Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnung mit einer maschinell erstellten Umbuchungsmitteilung

 

Leitsatz (NV)

Eine maschinelle Umbuchungsmitteilung kann eine Aufrechnungserklärung enthalten, auch wenn das FA darin seine Bereitschaft erklärt, unter Umständen gegenteilige Buchungswünsche zu berücksichtigen.

 

Normenkette

AO 1977 § 218 Abs. 2, § 226; BGB § 388 S. 1; InsO §§ 94, 96

 

Verfahrensgang

FG Berlin (Urteil vom 01.09.2004; Aktenzeichen 7 K 7523/01; EFG 2005, 7)

 

Tatbestand

I. Über das Vermögen der X-AG (Schuldnerin) wurde am 1. Juli 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger und Revisionskläger (Kläger) zum Verwalter bestellt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hat gegenüber der Schuldnerin eine seit dem 15. Mai 2001 fällige Forderung aus einer Lohnsteuer-Anmeldung für April 2001. Die Schuldnerin reichte am 21. Juni 2001 beim FA die Umsatzsteuer-Voranmeldung für März 2001 ein, aus der sich ein Vergütungsanspruch in Höhe von 3 973,80 DM ergab. Der zuständige Sachbearbeiter in der Veranlagungsstelle des FA erteilte am 28. Juni 2001 die Zustimmung nach § 168 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Das FA buchte das Guthaben auf die Lohnsteuerschuld der Schuldnerin um und brachte ihr dies mit maschineller Umbuchungsmitteilung vom 17. Juli 2001 zur Kenntnis.

Die Umbuchungsmitteilung hat im Wesentlichen folgenden Inhalt:

"Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr,

es wurde wie folgt umgebucht (Kontostand vom 17.7.01): …

Sollten Sie mit den Buchungen nicht einverstanden sein, geben Sie bitte umgehend die beanstandeten Buchungen sowie Ihre Buchungswünsche mit Steuernummer, Steuerart/Abgabeart, Zeitraum und Betrag an. Eine Berücksichtigung Ihrer Buchungswünsche ist im Regelfall nur bei vorgenommenen Buchungen auf noch nicht fällige Forderungen möglich…"

Zu welchem Zeitpunkt dem Kläger die Umbuchungsmitteilung zugegangen ist, konnte nicht mehr aufgeklärt werden. Jedenfalls widersprach dieser mit Schreiben vom 11. Oktober 2001 der mitgeteilten Umbuchung und rechnete seinerseits mit dem Vergütungsanspruch aus der Umsatzsteuer-Voranmeldung für März 2001 gegen eine Forderung des FA aus der Umsatzsteuer-Voranmeldung für September 2001 auf. Dabei vertrat er die Ansicht, dass die Umbuchungsmitteilung des FA keine Aufrechnungserklärung enthalten habe, der Umsatzsteuer-Vergütungsanspruch daher noch nicht erloschen sei.

Mit Abrechnungsbescheid vom 18. Oktober 2001 stellte das FA das Erlöschen des Vergütungsanspruchs aus der Umsatzsteuer-Voranmeldung für März 2001 aufgrund der erfolgten Aufrechnung vom 17. Juli 2001 fest. Der hiergegen erhobene Einspruch sowie die Klage hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 7 veröffentlicht.

Mit der Revision macht der Kläger im Wesentlichen geltend, die streitgegenständliche Umbuchungsmitteilung sei nicht als Aufrechnungserklärung aufzufassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) komme es entscheidend darauf an, dass sich der Wille zur Tilgung und Verrechnung klar und unzweideutig aus der Aufrechnungserklärung ergebe. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall. Der ausdrückliche Hinweis des FA in seiner Umbuchungsmitteilung darauf, dass grundsätzlich andere Buchungswünsche möglich seien, könne nur so verstanden werden, dass es sich um eine Art Vorschlag bzw. Angebot handele. Der Eintritt der Rechtsfolgen solle danach von der Zustimmung bzw. Annahme des Empfängers der Umbuchungsmitteilung abhängig sein.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und den Abrechnungsbescheid vom 18. Oktober 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 2001 dahin zu ändern, dass die Wirksamkeit der seinerseits am 11. Oktober 2001 erklärten Aufrechnung festgestellt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht erkannt, dass der angefochtene Abrechnungsbescheid rechtmäßig ist (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Der von dem Kläger zur Aufrechnung gestellte Umsatzsteuer-Vergütungsanspruch der Schuldnerin ist bereits durch wirksame Aufrechnung des FA erloschen.

1. Aufgrund der von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen, die für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), ist davon auszugehen, dass der Schuldnerin ein Vergütungsanspruch aus der Umsatzsteuer-Voranmeldung für März 2001 in Höhe von 3 973,80 DM zustand, dass diesem Anspruch eine Steuerforderung des FA (Lohnsteuer April 2001) in mindestens gleicher Höhe gegenüberstand und dass die allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechnung (§ 226 Abs. 1 AO 1977 i.V.m. §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) vorlagen. Hiervon gehen auch übereinstimmend die Beteiligten aus. Streitig ist allein, ob das FA mit der Umbuchungsmitteilung vom 17. Juli 2001 eine wirksame Aufrechnungserklärung gegenüber dem Kläger als dem nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin Verfügungsberechtigten abgegeben hat. Dies ist entgegen der Auffassung der Revision der Fall.

a) Für eine Aufrechnungserklärung i.S. des § 226 Abs. 1 AO 1977 i.V.m. § 388 Satz 1 BGB ist nach allgemeiner Auffassung keine besondere Form vorgeschrieben. Sie kann mündlich, schriftlich oder durch schlüssige --dem Erklärungsempfänger erkennbare-- Handlung erfolgen (Senatsurteil vom 3. November 1983 VII R 153/82, BFHE 140, 10, BStBl II 1984, 184; vgl. Klein/ Rüsken, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 226 Rz. 62, jeweils m.w.N.). Da die Aufrechnungserklärung eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung darstellt, die ohne Zutun des Erklärungsempfängers rechtsgestaltend auf dessen Rechtsstellung einwirkt, muss sich der Wille zur Tilgung und Verrechnung allerdings klar und unzweideutig aus der Aufrechnungserklärung ergeben (Senatsurteile vom 6. Februar 1990 VII R 86/88, BFHE 160, 108, BStBl II 1990, 523, und vom 15. Oktober 1996 VII R 46/96, BFHE 181, 392, BStBl II 1997, 171; vgl. Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 226 AO 1977 Tz. 48, m.w.N.). Eine Umbuchungsmitteilung genügt diesen Anforderungen nur, wenn sie die klare Aussage enthält, dass Haupt- und Gegenforderung getilgt werden sollen (vgl. Rozek in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 226 AO 1977 Rz. 103, Pahlke/Koenig/Fritsch, Abgabenordnung, 2004, § 226 Rz. 52, jeweils m.w.N.). 

b) Die Auffassung des FG, dass die Umbuchungsmitteilung vom 17. Juli 2001 eine Aufrechnungserklärung des FA enthalte, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (§§ 133, 157 BGB, § 118 Abs. 2 FGO). Der für die Aufrechnung erforderliche Wille des FA zur Verrechnung und Tilgung der wechselseitigen Forderungen kommt in der Umbuchungsmitteilung für einen objektiven Erklärungsempfänger erkennbar zum Ausdruck. So wurden die Forderungen, die gegeneinander aufgerechnet werden sollten --der Umsatzsteuer-Vergütungsanspruch der Schuldnerin als Hauptforderung und der Lohnsteueranspruch des FA als Gegenforderung-- in der Mitteilung nach Grund und Betrag genau bezeichnet. Die Mitteilung verkörpert auch nicht --wie die Revision meint-- eine bloße Anfrage oder Ankündigung zur Umbuchung, deren Wirksamkeit von der Zustimmung des Erklärungsempfängers abhängig sein sollte. Vielmehr musste ein objektiver Erklärungsempfänger aus der Formulierung "es wurde wie folgt umgebucht" den Schluss ziehen, dass das FA von einem seiner Auffassung nach zum Buchungsdatum 17. Juli 2001 gegebenen und vollzogenen Verrechnungszustand ausging, den es dem Kläger mit der Umbuchungsmitteilung zur Kenntnis bringen wollte. Ohne Bedeutung ist dabei, dass das FA die Aufrechnung als Umbuchung bezeichnete. Denn die Aufrechnungserklärung muss nicht ausdrücklich unter Verwendung des Begriffs "Aufrechnung", sondern kann --wie bereits oben ausgeführt-- schlüssig abgegeben werden. Es muss lediglich hinreichend deutlich werden, dass das FA die wechselseitigen Forderungen miteinander verrechnen und tilgen will. Dies ist vorliegend geschehen.

c) Der Textpassage "Sollten Sie mit den Buchungen nicht einverstanden sein, geben Sie bitte umgehend die beanstandeten Buchungen … an." lässt sich auch nicht entnehmen, dass das FA die Aufrechnungswirkung von dem Einverständnis des Klägers oder vom Ausbleiben seines Widerspruchs abhängig machen wollte, also seine Aufrechnungserklärung an eine Bedingung knüpfen wollte, die sie unwirksam macht (§ 388 Satz 2 BGB). Der vorgenannte Vorbehalt, der allerdings mehr ist als ein Hinweis auf das Widerspruchsrecht des Aufrechnungsgegners nach § 396 BGB, ist nicht als Bedingung oder als Angebot zu verstehen, auf Wunsch des Steuerpflichtigen die Forderung in bestimmter Weise zu verrechnen. Die Bitte, sich zu den einzelnen vorgenommenen Buchungen ggf. "umgehend" zu äußern, hat vielmehr unterschiedliche Bedeutung, je nachdem, ob die Wirksamkeit der betreffenden Buchungen von dem Einverständnis des Steuerpflichtigen abhängig ist:

(1) Buchungen auf nicht fällige Forderungen des FA stellen mangels fälliger Gegenforderung keine wirksame Aufrechnung dar. Eine Umbuchungsmitteilung kann in diesem Fall allenfalls als Angebot zum Abschluss eines Verrechnungsvertrags verstanden werden. Die Annahme, das FA habe mit der Umbuchungsmitteilung ein solches Vertragsangebot zum Ausdruck bringen wollen, kommt vorliegend indes insofern nicht in Betracht; denn die Forderung, mit der das FA die Aufrechnung erklärt hat, war zum Zeitpunkt der Mitteilung fällig.

(2) Bei den als Aufrechnung wirksamen Umbuchungen auf --wie im Streitfall-- fällige Gegenforderungen hingegen ist der vorgenannte Vorbehalt in der Umbuchungsmitteilung schon mangels Bestimmtheit der Voraussetzungen für die Rückabwicklung der Umbuchungen kein verbindliches Vertragsangebot, sondern nur Ausdruck der Bereitschaft des FA, einen abweichenden Verrechnungswunsch des Steuerpflichtigen entgegenzunehmen und zu prüfen. In diesem Sinne ist auch der dem vorgenannten Vorbehalt folgende Satz in der Umbuchungsmitteilung zu verstehen, der den Vorbehalt insoweit relativiert, dass Buchungswünsche im Regelfall nur bei vorgenommenen Buchungen auf noch nicht fällige Forderungen berücksichtigt werden könnten. Auch daraus wird deutlich, dass bei fälligen Gegenforderungen die Wirksamkeit der Umbuchungen nicht in das Belieben des Steuerpflichtigen gestellt werden sollte, sondern die Verrechnungs- und Tilgungswirkungen rechtsverbindlich eintreten sollten.

d) Aus dem Senatsurteil vom 5. August 1986 VII R 167/82 (BFHE 147, 398, BStBl II 1987, 8) ergibt sich nichts anderes. Eine Umbuchungsmitteilung durch die Finanzbehörde kann ein Angebot zum Abschluss eines Verrechnungsvertrags darstellen, soweit eine Aufrechnung mangels Gegenseitigkeit der Forderungen nicht in Betracht kommt. Der Senat hat hingegen eine Umbuchungsmitteilung nicht generell als Angebot zum Abschluss eines Verrechnungsvertrags verstanden wissen wollen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass nach Maßgabe der allgemeinen Auslegungsmethoden eine Erklärung, in der --wie im Streitfall-- wechselseitige Forderungen zum Zwecke der Tilgung einander gegenübergestellt werden, nur dann als Angebot zum Abschluss eines Verrechnungsvertrags gedeutet werden kann, wenn der Erklärungsempfänger davon ausgehen muss, dass der Erklärende die Voraussetzungen für eine (einseitige) Aufrechnung nicht als gegeben ansieht, er aber gleichwohl eine Tilgung der wechselseitigen Forderungen herbeiführen möchte. Dies kann insbesondere in Betracht kommen, wenn es --wie in dem Senatsurteil in BFHE 147, 398, BStBl II 1987, 8-- an der Gegenseitigkeit fehlt oder die Finanzbehörde mangels Fälligkeit ihrer eigenen Forderung (noch) nicht aufrechnen kann (vgl. Klein/Rüsken, a.a.O., § 226 Rz. 75; Kögel in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 226 AO 1977 Rz. 105; Helsper in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 226 Rz. 33, jeweils m.w.N.).

Im Streitfall konnte der Kläger nicht davon ausgehen, dass das FA mit der Umbuchungsmitteilung lediglich ein Angebot zum Abschluss eines Verrechnungsvertrags zum Ausdruck bringen wollte. Zum Zeitpunkt der Mitteilung über die vorgenommenen Umbuchungen standen sich der Umsatzsteuer-Vergütungsanspruch der Schuldnerin und der Lohnsteueranspruch des FA aufrechenbar gegenüber; eine Aufrechnungslage bestand. Der Kläger hätte daher erkennen müssen, dass das FA von einer bestehenden Aufrechnungslage ausging und dementsprechend mit der Umbuchungsmitteilung die Aufrechnung erklären wollte.

e) Schließlich hat der Senat --entgegen der Auffassung der Revision-- keinen Zweifel daran, dass die maschinell erstellte Umbuchungsmitteilung eine willensgetragene Erklärung zum Inhalt hatte. Auch wenn die Mitteilung in einem automatisierten Verfahren erstellt und versendet worden sein sollte, läge der Mitteilung eine Willensentscheidung des FA zugrunde, die sich in der Einrichtung des betreffenden elektronischen Verfahrens niederschlägt. Eine rechtsverbindliche Erklärung kann auch elektronisch erstellt und abgegeben werden (vgl. nur § 119 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 bzw. zur Abgabe einer Willenserklärung in elektronischer Form § 126 Abs. 3, § 126a BGB).

2. Aufrechnungsverbote nach der Insolvenzordnung (InsO) stehen der Aufrechnung des FA nicht entgegen. Die Aufrechnungslage bestand bereits zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Demgemäß war das FA gemäß § 94 InsO als Insolvenzgläubiger noch im Insolvenzverfahren berechtigt, die Aufrechnung gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin zu erklären. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wonach die Aufrechnung ausgeschlossen ist, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist, ist nicht einschlägig. Die Forderung der Schuldnerin, gegen die das FA aufgerechnet hat (Vergütungsanspruch aus der Umsatzsteuer-Voranmeldung für März 2001), mag zwar erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Bekanntgabe der Zustimmung nach § 168 Satz 2 AO 1977 festgesetzt worden sein. Das FG hat jedoch zutreffend geurteilt, dass der Vergütungsanspruch der Schuldnerin bereits vor Verfahrenseröffnung durch die Besteuerung der für die Leistungen vereinbarten Entgelte, also spätestens mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums März 2001 insolvenzrechtlich begründet war (vgl. Senatsurteile vom 16. November 2004 VII R 75/03, BFHE 208, 296, und vom 20. Juli 2004 VII R 28/03, BFHE 206, 321, BStBl II 2005, 10). Bereits dadurch hat die Schuldnerin einen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögenswert erlangt, was die Anwendung vorgenannter Vorschrift ausschließt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1450589

BFH/NV 2006, 7

DStRE 2006, 120

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