Leitsatz (amtlich)

Bei einem Dienstleistungsunternehmen (Vermögensverwaltung) ist eine ausgegliederte Verwaltungsabteilung nicht als Teilbetrieb anzusehen, wenn sie keinen eigenen Kundenkreis hat und ihr Wirkungskreis von demjenigen des Hauptbetriebs nicht örtlich abgrenzbar ist.

 

Normenkette

GewStG § 7; EStG § 16 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Gewerbesteuerveranlagung 1965 der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), ob Abfindungsleistungen anläßlich der Lösung eines Verwaltervertrages und der Aufgabe der mit der Verwaltung betrauten besonderen Verwaltungsabteilung zum Gewerbeertrag zu rechnen oder als Zahlungen im Zusammenhang mit der Aufgabe eines Teilbetriebes nicht zur Gewerbesteuer heranzuziehen sind.

Die Klägerin befaßte sich mit dem Erwerb von Grundstücken oder Erbbaurechten zur Bebauung oder Weiterveräußerung, der Betreuung von Bauvorhaben, der Verwaltung von Bauobjekten, Gebäuden, der Straßenunterhaltung und deren Beleuchtung, der Verwaltung von Erbbauzinsen sowie der Makler- und Gutachtertätigkeit. Auf Grund eines mit der Firma E-KG abgeschlossenen Verwaltungsvertrages oblag der Klägerin auf die Dauer von 15 Jahren unkündbar die Verwaltung der Wohnsiedlung "A" in H. Der Verwaltungsvertrag wurde mit Wirkung zum 31. Dezember 1965 vorzeitig beendet. Als Abfindung für künftigen Erlösausfall erhielt die Klägerin 262 496 DM.

Die Klägerin, die ihren Sitz ebenfalls in H hatte, erklärte diese Abfindung als Gewinn aus der Veräußerung eines Teilbetriebs. Sie hatte zur Durchführung des Verwaltungsvertrages eine ihr von der Auftraggeberin überlassene, in der Wohnsiedlung gelegene Baracke mit eigenem - wie sie behauptet besonders fachkundigem - Personal besetzt und für die Wohnsiedlung eine besondere Mietbuchhaltung eingerichtet. Zumindest der zu diesem Personal gehörende Verwalter betreute auch andere Verwaltungsobjekte der Klägerin. Die Personalangelegenheiten der Mitarbeiter (einschließlich der Lohnkontenführung, der Berechnung und Abführung der Sozialversicherungsbeiträge usw.) wurden vom Hauptbüro bearbeitet. Das Personal wurde nach Auflösung des Verwaltungsvertrages teilweise von einem Unternehmen weiterbeschäftigt, das anstelle der Klägerin die Verwaltung der Wohnsiedlung übernahm. Der Verwalter war auch weiterhin - in einem Zweitarbeitsverhältnis - für die Klägerin tätig.

Der Beklagte und Revisonsbeklagte (FA) rechnete die Abfindung zum Gewerbeertrag. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit der Revision beantragt die Klägerin, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Sie rügt die Verletzung formellen (§ 76 FGO) und materiellen Rechts (§ 7 GewStG, § 16 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 EStG, § 85 UStDB 1951). Zur Begründung ihrer Verfahrensrüge weist die Klägerin darauf hin, daß ihre Zweigstelle in A im Geschäftsverkehr unter der Firma der Klägerin "Hausverwaltung A" aufgetreten sei. Hierfür angebotene Beweise habe das FG nicht erhoben. Ferner sei die Schlußfolgerung des FA nicht zutreffend, daß die Verwaltung auch vom Hauptbüro aus geführt worden sei, weil das Hauptbüro und die Zweigstelle in H lägen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Die Abfindung gehört als Teil des Gewerbeertrages zur Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 1 und § 7 GewStG).

1. Der Gewinn aus der Veräußerung und der Aufgabe eines Teilbetriebs gehört nicht zum Gewerbeertrag i. S. des § 7 GewStG (vgl. z. B. Urteile des BFH vom 25. Mai 1962 I 78/61 S, BFHE 75, 467, BStBl III 1962, 438; vom 20. Dezember 1963 VI 336/62 U, BFHE 79, 42, BStBl III 1964, 248; vom 23. November 1967 IV 83/63, BFHE 90, 435, BStBl II 1968, 123; vom 18. November 1970 I R 116/69, BFHE 101, 112, BStBl II 1971, 182; vom 2. Februar 1972 I R 217/69, BFHE 105, 35, BStBl II 1972, 470). Werden Abfindungen für die Einschränkung eines Gewerbebetriebes geleistet, gehören diese zum laufenden Gewinn des (Rest-)Betriebes, ohne daß es darauf ankäme, ob es sich um ein Entgelt für freiwilligen Verzicht oder um eine Entschädigung handelt, die nicht durch eine werbende Tätigkeit erwirtschaftet ist (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 18. September 1962 I 206/61 U, BFHE 75, 547, BStBl III 1962, 468; vom 26. Mai 1971 I R 45/70, BFHE 102, 399, BStBl II 1971, 717, mit weiteren Nachweisen, zuletzt vom 20. März 1974 I R 198/72, BFHE 112, 157, BStBl II 1974, 486).

2. a) Ein Teilbetrieb in diesem Sinne ist ein mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil eines Gesamtbetriebs, der für sich allein lebensfähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 8. September 1971 I R 66/68, BFHE 103, 173, BStBl II 1972, 118, mit weiteren Nachweisen; vom 4. Juli 1973 I R 154/71, BFHE 110, 245, BStBl II 1973, 838). Dagegen liegt ein Betriebsteil vor (vgl. dazu BFH-Urteil vom 21. Februar 1973 IV R 168/69, BFHE 108, 233, BStBl II 1973, 361, mit weiteren Nachweisen), wenn ein Unternehmen nur organisatorisch nach örtlichen und fachlichen Gesichtspunkten aufgeteilt ist. Solche organisatorisch bedingte Abteilungen begründen innerhalb einer einheitlichen gleichartigen Gesamttätigkeit für sich allein nur dann ausreichend selbständige Teilbetriebe, wenn sie organisatorisch getrennt und für örtlich abgegrenzte Bereiche zuständig sind. Das ist z. B. anzunehmen, wenn die Teilpraxis eines Freiberuflers an einem entfernten Ort mit getrenntem Kundenkreis im Rahmen eines selbständigen Büros mit besonderem Personal ausgeübt wird (vgl. BFH-Urteile vom 10. Oktober 1963 IV 198/62 S. BFHE 78, 303, BStBl III 1964, 120; vom 6. Dezember 1963 IV 268/63 U, BFHE 78, 346, BStBl III 1964, 135; vom 14. Mai 1970 IV 136/65, BFHE 99, 126 BStBl II 1970, 566). Nach denselben Grundsätzen ist die Frage zu entscheiden, ob die Filialagentur eines Handelsvertreters selbständig ist (BFH-Urteil IV 83/63); sie sind auch für die Abgrenzung der einzelnen Tätigkeitsbereiche eines Vermögensverwaltungen durchführenden Unternehmens maßgeblich. Denn diese Merkmale dienen - für Dienstleistungsunternehmen - der Konkretisierung des für die Abgrenzung von Teilbetrieb und Betriebsteil allgemein geltenden Grundsatzes, daß die dem abgeteilten Unternehmenszweig gewidmeten sachlichen und persönlichen Betriebsmittel in ihrer Zusammenfassung einer Betätigung dienen müssen, die sich von der übrigen gewerblichen Tätigkeit des Unternehmers deutlich unterscheidet (BFH-Urteil I R 154/71). Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, dann führt die Abgabe eines Teils der Auftraggeber nur zu einer Einschränkung der gewerblichen Tätigkeit.

b) Die für die Verwaltung der Wohnsiedlung A besonders eingerichtete Hausverwaltung ist nur eine räumlich und fachlich aus der übrigen Tätigkeit des Unternehmens ausgegliederte Verwaltungsabteilung. Die Voraussetzungen eines Teilbetriebs liegen nicht vor, weil ihr die erforderliche Selbständigkeit fehlt. Sie hat - wie der Hauptbetrieb der Klägerin - den geschäftlichen Mittelpunkt ihrer Tätigkeit in H und nicht an einem entfernten Ort mit eigenem Kundenkreis.

Ohne eigenen Kundenkreis ist ein Betrieb - also auch ein Teilbetrieb - nicht lebensfähig. Er gehört - als immaterielles Wirtschaftsgut - zu den begriffsnotwendigen Voraussetzungen eines werbenden Betriebs. Aus der Sicht des Kundenkreises bestimmt sich, ob der abgeteilte Unternehmenszweig nach außen als selbständiges Wirtschaftsgebilde und "lebensfähiger Organismus" erscheint, das nach Art eines selbständigen Unternehmens betrieben wird (vgl. dazu BFH-Urteil vom 17. Juli 1969 V 68/65, BFHE 96, 227, zu § 85 UStDB 1951). Diesem Kundenkreis - hier der E-GmbH als alleinigem Auftraggeber - gegenüber ist die sachlich und personell besonders ausgestattete Hausverwaltung in A nicht als eigenständiger Gewerbebetrieb aufgetreten. Ihr oblag allein die Durchführung des Auftrags. Die Erledigung der laufenden Verwaltungstätigkeit durch außerhalb des Hauptbüros tätige Angestellte ist - worauf der BFH bereits in seinem Urteil vom 27. März 1969 IV R 113/68 (BFHE 95, 387, BStBl II 1969, 464, mit Anmerkung Hoffmann in Steuer und Wirtschaft 1970 Sp. 62) hingewiesen hat - für sich gesehen keine die Annahme eines selbständigen Zweigbetriebs rechtfertigende betriebliche Tätigkeit.

Zu den - immateriellen - Grundlagen eines werbenden Betriebes gehört auch die Möglichkeit, neue Mandanten in einem bestimmten Wirkungsfeld zu erlangen. Ob die Verwaltungsabteilung sich unter der Firma "Hausverwaltung A" einen solchen Kundenkreis, für den sie zuständig und verantwortlich gewesen wäre, schaffen konnte, ist vom FG nicht festgestellt. Selbst wenn diese Möglichkeit aber bestanden haben sollte, fehlte im Streitfall die ausreichende - klare und eindeutige - Abgrenzbarkeit dieses Wirkungsfeldes von demjenigen des Hauptbetriebes. Ein wesentliches, auf die Abgrenzungsmöglichkeit hinweisendes Merkmal ist bei Dienstleistungsunternehmen die genügende Entfernung der jeweiligen Tätigkeitsbereiche. Die Rechtsprechung hat deshalb auch nur dann die Aufgabe einer Teilpraxis angenommen, wenn der Unternehmer in einem solchen örtlich festgelegten Wirkungsbereich jede eigene Tätigkeit völlig aufgibt (vgl. BFH-Urteil IV 136/65). Eine räumliche Abgrenzbarkeit in diesem Sinne fehlt im Streitfall.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es somit nicht auf die räumlich vom übrigen Unternehmen getrennte Zusammenfassung von persönlichen und sachlichen Mitteln zur Durchführung der Verwaltung, die eigene Mietbuchhaltung für einen abgegrenzten Verwaltungsbereich und andere organisatorische Gesichtspunkte an, wenn die Abgrenzbarkeit der Geschäftsbereiche nicht gewährleistet ist. Insoweit unterhält die Klägerin nur eine weitere Betriebstätte. Die von ihr gerügten Verfahrensmängel haben deshalb auf das Ergebnis der Entscheidung keinen Einfluß. Der Senat kann es dahingestellt sein lassen, ob diese Rügen begründet sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71542

BStBl II 1975, 832

BFHE 1976, 391

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