Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Beim Bau eines Geschäftshauses kann in der Regel ein Eigenkapitaleinsatz von 40 v. H. dann als ausreichend angesehen werden, wenn eine Hypothekenbank das Grundstück bis zu der in § 11 Abs. 2 Satz 1 des Hypothekenbankgesetzes vom 13. Juli 1899 (Reichsgesetzblatt 1899 S. 375) vorgesehenen Höchstgrenze beliehen hat oder beleihen könnte.

Ein Darlehen, zu dessen Sicherung ein Grundpfandrecht an erster Stelle im Rahmen der Wertgrenze von § 11 Abs. 2 Satz 1 des Hypothekenbankgesetzes bestellt worden ist, ersetzt, wenn es zum Bau eines Geschäftshauses verwendet wird, keine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung.

 

Normenkette

KVStG § 3 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein gesellschafterverbürgtes, im Grundbuch an erster Rangstelle hypothekarisch gesichertes Darlehen, das einer Grundstücks- und Wohnungsgesellschaft gewährt worden ist, Gesellschaftsteuer nach § 3 KVStG 1934 auslöst.

Die am 1. September 1953 von zehn Kaufleuten und Bauhandwerkern gegründete beschwerdeführende GmbH (Bfin.) hat ihr Stammkapital in dem notariellen Vertrag vom 25. November 1953 auf 22.500 DM festgesetzt und durch Vertrag vom 13. November 1956 auf 27.000 DM erhöht. Gegenstand des Unternehmens ist nach § 2 des Gründungsvertrages die Erstellung von Bauten als Bau- und Finanzträger sowie die Durchführung aller zur Erreichung dieses Zwecks erforderlichen Geschäfte, wie An- und Verkauf von Grundstücken.

In der Zeit von Ende 1953 bis Februar 1955 hat die Bfin. auf ihrem Grundstück mit einem Kostenaufwand von 415.000,- DM ein Gebäude errichtet, in dem sich seit der Fertigstellung ein Postamt und zwei Dienstwohnungen für Postbedienstete befinden. Das Vorhaben wurde durch zwei hypothekarisch gesicherte Darlehen von 180.000 DM und 230.000 DM finanziert. Das erste Darlehen gab eine Hypothekenbank unter anderem gegen Sicherheitsleistung aller Gesellschafter und Bestellung einer ersten Hypothek. Mit Schreiben vom 7. Juni 1956 hat die Bank die Gesellschafter aus der persönlichen Schuld entlassen.

Das Finanzamt hat den Vorgang der Gesellschaftsteuer in voller Höhe unterworfen, da nicht wenigstens die Hälfte der Gestehungskosten durch Eigenkapital gedeckt gewesen sei.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb., deren Entscheidung mit Rücksicht auf das beim Bundesverfassungsgericht anhängig gewesene, durch Beschluß vom 10. Oktober 1961 - 2 BvL 1/59 - (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 13 S. 153, BStBl 1961 I S. 716) abgeschlossene Normenkontrollverfahren zurückgestellt war, ist begründet.

Nach § 3 Abs. 1 KVStG 1934 unterliegt der Gesellschaftsteuer die Gewährung von Darlehen an eine inländische Kapitalgesellschaft durch einen Gesellschafter, wenn die Darlehnsgewährung eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt. Leistet ein Gesellschafter für das Darlehen eines Dritten Sicherheit, so gilt gemäß § 3 Abs. 2 KVStG 1934 auch dessen Darlehen als Darlehen eines Gesellschafters.

Da alle übrigen erforderlichen Voraussetzungen im Streitfall unstreitig vorliegen, ist nur noch darüber zu entscheiden, ob die Darlehnsgewährung eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ersetzt ein Kredit eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung in aller Regel dann, wenn der Kredit für Investitionszwecke verwendet wird, es sich bei dem Kredit um einen mittel- oder langfristigen Kredit handelt und die Deckung des Investitionsbedarfs der Gesellschaft aus eigenen Mitteln nicht möglich ist. Dabei kommt, wenn es sich um einen Investitionskredit handelt, dem Verhältnis des Eigenkapitals zum Fremdkapital regelmäßig keine ausschlaggebende Bedeutung zu (vgl. unter anderen die Urteile des erkennenden Senats II 7/53 U vom 3. September 1953, BStBl 1953 III S. 283, Slg. Bd. 57 S. 743; II 46/53 U vom 14. Oktober 1953, BStBl 1954 III S. 5, Slg. Bd. 58 S. 235, und das amtlich nicht veröffentlichte Urteil II 158/55 vom 14. August 1957, Deutsche Steuer-Rundschau 1957 S. 450, ferner neuerdings die Urteile II 156/57 U vom 1. August 1962 und II 207/57 U vom 30. August 1962, BStBl 1962 III S. 472 und S. 445). Zwar ist die Wirtschaftsordnung auch auf Kredit aufgebaut, was insbesondere für die Nachkriegszeit galt. Das ändert aber nichts daran, daß Investitionen in aller Regel eine Kapitalzuführung erfordern. übrigens hat auch das Bundesverfassungsgericht in dem eingangs erwähnten Normenkontrollverfahren in der Begründung seines Beschlusses vom 10. Oktober 1961, a. a. O., die vom Bundesfinanzhof für Investitionskredite aufgestellten Grundsätze aus verfassungsrechtlicher Sicht gebilligt und sie für geeignet erklärt, im Einzelfall zu ermitteln, ob der Rechtsvorgang der Darlehnsgewährung gesellschaftsteuerpflichtig ist oder nicht.

Diese Grundsätze fordern, daß in der Regel alle Aufwendungen der Gesellschafter (oder ihnen zuzurechnende Aufwendungen) für das Anlagevermögen der Gesellschaftsteuer zu unterwerfen sind. Ausnahmen von diesem Grundsatz hat der Senat bisher in begrenztem Umfang nur beim Wohnungs- und Schiffsbau anerkannt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs II 56/52 S vom 7. Mai 1952, BStBl 1952 III S. 181, Slg. Bd. 56 S. 468; II 176/57 U vom 28. März 1962, BStBl 1962 III S. 236, Slg. Bd. 74 S. 635, und II 201/52 U vom 4. März 1953, BStBl 1953 III S. 129, Slg. Bd. 57 S. 327). Diese Entscheidungen beruhen auf der überlegung, daß der Wohnungsbau in aller Regel nicht von der Wohnungsbaugesellschaft allein finanziert wird und daß es seit jeher beim Wohnungsbau - und gleiches gilt für den Schiffsbau und die Schiffahrt - üblich ist, daß der Unternehmer sich an der Finanzierung des Baues selbst nur beschränkt beteiligt (vgl. insoweit die Gründe des Urteils des Bundesfinanzhofs II 158/55 vom 14. August 1957, a. a. O.). Die in diesen Urteilen entwickelten Grundsätze müssen aber auch gelten, wenn eine Grundstücks- und Baugesellschaft nicht Wohn-, sondern Geschäftshäuser errichtet. Allerdings muß für die Höhe des gebotenen Eigenkapitalanteils von anderen Maßstäben als beim öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau ausgegangen werden. Für die gebotene Höhe der Kapitalzuführung beim Bau von Geschäftshäusern gibt § 11 Abs. 2 des Hypothekenbankgesetzes vom 13. Juli 1899 (RGBl 1899 S. 375) einen Anhalt. Hiernach darf die Beleihung 60 v. H. des Wertes des Grundstücks nicht übersteigen. Eine Ausnützung des Beleihungswertes bis zur Grenze von 60 v. H. ist nach dem Erlaß des ehemaligen Reichs- und Preußischen Wirtschaftsministers vom 1. Oktober 1935 Nr. 1 25.964/35 jedoch nur dann zulässig, wenn das geldgebende Institut im einzelnen Fall die überzeugung erlangt hat, daß die Beleihung in dem Grundstück ihre volle, dauernde Deckung hat (vgl. insoweit Barlet-Karding, Hypothekenbank-Gesetz, § 11 Anm. 8). Diese Grundsätze können auch bei der Ermittlung der gebotenen Eigenkapitalzufuhr angewendet werden. Hiernach ist bei gesicherten Grundstücksverhältnissen, zum Beispiel bei bevorzugter Verkehrslage, für die Finanzierung von Geschäftsbauten durch Grundstücks- und Baugesellschaften in der Regel von einem Anteil des Fremdgeldes von etwa 60 v. H. und der Eigenmittel von etwa 40 v. H. auszugehen; bei ungünstiger Verkehrslage, bei Spezialbauten mit geringem Interessentenkreis usw. kann ein höherer Anteil an Eigenmitteln erforderlich sein. Im Zweifel wird, wie der Senat das in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt das oben angeführte Urteil II 176/57 U) beim Wohnungsbau für notwendig erklärt hat, das Maß der gebotenen Selbstbeteiligung auch hier durch Sachverständigengutachten geklärt werden müssen.

Ist hiernach beim Bau eines Geschäftshauses durch eine Grundstücks- und Baugesellschaft, abweichend von der allgemeinen Finanzierungsregel, keine volle Deckung des Anlagevermögens durch Eigenkapital zu fordern, so genügt es für die Beurteilung der Gesellschaftsteuerpflicht eines Darlehens im Einzelfall nicht, nur rechnerisch den Eigenkapitalbedarf zu ermitteln und ein gesellschafterverbürgtes Darlehen auf Grund des Ergebnisses dieser Berechnung alsdann ganz oder zum Teil zur Gesellschaftsteuer heranzuziehen, wenn einer Kapitalgesellschaft das gebotene Eigenkapital nicht in voller Höhe zur Verfügung steht. Es muß dann vielmehr noch festgestellt werden, ob das Darlehen tatsächlich im Rahmen der zulässigen Fremdfinanzierung oder im Rahmen der gebotenen Eigenfinanzierung aufgenommen worden ist. Es kann dabei, entgegen der Ansicht des Finanzgerichts, nicht darauf ankommen, welches Darlehen, vielleicht nur zufälligerweise, zuerst gewährt worden ist, mit der Wirkung, daß dieses Darlehen zunächst dem notwendigen Anteil am Eigenkapital zuzurechnen ist. Entscheidend ist vielmehr, welchem Finanzierungsanteil es im Rahmen der Gesamtfinanzierung nach allgemeinen Finanzierungsgrundsätzen zuzuordnen ist.

Bei der Finanzierung eines Geschäftsbaues ist der Einsatz von Eigenkapital außer für den etwaigen Kaufpreis für Grund und Boden mit allen Nebenkosten in der Regel nur noch für die Schließung der Finanzierungslücke zu fordern. Die Besonderheiten bei der Finanzierung von Bauvorhaben, auf die der Senat mehrmals zur Begründung der Ausnahme von dem allgemeinen Finanzierungsgrundsatz hingewiesen hat, liegen unter anderem gerade darin, daß für die Finanzierung vielfach Kredite in einer Höhe in Anspruch genommen werden, wie sie durch eine erstrangige Hypothek beschafft werden können. Darlehen, die durch eine erste Hypothek im Rahmen der Wertgrenze des § 11 Abs. 2 Satz 1 des Hypothekenbankgesetzes gesichert werden können, ersetzen aus diesen Gründen bei Geschäftsbauten durch Grundstücks- oder Baugesellschaften kein Eigenkapital.

Da die Bfin. das Darlehen von 180.000 DM unter anderem unstreitig auch durch eine erste Hypothek gesichert hat, hat das Darlehen keine durch die Sachlage gebotene Kapitalzufuhr ersetzt.

Die Vorentscheidungen, die von anderen Grundsätzen ausgingen, waren daher aufzuheben und die Bfin. von der angeforderten Gesellschaftsteuer freizustellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410628

BStBl III 1963, 9

BFHE 1963, 22

BFHE 76, 22

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