Leitsatz (amtlich)

Ein Altersruhegeld gem. § 25 Abs. 1 AVG ist auch dann keine steuerfreie Geldrente i. S. von § 3 Nr. 8 EStG, wenn auf die erforderlichen Versicherungszeiten Ersatzzeiten gem. § 28 Abs. 1 Nr. 4 AVG angerechnet worden sind.

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 8, § 22 Nr. 1a; AVG § 25 Abs. 1, § 28 Abs. 1 Nr. 4

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gezahlte Rente als Wiedergutmachung für nationalsozialistisches Unrecht gewährt wird und deshalb nach § 3 Nr. 8 EStG steuerfrei ist oder ob es sich um eine nach § 22 Nr. 1 a EStG mit dem Ertragsanteil zu versteuernde Leibrente handelt.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) - Ehemann - ist als Verfolgter i. S. von § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) anerkannt. Er war 1938 im Konzentrationslager und emigrierte 1939 zunächst nach Panama, dann in die USA. 1953 kehrte er nach Deutschland zurück.

Von der BfA erhält der Kläger gem. § 25 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) eine Rente. Die laufende Rentenzahlung begann am 1. September 1967; für die rückliegende Zeit ab 1. Februar 1961 wurde eine Nachzahlung - 31 525,70 DM - geleistet.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) behandelte bei der Einkommensteuerveranlagung für 1967 die Nachzahlung und die laufenden Rentenzahlungen als sonstige Einkünfte i. S. von § 22 Nr. 1 a EStG und unterwarf sie mit einem Ertragsanteil von 20 v. H. sowie nach Abzug der Werbungskostenpauschale der Besteuerung.

Nach erfolglosem Einspruch gegen den entsprechenden Einkommensteuerbescheid wurde mit der Klage geltend gemacht, die Rente werde auf Grund gesetzlicher Vorschriften zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts gewährt und sei deshalb nach § 3 Nr. 8 EStG steuerfrei. Der Kläger beziehe die Rente, weil er die für die Gewährung nach § 25 Abs. 1 AVG erforderliche Wartezeit von 180 Monaten durch Anrechnung von in § 28 Abs. 1 Nr. 4 AVG aufgeführten Ersatzzeiten erfüllt habe. § 28 Abs. 1 Nr. 4 AVG sei wiedergutmachungsrechtlicher Natur.

Das FG wies die Klage durch seine in den EFG 1970, 328 veröffentlichte Entscheidung ab.

Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache vom FG zugelassenen Revision wird unrichtige Anwendung des § 3 Nr. 8 EStG gerügt und dazu vorgebracht:

Wenn nach § 3 Nr. 8 EStG Geldrenten und Kapitalentschädigungen, die nach Wiedergutmachungsvorschriften gewährt werden, steuerfrei seien, dann gehörten dazu auch Zahlungen auf Grund von Vorschriften zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung. Die Entschädigung für Schäden in der Sozialversicherung sei ein Teil der Entschädigung für Verfolgte und damit eine echte Schadensersatzleistung. Ohne die gesetzliche Regelung in der Sozialversicherung habe der Kläger die Rente nicht erhalten können. Aus dem Fehlen einer dem § 3 Nr. 8 Satz 2 EStG entsprechenden Regelung hinsichtlich der Angestelltenversicherungsrenten ergebe sich ebenfalls, daß eine Steuerpflicht nicht bestehen soll.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Zu Recht hat das FG, dem FA folgend, die Rente des Klägers als eine in Höhe ihres Ertragsanteils steuerpflichtige sonstige Einkunft angesehen.

Nach den tatsächlichen und insoweit den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG hat der Kläger die Nachzahlung und die laufenden Bezüge als Altersruhegeld gem. § 25 Abs. 1 AVG aus der Angestelltenversicherung erhalten. Renten dieser Art sind steuerlich als Leibrenten nach § 22 Nr. 1 a EStG zu behandeln und mit ihrem Ertragsanteil in Höhe des beim Beginn des Versicherungsfalls maßgebenden Vomhundertsatzes zu versteuern (vgl. Urteile des BFH vom 7. Dezember 1966 VI 269/65, BFHE 94, 339, BStBl II 1969, 156; vom 10. Oktober 1969 VI R 267/66, BFHE 97, 31, BStBl II 1970, 9). Soweit sie nachgezahlt werden, sind sie weder eine Entschädigung i. S. von § 24 Nr. 1 a EStG noch eine Entlohnung für eine Tätigkeit i. S. von § 34 Abs. 3 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 31. Juli 1970 VI R 177/68, BFHE 100, 42, BStBl II 1970, 784).

Ohne Rechtsirrtum hat das FG auch eine Steuerfreiheit der an den Kläger gezahlten Rente verneint.

Nach § 3 Nr. 8 Satz 1 EStG sind u. a. Geldrenten - abgesehen von den in Satz 2 dieser Vorschrift angeordneten Ausnahmen - steuerfrei, wenn sie auf Grund gesetzlicher Vorschriften zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts gewährt werden. Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist danach, daß die Rente eine auf Grund von Wiedergutmachungsvorschriften gewährte Wiedergutmachungsleistung ist. Das trifft bei einem Altersruhegeld nach § 25 Abs. 1 AVG nicht zu. Zum einen ist dieses Altersruhegeld eine allein aus einem Versicherungsverhältnis begründete Leistung, die nach Eintritt des Versicherungsfalls - Erreichen einer bestimmten Altersgrenze - und nach Erfüllung von Versicherungszeiten - Beitrags- und Ersatzzeiten in Höhe einer bestimmten Anzahl von Monaten - gewährt wird. Zum anderen ist § 25 Abs. 1 AVG als Rechtsgrundlage für das Altersruhegeld eine Vorschrift des Sozialversicherungsrechts und nicht des Wiedergutmachungsrechts.

An der Beurteilung, daß das Altersruhegeld nach § 25 Abs. 1 AVG keine steuerfreie Geldrente i. S. von § 3 Nr. 8 Satz 1 EStG ist, ändert sich auch nichts, wenn eine der zur Erlangung dieses Ruhegelds erforderlichen Voraussetzungen, nämlich die Erfüllung von Versicherungszeiten, dadurch geschaffen wird, daß auf die Versicherungszeiten Ersatzzeiten gem. § 28 Abs. 1 Nr. 4 AVG angerechnet werden. Es trifft zwar zu, daß § 28 Abs. 1 Nr. 4 AVG inhaltlich und ideenmäßig sowie auf Grund der Verweisung in § 138 BEG, der die Wiedergutmachung verfolgungsbedingter Einbußen in der Sozialversicherung anderen Gesetzen zuweist, Bestandteil des Entschädigungsrechts ist (vgl. Brunn-Hebenstreit, Kommentar zum Bundesentschädigungsgesetz, Anm. 2 zu § 138, mit Nachweisen). Die Vorschrift des § 28 Abs. 1 Nr. 4 AVG gibt aber noch keine Rechtsgrundlage für eine Rente. Auch bei Anwendung dieser Vorschrift bleibt Rechtsgrundlage für ein Altersruhegeld die nicht dem Wiedergutmachungsrecht zugehörige Bestimmung des § 25 Abs. 1 AVG. Die Regelung des § 28 Abs. 1 Nr. 4 AVG ermöglicht lediglich - wie das FG zutreffend ausgeführt hat -, die Geschädigten den übrigen Versicherten in der Sozialversicherung dadurch gleichzustellen, daß fehlende Versicherungszeiten zu ihren Gunsten fingiert werden. Reichen diese fingierten Versicherungszeiten und andere Ersatzzeiten nicht aus, um die notwendigen Versicherungszeiten zu erfüllen, dann entsteht auch kein Anspruch auf Altersruhegeld.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71570

BStBl II 1975, 884

BFHE 1976, 547

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