnte das zuständige Finanzamt wegen der fehlenden eigenbetrieblichen Verwendung der vermieteten Wirtschaftsgüter ab. Die Sonderabschreibungen machte deshalb nunmehr die Klägerin geltend. Sie vertrat die Ansicht, daß die von ihr angemieteten Gegenstände zum Sonderbetriebsvermögen der an der CA atyp StG beteiligten Kommanditisten gehörten; diese seien deshalb auch im Rahmen der Ermittlung des Gesamtgewinns der KG zur Vornahme der Abschreibungen berechtigt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) war demgegenüber der Auffassung, daß die Wirtschaftsgüter zum Betriebsvermögen der CA-GmbH gehörten und berücksichtigte deshalb die geltend gemachten Sonderabschreibungen bei der Gewinnfeststellung 1986 für die Klägerin nicht.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts (§ 76 der Finanzgerichtsordnung --FGO--, § 15 Abs.1 Nr.2 Halbsatz 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und unter

Abänderung des

Gewinnfeststellungsbescheides 1986 vom 30. März 1990 in

Gestalt der

Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 1993 den

Sonderbetriebsgewinn der

Kläger zu 1 bis 8 und der Beigeladenen unter

Berücksichtigung der geltend

gemachten Sonderabschreibungen festzustellen.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 FGO).

Die Kläger können die beanspruchten Sonderabschreibungen im vorliegenden Verfahren nicht geltend machen; die von der CA-GmbH angemieteten Wirtschaftsgüter gehören nicht zu ihrem Sonderbetriebsvermögen bei der Klägerin.

1. Die gewerblichen Einkünfte aus der Vermietung der Wirtschaftsgüter an die Klägerin sind bei der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung der CA atyp StG und nicht im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung des (Gesamt-)Gewinns der Klägerin zu erfassen. § 15 Abs.1 Satz 1 Nr.2 Halbsatz 2 EStG steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Die Qualifikation des Vermögens und der Einkünfte aus der Verpachtung dieses Vermögens einer gewerblich geprägten Personengesellschaft nach § 15 Abs.3 Nr.2 EStG (leistende Gesellschaft) hat bei ganz oder teilweise identischen Personengesellschaften (Schwestergesellschaften) Vorrang vor der Qualifikation des Vermögens als Sonderbetriebsvermögen und der Einkünfte als Sonderbetriebseinkünfte der Gesellschafter nach § 15 Abs.1 Satz 1 Nr.2 Halbsatz 2 EStG bei der leistungsempfangenden Gesellschaft (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. November 1994 VIII R 63/93, BFHE 177, 28, BStBl II 1996, 93, und vom 16. Juni 1994 IV R 48/93, BFHE 175, 109, BStBl II 1996, 82).

2. Diese allgemein für Schwester-Personengesellschaften geltenden Grundsätze sind auch anwendbar, wenn die leistende Gesellschaft eine atypisch stille Gesellschaft ist. Zwar führt bei einer (atypisch) stillen Gesellschaft die Geschäfte im Außenverhältnis zu den Teilnehmern am Rechtsverkehr nur der tätige Gesellschafter; im zivilrechtlichen Sinne gibt es daher eine Tätigkeit der stillen Gesellschaft nicht. Im Innenverhältnis zu den atypisch stillen Gesellschaftern führt der tätige Gesellschafter die Geschäfte jedoch für alle Gesellschafter entsprechend der für sie geltenden Gemeinschaftsordnung; sie sind deshalb entsprechend dieser Gemeinschaftsordnung auch allen Gesellschaftern einheitlich zuzurechnen. Auf dieses Innenverhältnis stellt das Einkommensteuerrecht in § 15 Abs.1 Nr.2 und Abs.3 EStG ab. So betrachtet wird auch eine atypisch stille Gesellschaft im Sinne dieser Regelungen gewerblich tätig (BFH-Urteile vom 10. August 1994 I R 133/93, BFHE 175, 357, 360, BStBl II 1995, 171; vom 25. Juli 1995 VIII R 54/93, BFHE 178, 448, BStBl II 1995, 794; vom 6. Dezember 1995 I R 109/94, BFHE 179, 427; vom 25. Oktober 1995 I R 76/93, BFH/NV 1996, 504; I R 77/93, BFH/NV 1996, 506). Sie ist selbständiges "Subjekt der Gewinnerzielung, Gewinnermittlung und Einkünftequalifikation" (zum Umfang der beschränkten Rechtssubjektivität von Personengesellschaften vgl. zuletzt BFH-Beschluß vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, unter C IV. 2. b, aa der Gründe, m.w.N.). Der Senat hält an seiner im Urteil vom 12. November 1985 VIII R 364/83 (BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311) vertretenen gegenteiligen Meinung insoweit nicht mehr fest. Dementsprechend kann die atypisch stille Gesellschaft als solche i.S. von § 15 Abs.3 Nr.2 EStG durch den tätigen Gesellschafter gewerblich geprägt werden. Der tätige Gesellschafter steht dem in dieser Vorschrift genannten, zur Geschäftsführung befugten "persönlich haftenden Gesellschafter" gleich. Er kann zwar im Außenverhältnis keine "Gesellschaftsverbindlichkeiten" begründen; es genügt aber auch hier, daß die Verbindlichkeiten des tätigen Gesellschafters im Innenverhältnis allen Gesellschaftern entsprechend ihrem Beteiligungsverhältnis zugerechnet werden.

Für den Streitfall bedeutet dies, daß die an die Klägerin vermieteten Wirtschaftsgüter nicht Sonderbetriebsvermögen der Kommanditisten bei der Klägerin geworden sind. Es ist für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung ohne Bedeutung, daß sie bürgerlich-rechtlich der CA-GmbH gehörten; mit ihrer Verwendung für den Betrieb der Klägerin dienten sie dem zwischen allen Gesellschaftern der CA atyp StG vereinbarten Gesellschaftszweck. Ein Durchgriff durch die Rechtsperson der CA-GmbH wäre nur bei einer rechtsmißbräuchlichen Gestaltung zulässig; für eine solche Gestaltung ergeben sich Anhaltspunkte weder aus den Feststellungen des FG noch aus dem Vortrag der Kläger.

3. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 23. April 1996 VIII R 13/95 (BFHE 181, 1) entschieden, daß die für Leistungsbeziehungen zwischen gewerblich tätigen Schwester-Personengesellschaften entwickelten Grundsätze auch bei einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung gelten. Das FG mußte deshalb im Streitfall nicht prüfen, ob die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung vorlagen; damit ist die von den Klägern erhobene Rüge, das FG habe diese Voraussetzungen nicht hinreichend aufgeklärt, zumindest unbegründet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66151

BFH/NV 1997, 257

BStBl II 1998, 328

BFHE 182, 101

BFHE 1997, 101

BB 1997, 1087 (Leitsatz)

DB 1997, 1060 (Leitsatz und Gründe)

DStR 1997, 815-816 (Leitsatz und Gründe)

DStRE 1997, 484 (Leitsatz)

DStZ 1997, 492 (Leitsatz und Gründe)

HFR 1997, 469-470 (Leitsatz)

StE 1997, 299 (Kurzwiedergabe)

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